TE Vwgh Beschluss 2019/3/27 Ra 2018/12/0022

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §1;
BDG 1979 §4;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
B-VG Art133 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z2;
ProkG 1945 §3 Abs1;
ProkG 1945 §3 Abs3;
VwGG §23;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des beim Vorstand der Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamts in Wien, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2018, W129 2107260-1/9E, betreffend Verfügung des Nichteintritts der mit der Gewährung des Karenzurlaubs verbundenen Folgen gemäß § 75 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (mitbeteiligte Partei:

Mag. E B in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zum Sachverhalt und zum bisherigen Verfahrensgang wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2017, Ra 2016/12/0084, verwiesen. Demnach stand der Mitbeteiligte bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit 31. Mai 2004 in einem öffentlichrechtlichen Aktivdienstverhältnis zum Bund. Ihm wurden zur Vorbereitung auf und Absolvierung von Diplomprüfungen des Studiums der Rechtswissenschaften sowie für die Gerichtspraxis Urlaube unter Entfall der Bezüge gemäß § 75 Abs. 1 und 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, im Ausmaß von insgesamt zwei Jahren, vier Monaten und einem Tag gewährt. Der zu Beginn seiner Beamtenlaufbahn als Fachtechniker in der Verwendungsgruppe PT 6 eingesetzte Mitbeteiligte schloss in dieser Zeit das Diplomstudium der Rechtswissenschaften ab und absolvierte eine viermonatige Gerichtspraxis. Er wurde zuletzt in der Rechtsabteilung der Mobilkom Austria AG als Referent A, Abteilungsleiter und Stellvertreter des Bereichs Recht, sowie als Datenschutzbeauftragter des Unternehmens verwendet.

2 Der Verwaltungsgerichtshof kam in dem genannten Erkenntnis vom 27. Juni 2017 zur Beurteilung, dass für die Gewährung des Karenzurlaubs andere als private Interessen des Mitbeteiligten (überwiegend) maßgebend gewesen seien, sodass die erste Voraussetzung des entsprechend der Übergangsbestimmung des § 241a BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 61/1997 (nunmehr § 241a Abs. 1 BDG 1979) in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung anzuwendenden § 75 BDG 1979 vorgelegen sei und das Bundesverwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren die weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF zu prüfen habe.

3 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, dass die gemäß § 75 Abs. 2 BDG 1979 aF mit der Gewährung der Karenzurlaube (im Gesamtausmaß von zwei Jahren, vier Monaten und einem Tag) verbundenen Folgen nicht eintreten. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht ging dabei davon aus, dass der Mitbeteiligte durch das Studium der Rechtswissenschaften und die Absolvierung der Gerichtspraxis Kenntnisse und Erfahrungen erlangt habe, die bei seiner Rückkehr in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis verwertbar gewesen seien. Es lägen im Hinblick auf näher dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs berücksichtigungswürdige Gründe vor und es habe der Mitbeteiligte später tatsächlich eine höherrangige Position bekleidet, für die der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums Ernennungsvoraussetzung gewesen sei. Die Zeiten wären nach damaliger Rechtslage auch als Vordienstzeiten angerechnet worden, wenn der Mitbeteiligte nicht bei der Post/Telekom gearbeitet hätte. Die Revisionszulässigkeit verneinte das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Dienstbehörde. Der Mitbeteiligte erstatte eine Revisionsbeantwortung.

6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

9 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 12.9.2016, Ro 2015/12/0021; 26.4.2016, Ra 2015/09/0067).

10 Zunächst ist dem unter Hinweis auf § 3 Finanzprokuraturgesetz (ProkG), BGBl. I Nr. 110/2008, in der Revisionsbeantwortung erhobenen Einwand des Mitbeteiligten, dass sich die revisionswerbende Partei als Bundesbehörde keines anderen Vertreters als der Finanzprokuratur bedienen dürfe, zu entgegnen, dass das obligatorische Vertretungsmandat der Finanzprokuratur nach § 3 Abs. 1 ProkG auf Verfahren vor den ordentlichen Gerichten beschränkt ist. In allen anderen Fällen wird die Finanzprokuratur für die in Abs. 1 genannten Rechtsträger auf deren Verlangen tätig (§ 3 Abs. 3 ProkG). Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die Vertretung einer Amtspartei durch einen von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt nicht unzulässig (siehe etwa VwGH 20.9.2012, 2011/07/0235, mit Hinweis auf VwGH 13.9.2006, 2005/12/0270).

11 Die revisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit ihrer Revision dadurch als gegeben an, dass das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar begründet habe, weshalb für die vom Mitbeteiligten (zunächst) ausgeübten Tätigkeiten vertiefte juristische Kenntnisse erforderlich gewesen seien. Dem damit in der Revision behaupteten Begründungsmangel fehlt es aber schon deshalb an Relevanz, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine "Verwertbarkeit" der Kenntnisse nicht mit einer "Notwendigkeit" im Sinn einer für die Ausübung einer Tätigkeit unabdingbaren Ernennungsvoraussetzung gleichzusetzen ist (vgl. etwa VwGH 15.12.2010, 2009/12/0164; siehe zum Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn und zur Verwertbarkeit im karenzierten Dienstverhältnis auch VwGH 24.9.1997, 97/12/0178). Im vorliegenden Fall bekleidete der Mitbeteiligte nach Abschluss seiner Ausbildung im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zudem einen leitenden Posten in der Rechtsabteilung. Dass auch dafür die universitäre Ausbildung nicht erforderlich gewesen wäre, behauptet selbst die revisionswerbende Partei nicht.

12 Ebenso wenig wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aufgezeigt, wenn in der Revision in diesem Zusammenhang argumentiert wird, dass die Gerichtspraxis mangels Ernennungsvoraussetzung nicht anzurechnen gewesen wäre (vgl. VwGH 6.6.1990, 89/12/0183; 24.3.1999, 97/12/0291). Innerhalb dieser Judikatur bewegt sich auch das vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Hilfsargument der vormaligen Anrechenbarkeit der Zeit der Gerichtspraxis, womit offenkundig ein Hinweis auf § 12 Abs. 2 Z 4 lit. b Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956, in der Fassung vor BGBl. I Nr. 32/2015, intendiert war.

13 Die Zulässigkeitsausführungen zeigen insgesamt nicht konkret auf, dass das Bundesverwaltungsgericht in unvertretbarer Weise oder entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs berücksichtigungswürdige Gründe für eine Anrechnung der Zeiten des Karenzurlaubs angenommen hätte. Liegen die beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF aber vor und ist Nachsicht zu gewähren, besteht hinsichtlich des Ausmaßes der Nachsicht Ermessen (siehe dazu das in dieser Sache im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 27.6.2017, Ra 2016/12/0084, mwN). Die im Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung wirft jedoch in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (siehe etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2017/12/0118, zur Gewährung eines Karenzurlaubs nach § 75 BDG 1979). Die Ausübung des Ermessens geht, sofern - wie hier - weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, über die Umstände des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0050).

14 Wenn die revisionswerbende Partei schließlich fehlende Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer Einholung der in § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF vorgesehenen Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen durch das Bundesverwaltungsgericht moniert, zeigt sie auch insofern eine relevante Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf. So hat der Verwaltungsgerichtshof - wie auch der Verfassungsgerichtshof - in vergleichbaren Konstellationen bereits entschieden, dass in jenen Fällen, in denen die Behörde als Voraussetzung für eine dem Antrag stattgebende Entscheidung der Zustimmung einer anderen Behörde bedarf, die im Allgemeinen einer einheitlichen Handhabung des Gesetzes dient, das Zustimmungserfordernis auf diesen Verfahrensabschnitt beschränkt ist und - im Sinn des Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform interpretiert - nicht auch für das Rechtsmittelverfahren vor dem Verwaltungsgericht gilt (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0209, zum Waffengesetz 1996; VfGH 22.9.2017, E 503/2016, zum Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe auch VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, zum Arbeitslosenversicherungsgesetz).

15 Da das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung somit in keinem Fall die Zustimmung der Behörden vor seiner Entscheidung einzuholen hatte, sind die in der Revision unter diesem Gesichtspunkt aufgeworfenen Fragen nach der Anwendbarkeit des - inzwischen durch BGBl. I Nr. 60/2018 novellierten - § 17 Abs. 1 PTSG und dem darin normiert gewesenen Entfall der Notwendigkeit der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen in § 75 BDG 1979, soweit mit der Maßnahme keine Belastungen des Bundeshaushalts verbunden wären, sowie nach der im Zusammenhang mit dem Zustimmungserfordernis angesichts des § 241a BDG 1979 anzuwendenden Fassung des § 75 BDG 1979, hier nicht mehr entscheidungswesentlich und können dahingestellt bleiben.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. März 2019

Schlagworte

Ermessen VwRallg8InstanzenzugEinvernehmenserfordernis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120022.L00

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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