TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/26 Ra 2019/16/0025

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §19 Abs2
VwGVG 2014 §42
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/16/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision 1. der L P in G, 2. der E S.R.L. in J, Rumänien, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. März 2018, Zlen. VGW-002/V/086/6928/2017 und VGW-002/086/6925/2017-25, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Aussprüche über die Strafen und die Kosten des Strafverfahrens sowie über die Haftung für die Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben;

und den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 4. April 2017 wurde die Erstrevisionswerberin als

handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitrevisionswerbenden Gesellschaft der achtfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) im Tatzeitraum von 7. Juli 2016 bis 16. August 2016 um

19.10 Uhr schuldig erkannt; es wurden über sie acht Geldstrafen in der Höhe von jeweils 5.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die zweitrevisionswerbende Gesellschaft wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung verpflichtet. Die Behörde ging davon aus, dass die zweitrevisionswerbende Partei zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen auf eigenen Namen und Rechnung sowie auf eigenes Risiko veranstaltet habe. Mittels der vom Personal gegen Entgelt ausgefolgten Spielzugangskarte seien die Spieler nach Eingabe der dort enthaltenen Nummern auf den Personalcomputern zu einer Auswahl von virtuellen Walzenspielen gelangt. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend gewertet, dass die strafbare Handlung über eine längere Zeit fortgesetzt erfolgte.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien den von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden unter Neuformulierung des Spruches insoweit statt, als es den Tatzeitraum auf 16. August 2016 um 19.10 Uhr einschränkte, das Straferkenntnis hinsichtlich zweier Geräte aufhob und die diesbezüglichen Strafverfahren einstellte. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. la VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2018/16/0062 bis 0063, mwN).

Die revisionswerbenden Parteien tragen zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbot der "reformatio in peius" ab.

Die Revision erweist sich insoweit als zulässig und begründet.

5 Das Verbot der "reformatio in peius" führt dazu, dass dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - in der zweitinstanzlichen Entscheidung der Tatzeitraum reduziert wird, nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis, sofern nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis (vgl. z.B. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0719, mwN).

6 Da das Verwaltungsgericht den Tatzeitraum eingeschränkt hat und trotz Heranziehung des zusätzlichen Milderungsgrundes der Unbescholtenheit, der Berücksichtigung von Sorgepflichten und des Wegfalls, des - von der belangten Behörde angenommenen - Erschwerungsgrundes des langen Tatzeitraumes, die verhängten Strafen nicht herabgesetzt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

7 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb im Umfang der Aussprüche über die verhängten Strafen und der davon abhängigen Aussprüche über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie über die Haftung für die Strafe und die Kosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Zum übrigen Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Omer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. Marz 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit naherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games ua, C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit)

im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstande der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 55 sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, es sei Beweisantragen zur fehlenden Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor nicht gefolgt worden, ist entgegenzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision im Fall der Behauptung eines - eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfenden - Verfahrensmangels voraussetzt, dass die Revision auch von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mangelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 6.8.2018, Ra 2018/17/0094). Mit ihrem Vorbringen zeigen die revisionswerbenden Parteien die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmangel im Sinne der hg. Rechtsprechung jedoch nicht auf.

Die Revision macht schließlich zu ihrer Zulässigkeit geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht abgewichen, weil es unter der irrigen Annahme einer Außerstreitstellung der revisionswerbenden Parteien zur "Veranstaltereigenschaft" das gegenteilige Vorbringen in der Beschwerde nicht gewürdigt und die dazu gestellten Beweisantrage übergangen habe. Dazu beruft sich die Revision auf die in der Beschwerde enthaltenen Hinweise, die revisionswerbenden Parteien seien weder Betreiber noch Anbieter einer näher genannten Internetseite und hatten auch sonst nichts mit ihr zu tun, sowie die gegenständlichen Internetstationen indizierten ein Ausspielen, Organisieren oder Zugänglichmachen durch Dritte.

Dazu ist vorauszuschicken, dass die Beurteilung des Inhalts einer Beschwerde immer eine Frage der Auslegung im Einzelfall ist und eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann vorläge, wenn die Auslegung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2017/21/0006, mwN).

Wenn das Verwaltungsgericht im genannten Beschwerdevorbringen kein ausreichend substantiiertes Bestreiten der im bekämpften Straferkenntnis getroffenen Annahme erkannte, die zweitrevisionswerbende Partei habe mit den Geraten Ausspielungen im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung und Risiko veranstaltet, ist das schon deshalb nicht abwegig, weil verbotene Ausspielungen auch über Internetcomputer mit Zugang zu Glücksspielseiten angeboten werden können (vgl. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 bis 0023, mwN) und das aufgezeigte Beschwerdevorbringen ein Handeln auf eigene Rechnung der zweitrevisionswerbenden Partei nicht ausschließt.

Die revisionswerbenden Parteien zeigen somit keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher, soweit sie die Schuldsprüche betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. März 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160025.L00

Im RIS seit

09.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten