TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/28 VGW-101/056/15263/2017

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §8
StrSchG 1969 §3
StrSchG 1969 §5
StrSchG 1969 §17
StrSchG 1969 §18

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Zeller über die Beschwerde der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, Fachbereich Gesundheitsrecht, vom 25.09.2017, Zl. …, mit welchem der Antrag auf Akteneinsicht sowie auf (vorläufiges) Verbot zur Benützung des in zwei Bestandobjekten befindlichen Röntgenraumes zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht in das behördlich anhängige Verfahren betreffend DDr. B. C. bzw. betreffend die Bestandsobjekte in Wien, D. und E., sowie der Antrag auf Übermittlung einer kompletten Aktenabschrift gegen Kostenbekanntgabe sowie der Antrag auf ein vorläufiges Verbot zu Benützung des in den Bestandsobjekten befindlichen Röntgenraumes insbesondere aufgrund des Verdachtes einer unmittelbar drohenden Gefahr im Sinne des § 18 Strahlenschutzgesetz zurückgewiesen.

Begründend wird ausgeführt, dass die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin mit dem Rechtsvorgänger des DDr. B. C. Bestandsverträge über die oben genannten Bestandsobjekte abgeschlossen habe. DDr. B. C. sei in die Bestandsverträge eingetreten. Die Beschwerdeführerin sei Bestandgeberin der in diesen Bestandobjekten jeweils von DDr. B. C. betriebenen Zahnarztpraxen. § 17 AVG knüpfe die Akteneinsicht an die Parteistellung. Wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitze, könne anhand des AVG alleine nicht geklärt werden. Die Parteistellung müsse vielmehr aus den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften abgeleitet werden. Der gegenständliche Antrag auf Akteneinsicht beziehe sich primär auf ein, auf Antrag des DDr. B. C. geführtes Bewilligungsverfahren nach dem Strahlenschutzgesetz für ein Zahnröntgengerät. Es handle sich um ein Verfahren nach § 7 Strahlenschutzgesetz. Darin seien keine ausdrücklichen Regelungen über eine Parteistellung enthalten. Es gebe Überprüfungspflichten von amts wegen sowie die Untersagung eines Betriebes oder Vorschreibung weiterer Auflagen nach Rechtskraft einer Bewilligung. Aus dem Regelungsregime des Strahlenschutzgesetzes gehe hervor, dass zwar Unterlagen vom Bewilligungswerber beizubringen seien, im Übrigen jedoch von amts wegen zu prüfen sei. Im Rahmen dessen sei auch sicherzustellen, dass der Nachbar einer Röntgenordination keiner unzulässigen Strahlenexposition ausgesetzt sei. Die bestehenden zivilrechtlichen Ansprüche von Mietern oder Bestandgebern würden keine Rückschlüsse auf eine Parteistellung zulassen. Es sei daher kein Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf bestimmte Maßnahmen eingeräumt. Demnach käme der Beschwerdeführerin keine Parteistellung zu. Daher sei sie auch nicht zu Akteneinsicht berechtigt.

Aus der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde geht im Wesentlichen hervor, dass die Beschwerdeführerin grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft in Wien, D. und E. sei. DDr. B. C. betreibe als Bestandnehmer der Mietobjekte in Wien, D. und E. eine Zahnarztpraxis. Er habe nach dem Tod von Dr. F. G. das in diesen Mietgegenständen betriebene Unternehmen gekauft und den Arztbetrieb fortgeführt und sei in die Mietverhältnisse eingetreten. Er habe die Beschwerdeführerin informiert, dass die Magistratsabteilung 40 Informationen über die Konstruktion von Deckenkonstruktionen und Bodenkonstruktionen sowie zur Geschosshöhe der gegenständlichen Mietobjekte benötige. Aufgrund dessen habe die Beschwerdeführerin erst erfahren, dass vom Mieter offenbar ein Antrag nach dem Strahlenschutzgesetz eingebracht worden sei und ein diesbezügliches Bewilligungsverfahren bei der Magistratsabteilung 40 für ein Röntgengerät anhängig sei. Entgegen der Annahme der belangten Behörde käme ihr Parteistellung zu. Es handle sich gegenständlich um subjektive öffentliche Rechte. Es genüge die Möglichkeit der Verletzung subjektive öffentliche Rechte. Dies sei der Fall, da ionisierende Strahlung, welche von einem Röntgengerät ausgehe, für Menschen eine gesundheitsgefährdende Auswirkung haben könne. Die Beschwerdeführerin sei Eigentümerin der gesamten Liegenschaft und Vermieterin. Demnach sei sie auch vertraglich aus ihrer Stellung als Eigentümerin direkt zu Schutz und Sorgfalt gegenüber anderen Mietern verpflichtet. Im Falle von Immissionen oder Emissionen, welche aus dem Mietgegenstand von in Wien, D. und E. ausgehen würden, könnte die Beschwerdeführerin direkt auf Unterlassung oder Mietzinsminderung oder Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Ferner hätte dies Auswirkungen auf eine mögliche Wertminderung oder Unbenutzbarkeit des Objektes. Allenfalls dadurch entstehende finanzielle Last der Beseitigungskosten müsste die Beschwerdeführerin tragen.

Ferner seien die Gebäudeteile wie Decken, Böden und sonstiges Mauerwerk nicht mitvermietet. Demnach bestünde Parteistellung, welche sich auch aus den §§ 4 und 18 Strahlenschutzgesetz ergebe. Ferner würde § 3 Strahlenschutzgesetz auf andere Verwaltungsverfahren mit Parteistellung verweisen. Auf die darin verwiese der Gewerbeordnung sei hinzuweisen, dort bestünde für Nachbarn nach § 74 Gewerbeordnung Parteistellung, wenn diese ionisierende Strahlung betreffen würde. Aufgrund der Textierung und des Verweises im § 3 Strahlenschutzgesetz sei eine Zuerkennung der Parteistellung der Beschwerdeführerin rechtens. Entgegen anderer Verfahren sei eine gesonderte Berücksichtigung dieser Interessen in anderen Verwaltungsverfahren gegenständlich nicht möglich.

Sollte Ihr keine Parteistellung zukommen, so wäre die Beschwerdeführerin als Beteiligte im Sinne des § 8 AVG anzuhören. Es bestünde tatsächliches Interesse.

Vorgelegt wird unter anderem ein Auszug aus dem Grundbuch, woraus sich das Liegenschaftseigentum der Beschwerdeführerin ergibt. Ferner wird die Kopie eines Mietvertrages mit dem verstorbenen Mieter Dr. G. vorgelegt. Ebenso wurde eine Kopie des Unternehmenskaufvertrages zwischen dem verstorbenen Vormieter und dem nunmehrigen Mieter vorgelegt.

2.) Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt geht folgender Sachverhalt hervor:

Das Verfahren gründet sich auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht und Übermittlung einer Aktenabschrift sowie auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verbot der Benützung des Röntgenraumes. Die Anträge wurden am 20.09.2016 eingebracht.

Die Beschwerdeführerin beruft sich im Antrag auf ihr qualifiziertes rechtliches Interesse als Bestandgeberin über Arbeiten, Maßnahmen und Vorhaben in den Bestandsobjekten. Ebenso sei im Mietvertrag vereinbart, dass Änderungen im Bestandsobjekt bekannt zu geben seien. Dies begründe ebenso ein rechtliches Interesse.

Da die Beschwerdeführerin in Erfahrung gebracht habe, dass offensichtlich ein Verfahren des Bestandnehmers vor der belangten Behörde nach dem Strahlenschutzgesetz anhängig sei, da dieser Änderungen im Röntgentraum und dem dort befindlichen Röntgengerät vornehmen möchte, seien die allgemeinen Teile der Liegenschaft sowie darunter und darüber liegenden Bestandsobjekten betroffen. Mieter hätten Anspruch auf Untersagung und auch Ansprüche nach §§ 1096, 339, 364f ABGB infolge von Strahlenbelastung. Es könnten Immissionen bzw. Emissionswirkungen aus dem Bestandsobjekten … nicht ausgeschlossen werden. Und läge eine unmittelbar drohende Gefahr durch Strahlenquellen für andere Mieter und die Wohnhausanlage vor. Ferner drohe Gefahr durch Schäden an der Bausubstanz durch Errichtung von strahlensicheren Wänden, Böden, Decken etc.

Es bestünde daher ein Recht auf Akteneinsicht. Nach dem Schutzzweck des Strahlenschutzgesetzes bestünde ein Recht auf Kenntnis des in ihrem Haus betriebenen bzw. zu errichtenden Röntgenraums. Dies ergebe sich aus rechtsstaatlichen, verfassungskonformen (Recht auf Eigentum und Recht auf Leben) und gleichheitssatzbedingten Überlegungen. Ohne Zustimmung der Bestandgeberin könne eine Bewilligung durch die MA 40 nicht erteilt werden. Daraus ergebe sich ebenso ein Parteienrecht nach § 8 AVG. Ferner sei die Decke unterhalb der Ordination des Bestandnehmers schwer geschädigt und nicht geeignet, gegen Strahlenbelastungen Schutz zu bieten.

Es werde daher der Antrag auf Akteneinsicht gestellt sowie der Antrag auf vorläufiges Verbot der Benützung des Röntgenraums in den oben genannten beiden Bestandsobjekten aufgrund des Verdachts einer unmittelbar drohenden Gefahr im Sinne des § 18 Strahlenschutzgesetz.

Ferner sei die Parteistellung indirekt bereits anerkannt, da die Frage nach Deckenaufbau und Bodenkonstruktion die Frage betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft seien.

Mit Schreiben vom 21.10.2016 wurde ein weiterer Antrag auf Erteilung einer Auskunft im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes gestellt.

In der Folge erging ein Schriftverkehr zwischen der belangten Behörde und dem Mieter der Bestandsräumlichkeiten sowie in Aktenvermerk betreffend Fragen von Gefährdungen durch den Strahlenbetrieb.

Der Beschwerdeführerin wurde in der Folge mit Schreiben vom 13.12.2016 bezugnehmend auf den Antrag vom 21.10.2016 Auskunft erteilt bzw. diese verweigert.

3.) In der Sache fand vor dem Verwaltungsgericht Wien am 25.05.2018 antragsgemäß eine öffentliche Verhandlung statt, zu der der rechtliche Vertreter der Beschwerdeführerin sowie eine Vertreterin der belangten Behörde erschienen und folgende Angaben machten:

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gibt Folgendes zu Protokoll:

Ich verweise auf das bisherige Vorbringen.

Insbesondere möchte ich nochmals auf Parteistellung aufgrund von Rechtschutzüberlegungen hinweisen. Insbesondere gibt es sonst keine Möglichkeit in einem anderen Verfahren Parteistellung zu erlangen. Insbesondere ist das Erkenntnis, welches im angefochtenen Bescheid zitiert wird, gegenständlich nicht relevant, da die Konstellation anders ist.

Die Beschwerdeführerin ist eine österreichische GmbH.

Die Vertreterin der belangten Behörde gibt Folgendes zu Protokoll:

Ich verweise auf die Begründung des angefochtenen Bescheides.

Das angeführte Erkenntnis war nur beispielsweise.“

4.) Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Beantragt – und damit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens – war Akteneinsicht und ein vorläufiges Benützungsverbot eines Röntgenraumes in einem antragsgebundenen Bewilligungsverfahren nach dem Strahlenschutzgesetz, welches nicht mit der Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde, sondern mit einem Bestandnehmer in einer der im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Räumlichkeiten geführt wurde. Die Beschwerdeführerin ist Liegenschaftseigentümerin von Wien, E.. Diese Objekte sind an DDr. B. C. vermietet, wo er Zahnarztpraxen betreibt. Dieser hatte einen Antrag auf Bewilligung nach dem Strahlenschutzgesetz bei der belangten Behörde eingebracht. Die vorliegenden Anträge der Beschwerdeführerin fußen auf ihrer Argumentation, dass sie in diesem Verfahren als Bestandsgeberin subjektive öffentliche Rechte habe.

Akteneinsicht ist ein subjektives prozessuales Recht der Parteien eines Verfahrens. Strittig war, ob der Beschwerdeführerin subjektive öffentliche Rechte im Verfahren betreffend Antrag nach dem Strahlenschutzgesetz zukommen.

Nach § 8 AVG sind Parteien eines Verwaltungsverfahrens Personen, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichem Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Demnach kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, anhand des AVG alleine nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. Auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung in Verwaltungsangelegenheiten bestimmt sich demnach nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift an einem konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl etwa VwGH vom 24. September 2014, 2013/03/0003, mwH). § 8 AVG muss so verstanden werden, dass es auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ankommt. Die Verletzung von Rechten kann nämlich nicht Voraussetzung der Parteistellung sein. Die Parteistellung dient ja hier gerade der Beteiligung an einem Verfahren, in dem unter anderem das Eintreten einer Rechtsverletzung geprüft wird.

Prüfungsmaßstab für die Frage der Parteistellung der beschwerdeführenden Partei ist daher a priori das Strahlenschutzgesetz.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass nach § 3 Strahlenschutzgesetz die Bestimmungen der GewO und damit auch die Parteienrechte von Nachbarn nach der GewO gelten würden. Dies sei hier gegeben, da sie Bestandsgeberin sei.

Strahlenschutzrechtliche Verwaltungstätigkeiten nach anderen Rechtsvorschriften

§ 3. (1) Anlagen im Sinne des § 5 Abs. 1 oder des § 7 Abs. 1, die im Rahmen der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gewerberechts bewilligt werden sollen sowie Anlagen im Sinne des § 5 Abs. 1, des § 6 Abs. 1 oder des § 7 Abs. 1, die im Rahmen der Rechtsvorschriften des Eisenbahn-, Straßen-, Luft- und Schiffsverkehrs bewilligt werden sollen, bedürfen, sofern sie auf Grund der angeführten Rechtsvorschriften genehmigungspflichtig sind, keiner gesonderten Bewilligung nach diesem Bundesgesetz, wenn die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der daraus abgeleiteten Rechtsvorschriften eingehalten werden. Die auf den angeführten Gebieten nach den für diese maßgeblichen Rechtsvorschriften erteilten Genehmigungen gelten auch als Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 2 oder des § 6 Abs. 2 oder des § 7 Abs. 2. Im Bescheid, mit dem eine solche Genehmigung erteilt wird, ist hierauf hinzuweisen.

(2) Die Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verwaltungsakte und der von der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Strahlenschutzes erlassenen, unmittelbar anwendbaren Rechtsvorschriften kommt dem Bewilligungsinhaber zu.

Aus den dazu vorliegenden Gesetzesmaterialien (1160 d.B., XXI. GP) geht hervor:

„Die nunmehrige Regelung enthält zusammengefasst (zur leichteren Lesbarkeit) generelle Bestimmungen, welche die inhaltliche Anwendung des Strahlenschutzgesetzes und der daraus abgeleiteten Rechtsvorschriften im Bereich der gewerblichen Betriebsanlagen und im Bereich des Eisenbahn-, Straßen-, Luft- und Schiffsverkehrs (etwa für Überwachungseinrichtungen wie Brandmeldeanlagen mit Ionisationsrauchmeldern, Seilbahnen, unter Umständen auch Lagereinrichtungen) sicherstellen und welche schon bisher, allerdings jeweils wiederholt, in den §§ 5, 6 und 7 enthalten waren. Die Vorgangsweise, den Strahlenschutz in Verfahren nach anderen Rechtsgrundlagen mit zu berücksichtigen, hat sich aus Gründen der Verfahrensökonomie als zweckmäßig erwiesen. Für den gewerblichen Bereich sieht die Regelung des § 356b Gewerbeordnung 1994 vor, dass Genehmigungen (Bewilligungen) nach anderen Verwaltungsvorschriften entfallen, aber die materiellrechtlichen Genehmigungs- (Bewilligungs-) Regelungen anzuwenden sind.“

Weder aus dem Willen des Gesetzgebers noch aus dem Wortlaut des § 3 Strahlenschutzgesetz kann abgeleitet werden, dass damit Bestimmungen über subjektiv-öffentliche Rechte aus anderen Verwaltungsgebieten (hier GewO) damit auch für Belange nach dem Strahlenschutzgesetz Anwendung finden würden. Vielmehr stellt dies eine Konzentrationsbestimmung dar und mag dahinstehen, ob es sich hier um eine entsprechende gewerberechtliche Betriebsanlage handelt.

§ 5 und § 7 Strahlenschutzgesetz beinhalten Bestimmungen betreffend Bewilligung von Anlagen. Daraus ergibt sich kein Hinweis auf subjektiv-öffentliche Rechte von Dritten. Vielmehr ist aus diesem Kontext ableitbar, dass die Behörde im Bewilligungsverfahren (siehe z.B. die obligate Heranziehung von Sachverständigen nach § 5 leg.cit.) die Interessen des Gesundheitsschutzes sowie sonstiger öffentliche Interessen von Amts wegen zu wahren hat.

Beispielsweise stellt die in § 5 Abs. 9 und § 11 Strahlenschutzgesetz vorgesehene Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung weiterer Auflagen nach den Gesetzesmaterialien eine im Hinblick auf die den ionisierenden Strahlen eigenen besonderen Gefahren unbedingt notwendige Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft von Bescheiden dar. Beide Bestimmungen dienen unter anderem dem Schutzzweck des § 4 Abs. 1 Strahlenschutzgesetz, die Einwirkung ionisierender Strahlen auf den menschlichen Körper so niedrig wie möglich zu halten (vgl. VwGH Erkenntnis vom 22.11.1994, Zl. 94/11/0184). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn sich nachträglich objektive neue bzw. zusätzliche Gefahrenmomente ergeben haben, sondern auch dann, wenn (wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 5 Abs. 9 Strahlenschutzgesetz) nachträglich gewonnene Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass eine bestimmte Maßnahme eine trotz bereits erfolgten Auflagen weiterhin bestehende (so niedrig wie möglich zu haltende) Gefahr für die vorhin genannten Rechtsgüter verringern kann. In diesem Fall ist die nachträgliche Vorschreibung einer entsprechenden Auflage notwendig und daher zulässig (unter möglichster Schonung erworbener Rechte). Die Behörde hat im Rahmen der Prüfung nach § 10 Strahlenschutzgesetz der Aufgabe, den Schutz der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen zu gewährleisten, umfassend nachzukommen (vgl. VwGH, Erkenntnis vom 17.3.1992, Zl. 92/11/0014).

Ferner ist es Zweck der gemäß § 17 Strahlenschutzgesetz jährlich vorzunehmenden Sicherheitsüberprüfung zu überprüfen, ob der Betrieb den bestehenden Vorschriften gemäß erfolgt, allfällige Mängel aufzudecken und deren Behebung zu veranlassen, sowie allenfalls gemäß § 17 Abs. 2 Strahlenschutzgesetz den weiteren Betrieb der Anlage oder Strahleneinrichtung zu untersagen, wenn eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nicht gegeben und hiedurch eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft zu befürchten ist (vgl. VwGH, Erkenntnis vom 13.8.2003, Zl. 2002/11/0210).

Auch aus § 18 Strahlenschutzgesetz ist ergibt sich kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einbeziehung bei Erlassung von geeigneten Maßnahmen. Vielmehr handelt die Behörde von Amts wegen.

Aus § 8 AVG in Verbindung mit den Bestimmungen des Strahlenschutzgesetz ist daher kein subjektiv-öffentliches Recht der Beschwerdeführerin ableitbar.

Ferner muss entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes, Rechtsschutz aus rechtsstaatlichen Überlegungen auch dann gewährt werden, wenn das Gesetz ein entsprechendes Antragsrecht nicht vorsieht. Dazu ist auszuführen, dass in den dortigen Fallkonstellationen (etwa Anerkennung als Religionsgemeinschaft, Anerkennung als Leit-Ethikkommission, Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung und Recht auf Feststellung der Eignung eines Vereins zum Sachwalter, zusammenfassend dargelegt etwa in VwGH vom 28.05.2015, Ro 2014/07/0096) die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen je ein (individuelles) Antragsrecht vorsahen, ohne Ansprüche auf Abspruch durch Bescheid vorzusehen und damit ein Mangel im Rechtsschutz bestanden hätte. Diese Umstände liegen gegenständlich nicht vor, weswegen sich auch daraus kein Antragsrecht ergibt. Daher können auch rechtsstaatliche Überlegungen hier nicht Platz greifen, da aus dem StrahlenschutzG nicht eine derartige Rechtsschutzlücke abgeleitet werden kann.

Eine unmittelbare Betroffenheit im Sinne unionsrechtlicher Regelungen und damit ein Antragsrecht auf Grundlage des Unionsrechts liegt ebenso wenig vor.

Ein Antragsrecht liegt gegenständlich nicht vor. Da Akteneinsicht lediglich Parteien eines Verfahrens zukommt, war damit auch der Antrag auf Akteneinsicht in die entsprechenden Verfahren (Bewilligungsverfahren nach dem Strahlenschutzgesetz) zu versagen. Ebenso wenig liegt gegenständlich ein Antragsrecht der Beschwerdeführerin auf ein vorläufiges Benützungsverbot vor.

Es war daher spruchgemäß vorzugehen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3
B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffs „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ kann auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 131 Abs. 3 B-VG aF liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützte Rechtsprechung liegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und diese durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bisher nicht abschließend geklärt worden ist. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder formellen Rechts handeln.

Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 2014, Zl. 2014/05/0004). Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegenden) vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, bewirkt noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. VwGH Erkenntnis vom 23.9.2014, Ro 2014/01/0033). Im Beschwerdefall war vor dem Hintergrund der eindeutigen Gesetzeslage im Einzelfall eine Beweiswürdigung vorzunehmen, der über den Einzelfall hinausgehend keine Bedeutung zukommt, und war daher die ordentliche Revision nicht zuzulassen (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2014, Zl. Ra 2014/02/0039).

Schlagworte

Strahlenschutz; Röntgenanlage; Parteistellung; subjektiv-öffentliches Recht; Anlage; Bewilligung; Sicherheitsüberprüfung; Gefahr; Benützungsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.056.15263.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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