TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/30 LVwG-318-66/2018-R6

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AVG §38
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Birgit König über die Beschwerden von 1.) J R M, M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Meinrad Einsle, Bregenz, sowie 2.) der K I KG, M, vertreten durch W D, M, gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde M vom 25.09.2018, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird den Beschwerden keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat: „Gemäß §§ 66 Abs 4 und 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 24 Abs 3 Baugesetz wird der Berufung stattgegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 23.02.2018 aufgehoben. Der Antrag des Berufungswerbers, den Bestandsschutz der betroffenen Immobilie zu akzeptieren und die verfügte Baueinstellung vom 18.07.2017 aufzuheben, wird als unzulässig zurückgewiesen.“

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 23.02.2018 wurde gemäß § 38 AVG das beim Bürgermeister der Gemeinde M anhängige Bauverfahren betreffend verschiedene nach dem Baugesetz bewilligungspflichtige Maßnahmen beim Haus „M“ in M, Wstraße X und Y auf GST-NRN XXX und YYY, beide KG M, nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage hinsichtlich des Geh- und Fahrrechtes ausgesetzt.

1.2. Der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung der K I KG wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde M vom 25.09.2018 gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 40 Abs 3 Baugesetz teilweise stattgegeben. Der Bescheid über die Aussetzung des Verfahrens vom 23.02.2018 wurde aufgehoben, der Antrag auf Akzeptieren des Bestandsschutzes der betroffenen Immobilie und auf Aufhebung der verfügten Baueinstellung vom 18.07.2017 wurde als unbegründet abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Berufungsbescheid hat der Beschwerdeführer J R M rechtzeitig Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, der bekämpfte Bescheid werde nur in dem Umfang angefochten, als der Bescheid über die Aussetzung des Verfahrens vom 23.02.2018 aufgehoben worden sei. Der angefochtene Bescheid sei mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Verfahrensgegenständlich seien in diesem Bauverfahren Baumaßnahmen der K I KG auf den Grundstücken in deren Eigentum, GST-NRN YYY und XXX, KG M. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer der direkt anschließenden Grundstücke GST-NRN ZZZ, VVV und WWW, KG M. Da der Beschwerdeführer den Verdacht habe, dass die K I KG Umbaumaßnahmen vorgenommen habe, ohne über die erforderlichen baurechtlichen Bewilligungen verfügt zu haben, habe er die Sachverhaltsdarstellung vom 22.05.2017 bei der Gemeinde M eingebracht. Offenbar sei aufgrund dieser Mitteilung ein Bauverfahren eingeleitet worden. Eine mündliche Bauverhandlung, bei welcher der Beschwerdeführer geladen worden wäre, habe bislang nicht stattgefunden.

Aus dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 23.02.2018 ergebe sich, dass diverse Bauteile, welche Gegenstand des Bauantrages der K I KG seien, auf der Dienstbarkeitsfläche befindlich seien und dass die Antragstellerin den Nachweis der ausreichenden Anzahl an Stellplätzen dadurch erbringen wolle, dass sie Stellplätze, welche mit der Dienstbarkeit zugunsten des Beschwerdeführers belastet seien, als eigene Stellplätze der Baubehörde bekannt gegeben habe, was natürlich rechtswidrig sei. Zugunsten des Beschwerdeführers sei aufgrund des Dienstbarkeitsvertrages vom 19.04.2013 auf der Liegenschaft der K I KG das unbeschränkte Geh- und Fahrrecht mit Fahrzeugen aller Art auf der im Vertrag beiliegenden Planurkunde gelb eingezeichneten Fläche auf GST-NRN YYY und XXX einverleibt worden. Diese Dienstbarkeit sei sowohl auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers als Dienstbarkeitsrecht, als auch auf der Liegenschaft der K I KG als Belastung grundsätzlich einverleibt. Das Bauvorhaben beziehe sich sohin auf Flächen, welche mit dem Geh- und Fahrrecht des Beschwerdeführers belastet seien. Auch die Abstellplätze, welche die K I KG zum Nachweis ausreichender Abstellplätze bekanntgebe, würden sich auf den mit der Dienstbarkeit belasteten Flächen befinden. Es sei nicht zulässig, auf der mit dem Dienstbarkeitsrecht belasteten Fläche Gebäude zu errichten und Abstellplätze für die K I KG bzw deren Mieter zu errichten.

Zu GZ XX sei beim Bezirksgericht B ein Zivilrechtsstreit anhängig, in welchem es um den Umfang des Dienstbarkeitsrechts gehe. Der Bürgermeister der Gemeinde M habe daher mit Bescheid vom 23.02.2018 zu Recht verfügt, dass das gegenständliche Bauverfahren betreffend verschiedene nach dem Baugesetz bewilligungspflichtige Maßnahmen beim Haus M in M bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage hinsichtlich des Geh- und Fahrrechtes ausgesetzt werde. Der angefochtene Bescheid verletze das Recht des Nachbarn, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen das Bauverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage ausgesetzt werde.

Nach § 38 AVG sei die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie könne aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht werde.

Im gegenständlichen Fall sei über die Vorfrage bereits ein Gerichtsverfahren anhängig. Die Aussetzung sei ein im Instanzenzug anfechtbarer verfahrensrechtlicher Bescheid. Es liege im Ermessen der Behörde, ob sie vorerst die Entscheidung des Gerichtes abwarten oder die Vorfrage selbst lösen wolle. Die Überlegungen, von denen sich die Behörde bei der Aussetzung des Verfahrens nach § 38 zweiter Satz AVG leiten lassen müsse, seien vornehmlich solche der Verfahrensökonomie; es stelle einen wichtigen Gesichtspunkt dar, von vornherein die Möglichkeit von Bindungskonflikten und die Erforderlichkeit von Wiederaufnahmen nach § 69 Abs 1 lit c AVG zu vermeiden. Dieser vorrangige Gesichtspunkt lasse in der Regel eine Aussetzung des Verfahrens als im Sinne des Gesetzes gelegen erscheinen.

Das gegenständliche Zivilverfahren beim Bezirksgericht B sei ausgesprochen komplex. Mit Urteil des BG B vom 30.06.2017 sei das Klagebegehren der K I KG kostenpflichtig abgewiesen worden. Mit Beschluss des Landesgerichts F vom 19.10.2017 sei das erstinstanzliche Urteil teilweise aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden. Derzeit befinde sich das Verfahren wiederum im zweiten Verfahrensgang in der ersten Instanz. Die mündliche Streitverhandlung sei bereits auf den 17.10.2018 anberaumt; es sei davon auszugehen, dass die Verhandlung bei diesem Termin geschlossen werde und zeitnah anschließend das Urteil ergehe. Dass die Baubehörde erster Instanz diese komplexe zivilrechtliche Rechtsfrage aus Eigenem rechtlich beurteile, sei ihr nicht zumutbar und sei die Baubehörde zur rechtlichen Beurteilung dieser Frage gar nicht in der Lage. Es entspreche daher jedenfalls dem Grundsatz der Verfahrensökonomie sowie dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage durch die Gerichte ausgesetzt werde.

2.2. Weiters hat die K I KG, vertreten durch W D, gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde M rechtzeitig Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, die Beschwerde betreffe die Abweisung der Akzeptanz des Bestandsschutzes der betroffenen Immobilie und die Nichtaufhebung der verfügten rechtswidrigen Baueinstellung vom 18.07.2017. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Gemeinde M als Baubehörde sei gegeben und ergebe sich im Fall der Abweisung der Akzeptanz des Bestandsschutzes aus der Baugenehmigung von 1981 und der Textur aus 1984 als mindestens 30-jähriger Bestandsschutz. Die Nichtaufhebung der verfügten rechtswidrigen Baueinstellung vom 18.07.2017 sei von Haus aus rechtswidrig und begünstige die Gegner des Bauverfahrens.

3.   Das Landesverwaltungsgericht hat am 06.12.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

3.1. Am 19.12.2016 hat die K I KG, vertreten durch Herrn W D, M, unter Vorlage diverser Unterlagen bei der Baubehörde einen Bauantrag für verschiedene bewilligungspflichtige Maßnahmen beim Haus M in M, Wstraße X und Y auf GST-NRN XXX und UUU, beide KG M, eingebracht. Im Zuge des Bauverfahrens wurde bislang keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 23.02.2018 wurde das Bauverfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt und damit begründet, dass beim Bezirksgericht B ein Gerichtsverfahren betreffend ein grundbücherlich eingetragenes Geh­ und Fahrrecht anhängig sei. Die Frage der Existenz des bestrittenen Geh- und Fahrrechtes sei entscheidend im Bauverfahren (Positionierung verschiedener Bauteile auf der Dienstbarkeitsfläche, Nachweis der Stellplätze) und falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Baubehörde. Die Aussetzung wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser von der erstinstanzlichen Behörde als Vorfrage qualifizierten Sache verfügt.

Mit Schreiben vom 07.03.2018 hat die K I KG gegen diesen Bescheid rechtzeitig Berufung eingebracht und beantragt, das Bauverfahren weiterzuführen und zusätzlich den Bestandsschutz der betroffenen Immobilie zu akzeptieren und die verfügte Baueinstellung vom 18.07.2017 aufzuheben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2018 hat die Gemeindevertretung der Gemeinde M der Berufung teilweise stattgegeben und den Bescheid über die Aussetzung des Verfahrens vom 23.02.2018 aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass das Baugesetz nicht vorsehe, dass eine Baubewilligung nicht erteilt werden dürfe, wenn auf dem Baugrundstück eine Dienstbarkeit wie ein Geh- und Fahrrecht zugunsten eines Dritten verbüchert sei und stelle dies auch kein Nachbarrecht dar. Bei der Behauptung, durch ein Bauvorhaben in einem Dienstbarkeitsrecht verletzt zu werden, handle es sich um eine unzulässige privatrechtliche Einwendung, die auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sei. Der Antrag auf Akzeptieren des Bestandsschutzes der betroffenen Immobilie und auf Aufhebung der verfügten Baueinstellung vom 18.07.2017 wurde als unbegründet abgewiesen.

3.2. Der Beschwerdeführer J R M ist Eigentümer der direkt an die Baugrundstücke anschließenden Grundstücke GST-NRN ZZZ, VVV und WWW, KG M.

Die Rechtsvorgängerinnen der K I KG und der Beschwerdeführer J R M räumten sich mit Dienstbarkeitsvertrag vom 19.04.2013 wechselseitig ein Geh- und Fahrrecht ein, wonach ua den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke GST-NRN WWW und ZZZ das unbeschränkte Geh- und Fahrrecht mit Fahrzeugen aller Art auf der in einem beigelegten Dienstbarkeitsplan gelb eingezeichneten Fläche der Grundstücke GST-NRN YYY und XXX zukommt. Hinsichtlich dieses Dienstbarkeitsvertrages ist derzeit insbesondere betreffend den räumlichen Umfang der dem Bauwerber zustehenden Befugnisse ein gerichtliches Verfahren anhängig beim Bezirksgericht B zur Zahl XX.

4.   Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen.

4.1. Einsicht wurde genommen in den Bauakt sowie den Dienstbarkeitsvertrag vom 11.04.2013 betreffend die GST-NRN YYY und XXX sowie die GST-NRN WWW und ZZZ, alle KG M. Laut diesem Vertrag sowie dem beigelegten Dienstbarkeitsplan der K & W Z GmbH vom 07.01.2013 betrifft das Geh- und Fahrrecht die Grundstücke des Bauwerbers und ua die Grundstücke des Beschwerdeführers J R M, GST-NRN ZZZ und WWW, KG M.

4.2. In der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2018 haben die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

a) Der Rechtsvertreter des J R M hat im Wesentlichen ausgesagt, die Aussetzung des gegenständlichen Bauverfahrens sei durchaus erforderlich aufgrund der Komplexität des gegenständlichen Verfahrens. Im Übrigen sei das Verfahren beim Bezirksgericht B nach wie vor in erster Instanz – im zweiten Verfahrensgang – anhängig. Bei der letzten Verhandlung seien Vergleichsgespräche geführt worden, ein Vergleich sei bis dato jedoch noch nicht zustande gekommen. Das Vorbringen der K I KG beweise, dass es sich bei der gegenständliche Rechtsfrage des Dienstbarkeitsrechtes um eine ausgesprochen komplexe Frage handle. Im Verfahren BG B hätten bisher auch die zwei Rechtsmittelinstanzen, nämlich das LG F und der Oberste Gerichtshof, keine Entscheidung über den Umfang des Dienstbarkeitsrechtes fällen können. Vielmehr sei die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückverwiesen worden. In diesem erstinstanzlichen Verfahren gehe es nunmehr darum, den Sachverhalt zu ermitteln, bevor eine Entscheidung gefällt werden könne. Das Verfahren sei noch anhängig. Es sei unmöglich, dass die Verwaltungsbehörde den Sachverhalt derart ermittle, dass eine rechtlich richtige Entscheidung ergehen könne. Im Sinne der Verfahrensökonomie sei jedenfalls die Rechtskraft des Zivilverfahrens abzuwarten.

Als Beweismittel wurde die amtswegige Einholung des Aktes BG B angeboten.

b) Der Rechtsvertreter der K I KG hat im Wesentlichen ausgesagt, die behauptete extreme Komplexität der Angelegenheit im bezirksgerichtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht B sei unrichtig.

Der OGH habe in der Entscheidung vom 18.07.2018 zu 5 Ob 22/18y ausgesprochen, dass gegenständlich eine ungemessene Dienstbarkeit vorliege. Der Inhalt einer ungemessenen Dienstbarkeit richte sich nach den jeweiligen Bedürfnissen des herrschenden Gutes im Rahmen der ursprünglichen oder vorhersehbaren Bewirtschaftungsart. Ungemessene Dienstbarkeiten seien demnach auf den Zweck ihrer Bestellung einzuschränken.

       Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit erfordere eine Interessenabwägung, in die auch wirtschaftliche Vorteile und Nachteile einzubeziehen seien. Der gegenständliche Servitutsvertrag samt vom Beschwerdeführer angefertigter Urkunde würden keinen deutlichen räumlichen Verlauf des behaupteten Geh- und Fahrrechtes enthalten. Denkunmöglich könne dieses jedoch zB über oder im Gebäude des Bauwerbers verlaufen. Auch ein Verlauf der Dienstbarkeit über vom Bauwerber für den Betrieb des Hotels benötigte Stellplätze sei nicht möglich, da dies den Entzug der Betriebsanlagengenehmigung des Betriebes zur Folge hätte. Wie der OGH bereits ausgeführt habe, seien in eine Interessensabwägung auch wirtschaftliche Interessen der Beteiligten einzubeziehen und könne auf keinen Fall davon ausgegangen werden, dass sich der Servitutsverpflichtete mit der Einräumung einer unentgeltlichen Servitut seine eigene wirtschaftliche Existenz zerstören wolle.

       Ganz abgesehen davon seien die im gegenständlichen Bauverfahren beantragten Renovierungsarbeiten bereits seit 24.12.2016 beendet. Der Beschwerdeführer lasse diesen Umstand völlig unberücksichtigt und werde in der gegenständlichen Beschwerde nicht dargetan, inwieweit diese fertigstellten Arbeiten die Ausübung der behaupteten Dienstbarkeit überhaupt beeinträchtigen würden. Die gegenständliche Beschwerde sei insoweit unschlüssig. Lediglich das Behaupten einer Dienstbarkeit könne unmöglich zu einer Unterbrechung des Bauverfahrens führen. Dass sich der Beschwerdeführer eines undeutlichen Dienstbarkeitsvertrages samt einer noch undeutlicheren Planunterlage bediene, könne dem Bauwerber nicht zum Nachteil gereichen.

       Lediglich der Umstand, dass vor dem Bezirksgericht B ein Verfahren zum Umfang einer Dienstbarkeit anhängig sei, reiche für eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens nicht. Der Beschwerdeführer lasse es völlig offen, wie durch das gegenständliche Verfahren seine Rechte bzgl des behaupteten Dienstbarkeitsrechtes überhaupt beeinträchtigt würden. Diesbezüglich fehle es in der Beschwerde an jeglichem Vorbringen.

5.   Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, bei Parteibeschwerden iSd Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG von Parteien mit nur einzelnen subjektiv-öffentlichen Rechten – wie regelmäßig Nachbarn in Baubewilligungsverfahren – aber stets nur im Rahmen dieser Bestimmung, also nur insoweit, als die Frage einer Verletzung derartiger subjektiv-öffentlicher Rechte Gegenstand ist; dies folgt schon daraus, dass die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts nicht weitergehen kann, als die der Berufungsbehörde im jeweiligen Verfahren (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0068).

Im vorliegenden Verfahren war Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides ausschließlich die Frage der Aussetzung des Bauverfahrens gemäß § 38 AVG; die Baubehörde erster Instanz hat nicht über einen Bestandsschutz abgesprochen und auch nicht über eine Baueinstellung.

Nach ständiger Rechtsprechung ist „Sache“ des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, dh jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Die Berufungsbehörde darf daher sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war. Wenn Anträge der Partei im angefochtenen Bescheid nicht erledigt wurden, ist die Berufungsbehörde nicht befugt, über die nicht behandelten Anträge bzw die unerledigten Teile abzusprechen, da sie nicht „Sache“, dh zum Inhalt des Spruchs des bekämpften Bescheides gehören. Ebenso wenig darf die Berufungsbehörde ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen, das über den in erster Instanz gestellten und entschiedenen Antrag hinausgeht. Erstmals in der Berufung gestellte Anträge sind daher mangels Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde zur Entscheidung in erster Instanz zurückzuweisen (vgl dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 66, rdb.at, Rz 55-61).

Die Berufungsbehörde hat im vorliegenden Fall über in der Berufung gestellte Anträge abgesprochen hat, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides waren - nämlich Anträge betreffend den Bestandsschutz sowie die verfügte Baueinstellung. Mangels Zuständigkeit der Berufungsbehörde wären diese Anträge als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weshalb der Spruch der angefochtenen Entscheidung richtigzustellen war.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit ausschließlich die Frage der Zulässigkeit der Aussetzung des gegenständlichen Bauverfahrens gemäß § 38 AVG und ist auch nur dies „Sache“ des Beschwerdeverfahrens.

6.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Baugesetzes (BauG), LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 78/2017, lauten wie folgt:

㤠2

Begriffe

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

a)   …

k)   Nachbar: der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes, der geplanten sonstigen Anlage oder deren vorgesehener Benützung, gegen welche die Be-stimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist; dem Eigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

§ 18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a)   die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden; ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind, weiters Gebäude, soweit es die Verwendung für den Betrieb eines Gastgartens betrifft und die insofern nach § 19 lit. d nur anzeigepflichtig sind;

b)   …

§ 24

Bauantrag

(1) ….

(3) Dem Bauantrag sind anzuschließen

a)    der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, der Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten;

b)   ….

§ 26

Nachbarrechte, Übereinkommen

(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a)   § 4 Abs 4, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

b)   §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;

c)   § 8 Abs 1 und 2, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist und sein Grundstück nicht mehr als 100 Meter vom Baugrundstück entfernt ist;

d)   § 8 Abs 3 und 4, soweit der benachbarte Betrieb in den Anwendungsbereich von anderen anlagenrechtlichen Vorschriften fällt, diese die Vorschreibung nachträglicher Aufträge zu Lasten des Inhabers des Betriebes vorsehen und sein Grundstück nicht mehr als 100 Meter vom Baugrundstück entfernt ist;

e)   die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter von seinem Grundstück entfernt ist.

(2) Die im Zuge einer mündlichen Verhandlung getroffenen Übereinkommen sind von der Behörde in der Niederschrift zu beurkunden.

§ 28

Baubewilligung

(1)…

(2) Die Baubewilligung ist zu erteilen, wenn das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden (§ 2 Abs 2 lit a Raumplanungsgesetz), nicht entgegenstehen.

(3)……“

Im vorliegenden Verfahren kommt dem Beschwerdeführer J R M als Eigentümer der an die Bauliegenschaften angrenzenden Grundstücke und somit als Nachbar im Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Bauverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach dem anwendbaren BauG subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem sie solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben, dh nicht präkludiert sind. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnisse der Berufungsbehörde sowie des Verwal-tungsgerichtes und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nach-barn nach dem BauG im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hin-sichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektiv-öffentliches Recht besteht und soweit recht-zeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden. Darüber hinaus kann ein Nachbar rechtswirksam nur die Verletzung seiner eigenen Rechte einwenden (vgl VwGH 25.11.2015, 2013/06/0240).

Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 26 Abs 1 BauG ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes taxativ (vgl zB VwGH 23.09.2010, 2010/06/0164).

6.2. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Wie bereits dargelegt, ist dem Bauantrag gemäß § 24 Abs 3 lit a BauG der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, der Zustimmung des Eigentümers bzw Bauberechtigten anzuschließen. Das BauG sieht an keiner Stelle vor, dass eine Baubewilligung nicht erteilt werden darf, wenn auf dem Baugrundstück eine Dienstbarkeit zugunsten eines Dritten verbüchert ist. Auch stellt dies kein Nachbarrecht im Sinne des § 26 BauG dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Behauptung, durch ein Bauvorhaben in einem Dienstbarkeitsrecht verletzt zu werden, um eine privatrechtliche Einwendung (VwGH 11.05.2010, 2007/05/0219 und 27.08.2013, 20012/06/ 0148). Eine solche Einwendung ist daher im Bauverfahren unzulässig und auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Die Beurteilung dieser Frage stellt somit keine Vorfrage dar gemäß § 38 AVG, die von der Behörde im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baubewilligung selbständig zu beurteilen und ihrem Bescheid zugrunde zu legen wäre.

Es liegen somit die Voraussetzungen für die Aussetzung des gegenständlichen Bauverfahrens nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Bei diesem Ergebnis war dem Antrag auf Einholung des Aktes BG B keine Folge zu geben.

7.   Die Änderung im Spruch war erforderlich zur Richtigstellung des Gegenstandes des Berufungsverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens.

8.   Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Baurecht, Dienstbarkeit, keine Vorfrage für Baugenehmigung

Anmerkung

Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (27.03.2019, Ra 2019/06/0037) zurückgewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2019:LVwG.318.66.2018.R6

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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