TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/20 97/19/0975

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Veröffentlicht am 20.04.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1944 geborenen F A in Bregenz, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Februar 1996, Zl. 118.347/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 14. August 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz einlangte.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1995 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg den Antrag (im wesentlichen) gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. In der Begründung wurde ausgeführt, in der Verwaltungsstrafkartei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz schienen 25 zum Teil gravierende Verwaltungsübertretungen des Antragstellers auf. So sei er mit Straferkenntnis vom 23. Juli 1992 wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO "zu einer Geldstrafe von ÖS 16.000,-- bestraft" worden. Weiters schienen vier rechtskräftige Bestrafungen nach der Gewerbeordnung auf, dreimal sei er wegen Übertretung gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG bestraft worden. Schließlich schienen noch vier Übertretungen gemäß § 4 StVO in der Verwaltungsstrafkartei auf.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 23. Februar 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, wie bereits die Behörde erster Instanz ausgeführt habe, lägen insgesamt 27 rechtskräftige Verwaltungsübertretungen gegen den Beschwerdeführer vor. Diese Übertretungen habe er zwischen November 1990 und Februar 1993 begangen. Bei den Übertretungen handle es sich "z.B." um 13 Übertretungen der StVO und 7 Übertretungen der Gewerbeordnung (1973). Auf Grund des kurzen Zeitraumes, in dem diese Verwaltungsübertretungen begangen worden seien, stehe für die Berufungsbehörde fest, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich entsprechend den hier geltenden Rechtsvorschriften zu verhalten. Da sein Verhalten auch auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könne und dies eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit darstelle, sei er vom Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass durch den Aufenthalt seiner Familie im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und seiner privaten Interessen im Rahmen des Art. 8 MRK sei auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen "absolute Priorität einzuräumen" gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 24. September 1996, B 1298/96-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese mit Beschluss vom 14. Mai 1997, B 1298/96-5, antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 4. März 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte der Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, es lägen gegen ihn insgesamt 27 rechtskräftige Verwaltungsübertretungen vor, die er zwischen November 1990 und Februar 1993 begangen habe. Ebenso wenig bestreitet der Beschwerdeführer, dass es sich dabei unter anderem um 13 Übertretungen der StVO und 7 Übertretungen der Gewerbeordnung (1973) handle.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings für die Beurteilung, ob vom Aufenthalt einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ausgeht, grundsätzlich nicht das Vorliegen verwaltungsbehördlicher Bestrafungen für sich allein maßgebend, wesentlich ist vielmehr, ob das Gesamtverhalten des Antragstellers Grund zur Annahme bietet, sein Aufenthalt gefährde die (oder zumindest eines der) in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter. Dabei hat die Behörde eine Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers anhand der gesetzten Delikte, deren Anzahl und des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich auffällig geworden ist, vorzunehmen. Bei der von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit der zu Grunde gelegten Straftat abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0212).

Eine solche auf entsprechende Feststellungen (insbesondere zur Art und Begehensweise der übrigen Verwaltungsübertretungen) gegründete Würdigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde jedoch unterlassen. Wohl hat die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer die Art und die Anzahl der Verwaltungsübertretungen vorgehalten und hat sich der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung hiezu geäußert, die belangte Behörde ist jedoch ihrer (insoweit relevanten) aus § 60 AVG erfließenden Begründungspflicht nicht nachgekommen, weil sie die Art der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht darlegte. Dieser Mangel des angefochtenen Bescheides hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Prüfung der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine Gefährdung der Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190975.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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