TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/16 VGW-171/083/4776/2017

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Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

DO Wr 1994 §94 Abs1
DO Wr 1994 §94 Abs2
DO Wr 1994 §94 Abs5
AVG §69 Abs1 Z2
AVG §69 Abs2
AVG §69 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Mag. Kummernecker als Vorsitzenden, Mag. Viti als Berichterin, Mag. Hornschall als Besitzerin und seine fachkundigen Laienrichter Mag. Hassfurther und Mag. Dr. Raab über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B., vertreten durch RA, vom 22.03.2017 gegen den Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien, Senat ..., vom 15.02.2017, Zl. ..., mit welchem Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens, Aufhebung der Suspendierungsbeschlüsse und Feststellung, dass diese Suspendierungsbeschlüsse bereits zum Zeitpunkt der Erlassung rechtswidrig waren, sowie auf Anberaumung einer Tagsatzung zur Einvernahme von Zeugen nicht stattgegeben wurde,

zu Recht erkannt:

1.

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde, soweit sie sich auf den Beschluss auf vorläufige Suspendierung bezieht, abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

2.

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde, soweit sie sich auf die Beschlüsse auf endgültige Suspendierung bezieht, Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

3.

I. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG werden die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der endgültigen Suspendierung abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

„Den Anträgen des Herrn Mag. B., vertreten durch Rechtsanwalt ... nämlich jenen vom 16.12.2016, ha eingelangt am 22. Dezember 2016, auf Wiederaufnahme des Verfahrens, Aufhebung der Suspendierungsbeschlüsse und Feststellung, dass diese Suspendierungsbeschlüsse bereits zum Zeitpunkt der Erlassung rechtswidrig waren, sowie jenen Antrag vom 4. Jänner 2017, eingelangt am 10. Jänner 2017, auf Anberaumung einer Tagsatzung zur Einvernahme von Zeugen wird gemäß § 69 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. 51/1991 in der geltenden Fassung (AVG) in Verbindung mit § 90 Abs. 1 Dienstordnung 1994 (Do 1994), LGBl. für Wien Nr. 56 in der geltenden Fassung, nach einstimmigem Beschluss der Disziplinarkommission, Senat ..., nicht stattgegeben.“

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Suspendierung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme sei, die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu treffen sei und keine endgültige Lösung darstelle. Die Verfügung der Suspendierung setze den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, welche wegen ihrer Art das Ansehen des Amtes oder Wesentliche Interessen des Dienstes gefährde. Unter Verdacht sei mehr als eine bloße Vermutung zu sehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH müsse es sich beim Verdacht einer Dienstpflichtverletzung um hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte handeln, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden könne bzw. die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertige. Es müsse somit auch nicht nachgewiesen werden, dass der Beamte die Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen habe. Diese Aufgabe komme erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Des Weiteren seien aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung und des Zweckes der Suspendierung keine umfangreichen Beweiserhebungen möglich. Das Rechtsinstrument der der Suspendierung gehöre weiters in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, welche in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen seien, um einen Zustand zunächst vorläufig zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des Disziplinarverfahrens geregelt werde. Sinn und Zweck dieser „vorläufigen Maßnahme“ sei somit die Abwehr bzw. Verhinderung von Nachteilen und Gefahren, insbesondere für das allgemeine Wohl. Wenn nach der Lage des Einzelfalls die Möglichkeit einer Suspendierung in Betracht komme, würden die zu sichernden Rechtsgüter eine rasche Entscheidung darüber gebieten, ob die Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Daher könnten an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, welche den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen würden, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Laut dem VwGH müsse im Suspendierungsbescheid das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten in groben Umrissen beschrieben werden. In der Begründung sei darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergebe. Die Verfügung der Suspendierung setze voraus, dass durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet werden würden, wobei die Erfüllung eines dieser beiden Elemente genüge. Diese Voraussetzungen seien im Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Bescheide vorgelegen. Die geltenden Bestimmungen der DO 1994 würden keine rückwirkende Aufhebung der Suspendierung vorsehen, weshalb es der belangten Behörde verwehrt sei, darüber eine Entscheidung zu treffen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die belangte Behörde die Suspendierung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 14.07.2016 aufgehoben habe, weil dieser mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 09.04.2015, Zl. ... von den wider ihn erhobenen Anklagepunkten freigesprochen worden und die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Wien vom OGH mit Beschluss vom 13.04.2016, Zl ... zurückgewiesen worden sei. Bemerkt werde auch, dass das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer mit Aktenvermerk vom 06.12.2016 von der MA 2 eingestellt und die Nachzahlung von Gehalt, Nebengebühren und Sonderzahlungen, sowie Zinsen an den Beschwerdeführer zur Anweisung gebracht worden sei.

In der gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 22.03.2017 brachte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer vor, dass der bekämpfte Bescheid aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlich rechtswidrig wäre. Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes aus:

Zur behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften werde vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer entscheidungsrelevante Tatsachen erst am 12.12.2016 bekannt geworden seien und er dies auch in seinem Wiederaufnahmeantrag ausgeführt habe. Die belangte Behörde habe sich aber im angefochtenen Bescheid nicht mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers beschäftigt, sondern habe sich darauf beschränkt, Gesetzesbestimmungen abzuschreiben. Daher bringe der Beschwerdeführer nochmals vor, er sei von seinem Dienstgeber zu Unrecht belastet worden. Es seien durch Organe des Dienstgebers bzw. durch dem Dienstgeber zurechenbare Funktionäre zahlreiche kriminelle Handlungen gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzt worden. Wenn sich die belangte Behörde mit diesen Ausführungen beschäftigt hätte, hätte sie den Anträgen des Beschwerdeführers stattgeben müssen. Zum Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhalts werde ausgeführt, dass im Antrag dezidiert ausgeführt worden sei, warum und aus welchen Gründen das rechtswidrige Vorgehen der belangten Behörde erst eine Situation geschaffen habe, welche die Suspendierung möglich gemacht habe. Die belangte Behörde habe es aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht unterlassen, diesbezüglich ein Verfahren abzuführen und Beweise zu erheben. Dies sei ein sekundärer Verfahrensmangel.

Das Begehren des Beschwerdeführers ist darauf gerichtet, der Beschwerde stattzugeben, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben und den Anträgen des Beschwerdeführers vollinhaltlich stattzugeben. In eventu wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung beantragt.

Die Beschwerde wurde unter Anschluss des Bezug habenden Aktes der belangten Behörde am 03.04.2017 (einlangend) dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt.

Das Verwaltungsgericht Wien sieht folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund des Verdachts, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben mehrfach vom Dienst suspendiert. Die Suspendierungen erfolgten mit Bescheiden vom 24.11.2010, 22.08.2014 (vorläufig) und 23.10.2014. In diesem Zusammenhang beschritt der Beschwerdeführer den Verwaltungsrechtsweg, in dessen Folge das Verwaltungsgericht Wien zunächst über die Beschwerden gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 2 vom 22.08.2014 und gegen jenen der Disziplinarkommission vom 23.10.2014 mit Beschluss bzw. Erkenntnis vom 30.01.2015, Zlen. VGW-… bzw. VGW-… entschied. Hinsichtlich der vorläufigen Suspendierung wurde die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt und hinsichtlich der endgültigen Suspendierung wurde der Bescheid bestätigt. In weiterer Folge beantragte der Beschwerdeführer am 19.02.2015 erneut die Aufhebung der Suspendierung. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der daraufhin erhobenen Beschwerde vom 30.03.2015 wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom18.05.2015, Zl. VGW-…, Folge gegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zurückverwiesen. Die Beschwerde gegen den daraufhin neuerlich erlassenen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 14.09.2015, Zl. VGW-…, abgewiesen.

Gegen den Beschwerdeführer war zur Zl. ... wegen der Verbrechen der teils versuchten, teils vollendeten Untreue nach §§ 153 Abs.1 und 2 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritte Alternative StGB, 15 Abs. 1 StGB und des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3, 15 Abs. 1 StGB anhängig. Im diesem Verfahren wurde er mit Urteil vom 09.04.2015 gemäß S 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der C. GmbH wurden vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 13. 04.2016, Zl. ... zurückgewiesen. Die Suspendierungsbeschlüsse wurden daraufhin am 14.07.2016 aufgehoben und mit Aktenvermerk vom 06.12.2016 wurde das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer von der MA 2 eingestellt und die Nachzahlung von Gehalt, Nebengebühren und Sonderzahlungen, sowie Zinsen an den Beschwerdeführer zur Anweisung gebracht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen und ergab sich widerspruchsfrei aus diesen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Weiters sind folgende Bestimmungen der Dienstordnung 1994 (DO 1994) maßgeblich:

Gemäß § 94 Abs. 1 DO 1994 hat der Magistrat hat die vorläufige Suspendierung eines Beamten zu verfügen, wenn gegen ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 74 Z 2 lit. c angeführten Delikts vorliegt oder durch seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung(en) das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

Gemäß § 94 Abs. 2 DO 1994 ist jede vorläufige Suspendierung unter Anschluss einer Sachverhaltsdarstellung unverzüglich der Disziplinarkommission im Wege des Vorsitzenden der Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt schriftlich mitzuteilen. Bis zur Entscheidung der Disziplinarkommission kann der Magistrat die vorläufige Suspendierung wegen Wegfalls der Umstände, durch die sie veranlasst worden ist, aufheben. Wurde die vorläufige Suspendierung nicht bereits vom Magistrat aufgehoben, hat die Disziplinarkommission zu entscheiden, ob sie aufzuheben oder ob die Suspendierung zu verfügen ist. Die Senatszuständigkeit richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 83 und 100 Abs. 1a und 1b. Mit der Suspendierung endet die vorläufige Suspendierung.

Gemäß § 94 Abs. 5 DO 1994 endet die Suspendierung spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss (der Einstellung) des Disziplinarverfahrens. Wurde das Disziplinarverfahren gemäß § 95 Abs. 3a teilweise fortgeführt, gilt das Disziplinarverfahren erst in dem Zeitpunkt als rechtskräftig abgeschlossen (eingestellt), in dem auch hinsichtlich der vorerst noch nicht erledigten Anschuldigungspunkte eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt (die Einstellung verfügt worden ist). Fallen die Umstände, durch die die Suspendierung des Beamten veranlasst worden ist, vorher weg, ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission unverzüglich aufzuheben.

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.

neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.

der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4.

nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.

Gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.

neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3.

das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4.

nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu 1. I.:

Hinsichtlich der begehrten Wiederaufnahme betreffend die vorläufige Suspendierung des Beschwerdeführers, verfügt mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, vom 22.08.2014, Zl. ..., ist zu sagen, dass dieser Bescheid bereits aus mehreren Gründen nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Die vorläufige Suspendierung endet gemäß § 94 Abs. 2 letzter Satz DO 1994 mit der (endgültigen) Suspendierung. Diese erfolgte mit Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 23.10.2014, Zl. .... Daher wurde auch vom Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom 30.01.2015, Zl. VGW-…, die gegen den Bescheid der MA 2 vom 22.08.2014 gerichtete Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt. Ein Verfahren, das nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kann nicht mehr wiederaufgenommen werden (siehe auch VwGH vom 15.04.1996, Zl. 94/09/0381 zur vergleichbaren Rechtslage des BDG). Der Beschwerde war daher, soweit sie sich auf die vorläufige Suspendierung bezieht, der Erfolg zu versagen.

1. II.: Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist hinsichtlich dieses Spruchteils unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Zu 2. I.:

Bezüglich des Wiederaufnahmeantrags betreffend die endgültige Suspendierung ist Folgendes zu sagen: Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass bei Wiederaufnahmeanträgen, welche ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren betreffen, der Antrag zwar gemäß § 69 Abs. 2 AVG grundsätzlich bei jener Behörde einzubringen ist, welche den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag steht aber gemäß § 69 Abs. 4 AVG jener Behörde zu, die in letzter Instanz entschieden hat. Wenn in letzter Instanz ein Unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, steht die Entscheidung diesem zu (vgl. VwGH vom 21.02.2013, Zl. 2012/12/0060). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich der endgültigen Suspendierung im gegenständlichen Fall das Verwaltungsgericht Wien (als Nachfolger der in der zitierten Entscheidung erwähnten Unabhängigen Verwaltungssenate) zuständig ist, da es über die Beschwerde hinsichtlich der endgültigen Suspendierung entschieden hat und somit das Verfahren durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossen hat. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der endgültigen Suspendierung wegen Unzuständigkeit der Disziplinarkommission der Stadt Wien aufzuheben.

Zu 2. II.: Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist hinsichtlich dieses Spruchteils unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zu 3.I.:

Da, wie weiter oben erörtert, das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich der endgültigen Suspendierung zuständig ist, ist hiermit darüber zu entscheiden. Dazu ist folgendes zu sagen: Der Beschwerdeführer beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens, die Aufhebung der Suspendierungsbeschlüsse und die Feststellung, dass diese Suspendierungsbeschlüsse bereits zum Zeitpunkt der Erlassung rechtswidrig waren. Wie bereits erwähnt, ist in diesem Spruchpunkt nur über den Beschluss der endgültigen Suspendierung zu entscheiden, da der Beschluss über die vorläufige Suspendierung durch die endgültige Suspendierung gegenstandslos geworden ist. Hinsichtlich der endgültigen Suspendierung gilt Folgendes: Wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt, sieht die Dienstordnung 1994 keine rückwirkende Aufhebung der Suspendierung vor, sie wirkt nur ex-nunc. Schon aus diesem Grund ist dem Wiederaufnahmeantrag nicht stattzugeben. Aber auch sonst liegen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 AVG bzw. 32 Abs. 1 VwVG nicht vor. Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag augenscheinlich auf Abs. 1 Z 2 der erwähnten Bestimmungen und bracht vor, dass ihm erst jetzt neue Tatsachen und Beweismittel bekannt geworden seien, die, wenn sie zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide bekannt gewesen wären, zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Dazu ist zu sagen, dass abgesehen davon, dass nicht nachvollzogen werden kann, wie der Beschwerdeführer zu der vorgelegten Verhandlungsschrift des Vergabekontrollsenats für Wien vom … gekommen ist, das sonstige Vorbringen des Beschwerdeführers im Wiederaufnahmeantrag auf seinen Vermutungen beruht und daher nicht ausreicht um mit der für die Stattgabe der Wiederaufnahme nötigen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, dass die endgültige Suspendierung bei Kenntnis der Beweismittel nicht ausgesprochen geworden wäre. Denn dazu hätte der Beschwerdeführer Nachweise vorlegen müssen, die belegen, dass der Verdacht gegen ihn von Anfang an nicht vorgelegen hat. Da dies nicht geschehen ist und der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung objektiv gegeben war (es wurde gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren der WKStA durchgeführt, welches auch zur Anklage geführt hat), liegen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vor. Dass der Beschwerdeführer letzten Endes freigesprochen wurde ist für die Suspendierung ohne Belang. Diesem Umstand hat die Dienstbehörde bereits nach Bekanntwerden des rechtskräftigen Freispruchs des Beschwerdeführers durch den Obersten Gerichtshof am 14.07.2016 Rechnung getragen, indem sie die Suspendierungsbeschlüsse aufgehoben hat und am 06.12.2016 das Disziplinarverfahren eingestellt und die Nachzahlung von Gehalt, Nebengebühren und Sonderzahlungen sowie Zinsen an den Beschwerdeführer veranlasst hat.

Zu 3.II.: Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war somit hinsichtlich aller Spruchteile spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte nach § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Darüber hinaus standen auch Art. 6 EMRK und Art. 47 EGC dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Aufgrund der geschilderten Umstände ist die auch begehrte Einvernahme von Zeugen nicht notwendig, weshalb auch aus diesem Grund die Verhandlung entfallen konnte.

Schlagworte

Wiederaufnahme; Antrag; nova reperta; vorläufige Suspendierung; Suspendierung; Zuständigkeit; Gegenstandslosigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.171.083.4776.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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