TE Vfgh Erkenntnis 2019/2/26 E4675/2018 ua

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw subsidiär Schutzberechtigten für irakische Staatsangehörige; kein Begründungswert floskelhafter Passagen sowie Widerspruch der Begründung zu den Länderberichten

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.        Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.        Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und stellten am 14. November 2014 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz. Bei der Erstbeschwerdeführerin, einer Angehörigen der Volksgruppe der Araber sunnitischen Glaubens, handelt es sich um die Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers, einem Angehörigen der Volksgruppe der Araber schiitischen Glaubens, deren gemeinsames Kind der minderjährige Drittbeschwerdeführer ist. Vor ihrer Ausreise wohnten die Beschwerdeführer zuletzt in Bagdad. Bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der Folge auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gaben die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer u.a. übereinstimmend an, dass der Zweitbeschwerdeführer wegen seines Religionsbekenntnisses bedroht worden sei.

2.       Die Anträge der Beschwerdeführer vom 14. November 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils mit Bescheid vom 19. März 2015 ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fest und setzte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3.       Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit angefochtener Entscheidung vom 24. Oktober 2018 ab. Zur "asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat" traf es folgende Feststellungen:

"Die terroristischen Aktivitäten der letzten Jahre setzten sich im Jahr 2016 fort, eine besondere Rolle spielten dabei die Anschläge des IS, insbesondere auf Städte. Bagdad war dabei am meisten betroffen, indem dort mehr als der Hälfte der aller Todesfälle verzeichnet wurden. UNAMI berichtet von nahezu täglichen Attacken mit improvisierten Sprengfallen (IEDs) von Jänner bis Oktober. Der IS führte insbesondere Angriffe auf Zivilisten in jenen Vierteln Bagdads aus, die mehrheitlich schiitisch sind. Der diesbezüglich größte Angriff des Jahres 2016 fand am 3. Juli statt. Dabei wurden im schiitisch dominierten Viertel Karrada 292 Zivilisten getötet und hunderte verletzt (USDOS 3.3.2017). Eine gewisse Sicherheit ist in Bagdad lediglich in der 'grünen' internationalen Zone (Green Zone) im Zentrum der Stadt gewährleistet (ÖB 12.2016). Die Anschläge des IS finden dabei zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden statt, der IS zielt dabei vorwiegend auf Zivilisten ab (UNAMI 1.2.2017).

Milizen und konfessioneller Konflikt

Die Vorstöße des IS im Nord- und Zentralirak 2014 und Anfang 2015 sowie das damit verbundene Sicherheitsvakuum in anderen Landesteilen haben dazu geführt, dass Milizen und Stammesführer in vielen Gegenden die Macht an sich gerissen haben, die Kriminalität zugenommen hat und insgesamt das staatliche Machtmonopol und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht wurden, einschließlich in der Hauptstadt Bagdad (UNHCR 14.11.2016). Die PMF-Milizen, die ursprünglich entstanden sind, um den IS zu bekämpfen [andere gab es allerdings auch schon vor dem IS], verrichten nun in den Stadtvierteln von Bagdad Polizeiarbeit. Dadurch konkurrieren sie mit der regulären Polizei, missachten die Gesetze und verhalten sich oft eher wie mafiöse Gruppen. Im September 2016 kam es im Zafaraniyah-Viertel sogar zu einem Kampf zwischen schiitischen Milizen und der örtlichen Polizei. Die Milizen erschweren zunehmend die Arbeit der lokalen Polizeikräfte. Führungskräfte der Polizei sind gezwungen, mit den führenden Vertretern der Milizen, die in ihrem Stadtteil operieren, zu kooperieren, gesetzt den Fall, die Viertel befänden sich überhaupt unter Polizeikontrolle. Die meisten Stadtviertel von Bagdad haben einen Stützpunkt, zumeist in Form eines Büros, der zu der jeweiligen Miliz gehört, die in dem Teil der Stadt präsent ist (manchmal sind auch mehrere Milizen in einem Viertel präsent). Laut Angaben eines Bagdader Polizisten könne man die mutmaßlichen Rechtsverletzungen der Milizen nicht ahnden; Es käme auch zu Straßenkämpfen zwischen den Milizen und die Polizei müsse neutral bleiben und würde daher nicht in die Kämpfe eingreifen (Niqash 19.1.2017).

Offiziell ist nach wie vor das sogenannte 'Baghdad Operations Command' (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Es umfasst etwa 70.000 Mitglieder, die aus Soldaten der regulären Armee, der Militärpolizei und der normalen Polizei sowie aus Geheimdiensten bestehen. Viele Bewohner haben jedoch den Eindruck, dass das BOC nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen (Niqash 19.1.2017). Daher gibt es den Ruf danach, dass die PMF-Milizen auch offiziell für die Sicherheit zuständig sein sollen, bzw den Druck, auch von Seiten verschiedener Parlamentsmitglieder, die Milizen stärker in Bagdads Sicherheitskonzept einzubinden, oder ihnen sogar die Sicherheitsagenden komplett zu übergeben und das BOC aufzulösen (IFK 25.7.2017; vgl Niqash 19.1.2017). Problematisch werden diese Entwicklungen v.a. auch auf Grund der Tatsache gesehen, dass die PMF-Milizen konfessionell sehr einseitig (schiitisch) aufgestellt sind, und einige von ihnen direkt mit dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei affiliiert sind [sowie auf Grund der von ihnen im Irak begangenen Menschenrechtsverletzungen – s. Abschnitt Menschenrechtslage] (Al-Monitor 9.6.2017). Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen (UNHCR 14.11.2016). In Bagdad wurde gemeldet, dass sunnitische Binnenvertriebene gedrängt

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 85 von 170 [sic!]

wurden, aus schiitischen und gemischt sunnitisch-schiitischen Wohngebieten auszuziehen (UNHCR 14.11.2016). Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können (IC 1.11.2016). Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus (HRW 27.1.2016; Al-Araby 17.5.2017). Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren (Al-Araby 17.5.2017). Viele Familien waren in Bagdad durch den konfessionellen Konflikt dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und sie siedelten sich zunehmend entlang konfessioneller Grenzen wieder an (IOM 31.1.2017). Somit sind separate sunnitische und schiitische Viertel entstanden. Bagdad ist weiterhin entlang konfessioneller Linien gespalten (IOM 31.1.2017). Dies geht auch aus den folgenden Grafiken hervor, die die zunehmende konfessionelle Gliederung der Stadt in den Jahren 2003, 2010 und 2016 zeigen:

Quelle: National Geographic (o.D.)

Quelle: Izady 2016

Insbesondere in den Stadtvierteln Ghazaliya, Mansur und Dawudi wurde auch von sunnitischen Moscheen berichtet, die Schikanen von Seiten der PMF-Milizen und der irakischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sind. Diese haben Checkpoints vor den Moscheen eingerichtet, an denen sie Kontrollen durchführen. Laut einem Imam käme es fast täglich zu Verhaftungen; meistens erfolge eine Freilassung nach kurzer Zeit, nach der Entrichtung eines Betrages von 2.000 bis 10.000 Dollar (AQAA 14.4.2016).

Proteste

Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Protesten in Bagdad, die v.a. mit der regierungskritischen Sadr-Bewegung in Zusammenhang stehen. Bei den im Jahr 2016 stattfindenden Protesten mit tausenden Demonstranten kam es sogar zweimal zur Durchbrechung der Barrieren zur stark befestigten 'Green Zone'. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Reaktionen der Sicherheitskräfte, bei denen letztere auf Demonstranten schossen, Dutzende wurden verletzt. Am 11. Februar 2017 kam es in Bagdad erneut zu Zusammenstößen, bei denen Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung auf schiitische Demonstranten der Sadr-Bewegung schossen, und bei denen es abermals zur Durchbrechung der Green-Zone-Barrieren kam. Dabei wurden mindestens sechs Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen vom Typ Katyusha in die Green Zone geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik (MEE 12.2.2017, vgl Standard 13.2.2017; Al-Jazeera 12.2.2017).

Statistiken

Anm: Die irakische Regierung veröffentlicht selbst keine Zahlen mehr. Es gibt im Wesentlichen drei Quellen, die Statistiken zu den Opferzahlen im Irak veröffentlichen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 87 von 170 [sic!]

UNAMI, Iraqi Body Count und Joel Wing (in 'Musings on Iraq'). Diese Zahlen unterscheiden sich betreffend der Methodik und insbesondere der Höhe der Zahlen voneinander. Es handelt sich bei keiner dieser Quellen um Schätzungen, die das wahre Ausmaß der Opferzahlen darzustellen versuchen, sondern jeweils lediglich um jene Vorfälle, die dokumentiert werden konnten. Alle drei Quellen betonen selbst, dass keinesfalls der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. (UNAMI 2016/2017; IBC 7.2017; Wing 20.7.2017; weitere Informationen zur Methodologie der der Quellen s. auch in Abschnitt Sicherheitslage). Die folgende Grafik zeigt die von UNAMI dokumentierten Zahlen der in der Provinz Bagdad in den Monaten Jänner 2015 bis Juni 2017 getöteten Zivilisten. Diese Zahlen sind laut Stellungnahme von UNAMI als absolute Mindestzahlen und nicht als vollständig anzusehen. UNAMI sei bei der Dokumentation der Vorfälle behindert worden und es könne laut UNAMI sein, dass diese Zahlen das Ausmaß der Folgen der Gewalt und der terroristischen Handlungen herunterspielen. Bundespolizisten wurden in diesen Zahlen bis November 2017 inkludiert, danach nicht mehr:

(Quelle UNAMI 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)

Die folgende Grafik veranschaulicht die von Iraqi Body Count dokumentierten monatlichen Zahlen an getöteten Zivilisten in der Provinz Bagdad:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 88 von 170 [sic!]

(IBC 7.2017)

Die folgende Grafik zeigt die monatlichen Zahlen der von Joel Wing auf 'Musings on Iraq' dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Bagdad (in blau), sowie die im Zuge derer getöteten Zivilisten (in rot) im letzten Jahr (Zeitraum Jänner bis Juni 2017). Anm: Stammesbezogene Gewalt ist wiederum nicht in die Statistik einbezogen (s.o.):

(Quelle Musings on Iraq 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)

Der folgende Auszug aus der Statistik von Joel Wing (Musings on Iraq) zeigt exemplarisch die in der Provinz Bagdad auf fast täglicher Basis stattfindenden Anschläge (s auch Stansfield 26.4.2017; vgl ÖB 12.2016).

Gewaltmonopol des Staates

Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen [sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017). Insbesondere über den Nordwesten des Irak kann die Regierung nicht die Kontrolle behalten und muss sich auf die [vorwiegend] schiitischen Milizen der PMF verlassen. Die zwei wichtigsten davon sind Asaïb Ahl al-Haq (AAH) und die Badr-Brigaden, die beide [effektiv] unter dem Kommando des Iran stehen (Stansfield 26.4.2017). Durch die staatliche Legitimierung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Staatliche Ordnungskräfte können sich teilweise nicht mehr gegen die mächtigen Milizen durchsetzen

(AA 7.2.2017)."

In den Erwägungen zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl führt das Bundesverwaltungsgericht "[f]allbezogen" wie folgt aus:

"Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind auch die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art1 Abschnitt A Z2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es den bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl VwGH 9.5.1996, Zl 95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführende Partei eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

[…]

Im gegenständlichen Fall ist es der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen ihre vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß §8 Abs1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Hinsichtlich der ins Spiel gebrachten gesundheitlichen Beschwerden wurde nicht behauptet und kann auch amtswegig nicht festgestellt werden, dass sich daraus ein Abschiebehindernis ergäbe oder diese nicht auch im Irak behandelbar wäre oder sie keinen Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung hätten.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsstaat von einer lebensbedrohenden Notlage, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des BVwG nicht gesprochen werden kann.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein 'reales Risiko', dass es derzeit durch die Rückführung der beschwerdeführenden Partei in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status eines/r subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren."

4.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der vorliegenden Beschwerde beantragt.

II.      Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

Die Begründung der angefochtenen Entscheidung erschöpft sich in einer Aneinanderreihung von floskelhaften, aus Textbausteinen zusammengesetzten Passagen ohne für den vorliegenden Einzelfall nachvollziehbaren Begründungswert (vgl VfGH 9.6.2017, E3235/2016; 21.9.2017, E786/2017; 11.6.2018, E836/2018), zumal sie dem Inhalt der herangezogenen Länderberichte offenkundig widerspricht. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführer sind somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 501,40 enthalten. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschal-satz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen.

Schlagworte

Asylrecht, Fremdenrecht, Rückkehrentscheidung, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E4675.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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