TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/21 W215 2181972-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W215 1432250-1/35E

W215 2102916-1/19E

W215 2181972-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX ,

und 3) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen Spruchpunkte I. der Bescheide des 1) Bundesasylamtes und 2) und 3) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 03.01.2013, Zahl 12 05.868-BAT, 2) 11.02.2015, Zahl 1020215704-14666149, und 3) 21.11.2017, Zahl 1171485005-171189443, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl.

Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (Beschwerdeführende Partei 1, in Folge: P1) und die Zweitbeschwerdeführerin (Beschwerdeführende Partei 2, in Folge: P2) gelangten unabhängig voneinander ins Bundesgebiet und lernten sich während ihrer Asylverfahren in Österreich kennen. Sie sind Lebensgefährten und Eltern der in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführerin (Beschwerdeführende Partei 3, in Folge: P3).

1. erstinstanzliches Verfahren von P1

P1 stellte nach illegaler Einreise ins Bundesgebiet am 14.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am 14.05.2012 führte P1 zu seinen Fluchtgründen aus, dass er seine Heimat wegen der al-Schabaab verlassen habe. Diese hätten P1 mit dem Tod bedroht und seinen Vater, sowie zwei seiner Geschwister, getötet und seinen kleinen Bruder mitgenommen.

In seiner niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt am 17.07.2012 bestätigte P1 die Richtigkeit seiner bisherigen Angaben und führte weiters aus, dass er vor dem Überfall, bei dem sein Vater und zwei seiner Geschwister - vermutlich wegen ihrer Stammeszugehörigkeit - getötet worden seien, von der al-Schabaab ständig telefonisch bedroht worden sei. Sie hätten gewollt, dass P1 für sie kämpfe. Befragt, warum gerade P1 bedroht worden sei, brachte er vor, dass dies sei auf seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban/Midgo zurückzuführen sei. Seine Familie sei deshalb ständig ausgegrenzt und unterdrückt worden.

Mit Bescheid vom 03.01.2013, Zahl 12 05.868-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag von P1 auf internationalen Schutz von 14.05.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zu. Begründend wurde ausgeführt, dass P1 keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe. So habe er in der Erstbefragung nur die Bedrohung durch al-Schabaab angegeben, im Unterschied dazu in der späteren niederschriftlichen Befragung aber als Fluchtgrund auch die Unterdrückung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit geltend gemacht, ohne aber konkrete aktuelle Bedrohungsszenarien nennen zu können. Weiters würden seine Angaben zahlreiche Widersprüche enthalten, so bezüglich des Verbleibs seines jüngeren Bruders, des Zeitpunkts seiner Flucht und der Deckung der Fluchtkosten.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 03.01.2013, Zahl 12 05.868-BAT, erhob P1 fristgerecht gegenständliche Beschwerde, nahm zu den im Bescheid angeführten Widersprüchen Bezug und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er habe schon bei der Erstbefragung auf seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban hingewiesen, aber erst später die Gelegenheit bekommen, seine Fluchtgründe zu erläutern. Die al-Schabaab hätten P1 als ältesten Sohn der Familie für ihre Zwecke rekrutieren wollen, da er schutzlos gewesen sei. Die Lage von P1 und seiner Familie sei prekärer gewesen, als für anderer Angehöriger der Minderheit der Madhiban/Midgo, da kein Schutz vom Clan zu erwarten gewesen sei. Sein Vater habe sich um die Clanzugehörigkeit wenig gekümmert und die Familie habe in einem Gebiet gewohnt, in dem sie die einzigen dieser Volksgruppe gewesen seien. Entgegen der Protokollierung in der Erstbefragung habe er Somalia bereits im Juni 2010 und nicht erst im Jahr 2011 verlassen. Dies stimme auch mit seinen Angaben in der Erstbefragung überein, wonach seine Reise "1 Jahr und 11 Monate" gedauert habe. Auch bestünde kein Widerspruch zwischen seinen Angaben, wonach er das Geld für seine Flucht von seiner Mutter erhalten, er seit dem Überfall auf seine Familie aber keinen (unmittelbaren) Kontakt zu dieser mehr gehabt habe. Vielmehr habe ihm seine Mutter das Geld über einen Freund zukommen lassen.

Der Verwaltungsakt langte im Bundesverwaltungsgericht ein und wurde zunächst der Gerichtsabteilung W105 zur Erledigung zugewiesen. Mit Erkenntnis vom 13.10.2014, Zahl W105 1432250-1/6E, wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 03.01.2013, Zahl 12 05.868-BAT, als unbegründet ab. Unter Bezugnahme auf die Beweiswürdigung der Behörde wurde das Vorbringen von P1 als unglaubwürdig erachtet und weiters ausgeführt, dass P1 nicht aufgezeigt habe, dass die erfolgten Übergriffe aufgrund der Stammes- bzw. Clanzugehörigkeit oder zum Zwecke einer Zwangsrekrutierung durch

al-Schabaab erfolgt seien. Vielmehr seien diese der vormalig herrschenden Bürgerkriegssituation in der Bundesrepublik Somalia bzw. XXXX zuzuordnen, sodass eine asylrelevante Verfolgung nicht habe erkannt werden können.

Einer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2014/01/0185, statt und hob das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass P1 konkrete Argumente vorgebracht habe, um die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene Beweiswürdigung fallbezogen begründet in Zweifel zu ziehen. Die Voraussetzungen zur Abstandnahme von der Verhandlung nach

§ 21 Abs. 7 BFA-VG seien daher nicht erfüllt gewesen und fehle es auch an einer nachvollziehbaren Begründung dafür, warum dem Vorbringen von P1 keine zielgerichtet gegen P1 gerichtete Verfolgungs- oder Gefährdungssituation zu entnehmen sei.

In der Folge wurde das Verfahren am 22.01.2016 auf Grund der damals geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W215 zur Entscheidung zugewiesen.

2. erstinstanzliches Verfahren von P2

P2 reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und stellte am 28.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In ihrer Erstbefragung am 29.05.2014 führte P2 zu ihren Fluchtgründen aus, dass al-Schabaab P2 mit einem alten Mann habe verheiraten wollen. Da P2 das nicht gewollt habe, sei ihr angedroht worden, sie zu töten.

Am 04.02.2015 wurde P2 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie im Lokal ihrer Tante einen guten Freund begrüßt habe und dabei von Männern der al-Schabaab beobachtet worden sei. Diese seien am nächsten Tag zu P2 gekommen und hätten ihr gesagt, dass sie die Regeln gebrochen habe und mit ihnen mitgehen müsse. Sie hätten P2 in ein Quartier gebracht und ihr als Strafe für den Regelverstoß eine Haft von einem Monat auferlegt. Nach diesem Monat habe ihr Vater P2 wieder abholen wollen, doch al-Schabaab habe gesagt, dass sie P2 nun mit einem älteren Mann verheiraten würden und P2 sei in ein anderes Haus gebracht worden. Nachdem ihr Vater P2 nicht habe helfen können, sei P2 zwei Tage vor der geplanten Eheschließung geflüchtet und nach XXXX zu ihrer Tante väterlicherseits gefahren, wo sie alles erzählt habe. Ihre Tante habe gehört, dass die Männer P2 bei ihrem Vater gesucht und ihn auch bedroht hätten, sodass sie P2 zur Flucht geraten und P2 zu einem Fahrzeug Richtung Kenia gebracht habe. Während ihres Aufenthaltes in Kenia habe P2 erfahren, dass ihr Vater getötet worden sei und P2 vermute, dass sie der Grund dafür sei. P2 sei drei Jahre in Kenia gewesen, dann hätten die Behörden nach Anschlägen der al-Schabaab in Kenia damit begonnen, die Somalier des Landes zu verweisen, sodass P2 weitergereist sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2015, Zahl 1020215704-14666149, wurde der Antrag von P2 auf internationalen Schutz vom 28.05.2014 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. P2 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.02.2016 erteilt. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass P2 ihr Vorbringen zur Zwangsverheiratung nicht habe glaubhaft machen können, so seien ihre Angaben vage und nicht nachvollziehbar gewesen und habe P2 keine Details schildern können.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, vom 11.02.2015, Zahl 1020215704-14666149, zugestellt am 23.11.2017, erhob P2 am 20.12.2017 fristgerecht gegenständliche Beschwerde, beantragte die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten. Begründend brachte P2 im Wesentlichen vor, dass sie ihr Vorbringen entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sehr detailliert und lebensnah gestaltet habe und sich vermeintliche Widersprüche bei einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen leicht hätten auflösen lassen könnten. P2 drohe in Somalia aufgrund der Weigerung, sich den Verhaltensregeln der radikal islamischen

al-Schabaab unterzuordnen, asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer unterstellten politischen Gesinnung. Weiters werde sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, denen Zwangsverheiratung drohe, in Somalia von erheblicher Intensität persönlich verfolgt und sei der somalische Staat nicht willens und nicht in der Lage P2 vor Verfolgung zu schützen.

Die Beschwerdevorlage vom 09.03.2015 langte am 11.03.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde ebenfalls der Gerichtsabteilung W215 zur Bearbeitung zugewiesen.

3. erstinstanzliches Verfahren von P3

Nach der Geburt von P3, als Tochter von P1 und P2, in Österreich stellte P2 für diese als deren gesetzliche Vertreterin am 19.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Dabei wurde angegeben, dass P3 keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe und sich der Antrag ausschließlich auf die Fluchtgründe des Vaters bzw. der Mutter beziehe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, Zahl 1171485005-171189443, wurde der Antrag von P3 auf internationalen Schutz vom 19.10.2017 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. P3 wurde im Familienverfahren gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.02.2018 erteilt. Zur Abweisung von Asyl wurde begründend ausgeführt, dass für P3 keine eigenen Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen vorgebracht worden seien und die Angaben ihrer gesetzlichen Vertreterin als nicht glaubhaft erachtet worden seien.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 21.11.2017, Zahl 1171485005-171189443, zugestellt am 23.11.2017, wurde für P3 am 20.12.2017 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde erhoben, die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass P3 der "sozialen Gruppe der unbeschnittenen Mädchen" angehöre, an welchen im Fall einer Rückkehr nach Somalia mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weibliche Beschneidung vorgenommen werde, sodass P3 Asyl zu gewähren sei. Auch wenn sich die Eltern gegen eine Genitalverstümmelung aussprechen würden, bleibe das reale Risiko, dass sie beschnitten werde. Oftmals werde Genitalverstümmelung durch andere Personen (insbesondere nahe Angehörige) auch ohne Verständnis der Eltern praktiziert und sei der somalische Staat nicht in der Lage, P3 vor dieser Verfolgung zu schützen.

Die Beschwerdevorlage von P3 vom 03.01.2018 langte am 05.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4. Beschwerdeverfahren von P1 bis P3:

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde zunächst für den 30.01.2018 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Da kein Rechtsberater für die Beschwerdeführer erschienen war, wurde die Verhandlung auf Wunsch von P1 und P2 vertagt.

Am 09.07.2018 wurde neuerlich eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen P1 und P2, zugleich als gesetzliche Vertreter für die minderjährige P3, sowie ihre zur Vertretung bevollmächtigte Rechtsberaterin. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits mit Schreiben vom 04.10.2017 für die Verhandlung entschuldigt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan; die P1, P2 und ihre Vertreterin verzichteten auf Ausfolgung.

Mit Schreiben vom 23.07.2018 brachte die Vertreterin der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichten ein und führte zusammengefasst aus, dass P1 und P2 aufgrund des Eingehens einer Mischehe Verfolgung drohe, sowie P3 der Gefahr einer Genitalverstümmelung ausgesetzt sei. Den P1 bis P3 sei daher Asyl nach § 3 AsylG zu gewähren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identitäten der Beschwerdeführer stehen nicht fest. P1 und P2 stammen aus XXXX , in Zentralsomalia und gelangten unabhängig voneinander illegal ins Bundesgebiet, wo sie sich während ihrer Asylverfahren in Österreich kennenlernten. Sie sind Lebensgefährten, nach moslemischem Ritus verheiratet und Eltern der in Österreich (nach)geborenen minderjährigen P3. P1 bis P3 haben die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Somalia und sind moslemischen (sunnitischen) Glaubens. P1 und P3 gehören dem Minderheitenclan der Madhiban und P2 gehört dem Mehrheitsclan der Hawiye (Wacdaan) an.

P1 hatte in der Bundesrepublik Somalia bereits eine andere traditionelle Ehe geschlossen, hat sich jedoch mittlerweile scheiden lassen bzw. gilt als nach moslemischem Ritus geschieden. In der Bundesrepublik Somalia leben seine Mutter, zwei Schwestern sowie ein Halbbruder, ein weiterer Bruder wird vermisst. Sein Vater, eine Schwester, ein Bruder sowie zwei Halbschwester sind verstorben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater von P1 und seine verstorbenen Geschwister von al-Schabaab wegen ihrer Clanzugehörigkeit und/oder wegen der Weigerung von P1, al-Schabaab beizutreten, getötet wurden.

In der Bundesrepublik Somalia leben zwei Schwestern von P2 sowie eine Tante väterlicherseits, die in XXXX wohnhaft ist. Die Mutter von P2 ist bereits im Kindesalter verstorben, der Vater von P2 ist kurz nach ihrer Ausreise im Jahr 2010 verstorben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater von P2 gezielt von Mitgliedern der al-Schabaab aufgrund der Flucht von P2 vor einer Zwangsverheiratung getötet wurde.

2. Das Vorbringen von P1 und P2 zu ihren angeblichen Gründen für die jeweilige Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat bzw. zu ihren angeblichen Gründen für ihren Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates ist nicht glaubhaft.

2.1. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 im Fall einer Rückkehr in die Bundesrepublik Somalia ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der al-Schabaab droht, weil sich P1 einer Rekrutierung durch al-Schabaab entzogen hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 wegen seiner Clanzugehörigkeit Madhiban im Herkunftsstaat verfolgt wurde oder im Fall seiner Rückkehr verfolgt werden würde.

2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass P2 vor einer Zwangsverheiratung mit einem Angehörigen der al-Schabaab geflüchtet wäre.

2.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 und P2 aufgrund ihrer unterschiedlichen Clanzugehörigkeiten und ihrer traditionellen Eheschließung nach moslemischem Ritus bzw. ihrer miteinander eingegangenen Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Somalia eine konkrete und individuelle maßgebliche Ausübung von Gewalt durch ihre jeweiligen Familien oder Clans droht.

2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die in Österreich geborene P3 im Fall einer Reise in ihren Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia einer Beschneidung ausgesetzt sein wird. Beide Elternteile lehnen eine Beschneidung ab und haben in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, eine solche keinesfalls an P3 durchführen zu lassen. Im vorliegenden Fall kann auch nicht festgestellt werden, dass die in der Bundesrepublik Somalia verbliebenen Familienmitglieder, gegen den erklärten Willen der Eltern, eine Beschneidung von P3 durchführen würden.

3. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,45 Millionen Menschen (2019, World Population Review [AA Überblick Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019]).

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt:

a) In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu.

b) Der so genannte Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

c) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Mit der für Mitte November erwarteten Präsidentschaftswahl dürfte der demokratische Prozess jedoch wieder an Momentum gewinnen. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten.

Vor diesem Hintergrund ist zu beinahe allen folgenden Abschnitten eine Dreiteilung notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden.

ad a) Süd- und Zentralsomalia

Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmänner und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am 08.02.2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29.03.2017 wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 07.03.2018).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes lähmen (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019).

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).

Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).

Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).

Präsident Farmajo war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011) und trat aufgrund politischer Differenzen mit dem Präsidenten und dem Sprecher zurück. Präsident Farmajo hat die somalische sowie die US-Staatsbürgerschaft. Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Präsident Farmajo hat angeblich auch gute Beziehungen zum Militär was einige Kommentatoren als ein viel versprechendes Zeichen für Stabilität sehen (Europäische Kommission Februar 2017).

2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 07.03.2018).

UN-Generalsekretär Antonio Guterres ernannte am 12.09.2018 mit Wirkung vom 01.10.2018 den Südafrikaner Nicholas "Fink" Haysom zum Sondergesandten für Somalia und Nachfolger von Michael Keating. Haysom ist derzeit Sondergesandter für Sudan und Südsudan. Unter Nelson Mandela diente er als Chefberater für Rechts- und Verfassungsfragen (BAMF 24.09.2018).

(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267

VOA, Voice of America, Somalis Optimistic about New President, 09.02.2017,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 24.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130)

Parteiensystem

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 07.03.2018).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 20.03.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Clan der Madhiban

Verschiedenen Quellen zufolge leben Madhiban über Somalia verstreut. Sie leben im Norden und in Zentralsomalia, so auch in Hiraan, Mogadischu und Kismayo. Laut Informationen der Asylforschungsberatung (ARC) aus dem Jahr 2017 lebten Madhiban auch über Südsomalia verstreut. Die Madhiban stammen ursprünglich aus den Distrikten Mudug und Nugal, wo sie traditionell mit verschiedenen Hawiye-Clans, darunter Gurgate, in Verbindung standen (EASO 29.01.2019).

Für die berufsständischen Gruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhiban und Boon. Zur Regierungszeit von Präsident Siyaad Barre (1969-1991) nannte man sie Dan Wadaag. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhiban oder Gabooye. Nach Angaben der meisten Gesprächspartner der Fact Finding Mission umfasst er nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir. Andere Gesprächspartner nannten eine davon abweichende Zusammensetzung, u.a. auch, dass die Gabooye ein Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen seien. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. In den 1990er Jahren kamen aber verschiedene berufsständische Gruppen insbesondere im Norden überein, die Bezeichnung als Dachbegriff ("umbrella") zu nutzen. Da es im Somalischen keine allgemeine Bezeichnung dieser Clans gibt, verwendet dieser Bericht den deutschen Ausdruck "berufsständische Gruppen". Aufgrund der regionalen Unterschiede in der Bezeichnung der verschiedenen Berufsgruppen ist es schwierig, eine zuverlässige Unterteilung vorzunehmen. Als eine der fünf wichtigsten Gruppen werden meist auch die Madhiban genannt. Die Madhiban sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum. Daneben gibt es viele weitere kleine Berufsgruppen, deren Bezeichnungen manchmal überlappend sind. Einer Quelle zufolge gibt es auch innerhalb der Berufsgruppen-Clans stärkere und schwächere Abstammungslinien, die schwächeren seien marginalisiert. Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Minderheiten einsetzt, widersprachen aber dieser Darstellung. Einer anderen Quelle zufolge sind die urbanen Gabooye generell bessergestellt als andere Berufsgruppen. Für außenstehende Somalis reicht es in der Regel zu wissen, dass jemand z.B. ein Gabooye ist. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zurzeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Xeer-Verträge wurden

-

gemäß Informationen aus dem Jahr 2009 - nur zwischen Mehrheitsclans geschlossen, Minderheiten waren meist ausgeschlossen. Sie können dem Xeer-System aber indirekt beitreten durch ein vertraglich festgelegtes Klientelverhältnis mit einem Mehrheitsclan. Das Brauchtumsrecht Xeer sieht Allianzen zwischen Gruppen vor, die Gaashaanbuur genannt werden. Dabei gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. "Adoption"). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Shegaad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Während Gabooye auf unterer Ebene noch über Repräsentanten verfügen, sind sie bei Entscheidungen auf höheren Ebenen auf Allianzen mit relevanten Clans angewiesen, um repräsentiert zu werden. Quellen der Fact Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer.

Allerdings gibt es hier auch Ausnahmen: Laut einer Quelle der Fact Finding Mission macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ein Gabooye oder ein Angehöriger eines Mehrheitsclans Täter bei einer Vergewaltigung ist - bzw. ob das Opfer Gabooye oder Mehrheitsangehörige ist. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte Quellen übereinstimmend aussagten. Dabei handelt es nicht nur um einen oberflächlichen Wandel, sondern um einen "change of mind-set"

-

selbst bei älteren Generationen. Die offizielle Anerkennung von Minderheiten Clanältesten in Somaliland hat ihren gesellschaftlichen Ruf dort generell verbessert. Ein Gesprächspartner der Fact Finding Mission ging sogar davon aus, dass in den Städten Somalilands in den nächsten Jahren die Clans zunehmend an Bedeutung verlieren und dafür die Gesellschaftsschichten bzw. soziale Klassen wichtiger werden könnten. Schon jetzt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (SEM 31.05.2017).

Zu den Gabooye gehören unter anderem die Gruppen Madhiban. Eine örtliche NGO habe laut Bericht des DIS vom Jänner 2013 in Mogadischu angegeben, marginalisierte Gruppen wie etwa die Midgan würden größere Ängste als Angehörige der größeren Clans haben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Polizei und die Sicherheitskräfte bislang "schwache Einrichtungen" seien (Accord 23.02.2013).

Die MRG (Minority Rights Group International) berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht. Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. "Mischehen" zwischen Minderheitengruppen und Hauptclans seien traditionell nur eingeschränkt möglich. Minderheitengruppen, die oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen, die von diesen ungestraft verübt würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein (Accord 12.06.2015).

Wie allgemein bekannt gelten die Madhiban - wie auch andere Angehörige berufsbezogener Kasten (Waable) - als ärmste und marginalisierteste Gruppe in Somalia. Dies wird von mehreren Quellen unzweifelhaft bestätigt. Kasten bzw. Waable bzw. Midgan bzw. Madhiban sind generell arm und leben in großer Not. Nur wenige konnten jemals die Mittel aufbringen, ins Ausland zu fliehen; so sind diese Menschen auch von Geldflüssen aus der Diaspora weitgehend ausgeschlossen. Gleichzeitig verfügen Angehörige berufsständischer Kasten nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Ständische Berufskasten haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Wenn Kinder überhaupt eingeschult werden, werden diese auch bald wieder von der Schule genommen, um sie als Arbeitskraft einzusetzen. Professor Markus Höhne zitiert die in Somaliland tätige Minderheiten-NGO VOSOMWO. Nach deren Aussagen, würden Minderheiten - und hier speziell Frauen - Grundrechte verweigert, so zum Beispiel das Recht auf Bildung. Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von "noblen" Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. Midgan oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung 23.01.2017).

In Mogadischu leben Vertreter der meisten Clans und Minderheiten. In Mogadischu kommen Menschen, über Clangrenzen hinweg, zu Arbeits-und Bildungszwecken und im sozialen Umfeld zusammen sowie um zu heiraten. Einige Gruppen von Minderheiten haben eine gut etablierte Gemeinschaft in Mogadischu, und einige haben in den letzten Jahren ihre Geschäfte und Existenzen wiederaufgebaut. Es gibt keine Aufzeichnungen über die Clan- oder Gruppenzugehörigkeit der Einwohner von Mogadischu, aber nach Angaben lokaler Auskunftspersonen sind "die meisten" Clans in der Stadt vertreten ... Außerdem sind Somalias Regierung und Parlament, in dem alle vier großen Clans in Südsomalia (Darod, Dir, Hawiye und Rahanweyne/Digil) sowie Minderheiten repräsentiert sind (siehe zum Beispiel UNSOM 2016), in Mogadischu vertreten. Obwohl Mogadischus Bevölkerung

weitgehend nach Clan-Zugehörigkeit ... und ihre Loyalität in erster

Linie beim eigenen Clan liegt, ist wichtig zu betonen, dass die Menschen in Bezug auf Arbeit, Handel, Schulbildung und andere soziale Rahmenbedingungen über die Clangrenzen hinweg zusammenkommen. Auch Leute aus verschiedenen Clans heiraten (U.K. Jänner 2019).

(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf

SEM, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html

Accord Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a-8293, 23.02.2013

Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017

EASO, Anfragebeantwortung zur somalischen Kaste der Madhiban, 29.01.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002652/SOM_Q3.pdf)

Clan der Wacdaan (Hawiye)

Die Hawiye leben hauptsächlich in Süd- und Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, die beide in und um Mogadischu großen Einfluss haben (U.K. Jänner 2019).

Die Hiraab-Clan-Vereinigung der Hawiye Clanfamilie umfasst die Mudublood (welche die Unterclans Abgaal, Wacdaan, Moobleen und Ujajeen umfasst), die Duduble, die Sheikhal und die Habar Gedir. Ab 1992 wurde Mogadischu in drei große Einflusszonen unterteilt, die zumindest bis Mitte der 2000er galten. Der nördliche Teil, der Kaaraan, Yaaqshiid, Shangani, Shibis und Teile der Bondheere-Bezirke umfasste, wurde von den Mudulood Hawiye Clanvereinigung dominiert; allen voran der Abgaal-Clan unter der Führung von Ali Mahdi (RVI 2017).

Als "asal" (Ureinwohner) von Lower Shabelle gelten: Dir/Biyamal, Rahanweyn/Digil, Benadiri, und Hawiye/Wacdaan (EASO August 2014).

Neben den arabischen, an der Küste gelegenen "Stadtstaaten", deren Abkommen heute als die Benadiri und Bajuni bekannt sind, waren die früheren Sultanate im Süden im Hinterland. In einigen Fällen bildeten sie sich als Resultat der Vermischungsdynamik von Af-Maxaa-tiri sprechenden Pastoralisten, die von Nord- nach Südsomalia migriert waren und entweder Land erobert hatten, oder sich vor allem in Af-Maay-tiri sprechende Gruppen von Agro-Pastoralisten, bekannt unter dem Namen Rahanweyn (oder Digl-Mirifle), integriert haben. Sie begannen auch, die Landwirtschaft betreibenden Bantu (wie die Jareer, Shiidle und Gosha) zu dominieren. Diese indigene sesshafte Bevölkerung des Zwischenstromlandes kombiniert von Regen bewässerte Landwirtschaft mit Rinderzucht. Von den nördlichen Pastoralisten haben sie gelernt, die Landwirtschaft auch mit der Kamelzucht zu kombinieren. Die Bevölkerung lebte mehr oder weniger permanent in Siedlungen. In manchen Gegenden sind sie Allianzen mit den ankommenden pastoralistischen Clans eingegangen. Zum Beispiel in Afgooye die Geledi der Digil mit dem Subclan Wacdaan der Hawiye. Zusammen waren diese zwei Gruppen in der Lage, die Gaalo Madow (schwarze Ungläubige) aus Warday zu vertreiben. Auf die gleiche Weise vertrieben Biimaal und Hawiye gemeinsam die Gaal Madow aus dem Gebiet südlich von Afgooye (Dr. Gundel November 2006).

In einem im Rahmen des Projekts Conflict Early Warning and Response Mechanism (CEWARN) im September 2013 veröffentlichten Bericht der Intergovernmental Authority on Development (IGAD), einer regionalen Organisation von Staaten (Dschibuti, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda) mit Sitz in Dschibuti, wird erwähnt, dass in der Region Lower Shabelle die Clans der Biyamal (Dir), Digil (Rahanweyn), Koofi (Benadiri) und Wacdaan (Hawiye) als die ursprünglichen BewohnerInnen ("asal") angesehen würden. Unterclans der Hawiye, darunter die Habar Gedir, Abgaal, Murusade und Hawadle aus Mogadischu und dem zentralen Landesteil würden als neue Siedler angesehen ("farac"). Seit dem Zusammenbruch des Staates würden diese Farac-Gemeinschaften die Region militärisch, wirtschaftlich und politisch dominieren. Die Eyle (Minderheit) und die Jareer (Somali Bantu) seien Minderheitengruppen in der Region (Accord 03.02.2016).

In Somalia gilt das System von "hosts and guests". Demnach sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste", die mit den dominanten Hawiye/Abgaal eine Vereinbarung treffen müssen (EJPD 31.05.2017).

Die Hawiye findet man in Süd- und Zentralsomalia, und insbesondere die Habar Gedir und Abgaal-Gruppen dominieren in Mogadischu. In den anderen Regionen sind die Hawiye weniger präsent, und generell begnügen sie sich mit der Kontrolle über Süd- und Zentralsomalia. "Mukulal Madow" bezeichnet die Knüpfung von Heiratsbeziehungen zwischen Rer Hamar-Haushalten (und anderen Benadiri-Gruppen) und den mächtigen "noblen" Clans (insbesondere den Hawiye-Gruppen Abgaal und Habr Gedir). Daher stehen Rer Hamar-Haushalte, die ihre Tochter bzw. Töchter an mächtige Clans verheiratet haben, bis zu einem gewissen Grad unter dem den Schutz dieser Clans (Accord 15.05.2009).

Die traditionell dominanten Clans in Mogadischu sind die Abgaal und Habr Gedir Gruppen (Hawiye). Es gibt auch Murosade (Hawiye) und Minderheiten wie die Yibr (sab) and Sheikhal.

Die ursprünglichen Einwohner von Mogadischu sind die Reer Hamar, welche laut Politikexperten Joakim Gundel, in einem Vortrag über Somalia im Jahr 2009, als Minderheit in Bezug auf Sprache und Kultur angesehen werden. Viele von ihnen leben in den alten, historischen Bezirken Mogadischus (EASO Dezember 2017).

Es gibt keine Übersicht bezüglich der Clanzusammensetzung in Mogadischu, aber Quellen sind sich einig, dass die Stadt von Hawiye-Clans dominiert wird, insbesondere von den beiden Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir. Den Quellen zufolge stellen diese Clans einen bedeutenden Teil der Bevölkerung und der Regierungstruppen in Mogadischu. Nach Einschätzung von Landinfo ist es daher in erster Linie an den Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir, als Abschreckung für potenzielle Aggressoren in Mogadischu zu erscheinen (U.K. Jänner 2019).

(EASO, Country of Origin Information Report, Somalia, Security situation, Dezember 2017,

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Somalia_security_situation_2017.pdf

EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick, August 2014, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-COIreport-Somalia_DE.pdf

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

Accord, Bericht, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.05.2009, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf

Dr. Joakim Gundel/Weltbank, The Predicament of the Oday. The role of traditional structures in security, rights, law and development in Somalia, November 2006,

http://siteresources.worldbank.org/INTJUSFORPOOR/Resources/ThePredicamentoftheOday.doc

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zu Konflikten zwischen Clans in der Stadt Merka (auch: Merca, Marka) in der Region Lower Shabelle, Zahl a-9478-2 (9479), 03.02.2016, https://www.ecoi.net/de/dokument/1393732.html

RVI, Rift Valley Institute, Landthemen in Mogadischu, 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426766/1226_1521113097_land-matters-in-mogadishu-rvi-rift-valley-forum-and-hips-2017.pdf

U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf)

"Mischehen"

Alle dazu befragten Gesprächspartner der Fact Finding Mission waren sich darin einig, dass Mehrheitsclans "Mischehen" mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies stimmt auch mit den Angaben in der Literatur überein. Dabei richtet sich dieses Tabu ausschließlich gegen diese Art von Minderheiten. In der traditionell exogamen somalischen Gesellschaft ist dies ein Nachteil, da es den Minderheitenclans verunmöglicht, Allianzen auf Augenhöhe zu schließen und Netzwerke aufzubauen. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheits-Frau einen Minderheiten-Mann heiratet, da dann ihre Kinder der Minderheit angehören werden. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch, da die Kinder eines Mehrheiten-Mannes trotz einer Minderheiten-Mutter dem Mehrheitsclan angehören. Der Druck auf "Mischehen" ist insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt, während er in den Städten etwas abgenommen haben dürfte. Eine Quelle der Fact Finding Mission gab gar an, dass eine "Mischehe" in kosmopolitischen Städten wie Mogadischu oder Kismayo "keine große Sache" sei. "Mischehen" zwischen Mehrheitsclans und berufsständischen Gruppen kommen nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Gesprächspartner der Fact Finding Mission "sehr, sehr selten" vor - insbesondere zwischen Mehrheits-Frauen und Minderheits-Männern. Es bestehen offenbar regionale Unterschiede. Im clanmässig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums ist den Mehrheitsclans tendenziell die "Reinheit" des Clans wichtiger als im stark durchmischten Süden. Deshalb sind "Mischehen" im Norden seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Eine Quelle der Fact Finding Mission gab an, dass auch die Hawiye und die Rahanweyn die Frage der "Mischehe" weniger eng sehen würden als die Isaaq. Eine weitere Quelle gab an, dass Hawiye in einer Ehe zwischen einem Hawiye-Mann und einer Minderheiten-Frau tendenziell kein großes Problem sehen. Einige wenige "Mischehen" sind auch in Jijiga in Äthiopien bekannt. Probleme können vor der eigentlichen Eheschließung beginnen. In der somalischen Gesellschaft müssen Heiratswillige bei ihren Familien einige traditionelle Verfahren absolvieren, bevor die Familien ihr Einverständnis zur Ehe geben. Wenn jemand eine Person aus einer Minderheit heiraten möchte, gelingt dies in aller Regel nicht und die Betroffenen akzeptieren das Verdikt. Selbst bei Heiraten unter Mehrheitsclans kommt es vor, dass die Familie das Einverständnis zur Heirat nicht gibt. In diesem Fall reisen die Betroffenen manchmal die Distanz von drei Tagesreisen per Kamel von ihrem Wohnort weg, wo sie nach Ansicht moderater SufiKleriker auch ohne Einverständnis ihrer Eltern heiraten dürfen. Die im islamischen Recht erforderliche Funktion des Vormunds der Braut nehmen dann drei Zeugen anstelle des Vaters der Braut ein. Auf Englisch heißen diese Heiraten als runaway marriages, auf Somalisch gubdo sireed. Nach der Rückkehr an den Wohnort akzeptieren die Familien solche Heiraten in vielen, aber nicht allen Fällen. Bekannte Städte für solche Heiraten sind Wanlaweyn für die Einwohner Mogadischus und Gabiley für die Einwohner Hargeysas. Heiraten werden von religiösen Sheikhs gemäß islamischem Recht geschlossen. Es kommt vor, dass Sheikhs von Mehrheitsclans das Schließen von "Mischehen" verweigern. Bei den Sheikhs der Minderheiten ist dies hingegen nicht der Fall. Kommt eine "Mischehe" zustande, kommt es gemäß den befragten Gesprächspartnern der Fact Finding Mission häufig vor, dass die Familienangehörigen auf der Seite des Mehrheitsclans die betroffene Person verstoßen: Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt gar ganz ab. Die Gesprächspartner der Fact Finding Mission bekräftigten aber, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt (SEM 31.05.2017).

In Mogadischu leben Vertreter der meisten Clans und Minderheiten. In Mogadischu kommen Menschen, über Clangrenzen hinweg, zu Arbeits-und Bildungszwecken und im sozialen Umfeld zusammen sowie um zu heiraten. Einige Gruppen von Minderheiten haben eine gut etablierte Gemeinschaft in Mogadischu, und einige haben in den letzten Jahren ihre Geschäfte und Existenzen wiederaufgebaut. Es gibt keine Aufzeichnungen über die Clan oder Gruppenzugehörigkeit der Einwohner von Mogadischu, aber nach Angaben lokaler Auskunftspersonen sind

"die meisten" Clans in der Stadt vertreten ... Außerdem sind

Somalias Regierung und Parlament, in dem alle vier großen Clans in Südsomalia (Darod, Dir, Hawiye und Rahanweyne/Digil) sowie Minderheiten repräsentiert sind (siehe zum Beispiel UNSOM 2016), in Mogadischu vertreten. Obwohl Mogadischus Bevölkerung weitgehend nach

Clan-Zugehörigkeit ... und ihre Loyalität in erster Linie beim

eigenen Clan liegt, ist wichtig zu betonen, dass die Menschen in Bezug auf Arbeit, Handel, Schulbildung und andere soziale Rahmenbedingungen über die Clangrenzen hinweg zusammenkommen. Auch Leute aus verschiedenen Clans heiraten (U.K. Jänner 2019).

(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf

(SEM, EJPD, S

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten