TE Vwgh Beschluss 2019/4/12 Ra 2018/14/0342

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Veröffentlicht am 12.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Maria Navarro-Frischenschlager, Rechtsänwaltin in 4020 Linz, Landstraße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 2018, W249 2183942-3/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 14. Mai 2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, sein Vater sei von dessen Brüdern wegen Grundstücksstreitigkeiten umgebracht worden, woraufhin er mit seiner Mutter nach Pakistan geflüchtet sei. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan fürchte er, von den Brüdern seines Vaters ebenfalls umgebracht zu werden. Im Laufe des Verfahrens brachte er auch vor, er sehe die gesellschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan kritisch, habe sich von den Werten der afghanischen Gesellschaft entfernt und vertrete säkulare Grundpositionen.

2 Mit Bescheid vom 10. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und sprach aus, das er das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab einem bestimmten Zeitpunkt verloren habe.

3 Mit Beschluss vom 4. Mai 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als verspätet zurück und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ab.

4 Am 26. Juni 2018 stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei am 30. Mai 2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und fürchte, deswegen bei einer Rückkehr nach Afghanistan oder Pakistan getötet zu werden.

5 Mit Bescheid vom 20. September 2018 wies das BFA den Folgeantrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, sprach aus, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe, und erließ gegen ihn ein befristetes Einreiseverbot.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob "eine Nichtunterzeichnung vom rechtlichen Vertreter von Protokollen, deren Richtigkeit bestritten wird, durch die Unterschrift des Asylwerbers ohne nähere Begründung vom Gericht als ‚richtig festgestellt' werden kann, ohne sich im Rahmen einer Anhörung einen eigenen Eindruck zu bilden". Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, ob bei einem zeitlichen Zusammentreffen eines Austritts aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und der Rechtskraft einer Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz einem solchen Vorbringen "per se die Glaubwürdigkeit abzusprechen" sei, wenn ein dahingehender Prozess schon zuvor aktenkundig begonnen habe und ein Austritt im Herkunftsland rechtlich unmöglich sei. Auch habe das BVwG zu Unrecht in vorgreifender Beweiswürdigung den Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, anstatt darüber meritorisch zu entscheiden. Richtigerweise hätte das BVwG zum Ergebnis kommen müssen, dass der Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft einen wesentlichen Unterschied zum Vorverfahren darstelle, der im Herkunftsstaat eine Gefahr der Verfolgung aus religiösen Gründen mit sich bringe.

11 Insoweit in der Zulassungsbegründung der Revision Fragen im Zusammenhang mit Niederschriften ("Protokollen") angesprochen werden, legt sie nicht dar, worin der konkrete Zusammenhang zum vorliegenden Fall liegen soll.

12 Insoweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem zeitlichen Konnex zwischen dem Austritt des Revisionswerbers aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und der rechtskräftigen Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz wendet, wird damit schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, weil das BVwG seine Entscheidung nicht tragend auf diesen Aspekt gestützt hat. Es hat den zeitlichen Konnex vielmehr dahingehend gewürdigt, dass das zeitliche Zusammenfallen nicht zu Gunsten des Asylwerbers ausschlagen könne und die Chronologie der Ereignisse daher "lediglich festgehalten" werde.

13 Auch mit ihrem übrigen Zulassungsvorbringen wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.1.2019, Ra 2018/14/0442, mwN).

14 Die Revision kann mir ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht darlegen, dass die Beweiswürdigung, in deren Rahmen sich das BVwG auch mit dem Austritt des Revisionswerbers aus der islamischen Glaubensgemeinschaft befasst hat, fallbezogen in unvertretbarer Weise erfolgt wäre.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140342.L00

Im RIS seit

25.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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