TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/12 VGW-151/V/088/4780/2019

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Veröffentlicht am 12.04.2019
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Entscheidungsdatum

12.04.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs1 Z4
NAG §11 Abs2 Z1
NAG §30 Abs1
NAG §30a
NAG §46
AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Dr. Kalteis über die Beschwerde der Frau D. E. (geb.: 1988, StA.: Serbien) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 26.07.2018, Zl. ..., mit welchem Ad 1) das aufgrund des Antrages auf Ersterteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" geführte und rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen wurde, Ad 2a) gemäß §§ 30, 30a NAG iVm § 25 Abs. 3 NAG und § 24 NAG gleichzeitig der Antrag vom 19.05.2016 auf Ersterteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" nach dem NAG aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abgewiesen wurde und Ad 2b) der am 06.07.2017 eingebrachte Verlängerungsantrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" mangels Vorliegens eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich gemäß § 24 NAG abgewiesen wurde,

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin verfügte zunächst aufgrund eines entsprechenden Antrages vom 19.5.2016 über einen Aufenthaltstitel für den Zweck "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG) mit Gültigkeit vom 19.7.2016 bis 19.7.2017.

Dieser Aufenthaltstitel wurde ihr im Hinblick auf ihre mit Herrn F. G. (geb.: 1988; serbischer Staatsangehöriger; damals Inhaber eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus") am …2015 geschlossene Ehe erteilt.

Am 6.7.2017 beantragte sie bei der belangten Behörde die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.7.2018 wurde das rechtskräftig abgeschlossene verwaltungsbehördliche Verfahren betreffend den Erstantrag der Beschwerdeführerin vom 19.5.2016 von Amts wegen wiederaufgenommen und der Erstantrag sowie der Verlängerungsantrag vom 6.7.2017 abgewiesen.

Im Wesentlichen führte die belangte Behörde dazu aus, dass es sich bei der zwischen 30.7.2013 und 18.6.2015 geführten Vorehe des F. G. mit Frau H. I. – aufgrund derer F. G. vormals einen Aufenthaltstitel für den Zweck "Familienangehöriger" erhielt und später einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" stellte – um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Da die F. G. betreffenden Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltstiteln wiederaufgenommen wurden und dessen Anträge aufgrund des Vorliegens einer früheren Aufenthaltsehe abzuweisen waren, könne die Beschwerdeführerin von F. G. keinen Aufenthaltstitel ableiten.

3. Hiergegen richtet sich die fristgerecht – und noch durch den vormals bevollmächtigten Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Mag. J. – erhobene Beschwerde, in der zusammengefasst das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten wird.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

Diese Beschwerde wurde zur hg. Zl. VGW-151/088/12086/2018 protokolliert.

4. Auch Herr F. G. erhob gegen den ihn betreffenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien/Magistratsabteilung 35 Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Diese Beschwerde wurde zur hg. Zl. VGW-151/088/12167/2018 protokolliert.

5. Beide Beschwerdesachen wurden entsprechend der damals aktuellen Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts Wien dem erkennenden Richter zur Entscheidung zugewiesen. Da es sich bei der Frage, ob es sich bei der vormals geschlossenen Ehe des F. G. mit H. I. um eine Vorfrage handelte, wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren (VGW-151/088/12086/2018) bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien im Verfahren zur Zl. VGW-151/088/12167/2018 nach § 38 AVG iVm § 17 VwGVG beschlussmäßig ausgesetzt (siehe zu alldem den hg. Beschluss vom 19.11.2018, zur Zl. VGW-151/088/12086/2018-2).

6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6.2.2019, zur Zl. VGW-151/088/12167/2018-23, wurde die Beschwerde des F. G. gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG abgewiesen. Dabei wurde mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass es sich bei der von ihm und Frau H. I. vormals geführten Ehe um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat, sodass die Wiederaufnahme der abgeschlossenen Antragsverfahren betreffend F. G. und die Abweisung aller von ihm gestellten Anträge rechtmäßig waren.

Diese Entscheidung ist seit 11.2.2019 rechtskräftig und unterliegt keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug.

7. Am 21.3.2019 und am 25.3.2019 erkundigte sich die Beschwerdeführerin nach dem sie betreffenden Verfahrensstand. Dabei teilte sie dem erkennenden Richter unter anderem mit, dass F. G. nach Erhalt des ihn betreffenden hg. Erkenntnisses Österreich verlassen habe und nach Serbien zurückgekehrt sei. Sie und F. G. seien getrennt, die Ehe würde nur noch "auf dem Papier" bestehen, in Kürze würde wohl die Scheidung eingereicht werden. Eine rechtsanwaltliche Vertretung bestehe nicht mehr; letzteres wurde seitens der Beschwerdeführerin am 26.3.2019 auch per E-Mail mitgeteilt.

II. Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin ist am …1988 geboren und serbische Staatsangehörige. Sie ist seit …2015 mit dem am …1988 geborenen serbischen Staatsangehörigen F. G. verheiratet. Eine Beziehung wurde bereits zuvor – und ununterbrochen – seit spätestens August 2013 geführt.

2. Herr F. G. war vor seiner Ehe mit der Beschwerdeführerin bereits mehrmals verheiratet. Am …2013 heiratete er die österreichische Staatsbürgerin H. I., geboren am …1977. Diese Ehe wurde zu dem Zweck geschlossen, F. G. eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen. Ein tatsächliches Familienleben im Sinne einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zwischen F. G. und H. I. wurde nicht geführt. Diese Umstände waren auch der mit F. G. durchgehend liierten Beschwerdeführerin bekannt.

Aufgrund der Ehe mit H. I. wurden F. G. Aufenthaltstitel für den Zweck "Familienangehöriger" mit Gültigkeit vom 13.1.2014 bis 13.1.2015 und vom 14.1.2015 bis 14.1.2016 erteilt. Die Ehe zwischen F. G. und H. I. wurde am 18.6.2015 rechtskräftig in Serbien wieder geschieden. Am 31.12.2015 stellte F. G. einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus"; erst hier gab er gegenüber der belangten Behörde die Scheidung von H. I. und die Eheschließung mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin an. Diesem Zweckänderungsantrag wurde stattgegeben und wurde der Aufenthaltstitel mit Gültigkeit vom 15.1.2016 bis 15.1.2019 erteilt.

3. Die Beschwerdeführerin leitet ihre aufenthaltsrechtliche Stellung von F. G. ab: Am 19.5.2016 beantragte sie unter Berufung auf ihre Ehe mit F. G. die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG). Aufgrund dieses Antrages wurde ihr der beantragte Aufenthaltstitel mit Gültigkeit vom 19.7.2016 bis 19.7.2017 erteilt.

Am 6.7.2017 beantragte sie bei der belangten Behörde die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels.

4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6.2.2019, zur Zl. VGW-151/088/12167/2018-23, wurde ausgesprochen, dass es sich bei der vormals zwischen F. G. und H. I. geführten Ehe um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat.

In der Folge hat Herr F. G. das Bundesgebiet verlassen und ist nach Serbien zurückgekehrt. Er und die Beschwerdeführerin haben sich getrennt.

III. Beweiswürdigung:

Die vorstehenden Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Die Ausführungen zum Verfahrensgang und die Feststellungen zur aufenthaltsrechtlichen Situation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem insofern unstrittigen Aktenmaterial zu Zl. VGW-151/088/12167/2018 und VGW-151/088/12086/2018. Gleiches gilt für die persönlichen Angaben zur Beschwerdeführerin, zu F. G. und zu H. I.. Die Feststellungen zur seit spätestens August 2013 zwischen F. G. und der Beschwerdeführerin geführten Beziehung sowie zur zwischen F. G. und H. I. vormals geführten Aufenthaltsehe stützen sich auf das Ergebnis des vorfrageweise und nunmehr rechtskräftig entschiedenen Verfahrens zu Zl. VGW-151/088/12167/2018. Daraus geht auch hervor, dass die Beschwerdeführerin vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwischen F. G. und H. I. Kenntnis hatte, zumal sie selbst mit F. G. seit 2013 eine Beziehung führte und belegt wurde, dass sich die drei genannten Personen seit Jahren kennen. Die Feststellungen zur Ausreise des F. G. aus dem Bundesgebiet und zu dessen Trennung von der Beschwerdeführerin stützen sich auf die von der Beschwerdeführerin selbst am 25.3.2019 telefonisch getätigten Angaben.

IV. Rechtliche Beurteilung:

1. Zur Wiederaufnahme des Erstantragsverfahrens betreffend die Beschwerdeführerin:

1.1. Der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 (iVm Abs. 3) AVG wird in der höchstgerichtlichen Judikatur dann als gegeben angesehen, wenn objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung getätigt wurden, ein Kausalitätszusammenhang zwischen diesen unrichtigen Angaben der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde besteht sowie eine Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseren Wissens in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen, vorhanden ist (vgl. die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 12 ff wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK führt (VwGH 29.6.2010, 2006/18/0484); dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ehepartner tatsächlich zusammenleben (VwGH 24.11.2000, 2000/19/0126). Beziehungen, die sich aus einer rechtmäßigen Eheschließung ergeben, sind auch dann von Art. 8 EMRK erfasst, wenn bestimmte Elemente eines typischen Familienlebens, wie z.B. eine gemeinsame Wohnung (noch) nicht vorhanden sind (VwGH 18.3.2010, 2008/22/0635). Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014).

In zeitlicher Hinsicht muss das Berufen auf ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (VwGH 27.1.2011, 2008/21/0633).

Eine für den Erwerb eines Aufenthaltstitels erforderliche tatsächliche und eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen. Vorausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen den Eheleuten, deren Intensität über die einer Beziehung zwischen Freunden in einer reinen Begegnungs- oder Gesinnungsgemeinschaft hinausgeht (Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Kommentar zum NAG, § 30 Rz 7).

Eine zunächst erfolgte Erteilung von Aufenthaltstiteln hindert die Behörde nicht, das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wiederaufzunehmen; insofern liegt in der Erteilung eines Aufenthaltstitels keine "inzidente Entscheidung, keine Wiederaufnahme zu verfügen" (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0226).

Im Falle einer Wiederaufnahme eines Verfahrens ist – aufgrund der zeitlichen Rückwirkung der Wiederaufnahme auf den Zeitpunkt vor der Titelerteilung – rechtlich gesehen nie ein Titel erteilt worden. Dies hat Wirkungen auch für jene weiteren Personen, die von einem der beiden Schein-Ehegatten ihre Aufenthaltstitel ableiten bzw. ableiteten. Wird daher hinsichtlich einer Ehe zwischen zwei Personen A und B nachgewiesen, dass insofern eine bloße Aufenthaltsehe vorgelegen ist und hat in der Zwischenzeit (zB nach Scheidung der Schein-Ehegatten) eine weitere Person C von einem der Schein-Ehegatten einen Aufenthaltstitel abgeleitet, so ist anlässlich einer Wiederaufnahme in Bezug auf das Verfahren betreffend A oder B auch das Verfahren betreffend C wiederaufzunehmen und der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen, da rechtlich gesehen jene Person, von der C’s Titel abgeleitet wurde (A oder B) selbst nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Dies zumal dann, wenn die den Aufenthaltstitel ableitende Person C vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwischen A und B Kenntnis hat, dies jedoch im Rahmen der eigenen Antragstellung verschweigt und sich zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf en Aufenthaltstitel derjenigen Person (A oder B) beruft, den diese vormals nur aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe erlangt hat.

1.2. Im zu VGW-151/088/12167/2018 geführten und vorfrageweise nunmehr rechtskräftig entschiedenen Verfahren hat sich eindeutig ergeben, dass von F. G. und H. I. ein gemeinsames Familienleben im Sinne einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war. Bei der vormals zwischen ihnen geführten Ehe – aufgrund derer F. G. Aufenthaltstitel zum Zweck "Familienangehöriger" erteilt wurden und die letztlich auch die wesentliche Voraussetzung für den späterhin an ihn erteilten Aufenthaltstitel zum Zweck "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" war – handelte es sich um eine Aufenthaltsehe. Die Ehe wurde sohin zu dem Zweck geschlossen, um F. G. einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

Da die Ehe nur zum Schein geschlossen wurde, handelte es sich bei seiner Ehe mit H. I. um eine objektiv unrichtige Angabe des F. G., die die Behörde im Ergebnis dazu bewegt hat, ihm im Rahmen der Familienzusammenführung einen Aufenthaltstitel zu erteilen, diesen in Folge zu verlängern und nach der Ehescheidung im Wege eines Zweckänderungsverfahrens eine "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" nach § 27 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG zu erteilen und diese zu verlängern. Somit war auch ein Kausalitätszusammenhang gegeben. Die Wiederaufnahme seiner Verfahren erfolgte daher – mittlerweile mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6.2.2019 rechtskräftig bestätigt – zu Recht.

Da die F. G. betreffenden Verfahren mit der Wiederaufnahme in das Stadium vor der jeweiligen Titelerteilung zurück traten, fiel auch die Grundlage für die Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Beschwerdeführerin D. E. weg. Dies deswegen, weil sie sich zwecks Beantragung von Aufenthaltstiteln auf ihre Ehe mit F. G. berief und sich sohin ihre aufenthaltsrechtliche Situation von jener des F. G. ableitet. Die Beschwerdeführerin D. E. hat trotz Kenntnis des früheren Vorliegens einer Aufenthaltsehe zwischen ihrem nunmehrigen Ehegatten F. G. und H. I. diesen Umstand anlässlich ihrer eigenen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln verschwiegen. Auch sie hat daher im Rahmen der sie betreffenden Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltstiteln objektiv unwahre Angaben getätigt und bewirkt, dass ihr ein Aufenthaltstitel für den Zweck "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG) mit Gültigkeit vom 19.7.2016 bis 19.7.2017 erteilt wurde. Somit liegt auch zwischen ihrem Verhalten und der an sie erfolgten Titelerteilung ein Kausalitätszusammenhang vor.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Wiederaufnahme des die Beschwerdeführerin betreffenden aufenthaltsrechtlichen Verfahrens erfolgte daher zu Recht.

2. Zu den Antragsabweisungen betreffend die Beschwerdeführerin:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG während des Bestehens einer Aufenthaltsehe anwendbar (VwGH 26.2.2013, 2009/22/0081). Allerdings darf die Behörde bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf schließen, dass der künftige Aufenthalt des Fremden eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung stellt nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG einen Grund dar, die Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen (vgl. etwa VwGH 24.11.2009, 2007/21/0011; VwGH 19.6.2008, 2007/18/0149). Somit wird durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe grundsätzlich der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG verwirklicht. Dies gilt auch hinsichtlich derjenigen Personen, die sich zur Erlangung eigener Aufenthaltstitel – wenngleich implizit, so doch wissentlich – auf eine vormals zwischen der Person, von der sie nun ihren Titel ableiten wollen, und einer dritten Person vormals geführten Aufenthaltsehe berufen. Die Antragsabweisungen erfolgten damit zu Recht. Hinsichtlich der Abweisung betreffend den (Verlängerungs-)Antrag der Beschwerdeführerin vom 6.7.2017 ist zudem auszuführen, dass die Beschwerdeführerin dem erkennenden Richter gegenüber selbst angegeben hat, dass sich F. G. nach Erlassung des ihn betreffenden Erkenntnisses nunmehr wieder in Serbien aufhält und sich von der Beschwerdeführerin getrennt hat, sodass ein zur Titelerteilung erforderliches Eheleben zwischen der Beschwerdeführerin und F. G. ohnehin nicht mehr besteht.

Hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ist auszuführen, dass sich die Beschwerdeführerin zwar seit längerem im Bundesgebiet befindet und hier auch offenkundig ein gemeinsames Kind mit dem Ehegatten F. G. geboren hat. Allerdings gründen sich die genannten Integrationsaspekte allesamt auf das Eingehen einer Ehe mit F. G. in Kenntnis des Umstandes, dass die vormals zwischen diesem und H. I. geführte Ehe – aufgrund derer F. G. Aufenthaltstitel erteilt wurden und die daher auch Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin war – eine Aufenthaltsehe war.

Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an der Erlangung eines Aufenthaltstitels steht die mit dem von ihr gesetzten bzw. mitgetragenen rechtsmissbräuchlichen Verhalten verbundene Beeinträchtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Eine Bereitschaft der Beschwerdeführerin, sich an die in Österreich geltenden fremdenrechtlichen Vorschriften zu halten, kann demnach nicht erkannt werden. Die Abwägung nach Art. 8 EMRK fällt daher zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus und kann somit nicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsehe; amtswegige Wiederaufnahme; Erschleichung; ex-tunc Wirkung; Kausalzusammenhang; Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.V.088.4780.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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