TE Vfgh Erkenntnis 1997/2/28 B1257/96

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9480 Bestattung, Friedhof, Leichenbestattung, Totenbeschau

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art15 Abs9
Krnt G über das Leichen- und Bestattungswesen §14
ABGB §549
ABGB §1042

Leitsatz

Keine Verletzung der verfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern durch die landesgesetzliche Festlegung eines Ersatzanspruchs der Gemeinde gegenüber den Angehörigen des Verstorbenen hinsichtlich der Bestattungskosten aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur dieses Anspruchs; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Verpflichtung der nächsten Angehörigen zur Bestellung des Begräbnisses.

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 1. September 1994 ist der Bruder der Beschwerdeführerin in Klagenfurt verstorben. Die Bestattungskosten in der Höhe von S 8.908,-- wurden von der Stadt Klagenfurt getragen.

1.2.1. Mit Bescheid vom "20. Oktober 1004" (richtig wohl 1994) verpflichtete der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt die Beschwerdeführerin gemäß §14 Abs2, 3 und 5 des Kärntner Gesetzes über das Leichen- und Bestattungswesen - BestattungsG, LGBl. 61/1971, die der Stadt Klagenfurt für das Begräbnis ihres Bruders erwachsenen Kosten innerhalb von vier Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zurückzuerstatten.

1.2.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt mit Bescheid vom 10. Mai 1995 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

1.3.1. Die Kärntner Landesregierung wies schließlich mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

1.3.2.1. Dagegen richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der substantiiert nur die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §14 Abs3 BestattungsG bringt die Beschwerde vor:

"Dem angefochtenen Bescheid liegt das Gesetz vom 2.7.1991 über das Leichen- und Bestattungswesen (LGBl. 61/1971) zugrunde, das entsprechend dem Kompetenzartikel 15 Abs1 B-VG erlassen wurde, wonach das Leichenbestattungswesen in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern obliegt. Gemäß §14 Abs2 leg. cit. obliegt die Obsorge für die Bestattung den nächsten Angehörigen des Verstorbenen, in Ermangelung solcher jenen Personen, die mit dem Verstorbenen vor seinem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Gemäß Abs3 leg. cit. sind Angehörige im Sinne dieses Gesetzes der Ehegatte, Verwandte des Verstorbenen in gerader Linie und dessen Geschwister. Gemäß Abs5 leg. cit. kann die Gemeinde, die für die Bestattung Sorge getragen hat, gegen diejenigen Personen Rückgriff nehmen, denen nach Abs2 die Obsorge für die Bestattung obliegt.

Wohl dürfen nach Art15 Abs9 B-VG die Länder, die zur Regelung des Gegenstandes notwendigen Regelungen aus Zivil- und Strafrecht treffen, ohne dadurch gegen Art10 Abs1 Z6 B-VG zu verstoßen. Der §14 Abs3 leg. cit. greift aber in dem Ausmaß, als er die Verantwortung und Kostentragung auch auf Geschwister ausdehnt, in die zivilrechtliche Bundeskompetenz gemäß Art10 B-VG ein. In diesem Bereich ist eine Unterhaltsverpflichtung, der wohl auch die Bestattungsobsorge zuzuordnen ist, abschließend im ABGB, insbesondere §§140 bis 143 geregelt. Demnach können Geschwister niemals zur Unterhaltsverpflichtung herangezogen werden (eine ähnliche Regreßregelung im Kärntner Sozialhilfegesetz hält den Rahmen des ABGB zur Gänze ein). Dem angefochtenen Bescheid ist daher weiters anzulasten, daß er sich auf ein verfassungswidriges Gesetz, nämlich §14 Abs3, erster Satz, letzter Teilsatz, des Kärntner Landesgesetzes vom 2.7.1971 über das Leichen- und Bestattungswesen stützt."

1.3.2.2. Die Kärntner Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

2.1.1. §14 BestattungsG lautet:

"(1) Der Zeitpunkt der Bestattung ist so zu wählen, daß sanitäre Interessen nicht verletzt werden. Die Bestattung darf jedoch nicht vor Ablauf von 36 Stunden nach Eintritt des Todes erfolgen.

(2) Die Obsorge für die Bestattung obliegt den nächsten Angehörigen des Verstorbenen, in Ermangelung solcher jenen Personen, die mit dem Verstorbenen vor seinem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt haben.

(3) Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der Ehegatte, die Verwandten des Verstorbenen in gerader Linie und dessen Geschwister. Die den Angehörigen nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen haben der Ehegatte vor den Verwandten, die Nachkommen vor den Vorfahren, und zwar nach dem Grad der Verwandtschaft, und die Verwandten in gerader Linie vor den Geschwistern zu erfüllen.

(4) Trägt niemand für die Bestattung Sorge, hat der Bürgermeister, an den die Todesfallsanzeige zu erstatten war, ein anatomisches Universitätsinstitut in Österreich zu verständigen, daß es ihm freistehe, die Leiche auf eigene Kosten abzuholen. Macht das Institut hievon keinen Gebrauch, hat die Gemeinde für die Bestattung zu sorgen.

(5) Hat die Gemeinde für die Bestattung Sorge getragen, so kann sie gegen diejenigen Personen Rückgriff nehmen, denen nach Abs2 die Obsorge für die Bestattung obliegt."

2.1.2.1. Gemäß Art10 Abs1 Z12 B-VG ist das Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Daraus folgt, daß das Leichen- und Bestattungswesen gemäß Art15 Abs1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fällt.

2.1.2.2. Zum Leichen- und Bestattungswesen als Teil des Gesundheitswesens gehören jedenfalls Regelungen über die hygienisch einwandfreie Bestattung der Leichen, die Verpflichtung zur Bestattung am Sterbeort innerhalb einer bestimmten Frist, die Festlegung der Art der Bestattung (Erdbestattung oder Feuerbestattung) und über die Voraussetzungen der Bestattung (zB nach erfolgter Totenbeschau oder Obduktion).

2.2.1. §14 Abs2 BestattungsG verpflichtet die nächsten Angehörigen des Verstorbenen, in Ermangelung solcher die Personen, die mit dem Verstorbenen vor seinem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, für die Bestattung zu sorgen. §14 Abs3 BestattungsG bestimmt die nächsten Angehörigen mit dem Ehegatten und den Verwandten des Verstorbenen in gerader Linie und dessen Geschwistern.

Für die nächsten Angehörigen wird damit eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung begründet, das Begräbnis zu bestellen. Sie ist einerseits durch die Landeskompetenz zur Regelung des Leichen- und Bestattungswesens gedeckt, dient sie doch der Sicherstellung der Sorge für die Bestattung einer Leiche. Gegen die von einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung losgelöste gesetzliche Verpflichtung, für das Begräbnis zu sorgen, bestehen aber auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keine Bedenken, weil sie im Rahmen des dem einfachen Gesetzgeber eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums gehalten ist (s. etwa VfGH 30.9.1996 G1374/95). Dazu kommt noch, daß die Verpflichtung der nahen Angehörigen, Verfügungen über die Bestattung zu treffen, ihre sachliche Rechtfertigung schließlich auch darin findet, daß das Recht des Verstorbenen, über seine Bestattung zu verfügen, als persönliches Recht des Verstorbenen - unabhängig von Erb- oder Unterhaltsberechtigten - auf die nächsten Angehörigen übergeht (vgl. Ehrenzweig - Kralik, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts. Das Erbrecht, 1983, 16 f).

2.2.2. §14 Abs4 BestattungsG regelt den Fall, daß niemand für die Bestattung sorgt, und verpflichtet zunächst den Bürgermeister, an den die Todesfallsanzeige zu erstatten war, ein anatomisches Universitätsinstitut in Österreich zu verständigen, daß es diesem freistehe, die Leiche auf eigene Kosten abzuholen. Macht das Institut hievon keinen Gebrauch, so hat die Gemeinde für die Bestattung zu sorgen.

Diese Bestimmung begründet für die Gemeinde ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, subsidiär für die Bestattung einer Leiche zu sorgen. An der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Gemeinde ändert dabei die Tatsache nichts, daß auch die Gemeinde dieser Verpflichtung mit Mitteln des Privatrechts - indem sie das Begräbnis bestellt - nachkommt. Gegen eine derartige öffentlich-rechtliche Inanspruchnahme der Gemeinde bestehen vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, Leichen zu bestatten, keine Bedenken.

2.2.3. §14 Abs5 BestattungsG schließlich räumt der Gemeinde, die für die Bestattung gesorgt hat, ein Rückgriffsrecht gegenüber jenen Personen ein, denen gemäß §14 Abs2 BestattungsG die Obsorge für die Bestattung obliegt.

Da die Verpflichtung der Gemeinde eine öffentlich-rechtliche ist, ist auch der Ersatzanspruch der Gemeinde ein öffentlich-rechtlicher Anspruch. Zum Ersatz der Begräbniskosten ist daher derjenige, dem die Obsorge für die Bestattung obliegt, durch Bescheid zu verpflichten. Auch die Regelung des §1042 ABGB, wonach derjenige, der für einen anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, das Recht hat, den Ersatz zu fordern, bewirkt nicht, daß ein solcher Anspruch auf Rückersatz zu einem zivilrechtlichen Anspruch wird (vgl. VfSlg. 10933/1986 und die dort zitierte Vorjudikatur), über den ordentliche Gerichte zu entscheiden hätten.

2.2.4. Da es sich beim genannten Ersatzanspruch der Gemeinde um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt, gehen die Argumente der Beschwerde, die Regelung sei durch die Kompetenzvorschrift des Art15 Abs9 B-VG nicht gedeckt, ins Leere. Dazu kommt noch, daß das zivilrechtliche Rückgriffsrecht des Bestellers des Begräbnisses gemäß §549 ABGB durch die Regelungen des Kärntner BestattungsG unberührt bleibt.

2.3. Die behauptete Rechtsverletzung hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

2.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Kompetenz Bund - Länder Leichen- und Bestattungswesen, Privatrecht - öffentliches Recht, Leichen- und Bestattungswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1257.1996

Dokumentnummer

JFT_10029772_96B01257_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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