TE Vfgh Erkenntnis 1997/3/4 V55/95

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Veröffentlicht am 04.03.1997
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art119a Abs6
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
VfGG §57
AufhebungsV der Nö LReg vom 22.11.94 betr V der Gd Mauerbach vom 23.03.94 (Abänderung der Bebauungsvorschriften)
Bebauungsvorschriften-ÄnderungsV der Gd Mauerbach vom 23.03.94
Nö BauO §8
Nö BauO 1996 §73 Abs1
Nö GdO 1973 §88

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Aufhebungsverordnung der Aufsichtsbehörde betreffend die Abänderung von Bebauungsvorschriften durch eine Gemeinde; ausreichende Begründung der Aufhebung durch Verweis auf ein vorangegangenes Schreiben der Aufsichtsbehörde an die Gemeinde; rechtmäßige Annahme der fehlenden Darlegung wesentlicher Gründe für die Änderung der Bebauungsvorschriften durch die Gemeinde

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Mauerbach hat mit Verordnung vom 23. März 1994 die Bebauungsvorschriften neu erlassen. Die Verordnung, die vom 10. Juni 1994 bis 27. Juni 1994 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht wurde, hat folgenden Wortlaut:

"§1 Auf Grund des §8 der NÖ. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-8, werden die BEBAUUNGSVORSCHRIFTEN abgeändert.

   §2 Die BEBAUUNGSVORSCHRIFTEN werden neu gefaßt und lauten nun

§1 - §18

   §3 Die geänderten BEBAUUNGSVORSCHRIFTEN, welche mit einem

Hinweis auf diese VERORDNUNG versehen sind, liegen im Gemeindeamt Mauerbach während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf

§4 Diese VERORDNUNG tritt nach ihrer Kundmachung mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft.

Die neu gefaßten BEBAUUNGSVORSCHRIFTEN, ersetzen die aus dem Jahre 1985 und treten mit Inkrafttreten der neuen BEBAUUNGSVORSCHRIFTEN diese aus dem Jahre 1985 außer Kraft."

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der Bebauungsvorschriften lauten:

"BEBAUUNGSVORSCHRIFT DER MARKTGEMEINDE MAUERBACH

Abschnitt I

ALLGEMEINES:

1. Die Mindestgröße neuzuschaffender Bauplätze wird mit 500 m2 festgelegt.

2. Nebengebäude - ausgenommen Kleingaragen

(1) Auf einem Bauplatz darf nicht mehr als 1 alleinstehendes Nebengebäude, Kleingaragen ausgenommen, errichtet werden.

(2) Bei offener oder gekuppelter Bauweise darf ein Nebengebäude je Bauplatz mit einer verbauten Fläche von höchstens 50 m2 errichtet werden.

Die Absätze 1 und 2 haben nur bis zur Grundstücksgröße von 700 m2 Gültigkeit. Bei größeren Grundstücken kann die Baubehörde im Einzelfall entscheiden.

3. Abstellanlagen

(1) Pro Wohneinheit sind 2 Stellplätze auf Eigengrund zu errichten.

(2) In der offenen Bebauungsweise sind Garagen im seitlichen Bauwich mindestens 5 m von der Straßenfluchtlinie abzurücken, soferne es die Geländeformation zuläßt.

...

7. Werbeanlagen - gilt für das gesamte Bauland

(1) Mobile Werbeanlagen sind nur nach Genehmigung durch die Gemeinde zulässig.

(2) Das Anbringen von Werbeanlagen und Beschriftungen auf Dachflächen, Feuermauern u. Einfriedungen ist nur nach Genehmigung durch die Gemeinde zulässig.

(3) Auskragende Reklameschilder sind nur nach Genehmigung durch die Gemeinde zulässig.

(4) Das Aufstellen von Plakatwänden ist im gesamten Gemeindegebiet verboten.

...

12. Ist im Einzelfall bei Änderungsvorhaben die Durchführung dieser Bebauungsvorschriften nur durch wirtschaftl. nicht zu rechtfertigende Maßnahmen möglich, so darf die Baubehörde Ausnahmen vorsehen.

...

Abschnitt II

..."

Gemäß §88 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000 idF LGBl. 1000-7, (im folgenden: NÖ Gemeindeordnung) wurde der Niederösterreichischen Landesregierung die Verordnung zur Verordnungsprüfung vorgelegt.

   1.2. Die Niederösterreichische Landesregierung hat mit

Verordnung vom 22. November 1994, kundgemacht durch Anschlag des

Bürgermeisters der Marktgemeinde Mauerbach an der Amtstafel der

Marktgemeinde Mauerbach in der Zeit vom 1. Dezember 1994 bis

16. Dezember 1994, (im folgenden: Aufhebungsverordnung) "(d)ie

Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom

23. März 1994, TOP 11, über die Änderung des Bebauungsplanes, die

in der Zeit vom 10. Juni 1994 bis 27. Juni 1994 an der Amtstafel

kundgemacht wurde, ... wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben". Im

begleitenden Schreiben wird "(a)ls Begründung ... auf das ha.

Schreiben vom 28. Juli 1994, Zl R/1-B-383/012," verwiesen. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

   "... Demnach sind folgende Gesetzwidrigkeiten gegeben:

1. Gemäß §4 Abs2 Z. 13 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-11, kann im Bebauungsplan die Anordnung und Gestaltung oder das Verbot von Nebengebäuden geregelt werden. Eine Ermächtigung, daß die Baubehörde in bestimmten Fällen von den getroffenen Festlegungen abweichen kann, gibt es nicht.

Die Festlegungen im §2 Abschnitt I, Z. 2 der Gemeindeverordnung sind daher gesetzlich nicht gedeckt.

2. Gemäß §4 Abs2 Z. 8 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-11, können im Bebauungsplan die Zahl der Stellplätze und die Lage von privaten Abstellanlagen unter Bedachtnahme auf die Benützerzahl und den zu erwartenden Verkehr festgelegt werden. Diese Festlegung muß aber im Einklang mit §1 Abs1 der NÖ Garagenverordnung, LGBl. 8200/3-0, derzufolge für 1 Wohnung ein Stellplatz vorgeschrieben werden kann, stehen.

Die Festlegung im §2 Abschnitt I, Z. 3 (1) der Gemeindeverordnung ist daher gesetzlich nicht gedeckt.

3. Gemäß §4 Abs2 Z. 14 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200- 11, können im Bebauungsplan die Anordnung und Gestaltung oder das Verbot von Werbeanlagen geregelt werden.

Die Festlegungen im §2 Abschnitt I, Z. 7 (1), (2) und (3) der Gemeindeverordnung treffen inhaltlich keine Aussage, da gemäß §92 Abs1 Z. 8 der NÖ BO 1976 die Aufstellung oder Anbringung von Werbeanlagen genehmigungspflichtig sind.

4. Jede Festlegung im Bebauungsplan muß im §4 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-11, ihre gesetzliche Deckung haben. Die Festlegung im §2 Abschnitt I, Z. 12. der Gemeindeverordnung sind im §4 der NÖ Bauordnung 1976 nicht gedeckt.

5. Die gemäß §8 Abs1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-11, geforderte Darlegung des Änderungsanlasses wurde in der Form vorgelegt, daß das Motiv der Überarbeitung der Textbestimmung zum Bebauungsplan nun erkennbar ist. Ob die einzelnen Festlegungen auch gesetzlich ihre Deckung finden, wurde nicht untersucht. Die Darlegung des Änderungsanlasses ist daher nach wie vor unvollständig.

... "

In Ihrem Schreiben vom 13. Mai 1994 hatte die NÖ Landesregierung der Gemeinde Mauerbach unter 1. bekanntgegeben:

"1. Gemäß §8 Abs1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-11, darf ein Bebauungsplan nur (in den) in den Punkten 1 und 2 angeführten Fällen geändert werden. Eine Darlegung des Änderungsanlasses (Motivenbericht), aus dem hervorgehen würde, daß die beabsichtigten Änderungen gesetzlich (ge)deckt (sind) und keine Willkür darstellen, wurde bisher nicht vorgelegt ... Die Verordnung stünde daher eindeutig im Widerspruch zu den Bestimmungen des §8 Abs1 der NÖ Bauordnung 1976".

1.3. Die Marktgemeinde Mauerbach stellt gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag, "der Verfassungsgerichtshof wolle die Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22.11.1994 über die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom 23.3.1994 top 11 betreffend die Änderung des Bebauungsplanes zur Gänze als gesetzwidrig aufheben, in eventu diese Verordnung insoweit aufheben, als sie nicht gesetzwidrige Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom 23.3.1994 betreffend die Änderung des Bebauungsplanes aufgehoben hat".

2.1. Die Marktgemeinde Mauerbach begründet die von ihr behauptete Gesetzwidrigkeit der Aufhebungsverordnung damit, daß diese "nicht ausschließlich die von der NÖ Landesregierung als gesetzwidrig bezeichneten Stellen (der) ... Bebauungsvorschriften aufhebt". Selbst wenn nämlich die als Begründung für die Aufhebung der Verordnung bezogenen Rechtsstandpunkte zuträfen, wären lediglich der letzte Satz des §2, der erste Absatz des §3, der §7 Abs1, 2 und 3 sowie der §12 der Bebauungsvorschriften gesetzwidrig. Die Niederösterreichische Landesregierung hätte daher - im Falle des Zutreffens der von ihr angenommenen Gesetzwidrigkeiten - lediglich diese bezeichneten Verordnungsteile als gesetzwidrig aufheben dürfen.

Für das Gesetzmäßigkeitsprüfungsverfahren der Aufsichtsbehörde seien nämlich analog die Bestimmungen über das Normenprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof heranzuziehen. Demnach seien eben nur die tatsächlich gesetzwidrigen oder verfassungswidrigen Teile bei Vorliegen der sonstigen Prozeßvoraussetzungen als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Grundsatz sei auch aus dem in den Art116 ff B-VG geregelten Recht auf Selbstverwaltung der Gemeinde ableitbar. Zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörten gemäß Art118 Abs3 B-VG insbesondere auch die örtliche Baupolizei und die örtliche Raumplanung.

Die "Eingriffsmöglichkeiten des Landes in diese Bereiche sind lediglich aufsichtsbehördliche (im Falle der Verletzung von Gesetzen oder Überschreitung der Gemeindebefugnisse). Derartige Aufsichts- und Eingriffsrechte in geschützte autonome Bereiche von Selbstverwaltungskörpern sind aber grundsätzlich restriktiv und nicht extensiv auszulegen."

2.2. Zudem seien die Bedenken der Niederösterreichischen Landesregierung gegen die Gesetzmäßigkeit der von ihr beanstandeten Teile der Verordnung nur teilweise oder nicht gerechtfertigt.

2.2.1. So treffe die Kritik hinsichtlich der Regelung der Bebauungsvorschriften für Nebengebäude nicht zu. Gemäß §4 Abs2 Z13 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200 idF LGBl. 8200-11, (im folgenden: NÖ BauO 1976) seien im Bebauungsplan Regelungen über die Anordnung, Gestaltung oder das Verbot von Nebengebäuden zu treffen. Zu prüfen sei lediglich, ob der letzte Satz des §2 der Bebauungsvorschriften, wonach "(b)ei größeren Grundstücken ... die Baubehörde im Einzelfall entscheiden (kann)", ausreichend im Sinne des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes determiniert sei. Da eine derartige Anordnung jedenfalls gesetzes- bzw. verfassungskonform auszulegen sei, sei klar, daß diese Entscheidung nur unter Anwendung der sonstigen gesetzlichen Regelungen, aber auch der von der Gemeinde erlassenen Verordnungen über das örtliche Raumordnungsprogramm und die Bebauungsvorschriften gefällt werden dürfe. Da die Festlegungen gemäß §4 Abs2 Z1 bis 17 NÖ BauO 1976 lediglich getroffen werden müßten, wenn dies zur Erreichung der im §3 Abs1 und 2 NÖ BauO 1976 genannten Ziele erforderlich sei, finde die Bestimmung der Bebauungsvorschrift betreffend die Nebengebäude ihre Deckung im Gesetz.

2.2.2. Was die Vorschreibung von zwei Stellplätzen pro Wohneinheit in den Bebauungsvorschriften betreffe, könne sich die Niederösterreichische Landesregierung nicht auf die Niederösterreichische Garagenverordnung, LGBl. 8200/3 idF LGBl. 8200/3-1, (im folgenden: NÖ Garagenverordnung), stützen. Diese gemäß §86 Abs2 und §87 Abs6 der NÖ BauO 1976 erlassene Verordnung sehe im §1 Z1 bei Wohngebäuden "ein(en) Stellplatz für je 1 Wohnung" zwingend vor. §86 Abs2 NÖ BauO 1976 fordere im Gegensatz dazu, daß sich die Anzahl der gemäß §86 Abs1 NÖ BauO 1976 zu errichtenden Stellplätze nach dem voraussichtlichen Bedarf der Benützer und Besucher richte, wobei der vorgesehene Verwendungszweck und die Wohndichte zu berücksichtigen seien. Auch §4 Abs2 Z8 NÖ BauO 1976 sehe vor, daß die Zahl der Stellplätze und die Lage von privaten Abstellanlagen unter Bedachtnahme auf die Benützerzahl und den zu erwartenden Verkehr festzulegen sei. Die Erreichung dieser Ziele werde jedoch durch die starre Bestimmung des §1 Abs1 Z1 der NÖ Garagenverordnung verhindert.

Werde etwa eine Wohnung von vier erwachsenen Personen bewohnt, von denen jeder einen PKW besitze und benütze, werde dem Bedarf, dem vorgesehenen Verwendungszweck und der Wohndichte unter Bedachtnahme auf die Benützerzahl und den zu erwartenden Verkehr bei der Festlegung des zu errichtenden Stellplatzes durch §1 Abs1 Z1 NÖ Garagenverordnung keineswegs Rechnung getragen. Die NÖ Garagenverordnung nehme auch nicht Bedacht darauf, wie groß eine Wohnung sei. Die Größe einer Wohnung sei aber ein Maßstab dafür, wieviele Personen diese bewohnen können. Die für das gesamte Bundesland Niederösterreich geltende Bestimmung nehme weiters auf die regionalen Unterschiede nicht Bedacht, obwohl es in ländlichen Gegenden einfacher sei, Parkplätze zu finden, als in einer Großstadt oder in einer Gemeinde, die als "Wohn- und Schlafort" vieler in die Großstadt pendelnder Personen gesehen werden müsse.

§1 Abs1 Z1 der NÖ Garagenverordnung widerspreche somit §86 Abs2 und §4 Abs2 Z8 NÖ BauO 1976 und sei ein unzulässiger Eingriff in die im §4 Abs2 Z8 NÖ BauO 1976 vorgesehene Regelungskompetenz der Gemeinden.

In verfassungskonformer Auslegung könne §86 Abs2 zweiter Satz Z1 NÖ BauO 1976 nicht so verstanden werden, "daß eine landesweit unveränderbare Zahl von Abstellplätzen für Wohngebäude pro Wohnung festzusetzen ist". Um weiters nicht der im §4 Abs2 Z8 NÖ BauO 1976 vorgesehenen Regelungsbefugnis der Gemeinde für die Zahl der Stellplätze eine völlig inhaltsleere Bedeutung beizumessen, müsse der Gemeinde eine nach den Grundsätzen dieser Bestimmung und des §86 Abs2 NÖ BauO 1976 bestimmte Regelungsbefugnis, angepaßt an die örtlichen Gegebenheiten und die zu erwartenden Bedürfnisse zustehen. Tatsächlich sei die PKW-Dichte in Mauerbach wie auch in den anderen Wiener Umlandgemeinden um fast 20 % höher als im Landesdurchschnitt. Die effektive und damit bei der Raumplanung und den Bebauungsvorschriften zu berücksichtigende Kraftfahrzeugdichte sei noch um einiges höher.

Sollte der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelangen, daß §86 Abs2 NÖ BauO 1976 tatsächlich eine starre Vorschreibung einer bestimmten Anzahl von Stellplätzen pro Wohnung vorsehe, bestünden nach Meinung der Marktgemeinde Mauerbach erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung.

Die Marktgemeinde Mauerbach vertritt weiters die Ansicht, daß die NÖ Garagenverordnung auch der im Gesetzesrang stehenden Reichsgaragenordnung vom 17. Februar 1939, RGBl. I S 219 (Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 1447/1939), widerspreche.

2.2.3. Die Niederösterreichische Landesregierung, so führt die Marktgemeinde Mauerbach in ihrem Antrag weiter aus, sei auch nicht im Recht, wenn sie §7 der Bebauungsvorschriften für gesetzwidrig halte, da "inhaltlich keine Aussagen" getroffen würden. Nach Ansicht der Marktgemeinde Mauerbach enthalte nicht nur der Abs1 des §7 betreffend "mobile Werbeanlagen" einen über den Gesetzesinhalt hinausreichenden Regelungsinhalt, sondern sei auch die Klarstellung in den Absätzen 1 bis 3 des §7 der Bebauungsvorschriften "für die Gemeindebürger jedenfalls zweckmäßig". Es bestehe daher zur Aufhebung dieser Bestimmung kein Rechtsgrund.

2.2.4. Aber auch §12 der Bebauungsvorschriften sei durch §4 Abs2 NÖ BauO 1976 gedeckt. Die Ermächtigung zu Ausnahmen bei Änderungsvorhaben beziehe sich "keineswegs auf zwingende gesetzliche Bestimmungen" der NÖ BauO 1976, sondern ausschließlich auf die Bestimmungen der Bebauungsvorschriften der Gemeinde. Die Möglichkeit für die Gemeinde, Ausnahmen von ihren Bebauungsvorschriften vorzusehen, sei aber auch inhaltlich geregelt und eingeschränkt, und zwar auf Änderungsvorhaben, d.h. auf Umbauten und Zubauten (und nicht auf Neubauten). Außerdem werde ein wirtschaftlicher Vergleich zwischen dem Bauvorhaben und dem bei Befolgung der Bebauungsvorschriften notwendigen zusätzlichen Aufwand vorgeschrieben. Dies bedeute etwa, daß in Fällen, in denen nur geringfügige Änderungen an einem bestehenden konsensmäßigen Bauwerk geplant sind, "dafür nicht in keinem wirtschaftlichen Verhältnis dazu stehende, auf den Bebauungsvorschriften fußende Maßnahmen vorgeschrieben werden dürfen".

3. Die Niederösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung im Verfahren erstattet. Darin merkt die Niederösterreichische Landesregierung zunächst an, daß die Marktgemeinde Mauerbach "trotz mehrmaligem Ersuchen" keine nachvollziehbare Darlegung eines Änderungsanlasses gemäß §8 Abs1 NÖ BauO 1976 vorgelegt habe. Das Vorliegen eines vom Gesetz geforderten Änderungsanlasses sei jedoch unverzichtbare Voraussetzung für die Gesetzmäßigkeit der gesamten Verordnung. Diese fehlende Darlegung des Änderungsanlasses gemäß §8 Abs1 NÖ BauO 1976 lasse eine Beurteilung der gesamten Verordnung als gesetzmäßig nicht zu und erfordere daher die Aufhebung der gesamten Verordnung.

Zum Widerspruch der NÖ Garagenverordnung mit der Reichsgaragenordnung verweist die Niederösterreichische Landesregierung zunächst auf die Kundmachung vom 6. März 1979, LGBl. 8200/3, mit der die Verordnung über Garagen und Einstellplätze (Reichsgaragenordnung) wiederverlautbart wurde. Diese sei durch die NÖ Garagenverordnung, LGBl. 8200/3, ersetzt worden. Die Marktgemeinde Mauerbauch übersehe, daß die Reichsgaragenordnung nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre (siehe ArtII Abs1 der 1. Novelle zur Bauordnung 1976, LGBl. 8200-1).

Der von der Marktgemeinde vorgeschlagenen Auslegung des §1 NÖ Garagenverordnung hält die Niederösterreichische Landesregierung den "ausdrückliche(n) Wille(n) des Verordnungsgebers" entgegen. Die im §1 NÖ Garagenverordnung normierte Anzahl der Stellplätze sei nicht willkürlich festgelegt. Als Grundlagen hiefür seien, wie aus den Erläuterungen zu §1 Abs1 der NÖ Garagenverordnung ersichtlich, unter anderem das Lehrbuch "Straßenverkehrstechnik" von Mensebach, die Musterbauordnung in der Fassung der Novelle 1965 und die "Richtlinien für Anlagen des ruhenden Verkehrs" der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen (RAR, 1975) herangezogen worden. Der behauptete Widerspruch der Bestimmung zu §4 Abs2 Z8 der NÖ BauO 1976 liege nicht vor, hiezu werde auf die Erläuterungen zu dieser Gesetzesstelle verwiesen. Die NÖ BauO 1976 verbiete zudem die Errichtung zusätzlicher Abstellplätze nicht. Es bleibe somit jedem Bauwerber unbenommen, die für seine Bedürfnisse erforderlichen Stellplätze zu errichten.

§12 der Bebauungsvorschriften, der die Möglichkeit von Ausnahmen von den Bebauungsvorschriften im Einzelfall vorsehe, finde in der NÖ BauO 1976 keine gesetzliche Deckung.

Die Niederösterreichische Landesregierung stellt daher den Antrag, den Aufhebungsantrag als unbegründet abzuweisen und die angefochtene Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Marktgemeinde Mauerbach hat eine Replik auf die Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung erstattet.

Die Ausführungen der Niederösterreichischen Landesregierung unter Punkt 5 des als Begründung für die angefochtene Aufhebungsverordnung beigelegten Schreibens der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1994, wonach "(d)ie Darlegung des Änderungsanlasses ... nach wie vor unvollständig" sei, werde durch den davorstehenden Satz "Ob die einzelnen Festlegungen auch gesetzlich ihre Deckung finden, wurde nicht untersucht." relativiert, da dieser Satz nur die Bedeutung haben könne, daß "dies von der Aufsichtsbehörde nicht untersucht" worden sei.

Die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsverordnung werde von der Marktgemeinde Mauerbach nunmehr auch deshalb in Zweifel gezogen, da der Hinweis der Aufsichtsbehörde auf ein früheres Schreiben derselben nicht als Begründung im Sinne des Art119a Abs6 B-VG und §88 NÖ Gemeindeordnung ausreiche und Punkt 5 des Schreibens der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1994 nicht die vollständige Aufhebung der Bebauungsvorschriften durch die Aufhebungsverordnung begründe. Die mangelnde Untersuchung oder Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde könne wohl nicht die Gesetzwidrigkeit der Bebauungsvorschriften bewirken oder begründen.

Die Bestimmung des §8 Abs1 NÖ BauO 1976, wonach der Bebauungsplan "wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen" (Z1) sowie "zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft" (Z2) geändert werden dürfe, dürfe aus Gründen der in den Art116 ff B-VG geregelten Selbstverwaltung und Autonomie der Gemeinden nicht restriktiv ausgelegt werden, um nicht verfassungswidrig zu werden.

Mit Schreiben vom 19. Juli 1994 habe die Marktgemeinde Mauerbach einen Erläuterungsbericht zur Änderung des Bebauungsplanes nachgereicht. In diesem Erläuterungsbericht hätten die von der Marktgemeinde Mauerbach beauftragten Verfasser auf die Änderungen der Strukturen in Mauerbach (positive Änderungen der Strukturen im bestehenden Altortgebiet), die Schaffung neuer Strukturen (in den Neubaugebieten) sowie auf die in den Jahren davor erzielten neuen Erkenntnisse durch die Dorferneuerung verwiesen, sodaß sich daraus sehr wohl ein dem §8 Abs1 Z1 NÖ BauO 1976 entsprechender Änderungsanlaß ergebe.

Durch das gleichfalls in diesem Erläuterungsbericht dargelegte Anliegen, durch Straffung des Inhaltes, Entfernung nicht unbedingt erforderlicher Bestimmungen, durch verständliche Formulierungen der verbleibenden Bestimmungen etc. den Bebauungsplan übersichtlicher, verständlicher und anwendbarer zu machen, werde "wohl mit Sicherheit" der Änderungsanlaß des §8 Abs1 Z2 NÖ BauO 1976 erfüllt. In diesem Erläuterungsbericht werde darauf hingewiesen, daß in vielen Fällen umfangreiche frustrierte Planungsarbeiten, frustrierte Verhandlungen und Bauansuchen durch den früheren umfangreicheren und nicht leicht verständlichen Bebauungsplan (Bebauungsvorschriften vom 15. Juni 1984) bewirkt worden seien.

Die möglicherweise - die Ausdrucksweise im Schreiben vom 28. Juli 1994 lasse dies nicht mit Sicherheit erkennen - von der Niederösterreichischen Landesregierung vertretene Rechtsansicht, daß für jede einzelne geänderte Bestimmung des Bebauungsplanes ein Änderungsanlaß der Aufsichtsbehörde "darzulegen" sei, gehe weder aus §8 NÖ BauO 1976 noch aus §88 der NÖ Gemeindeordnung hervor. Eine solche die Gemeinde in ihrer Autonomie völlig einschränkende Auslegung des §8 Abs1 der NÖ BauO 1976 sei auch im Hinblick auf die bereits zitierten Bestimmungen über die Gemeindeautonomie der Bundesverfassung nicht verfassungsgemäß.

Im Interesse der Gemeindebürger liegende inhaltliche und sprachliche Verbesserungen des Bebauungsplanes müßten daher zulässig sein und seien dies auch bei richtiger Auslegung des §8 Abs1 Z2 NÖ BauO 1976.

Sollte der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen des §8 Abs1 Z1 und 2 NÖ BauO 1976 restriktiver verstehen, werde angeregt, diese Bestimmungen in Gesetzesprüfung zu ziehen, da sie den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art118 Abs3 und 6 B-VG unzulässigerweise einschränken würden.

Die Ausführungen in der Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung, daß der Stellplatzzahlermittlung gemäß §1 NÖ Garagenverordnung Unterlagen aus den Jahren 1965 und 1975 zugrundegelegt wurden, würden das Vorbringen der Marktgemeinde Mauerbach über die Gesetzwidrigkeit der "angefochtenen" Verordnung vollinhaltlich bestätigen, da sich die Kraftfahrzeugdichte und damit der Bedarf an Stellplätzen seit 20 bzw. 30 Jahren vervielfacht habe, wozu auf die Äußerungen in der Beschwerde hinsichtlich der Änderungen in der Kraftfahrzeugdichte seit 1981 und 1982 verwiesen werde. Die Änderungen seit 1965 bzw. 1975 bis zum heutigen Tag seien noch wesentlich größer.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art139 Abs1 zweiter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art119a Abs6 B-VG auch auf Antrag der betreffenden Gemeinde.

Die antragstellende Gemeinde ist daher zur Anfechtung der erwähnten Aufhebungsverordnung der Niederösterreichischen Landesregierung befugt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hält es für sinnvoll, darauf hinzuweisen, daß er sich bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsverordnung auf die von der antragstellenden Gemeinde gemäß §57 VerfGG darzulegenden, gegen die Gesetzmäßigkeit der Aufhebungsverordnung sprechenden Bedenken zu beschränken hat.

3. Die antragstellende Gemeinde zieht die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsverordnung unter Hinweis darauf in Zweifel, daß durch diese Verordnung die Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach über die Abänderung der Bebauungsvorschriften vom 23. März 1994 zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben wurde, wiewohl die Begründung für die Aufhebung der Verordnung der Gemeinde Mauerbach durch die Niederösterreichische Landesregierung lediglich vier, im ersten Abschnitt der Bebauungsvorschriften enthaltene Regelungen erfasse, Punkt 5 des verwiesenen Schreibens (vom 28. Juli 1994) "nicht die vollständige Aufhebung ... (der) Bebauungsvorschriften durch die Aufhebungsverordnung" begründe und im übrigen der Hinweis der Aufsichtsbehörde auf ein früheres Schreiben "als Begründung im Sinne des Art119a Abs6 B-VG und §88 NÖ Gemeindeordnung" nicht ausreiche.

4. Gemäß Art119a Abs6 B-VG iVm §88 Abs1 NÖ Gemeindeordnung hat die Landesregierung gesetzwidrige Verordnungen einer Gemeinde nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen.

Der Verfassungsgerichtshof hat dazu in VfSlg. 12308/1990, S 273 f, ausgeführt:

"Die Begründung der Verordnungsaufhebung ist ... der Gemeinde nicht irgendwann und irgendwie (also nicht etwa im Zuge des nach Art119a Abs6 zweiter Satz B-VG vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens) mitzuteilen, sondern eben 'gleichzeitig' mit der Aufhebungsverordnung. Diese Bestimmung kann nur den Zweck haben, der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde (und nicht etwa anhand von unterschiedlichen Bedenken, die im Zuge des Anhörungsverfahrens von der Aufsichtsbehörde geäußert wurden) zur Aufhebung der Gemeinde-V wegen Gesetzwidrigkeit führten. Nur eine solche formelle, unauswechselbare, bindende Verordnungsbegründung ist geeignet, das vom Gesetzgeber offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls eine der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Ersatzregelung zu treffen, oder aber den von der Verfassung (Art139 Abs1 zweiter Satz, dritter Fall B-VG) vorgesehenen Rechtsschutz vor dem VfGH zu suchen ..."

5. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von der Marktgemeinde Mauerbach vertretene Rechtsauffassung, daß bei Aufhebung der gesamten, mehrere voneinander trennbare Bestimmungen enthaltenden Verordnung einer Gemeinde (- wie der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 -) durch Verordnung der Landesregierung diese kraft Art119a Abs6 B-VG iVm §88 Abs1 NÖ Gemeindeordnung verpflichtet ist, die Aufhebung der gesamten Verordnung zu begründen. Gründe, welche die Niederösterreichische Landesregierung sohin ins Treffen führte, um die Gesetzwidrigkeit einzelner (,aber nicht aller) Bestimmungen der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 darzutun, bilden keine im Sinne des Art119a Abs6 B-VG iVm §88 Abs2 NÖ Gemeindeordnung ausreichende Begründung für die Aufhebung der gesamten Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994.

Soweit die Niederösterreichische Landesregierung sohin mit dem von ihr verwiesenen Schreiben vom 28. Juli 1994 unter den Punkten

1. - 4. vier verschiedene "Festlegungen" in der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 als "gesetzlich nicht gedeckt" bezeichnet, wird damit jedenfalls die Aufhebung der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 insgesamt nicht (hinreichend) begründet.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat sohin zu prüfen, ob die unter Punkt 5. des Schreibens der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1994 behauptete Rechtswidrigkeit der Gemeindeverordnung vom 23. März 1994 eine im Sinne des Art119a Abs6 B-VG hinreichende Begründung für die Aufhebung der gesamten Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach bildet (6.1.) und ob diese Begründung der Sache nach stichhältig ist, ob also von der Niederösterreichischen Landesregierung als Aufsichtsbehörde die unter Punkt 5. ihres Schreibens vom 28. Juli 1994 behauptete Rechtswidrigkeit der gesamten Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 zurecht angenommen wurde (6.2.).

6.1. Die Marktgemeinde Mauerbach bezweifelt vorerst, ob der gleichzeitig mit der Aufhebungsverordnung der Gemeinde mit Schreiben vom 22. November 1994 "als Begründung" übermittelte Verweis auf "das ha. Schreiben vom 28. Juli 1994, Zl. R/1-B-383/012" als "gleichzeitige" Mitteilung der Aufhebungsgründe im Sinne des Art119a Abs6 B-VG ausreicht.

Zwar reicht es VfSlg. 12308/1990 zufolge nicht aus, wenn die Aufsichtsbehörde die Begründung ihrer Verordnungsaufhebung der Gemeinde - lediglich - im Zuge des nach Art119a Abs6 zweiter Satz B-VG vorgesehenen Anhörungsverfahrens mitteilt. Ausgehend von den oben wiedergegebenen Überlegungen in VfSlg. 12308/1990, wonach es für eine im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift mit Rücksicht auf deren Zweck ausreichende Begründung einer Verordnungsaufhebung darauf ankommt, "der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde" zur Aufhebung der Gemeindeverordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten, vermag der Verfassungsgerichtshof die Bedenken der antragstellenden Gemeinde gleichwohl nicht zu teilen. Kraft ausdrücklichen Verweises auf das Schreiben der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1994 "als Begründung" erlangen damit die in diesem Schreiben von der Niederösterreichischen Landesregierung mitgeteilten Gründe für die Annahme der Rechtswidrigkeit der von der Marktgemeinde Mauerbach erlassenen Verordnung die Qualität einer solcherart "formelle(n), unauswechselbare(n), bindende(n) Verordnungsbegründung", wie sie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 12308/1990 forderte. Es wäre ein in Anbetracht des vom Verfassungsgerichtshof für maßgeblich erachteten Zwecks des Art119a Abs6 zweiter Satz B-VG nicht zu begründender formaler Standpunkt, wollte man verlangen, daß die Landesregierung bei Erlaß einer Aufhebungsverordnung die dafür schon früher mitgeteilten, unveränderten Gründe neuerlich abschreibt und übermittelt. Kommt es vielmehr darauf an, "der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde" zur Aufhebung der Gemeindeverordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten, so muß es auch genügen, gleichzeitig mit der Aufhebungsverordnung ausdrücklich auf bereits früher mitgeteilte Gründe für die Rechtswidrigkeit der Gemeindeverordnung hinzuweisen, um dadurch das "offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls eine der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Ersatzregelung zu treffen

...".

Der gleichzeitig mit der Übermittlung der Aufhebungsverordnung von der Niederösterreichischen Landesregierung mitgeteilte Hinweis auf ihr Schreiben vom 28. Juli 1994 genügt sohin hinsichtlich des Punktes 5 in formeller Hinsicht als Begründung für die Aufhebung der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994.

6.2. Die Niederösterreichische Landesregierung ist aber auch der Sache nach im Recht, wenn sie der Marktgemeinde Mauerbach vorwirft, daß ihre Verordnung vom 23. März 1994 den Voraussetzungen für die Änderung eines Bebauungsplanes gemäß §8 Abs1 NÖ BauO 1976 (beinahe wörtlich übereinstimmend mit dem nunmehr geltenden §73 Abs1 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nicht genügte.

§8 Abs1 NÖ BauO 1976 lautete:

"Der Bebauungsplan ist dem geänderten örtlichen Raumordnungsprogramm anzupassen, wenn seine Festlegungen von der Änderung berührt werden. Er darf abgeändert werden:

1. wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen;

2. zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft."

In dem mit "6. Änderung des Bebauungsplanes - Marktgemeinde Mauerbach - Änderung der Bebauungsbestimmungen" betitelten, auch der Aufsichtsbehörde vorgelegten "Erläuterungsbericht - Juli 1993" zur Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 wird als "Ausgangssituation" für die Planänderung ausgeführt, daß "die Handhabung eines Bebauungsplanes mit zu umfangreichen Bebauungsbestimmungen" "(e)ine Umsetzung prinzipieller Gestaltungsrichtlinien ..." erschwere, daß sich "die Einstellung der BauherrInnen wesentlich geändert" habe und

daß "geplante bauliche Lösungen ... immer öfter durch

Bebauungsbestimmungen ... verhindert (werden)". Als

"Änderungsanlaß" wird auf Schwierigkeiten bei der "optimale(n) Handhabung der Bebauungsbestimmungen" sowie auf das Anraten einer Arbeitsgruppe "Dorferneuerung" und eines Bausachverständigen hingewiesen, wobei als Ziel angegeben wird, "den Umfang der Bebauungsbestimmungen dahingehend zu reduzieren, um allen am Baugeschehen beteiligten Personen ein Verständnis für die rechtliche Tragweite eines Bebauungsplanes zu ermöglichen".

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Judikatur zu §8 Abs1 zweiter Satz NÖ BauO 1976 (vgl. insbes. VfSlg. 7585/1975, S. 496; und VfSlg. 13503/1993, S. 801 f) dargelegt hat, müssen "wesentliche Änderungen der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen" im Sinne des §8 Abs1 NÖ BauO

1976 nicht nur aktenkundig, sondern "derart fundiert dargelegt sein, daß sie die nachvollziehbare Grundlage für eine Änderung der vorausschauenden Gestaltung eines bestimmten Gebietes in Bezug auf seine Verbauung bieten". (So VfSlg. 7585/1975 unter Hinweis auf VfSlg. 6857/1972.) In VfSlg. 13503/1993 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß nicht einmal eine Widmungsänderung zwangsläufig eine wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen zu bewirken und damit eine Bebauungsplanänderung zu rechtfertigen vermag, geschweige denn, daß diese "zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte örtliche Gemeinschaft erforderlich" wäre.

Im Sinne der auch sonst vom Verfassungsgerichtshof bei der Auslegung der Voraussetzungen für die Änderung von Raumplänen angestellten Überlegungen (vgl. diese bei Jann-Oberndorfer, Die Normenkontrolle des Verfassungsgerichtshofes im Bereich der Raumplanung, 1995, S 111 ff, 116) ist sohin davon auszugehen, daß eine "wesentliche" Änderung der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklungen oder neuer Tatsachen nicht schon dann vorliegt, wenn sich bei der Anwendung eines Planes Unzulänglichkeiten ergeben oder fachliche Auffassungsunterschiede hinsichtlich der die Bebauungsbestimmungen tragenden planerischen Überlegungen eintreten. §8 Abs1 NÖ BauO 1976 verlangt vielmehr (abgesehen von der Anpassung eines Bebauungsplanes an ein geändertes örtliches Raumordnungsprogramm) "wesentliche", also tiefgreifende Änderungen der für eine Bebauungsplanung maßgeblichen Tatsachen. Die Niederösterreichische Landesregierung ist im Recht, wenn sie der Marktgemeinde Mauerbach als Grund für die Aufhebung der neuen Bebauungsvorschriften vorwarf, daß die Gemeinde weder im "Erläuterungsbericht" zu ihrer Verordnung vom 23. März 1994 noch im Zuge der Anhörung durch die Aufsichtsbehörde "wesentliche Änderungen der Planungsgrundlagen infolge struktureller Entwicklung oder neuer Tatsachen" oder Überlegungen "zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile" für die Gemeinde darlegte, aus denen sich eine umfassende Änderung der Bebauungsbestimmungen rechtfertigen ließe. Die Gemeinde ist dadurch nicht gehindert, ihre Bebauungsvorschriften abzuändern, wenn und soweit sie für jede normative Änderung im einzelnen eine im Sinne des §73 Abs1 NÖ Bauordnung 1996 ausreichende Begründung darzulegen vermag.

Da die Aufhebung der Verordnung der Marktgemeinde Mauerbach vom 23. März 1994 durch die angefochtene Aufhebungsverordnung der Niederösterreichischen Landesregierung sohin zurecht erfolgte, war der Antrag der Gemeinde Mauerbach abzuweisen.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsumfang, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Aufhebungsverordnung, Verordnungserlassung, Baurecht, Bebauungsplan, Verweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:V55.1995

Dokumentnummer

JFT_10029696_95V00055_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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