TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/3 W238 2216535-1

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

AlVG §49
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W238 2216535-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Josef WURDITSCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Christiane BOBEK als bestellte Erwachsenenvertreterin, Mariahilfer Straße 140, 1150 Wien, gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 31.10.2018, VN XXXX , betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen diesen in der Hauptsache ergangenen Bescheid zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides

wird gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde seitens des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße (im Folgenden: AMS) mit Schreiben vom 17.05.2018 ein Kontrollmeldetermin für 27.06.2018 vorgeschrieben. Darin befindet sich eine Information über die Rechtsfolgen einer unentschuldigten Nichtbefolgung des Termins. Die Terminvorschreibung wurde am selben Tag per E-Mail an die mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 14.03.2018 für die Beschwerdeführerin bestellte Sachwalterin (nunmehr: Erwachsenenvertreterin) übermittelt.

Den Kontrollmeldetermin am 27.06.2018 nahm die Beschwerdeführerin nicht wahr.

2. Mit Bescheid des AMS Wien Esteplatz vom 31.10.2018 wurde unter Bezugnahme auf § 49 AlVG ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 27.06.2018 bis 08.08.2018 keine Notstandshilfe erhält (Spruchpunkt A). Begründend wurde diesbezüglich im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 27.06.2018 nicht eingehalten und sich erst wieder am 09.08.2018 beim AMS gemeldet habe.

Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B). Dies wurde zusammengefasst wie folgt begründet:

Eine vorläufige Auszahlung der Leistung stünde im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis, da dem AMS im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen sei. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

3. Gegen diesen Bescheid wurde am 16.11.2018 im Wege der für die Beschwerdeführerin bestellten Erwachsenenvertreterin Beschwerde erhoben, wobei der Bescheid ausdrücklich "vollinhaltlich angefochten" wurde. Darin wurde in der Sache mit näherer Begründung ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer schweren psychischen Erkrankung (organisches Psychodrom) leide. Unter Bezugnahme auf ein psychiatrisches Sachverständigengutachten vom 09.01.2018 wurde vorgebracht, dass bei der Beschwerdeführerin eine verminderte Belastbarkeit sowie eine erhebliche Desorganisationsproblematik bestehen würden, zumal sie unfähig sei, konsequent Pläne und Ziele zu verfolgen. Es liege daher krankheitsbedingt ein triftiger Grund für die Versäumung des Kontrollmeldetermins vor. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zuerkennung der Notstandshilfe vom 27.06.2018 bis 08.08.2018. Weiters wurde der Antrag gestellt, "es möge der Beschwerde im Falle einer Beschwerdevorentscheidung die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden".

4. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (erst) am 27.03.2019 vorgelegt. Seitens der belangten Behörde wurde mitgeteilt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung in Folge Fristablaufs abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0081). Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung:

3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, u.a. Folgendes ausgeführt:

"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat. (...)"

3.4. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 16.11.2018 ausschließenden Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides kein konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass der Vollzug des Bescheides vom 31.10.2018 betreffend den Verlust der Notstandshilfe vom 27.06.2018 bis 08.08.2018 die Beschwerdeführerin unverhältnismäßig hart treffen würde:

Nach der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht. In diesem Sinne erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführende Partei einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte.

Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Vorliegend führte die Beschwerdeführerin nicht aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für sie mit dem Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 27.06.2018 bis 08.08.2018 verbunden wären. Weder behauptete sie einen mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides vom 31.10.2018 verbundenen unverhältnismäßigen Nachteil noch legte sie diesbezüglich Bescheinigungsmittel vor.

Demgegenüber wurde der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vom AMS insbesondere damit schlüssig begründet, dass eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis stünde, zumal die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung nicht möglich gewesen sei.

Weiters ist zumindest prima facie nicht erkennbar, dass die Beschwerde vom 16.11.2018 gegen den Ausspruch des Verlustes der Notstandshilfe wahrscheinlich Erfolg haben wird. Schließlich ist bei der Abwägung der Interessen auch das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd § 49 Abs. 2 AlVG mit ins Kalkül zu ziehen:

Dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht liegt der Zweck zugrunde, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Kontrolltermine dienen somit der Betreuung von Arbeitslosen, der Feststellung von Vermittlungshindernissen, Schulungs- und sonstigem Unterstützungsbedarf, aber auch der Kontrolle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. VwGH 20.11.2002, 2002/08/0136; 19.09.2007, 2006/08/0221 mwH).

Um Missbräuche hinsichtlich des Leistungsbezuges in der Arbeitslosenversicherung hintanzuhalten, wurde als Sanktion für die Versäumung eines Kontrolltermins der Anspruchsverlust auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe festgelegt.

Aufgrund des öffentlichen Interesses, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, sowie des Fehlens eines substantiierten (und bescheinigten) Vorbringens der Beschwerdeführerin zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen ausgegangen ist.

3.5. Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war daher spruchgemäß abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen (Teil-)Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 27.06.2018 bis 08.08.2018) nicht vorweggenommen wird.

3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W238.2216535.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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