TE Vwgh Beschluss 2019/4/4 Ra 2018/17/0196

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

E1E
E1P
E6J
E6O
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §14 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §44a Z1
VStG §9 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
12010E049 AEUV Art49
12010E056 AEUV Art56
12010E267 AEUV Art267
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
62007CJ0316 Markus Stoß VORAB
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62015CJ0685 Online Games VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/17/0197Ra 2018/17/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark jeweils vom 11. September 2018, Zlen. 1. LVwG 30.23-159/2018-25, 2. LVwG 30.23- 161/2018-31, und 3. LVwG 30.23-160/2018-30, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit drei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 1. Dezember 2017 bzw. 4. Dezember 2017 wurde der Revisionswerber als Verantwortlicher der U I s.r.o. wegen insgesamt 17 Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und es wurden über ihn 17 Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.500,-- samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Mit drei Erkenntnissen jeweils vom 4. April 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden ab.

3 Mit Erkenntnissen jeweils vom 10. August 2018, Ra 2018/09/0101, Ra 2018/09/0102, und Ra 2018/09/0103, hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidungen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.

4 Mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen wies das LVwG die Beschwerden mit der Maßgabe ab, dass es den Spruch der Straferkenntnisse dahingehend konkretisierte, dass der Revisionswerber die Übertretungen als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der U G s.r.o. zu verantworten habe. Überdies ergänzte es jeweils die Strafsanktionsnorm. Das LVwG sprach weiters jeweils aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen mit den Anträgen, die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revisionen ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht in den Revisionsfällen nicht abgewichen. Die angefochtenen Entscheidungen stehen daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

10 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revisionen kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung -

nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. dazu etwa EuGH 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 107; 30.4.2014, C-390/12, Pfleger, Rn. 50 ff; 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 27; VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049; 11.7.2018, Ra 2017/17/0052; 16.3.2016, Ra 2015/17/0022; VfGH 15.10.2016, E 945/2016-24 u.a.; sowie Herbst/Weinhandl, Das österreichische Glücksspielmonopol aus unions- und verfassungsrechtlicher Sicht, in: Jahrbuch Öffentliches Recht 2017, 121 ff, insbes. 149). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.

11 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).

12 Im Übrigen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. dazu näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang wurde somit auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

13 Mit dem wörtlich identen Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revisionen zu § 44a Z 1 VStG wird von diesen schließlich nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber seine Verteidigungsrechte nicht hätte wahren können oder er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. für viele VwGH 26.11.2018, Ra 2017/17/0576, mwN). Im Übrigen hat sich der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren selbst als Geschäftsführer der U I s.r.o. bzw. U G s.r.o. bezeichnet.

14 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher - nach deren Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung - zurückzuweisen. Wien, am 4. April 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62007CJ0316 Markus Stoß VORAB
EuGH 62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
EuGH 62012CJ0390 Pfleger VORAB
EuGH 62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
EuGH 62015CJ0685 Online Games VORAB
EuGH 62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
EuGH 62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170196.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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