TE Vfgh Erkenntnis 1997/2/28 B1310/95

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art49a Abs3
B-VG Art139 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GewO 1973 §376 Z36

Leitsatz

Einstellung des Verfahrens zur Prüfung eines Teils der Wiederverlautbarungskundmachung der GewO mangels Präjudizialität aufgrund denkunmöglicher Gesetzesanwendung dieser Bestimmung durch die belangte Behörde des Anlaßbeschwerdeverfahrens; keine Anwendung der in Prüfung gezogenen Bestimmung auf ein vor der Wiederverlautbarung gestelltes Konzessionsansuchen

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die beschwerdeführende Gesellschaft, die seit 1979 über eine Gewerbeberechtigung für die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften verfügte, hatte im September 1988 den Antrag auf Erteilung einer Konzession gemäß §323a GewO 1973 gestellt, die der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 25. Jänner 1993 mit der tragenden Begründung verweigerte, daß die gemäß §323b Abs1 Z3 litb GewO 1973 im vorliegenden Fall für eine positive Erledigung erforderliche Voraussetzung fehle, daß die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe der Gesellschaft über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen und ihren Wohnsitz im Inland haben.

In der dagegen erhobenen Berufung rügte die beschwerdeführende Gesellschaft, daß die Behörde die Übergangsbestimmung des §376 Z36 GewO 1973 idF der Novelle 1988 nicht beachtet habe, die vereinfachte Bedingungen zur Erlangung einer Konzession vorsehe; diese Bedingungen seien aber alle erfüllt. Dieser Berufung gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 12. Jänner 1994 keine Folge; maßgebend für die Erteilung der Bewilligung (inzwischen war das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung durch die Gewerberechtsnovelle 1992 zum bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe geworden) sei hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen der Geschäftsführungsorgane auch §252 Abs3 GewO 1973 (, der der Sache nach dem von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen §323b Abs1 Z3 litb GewO 1973 idF vor der Novelle 1992 entsprach).

b) Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Z94/04/0047, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und führte u.a. aus:

"Die belangte Behörde, die - ohne sich tatbestandsbezogen mit dem zeitlichen Geltungsbereich des §376 Z. 36 GewO 1973 auseinanderzusetzen - von der 'sinngemäßen' Geltung dieser Norm neben §252 leg. cit. ausging, handelte daher jedenfalls rechtsirrig, wenn sie dennoch den vorliegenden Fall im dargestellten Umfang auch dem §252 Abs3 GewO 1973 unterstellte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß §42 Abs2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben."

c) Mit (Ersatz-)Bescheid vom 22. Februar 1995 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Jänner 1993 neuerlich ab. Die Übergangsbestimmung des §376 Z36 GewO 1973 könne nunmehr deshalb nicht mehr zum Tragen kommen, weil die inzwischen ergangene Wiederverlautbarung der Gewerbeordnung als GewO 1994 diese Bestimmung nicht mehr enthalte. Für die Behörde sei - angesichts des Fehlens einer Übergangsbestimmung - die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bestehende Rechtslage maßgeblich.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich der die verfassungsrechtliche Ermächtigung überschreitenden Wiederverlautbarung der GewO 1994, gerügt wird und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

3. Aus Anlaß der Behandlung dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit jener Bestimmungen in der Wiederverlautbarungskundmachung, BGBl. 194/1994, ein, mit der die GewO 1994 wiederverlautbart wurde. Mit Beschluß vom heutigen Tag, V53/96, stellte er dieses Verfahren ein, da die in Prüfung genommenen Bestimmungen angesichts der Regelung des Art49a Abs3 B-VG von der bescheiderlassenden Behörde denkunmöglich zur Begründung ihres Bescheides herangezogen worden waren und diesen Bestimmungen daher im verfassungsgerichtlichen Normenprüfungsverfahren die Präjudizialität mangelte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat im fortgesetzten Verfahren über die - zulässige (vgl. den eben zitierten Beschluß im Normprüfungsverfahren) - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10413/1985) durch einen in das Schutzgut der Erwerbsausübungsfreiheit eingreifenden Bescheid u.a. dann verletzt, wenn dieser gesetzlos ergangen ist oder bei seiner Erlassung ein Gesetz denkunmöglich angewendet wurde. Ein solcher Fehler ist, wie aus dem Beschluß des Verfassungsgerichshofes vom heutigen Tag, V53/96, hervorgeht, auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen sei, dem bekämpften Bescheid anzulasten. Er verletzt deshalb die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Gegenstandslosigkeit, Gewerberecht, Arbeitskräfteüberlassung, Wiederverlautbarung, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Anlaßverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1310.1995

Dokumentnummer

JFT_10029772_95B01310_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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