TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/14 W228 2213396-1

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Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AlVG §14
AlVG §7
AVG §68
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W228 2213396-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter POPPENBERGER sowie Franz KOSKARTI als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , SV XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau vom 24.09.2018, GZ: XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Bescheid vom 24.09.2018 wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) hat am 13.01.2014 erstmals einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau (im Folgenden: AMS) vom 18.04.2014 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 13.01.2014 mangels Erfüllung der Anwartschaft gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 AlVG keine Folge gegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 11.07.2018, Zl. W218 2009919-1/9E, die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 18.04.2014 als unbegründet abgewiesen.

Am 12.01.2017 hat der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und bezog er seit 12.01.2017 Arbeitslosengeld aufgrund des Erwerbs einer neuen Anwartschaft.

Mit Schreiben vom 13.09.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Nachzahlung des Arbeitslosengeldes von Jänner 2009 mindestens bis Oktober 2013, und wenn er ab Oktober 2013 keine Pension erhält, auf unbestimmte Zeit weiter.

Der Antrag vom 13.09.2017 wurde vom AMS als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet, dem mit Bescheid vom 12.10.2017 gemäß § 69 AVG keine Folge gegeben wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass, da im Zeitraum Jänner 2009 bis Oktober 2013 keine Antragstellung bzw. Bescheiderstellung erfolgt sei, auch kein Verfahren für eine Wiederaufnahme anhängig sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 06.02.2018 wurde die am 04.12.2017 eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 12.10.2017 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Am 08.03.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein, welcher mit einem weiteren Bescheid des AMS vom 14.03.2018 als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11.07.2018, Zl. W218 2194526-1/3E, die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 14.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Mit verfahrensgegenständlichem Antrag vom 27.08.2018 beantrage der Beschwerdeführer, ihm das Arbeitslosengeld ab 01.02.2010 rückwirkend zuzuerkennen.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 24.09.2018 hat das AMS den Antrag vom 27.08.2018 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ab Jänner 2010 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Nachzahlung des Arbeitslosengeldes vom 13.09.2017 mit Bescheid des AMS vom 12.10.2017 mit der Begründung abgewiesen worden sei, dass es keine Antragstellung in den Jahren 2009 bis 2013 gegeben habe.

Gegen diesen Bescheid vom 24.09.2018 erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.10.2018 fristgerecht Beschwerde.

Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 22.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Schreiben an das AMS vom 24.01.2019 Ausführungen getätigt.

Das AMS hat in einer Stellungnahme vom 05.02.2019 auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Schreiben vom 24.01.2019 repliziert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat am 13.01.2014 erstmals einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

Mit Bescheid des AMS vom 18.04.2014 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 13.01.2014 mangels Erfüllung der Anwartschaft gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 AlVG keine Folge gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 11.07.2018, Zl. W218 2009919-1/9E, die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 18.04.2014 als unbegründet abgewiesen. Dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag sohin betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ein Verfahrenszeitraum ab Antragstellung, folglich ab 13.01.2014, zugrunde.

Am 13.09.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Nachzahlung des Arbeitslosengeldes von Jänner 2009 mindestens bis Oktober 2013, und wenn er ab Oktober 2013 keine Pension erhält, auf unbestimmte Zeit weiter.

Über diesen Leistungsantrag vom 13.09.2017 wurde mit Bescheid des AMS vom 12.10.2017 jedoch nicht direkt abgesprochen. In diesem Bescheid wurde der Antrag vom 13.09.2017 vom AMS als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet, dem gemäß § 69 AVG keine Folge gegeben wurde. Begründend wurde ausgeführt: "Da im Zeitraum Jänner 2009 bis Oktober 2013 keine Antragstellung bzw. Bescheiderstellung erfolgte, ist auch kein Verfahren für eine Wiederaufnahme anhängig."

Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 06.02.2018 wurde die am 04.12.2017 eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 12.10.2017 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Am 08.03.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein, welcher mit Bescheid des AMS vom 14.03.2018 als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11.07.2018, Zl. W218 2194526-1/3E, die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 14.03.2018 als unbegründet abgewiesen. Dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2018 liegt sohin der Antrag vom 13.09.2017 zugrunde, über den im Bescheid des AMS vom 12.10.2017 abgesprochen wurde.

Mit verfahrensgegenständlichem Antrag vom 27.08.2018 begehrte der Beschwerdeführer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den Verfahrenszeitraum rückwirkend ab 01.02.2010.

In den angeführten Vorentscheidungen wurde über ein Leistungsbegehren im Zeitraum 01.02.2010 bis 12.01.2014 nicht abgesprochen. Im Zeitraum Jänner 2009 bis Oktober 2013 liegt keine Antragstellung auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den bereits ergangenen Bescheiden des AMS vom 18.04.2014 und 12.07.2017 sowie aus den beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2018. Es handelt sich gegenständlich um eine reine Beurteilung der Rechtsfrage.

Die Feststellung, wonach im Zeitraum Jänner 2009 bis Oktober 2013 keine Antragstellung vorliegt, wurde vom AMS im Bescheid vom 12.10.2017 selbst getroffen. Aufgrund der Spruchgestaltung und der Bescheidbegründung dieses Bescheides vom 12.10.2017 ist ersichtlich, dass aus Sicht der belangten Behörde im Zeitraum Jänner 2009 bis Oktober 2013 keine Antragstellung vorliegt und somit auch bisher nicht darüber abgesprochen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Tulln an der Donau.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 leg. cit. findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Aus der Rechtsprechung zu § 68 AVG ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen und folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, Ra 2017/03/0027).

Die Rechtskraftwirkung eines behördlichen Ausspruches besteht darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerdings untersucht und entschieden werden darf. Diese Rechtskraftwirkung hat zur Voraussetzung, dass das Sachbegehren und der Rechtsgrund des neuen Anspruches mit dem Sachbegehren und dem Rechtsgrunde des rechtskräftig entschiedenen Anspruches übereinstimmen oder, anders ausgedrückt, dass Inhalt und Entstehungsgrund des rechtskräftig festgelegten Rechtsverhältnisses mit dem Inhalt und Entstehungsgrunde des Rechtsverhältnisses, das der Behörde zur neuerlichen Festlegung vorgetragen wird, übereinstimmen. (VwGH 03.04.1979, 1295/78).

Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an (VwGH 29.01.2008, Zl. 2005/11/0102).

Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Mit verfahrensgegenständlichem Antrag vom 27.08.2018 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm das Arbeitslosengeld ab 01.02.2010 rückwirkend zuzuerkennen.

Den oben getroffenen Feststellungen folgend ist den dem gegenständlichen Verfahren vorangegangenen Entscheidungen des AMS kein Abspruch über ein Leistungsbegehren im Zeitraum 01.02.2010 bis 12.01.2014 zu entnehmen.

Es liegt daher keine entschiedene Sache vor. Das AMS hat daher zu Unrecht mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.09.2018 den Antrag des Beschwerdeführers vom 27.08.2018 auf rückwirkende Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab 01.02.2010 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Aufgrund des Spruch des Bescheides und dessen Begründung ist der Verfahrensgegenstand des Bundesverwaltungsgerichtes auf die Überprüfung der Richtigkeit der Zurückweisung wegen entschiedener Sache festgelegt.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid vom 24.09.2018 zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Antragstellung, entschiedene Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2213396.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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