TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/23 98/21/0396

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Veröffentlicht am 23.03.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §39;
FrG 1997 §40 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs4;
SGG §16 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs3;
StGB §127;
StGB §131;
StGB §223 Abs1;
StGB §269 Abs1;
StGB §297 Abs1;
StGB §83 Abs1;
StGB §84 Abs2 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des KR, (geboren am 10. Dezember 1978), in Wiener Neustadt, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. April 1998, Zl. Fr 580/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 8. April 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen liberianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer erstmals im August 1995 illegal nach Österreich eingereist sei und über keinen Reisepass verfüge. In der Folge sei er vom evangelischen Flüchtlingsdienst Traiskirchen finanziell unterstützt worden. Am 12. Oktober 1997 sei er wegen Suchtgiftkonsums und Suchtgifthandels festgenommen und auch wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt angezeigt worden, weshalb er am 27. Jänner 1998 vom Landesgericht Wiener Neustadt wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach den §§ 12 StGB, 28 Abs. 3 erster Deliktsfall SMG und § 15 StGB, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 1 (gemeint offensichtlich: Abs. 2) Z. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, hievon acht Monate bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei.

Schon am 10. Juli 1996, rechtskräftig am 11. Juli 1996, sei er vom Jugendgerichtshof Wien wegen Zuwiderhandlungen gegen die §§ 127, 131, 297 Abs. 1, §§ 12, 223 Abs. 1 StGB, § 16 Abs. 1 SGG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.

Entgegen dem Berufungsvorbringen reiche die teilbedingte Verurteilung durch das Landesgericht Wiener Neustadt gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 (FrG) als Grundlage für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer bereits einmal vom Jugendgerichtshof Wien verurteilt worden sei, werde die Annahme, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe, gefestigt. Angesichts seines bisherigen kurzen und ungerechtfertigten Aufenthalts in Österreich und des Umstandes, dass sich seine nächsten Angehörigen in Liberia aufhielten und er keine familiären Bindungen zu in Österreich lebenden Personen habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes ein Eingriff in sein Familienleben erfolge. Der Eingriff in sein Privatleben sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten, zumal gerade bei Suchtgiftdelikten das Interesse an einem Ausschluss der Gefahr einer Beeinträchtigung der Volksgesundheit (Suchtgiftdelikte stellten auch Angriffe auf die Volksgesundheit dar) größer sei als das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.

Bei der Bemessung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei berücksichtigt worden, dass aufgrund der mehrmaligen Verurteilungen des Beschwerdeführers eine Änderung seines gesetzesmissachtenden Verhaltens zum Positiven nicht vor dem Ablauf von zehn Jahren zu erwarten sei. Nach § 39 FrG wäre auch die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes möglich.

Die Behauptung, wonach er im Fall einer Abschiebung mit schweren Folgen, allenfalls der Todesstrafe, zu rechnen hätte, sei für die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot zu erlassen sei bzw. erlassen werden dürfe, ohne Relevanz. Zur Beurteilung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Abschiebung stehe ein gesondertes Verfahren zur Verfügung, das auf Antrag des Fremden einzuleiten sei (§ 75 FrG).

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde lässt die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung vom 27. Jänner 1998 bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Ebenfalls unbekämpft bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass das der genannten Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige; auch dagegen hegt der Gerichtshof im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinen Einwand, zumal der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1996 u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde.

2.1. Die Beschwerde macht indes geltend, dass die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände mit dessen Befristung auf ein bis zwei Jahre das Auslangen hätte finden können, wobei zu würdigen gewesen wäre, dass die wesentlichen Teile der verhängten Freiheitsstrafen bedingt nachgesehen worden seien. Auch habe die belangte Behörde die Bemessung der Dauer von zehn Jahren nicht begründet.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde das vorliegende Aufenthaltsverbot mit zehn Jahren befristet, weil angesichts der mehrmaligen Verurteilungen des Beschwerdeführers eine Änderung seines gesetzesmissachtenden Verhaltens zum Positiven nicht vor Ablauf dieser Zeit zu erwarten sei. Diese Beurteilung der belangten Behörde begegnet angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und in Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1996 wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftat verurteilt worden ist, was die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr dokumentiert, keinen Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358), zumal - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - im Hinblick auf § 39 FrG auch die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig gewesen wäre.

3.1. Weiters bringt die Beschwerde vor, dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, an welchem Tag die Frist des Aufenthaltsverbotes beginne bzw. ende. Da der Eintritt der Durchsetzbarkeit dieser Maßnahme für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben sei, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde (§ 40 FrG), hätte die belangte Behörde feststellen müssen, wann der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen worden sei, zumal sonst eine exakte Vollziehung des Bescheides, der sich auf den ganzen "Schengenraum" auswirke, nicht möglich sei. Da mit dem erstinstanzlichen Bescheid eine aufschiebende Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen worden sei und damit die Frist des § 39 FrG zu laufen begonnen habe, hätte die belangte Behörde auch feststellen müssen, wann dem Beschwerdeführer dieser Bescheid zugestellt worden sei. Ferner habe die belangte Behörde in ihrem Spruch nicht die wesentlichen Teile des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides übernommen.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. So ergibt sich aus den Bestimmungen des FrG nur, dass in einem Aufenthaltsverbotsbescheid die Gültigkeitsdauer (§ 39) festzulegen ist, ohne dass die Behörde bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gehalten wäre, auch den Kalendertag des Beginns oder Endes dieses Verbots zu benennen. Die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes - bei der Vollstreckbarkeit (Durchsetzbarkeit) handelt es sich um eine Konsequenz des Bescheides, die von seinem Inhalt zu unterscheiden ist (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 576) - ergibt sich unmittelbar aus § 40 Abs. 1 FrG, wonach die Ausweisung Fremder gemäß § 33 Abs. 1 oder § 34 und das Aufenthaltsverbot mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar werden.

Im Übrigen ist die Berufungsbehörde auch nicht verhalten, im Spruch ihrer Entscheidung einen von der erstinstanzlichen Behörde ausreichend konkretisierten Bescheidspruch zu wiederholen (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 59 AVG E 92), und weist der Spruch des angefochtenen Bescheides die von § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit auf.

4. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung einen Antrag nach § 75 Abs. 1 FrG gestellt habe, weil ihm in Liberia die Todesstrafe drohe, und über diesen Antrag nicht entschieden worden sei, ist ihr zu entgegnen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich der angefochtene Aufenthaltsverbotsbescheid ist und demnach nicht auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Säumigkeit in Bezug auf den Feststellungsantrag nach § 75 Abs. 1 FrG. Sollte mit diesem Beschwerdevorbringen gemeint sein, dass die belangte Behörde vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes über diesen Feststellungsantrag zu entscheiden gehabt hätte, ist der Beschwerde zu erwidern, dass keine gesetzliche Verpflichtung besteht, mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bis zur Entscheidung über einen derartigen Feststellungsantrag zuzuwarten. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 75 Abs. 4 FrG hinzuweisen, wonach bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0351).

Es ist daher die weitere Rüge, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht entsprechend dem § 75 Abs. 2 zweiter Halbsatz FrG belehrt habe, nicht zielführend.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998210396.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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