RS Vfgh 2019/3/12 G329/2018

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Veröffentlicht am 12.03.2019
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Index

22/03 Außerstreitverfahren

Norm

B-VG Art7 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
AußStrG §63, §65, §68, §161
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Zuweisung von – vor der Einantwortung geführten – Erbrechtstreitigkeiten in das außerstreitige Verfahren nach dem AußStrG; keine Unsachlichkeit der verfahrensbeschleunigenden vierzehntägigen Frist für Rekurse und Revisionsrekurse im Erbrechtsverfahren vor Einantwortung und keine Bedenken gegen die 4-wöchige Frist gegen ein Urteil in einem Erbschaftsprozess auf Grund der unterschiedlichen Regelungssysteme

Rechtssatz

Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen in §63 Abs2, §65 Abs1 und §68 Abs1 AußStrG idF BGBl I 111/2003.

Die angefochtene Wortfolge "binnen 14 [richtig: vierzehn] Tagen" in §63 Abs2 AußStrG und die angefochtene Wortfolge "binnen 14 [richtig: vierzehn] Tagen" in §68 Abs1 zweiter Satz AußStrG stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der angefochtenen (präjudiziellen) Wortfolge "beträgt 14 [richtig: vierzehn] Tage. Sie" in §65 Abs1 AußStrG. Im Fall einer bloßen Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §65 Abs1 AußStrG wäre aus den (mit-)angefochtenen Wortfolgen in §63 Abs2 AußStrG und in §68 Abs1 zweiter Satz AußStrG im Analogieweg der Schluss zu ziehen, dass auch für den Revisionsrekurs die - als verfassungswidrig erachtete - Frist von 14 Tagen gelte.

Vor dem Hintergrund, dass der OGH in seinem Antrag die näher bestimmten Wortfolgen in §63 Abs2 und §68 Abs1 zweiter Satz AußStrG nur infolge ihres untrennbaren Zusammenhanges mit der angefochtenen Wortfolge in §65 Abs1 AußStrG mitangefochten hat, ist nicht relevant, dass der OGH keine Bedenken iSd §62 Abs1 VfGG gegen die angefochtenen Wortfolgen in §63 Abs2 und §68 Abs1 AußStrG dargelegt hat. Dass mit dem Antrag die Zahl "14" und nicht das Zahlwort "vierzehn" angefochen wurde, bedeutet nicht, dass dadurch der Antrag unzulässig wäre. Es ist eindeutig erkennbar, dass die jeweils angefochtene Wortfolge in §63 Abs2, §65 Abs2 und §68 Abs1 zweiter Satz AußStrG in der korrekten Fassung des Gesetzes, dh mit dem Zahlwort "vierzehn" anstelle der Zahl "14", angefochten wurde.

Der (Zusatz-)antrag auf Aufhebung von Wortfolgen in §46 Abs1 und §48 Abs2 AußStrG, die weder in einem untrennbaren Zusammenhang noch in einem Zusammenhang mit der präjudiziellen (angefochtenen) Wortfolge in §65 Abs1 AußStrG stehen, ist hingegen als unzulässig zurückzuweisen.

Es ist dem Gesetzgeber im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn er zwischen vor und nach der Einantwortung auszutragenden (Erb-)Streitigkeiten - ungeachtet der vergleichbaren Materie - differenziert und den Streit über das Erbrecht vor Einantwortung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung dem Außerstreitverfahren zuweist. Der vom OGH angestellte (isolierte) Vergleich der Fristenregelungen für den Rekurs oder Revisionsrekurs in Erbrechtsverfahren vor Einantwortung einerseits und für die Berufung oder Revision gegen ein Urteil in einem Erbschaftsprozess andererseits lässt die Gründe für die Zuweisung des Verfahrens nach den §§161 ff AußStrG in das Regelungssystem des Außerstreitverfahrens außer Betracht. Die Anwendung der vierzehntägigen Frist auf das Erbrechtsverfahren nach den §§161 ff AußStrG ist Folge der Neuordnung des Erbrechtsstreites als außerstreitiges Verfahren und steht mit dem damit verfolgten Ziel des Gesetzgebers im Einklang, die Entscheidung über das Erbrecht vor Einantwortung zu beschleunigen.

Es ist dem VfGH weiters nicht erkennbar, dass es sich bei den ins Treffen geführten Sonderbestimmungen betreffend Rechtsmittelfristen (vgl die vierwöchige Frist nach §37 Abs3 Z15 und Z16 MRG, gegebenenfalls iVm §52 Abs2 WEG, §22 Abs4 WGG sowie §12 Z6 Landpachtgesetz im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren, §30 Abs3 EisbEG bei Beschlüssen über Enteignungsentschädigungen, §49 Abs2 KartellG 2005 bei Endentscheidungen im Kartellverfahren) um mit dem Streit über das Erbrecht nach den §§161 ff AußStrG vergleichbare Verfahrensgegenstände des Außerstreitverfahrens handelt. Dem Gesetzgeber ist es aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht verwehrt, für verschiedene Sachmaterien innerhalb des Außerstreitverfahrens differenzierende (Fristen-) Regelungen zu treffen. Angesichts der Unterschiede zwischen den vom OGH in Vergleich gezogenen Angelegenheiten des Wohnrechtes, Eisenbahnentschädigungsrechtes und Kartellrechtes zum einen und dem Streit über das Erbrecht vor Einantwortung zum anderen ist es nicht gleichheitswidrig, wenn der Gesetzgeber jeweils unterschiedliche Rechtsmittelfristen im Außerstreitverfahren vorsieht.

Im Übrigen ist dem Gesetzgeber aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn er vierzehn Tage als einen im Regelfall hinreichenden Zeitraum zur Ausführung und Erhebung eines Rekurses oder Revisionsrekurses im außerstreitigen Erbrechtsverfahren erachtet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vierzehntägige Frist im Hinblick auf Verfahren nach den §§161 ff AußStrG zu kurz bemessen und daher unsachlich wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Erbrecht, Rechtsschutz, Zivilprozess, Fristen, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:G329.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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