TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/2 Ra 2018/17/0142

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Veröffentlicht am 02.04.2019
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Index

E1P
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
MRK Art6
VStG §22
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §44
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision des GZ in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. Jänner 2018, LVwG-S-1985/001-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterre ich vom 28. Juni 2016 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit vier Glücksspielgeräten schuldig erkannt; es wurde über ihn eine Gesamtstrafe in der Höhe von EUR 12.000,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in welcher er unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - teilweise statt und setzte die verhängte Geldstrafe auf EUR 9.000,-

- (sowie die Ersatzfreiheitstrafe) herab. Die Kosten des behördlichen Verfahrens wurden mit EUR 900,-- bestimmt. Außerdem sprach das LVwG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist schon in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC zulässig und berechtigt.

6 In der beim LVwG erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Das LVwG hat begründungslos von einer Verhandlung abgesehen.

7 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einer rechtswidrigen Unterlassung der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen. Schon im Hinblick auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes wegen Verletzung von Grundfreiheiten wäre daher im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen (vgl. z.B. VwGH 7.12.2018, Ra 2018/17/0052).

8 In der Beschwerde wurden auch Tatsachenfragen aufgeworfen, sodass kein Entfall der Verhandlungspflicht eingetreten ist, weil Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage gewesen wäre (vgl. das soeben zitierte Erkenntnis vom 7.12.2018, mwN).

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon wegen Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht überdies zu beachten haben, dass dem Revisionswerber im Straferkenntnis die Begehung einer Verwaltungsübertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 4 GSpG in Bezug auf vier näher bezeichnete Glücksspielgeräte zur Last gelegt wurde, der Betrieb jedes einzelnen Glücksspielgerätes jedoch bereits eine selbstständige Verwaltungsübertretung darstellt und somit die im Straferkenntnis verhängte Gesamtstrafe gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG verstößt (vgl. VwGH 7.10.2013, 2013/17/0274).

11 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 2. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170142.L00

Im RIS seit

25.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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