TE Vwgh Erkenntnis 2019/2/27 Ro 2017/05/0003

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15103030;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

32008L0098 Abfall-RL Art5;
32008L0098 Abfall-RL;
AWG 2002 §2 Abs3a;
AWG 2002 §3 Abs1 Z1;
AWG 2002 §37;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft (nunmehr: Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 19. Dezember 2016, Zl. LVwG 46.1-3491/2015-19, betreffend Feststellung gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Parteien:

1. S GmbH & Co KG und 2. Wasserverband "R", beide in G, beide vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Ausgehend von einer örtlichen Umweltinspektion durch Mitarbeiter der Wasserrechtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung bei der Abwasserreinigungsanlage "R" betreffend die Zentralkläranlage G am 31. März 2009 wurde dem Zweitmitbeteiligten, einem Wasserverband gemäß dem WRG 1959, mit Schriftsatz des Landeshauptmannes von Steiermark als Abfallbehörde vom 7. Mai 2009 mitgeteilt, dass die Errichtung und der Betrieb sowie eine Änderung von ortsfesten Abfallbehandlungsanlagen einer Genehmigung der Abfallbehörde gemäß § 37 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, bedürften. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass gemäß § 77 Abs. 2 AWG 2002 Behandlungsanlagen dann keiner gesonderten Genehmigung nach § 37 AWG 2002 bedürften, wenn ein nach der vor Inkrafttreten des AWG 2002 (am 2. November 2002) geltenden Rechtslage erforderliches Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen sei. Nach derzeitiger Aktenlage seien die Reststoffverbrennungsanlage (im Folgenden: RVA) des Zweitmitbeteiligten und der Kessel 11 der Erstmitbeteiligten als Abfallbehandlungsanlagen anzusehen. Im Falle von übergeleiteten Abfallbehandlungsanlagen wäre jedenfalls der Stand der Technik im Sinne der abfallrechtlichen Normen einzuhalten und insbesondere die Abfallverbrennungsverordnung (AVV) anzuwenden.

2 Nach dem Bericht der örtlichen Umweltinspektion betreibe der Zweitmitbeteiligte neben der Zentralkläranlage (im Folgenden: ZKA) noch insgesamt fünf Pumpwerke sowie am Betriebsgelände der Erstmitbeteiligten zwei Anaerobreaktoren, eine RVA, eine Schlammentwässerungsanlage und eine Sauerstofferzeugung. Nach dem Bericht sei der Zweitmitbeteiligte in das Managementsystem für Qualität, Sicherheit und Umwelt der Erstmitbeteiligten integriert. Der Standort sei als "EMAS-Betrieb" beim Umweltbundesamt registriert.

3 Der Vertreter des Zweitmitbeteiligten vertrat mit Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 die Ansicht, dass der Kessel 11 hinsichtlich des Einsatzes von Klärschlamm dem Regime des AWG 2002 und der Abfallverbrennungsverordnung (AVV) unterliege, während bei Einsatz der Regelbrennstoffe in dieser Anlage das Regime der Gewerbeordnung zum Tragen komme. Gleiches gelte für die in Frage stehende RVA.

4 Nach dem Befund des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. E.G. vom 19. Februar 2010 übernimmt der Zweitmitbeteiligte Abwässer der Erstmitbeteiligten, die in deren Betrieb der Papier- und Zellstofferzeugung sowie der Bleicherei anfallen, und behandelt diese zusammen mit kommunalen Abwässern in den eigenen Abwasseranlagen. Der dabei anfallende Schlamm wird der Verwertung in der RVA zugeführt. Die Abwässer aus der Papier- und Zellstofferzeugung der Erstmitbeteiligten seien faserhältig. Die Abtrennung der Schlämme aus diesen Abwässern erfolge in den Vorkläranlagen VK 1 und VK 2 (jeweils Sedimentationsanlagen). Der Ablauf beider Vorkläranlagen (Abwasser mit Restfaseranteilen) gelange zusammen mit den Abwässern aus der Bleicherei, den kommunalen Abwässern sowie Abwässern aus Anaerobie und Bypass in die Biologie der Kläranlage (ZKA). Die Abwässer aus der Bleicherei der Erstmitbeteiligten, die kommunalen sowie die Abwässer aus Anaerobie und Bypass seien nicht faserhältig. Der aus der Nachklärung und Eindickung im Anschluss an die ZKA stammende Schlamm (biologischer Überschussschlamm aus der Abwasserreinigung) werde mit dem faserhältigen Schlamm aus den beiden Vorkläranlagen in Bandpressen mechanisch entwässert und anschließend in der RVA verfeuert. Neben Schlamm würden Biogas, Erdgas, Biomasse (zugekaufte Hackschnitzel), Rinde, Holzabfälle (Paletten) und Papierhülsen als Brennstoffe verwendet. Ausschließlich bei Ausfällen oder Revisionsarbeiten an der RVA werde der Schlamm im Kessel 11 verbrannt. Als weiterer Brennstoff werde im Kessel 11 Steinkohle eingesetzt.

5 In der ZKA des Zweitmitbeteiligten werden die Abwässer der drei Mitglieder dieses Wasserverbandes, nämlich der Erstmitbeteiligten, der Marktgemeinde G und des Abwasserverbandes E gereinigt.

6 Als Ergebnis der mit Schreiben des Vertreters des Zweitmitbeteiligten vom 17. Mai 2010 vorgelegten Schlammbilanz des Zweitmitbeteiligten ergab sich, dass die RVA mit einem faserhältigen Schlamm aus den beiden Vorklärbecken und mit einem Schlamm aus dem System Belebungsbecken-Nachklärung (Überschussschlamm) beschickt werde, welcher 30 % Faseranteil enthalte (9,9 t/d). Es ergebe sich ein faserhältiger Anteil am Gesamtschlamm von 72 %. Der Anteil an Primärschlamm am Gesamtschlamm betrage 59 % und der Anteil des faserhältigen Industrieschlamms am Gesamtschlamm belaufe sich auf 96 %.

7 Die abfallrechtliche Abteilung des Amtes der Stmk Landesregierung teilte mit E-Mail vom 2. März 2011 dem Zweitmitbeteiligten mit, dass aus der Sicht der Abfallbehörde für die RVA und für den Kessel 11 ein Nachweis hinsichtlich des Einhaltens der AVV vorzulegen sei und dass alle zukünftigen Anlagenänderungen bei weiterer Abfallbeschickung einer Genehmigung durch die Abfallbehörde bedürften. Soweit diese Anlagen nicht mit Abfällen beschickt würden, bestehe keine Zuständigkeit der Abfallbehörde.

8 Der Zweitmitbeteiligte teilte mit Eingabe vom 5. März 2013 der Abfallbehörde mit, dass mit Schreiben gleichen Datums bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung die Installation einer kontinuierlichen Messung der Massenkonzentration der Emissionen am Reststoffverbrennungskessel mittels einer Rauchgasanalysenmessung, die die näher genannten Komponenten erfasse, angezeigt worden sei.

9 Die Erstmitbeteiligte teilte in der Folge der Abfallbehörde mit Eingabe vom 17. Mai 2013 mit, dass die Anzeige am 5. März 2013 zurückgezogen worden sei.

10 Die Abfallbehörde wies mit E-Mail vom 5. November 2013 darauf hin, dass die Angelegenheit mit der Gewerbebehörde, der seinerzeit beauftragten Kanzlei und der Abfallbehörde diskutiert und ausgiebig behandelt worden sei, demnach die RVA sowie der Kessel 11 bei Abfalleintrag als Abfallbehandlungsanlagen dem Genehmigungsregime der §§ 37 ff AWG 2002 unterlägen bzw. die Abfallverbrennungsverordnung (AVV) anzuwenden sei.

11 Im Schriftsatz der nunmehr durch einen anderen Vertreter vertretenen Zweitmitbeteiligten vom 4. April 2014 wurde ausgeführt, dass der in Frage stehende Klärschlamm aus der von der Erstmitbeteiligten mitbetriebenen Verbandskläranlage des Zweitmitbeteiligten stamme und der Anteil des kommunalen Abwassers am Gesamtabwasser, das in die Kläranlage eingeleitet werde, lediglich 7 bis 11 % betrage. Die restlichen Abwässer (89 % bis 93 %) stammten aus der Betriebsanlage der Erstmitbeteiligten und beträfen Rückstände aus der Papier- und Zellstofferzeugung. Der Anteil des Klärschlamms, der im Zuge der kommunalen Abwasserreinigung entstehe, betrage lediglich 2 bis 3 % der Gesamtmenge des bei der Abwasserreinigung anfallenden Klärschlammes. Der Einsatz dieses Klärschlammes in den Verbrennungsanlagen diene der Substituierung anderer Brennstoffe. Es könne sohin fossiles CO2 reduziert werden.

12 Unter Bezugnahme auf den Abfallbegriff des § 2 AWG 2002, insbesondere die Ausnahme für Nebenprodukte gemäß § 2 Abs. 3a AWG 2002, weiters den Grundsatz des Vorranges des gemeinschaftsrechtlichen Abfallbegriffes und die einschlägige Rechtsprechung des EuGH werde nunmehr die Auffassung vertreten, dass der Klärschlamm, der in die Mitverbrennung der verfahrensgegenständlichen Verbrennungsanlagen eingehe, den Abfallbegriff bzw. die Abfalleigenschaft nicht erfülle. Es unterläge die Verbrennung des Klärschlamms im Kessel 11 sowie in der RVA nicht dem Regime des AWG 2002 und seien sohin auch die Vorhaben, nämlich die Installation einer Anlage zur Stickoxidminimierung sowie einer Online-Emissionsüberwachung der RVA, nicht nach den Bestimmungen des AWG 2002 bewilligungspflichtig (anzeigepflichtig).

13 Die Abfallbehörde holte dazu ein weiteres Gutachten des Amtssachverständigen für Abfall-und Stoffflusswirtschaft (DI E. G.) vom 20. Mai 2015 ein, das zum Ergebnis kam, dass die gegenständlichen Klärschlämme aus dem Papiererzeugungsprozess als Nebenprodukte gemäß § 2 Abs. 3a AWG 2002 eingestuft werden könnten. Nachdem der in der RVA und im Kessel 11 verbrannte Klärschlamm jedoch auch Anteile aus der kommunalen Abwasserreinigung enthalte und diese Anteile die Voraussetzungen für einen Produktionsrückstand aus der Papiererzeugung nicht erfüllten, sei der gesamte in der RVA und im Kessel 11 verbrannte Klärschlamm aus fachlicher Sicht als Abfall anzusehen.

14 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. November 2015 wurde gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 festgestellt, "dass Änderungen am Kessel 11, ... (der

Erstmitbeteiligten) ... , als auch an der

Reststoffverbrennungsanlage (RVA), Eigentümer ... (der

Zweitmitbeteiligte) ..., der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1, Abs. 3 sowie Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz ... unterliegen". Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach der Stellungnahme der beiden Mitbeteiligten vom 27. August 2015 sowohl im Kessel 11 der Erstmitbeteiligten bzw. der RVA des Zweitmitbeteiligten neben anderen Brennstoffen Klärschlamm mitverbrannt werde. Die Erstmitbeteiligte sei auf Grund einer vertraglichen (entgeltlichen) Vereinbarung mit dem Zweitmitbeteiligten zur Mitnutzung der RVA berechtigt. Der Klärschlamm stamme aus der Verbandskläranlage des Zweitmitbeteiligten. Würden in Betriebsanlagen Materialien, die keine Abfälle darstellten, eingesetzt, so liege auch keine Abfallbehandlungsanlage im Sinne des § 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002 vor. Da der Zweitmitbeteiligte bzw. die jeweiligen Vertreter im Laufe des Verfahrens letztlich die Auffassung vertreten hätten, dass die gegenständlichen Klärschlämme keine Abfälle, sondern Nebenprodukte im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG 2002 darstellten, habe die Behörde von Amts wegen ein Verfahren zur Feststellung gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 eingeleitet.

15 Mit der Novelle zum AWG 2002, BGBl. I Nr. 9/2011, sei die Regelung betreffend Nebenprodukte gemäß § 2 Abs. 3a leg. cit. in das AWG 2002 aufgenommen worden. Die in § 2 Abs. 3a AWG 2002 normierten vier Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen, damit die Nebenprodukteigenschaft eines Gegenstandes angenommen werden könne. Seien die Voraussetzungen der Definition für Nebenprodukte in Art. 5 Abfallrahmenrichtlinie gegeben, so werde keine Entledigungsabsicht in Bezug auf den in Frage stehenden Gegenstand angenommen. Ob ein Gegenstand oder Stoff nun als Nebenprodukt oder als Abfall zu qualifizieren sei, sei im Einzelfall zu prüfen. Eine umfangreiche Ausarbeitung des Abgrenzungsproblems von Abfall und Nebenprodukt finde sich in der Mitteilung der Kommission vom 17. Oktober 2002 (KOM (2007) 59 endg.), die für die Auslegung, ob es sich bei dem Material um Abfall oder ein Nebenprodukt handelt, herangezogen werde. Die in Art. 5 Abfallrahmenrichtlinie (im Folgenden: Abfallrahmen-RL) enthaltene Definition für Nebenprodukte sei mit der angeführten Novelle des AWG 2002 in das nationale Recht umgesetzt worden.

16 Der Sachverständige für Abfall- und Stoffflusswirtschaft habe in seinem Gutachten vom 20. Mai 2015 festgestellt, dass der in der RVA und im Kessel 11 mitverbrannte Klärschlamm auch Anteile aus der kommunalen Abwasserreinigung enthalte und dieses Abfallgemisch die Voraussetzungen für einen Produktionsrückstand aus der Papiererzeugung nicht erfülle, somit insgesamt kein Nebenprodukt vorliege. Diese Tatsache (der Anteil aus der kommunalen Abwasserreinigung) sei auch von den Verfahrensbeteiligten nicht bestritten worden. Dem AWG 2002 seien Geringfügigkeitsgrenzen im Sinne unter- oder übergeordneter Teilströme unbekannt. Die kommunalen Klärschlämme seien zwar untergeordnet und geringfügig, stellten aber keine Klärschlämme aus der Papiererzeugung dar. Die Klärschlämme könnten daher insgesamt nicht als Produktionsrückstand des Papiererzeugungsprozesses der Erstmitbetiligten gewertet werden. Eine technische Trennung der kommunalen Schlämme von den Schlämmen aus der Papiererzeugung sei nach der im Verfahren abgegebenen Stellungnahme des Zweitmitbeteiligten nicht möglich.

17 Die Mitbeteiligten erhoben dagegen Beschwerde. 18 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) beauftragte den Vertreter der Mitbeteiligten, eine fachliche Beurteilung des in den beiden Verbrennungsanlagen verwerteten Klärschlammes durch einen einschlägigen Sachverständigen vorzulegen, um eine mögliche Veränderung und/oder Beeinträchtigung der Stoffqualität durch den kommunalen Abwasseranteil zu belegen und eine Aussage zur Einhaltung der AVV durch die beiden Verwertungsanlagen zu treffen. Dazu wurde das Gutachten der b....GmbH vom 11. Mai 2016 vorgelegt, das vom beigezogenen Amtssachverständigen im Wesentlichen als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt wurde.

19 Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid wie folgt abgeändert:

"Gemäß § 6 Abs. 6 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl I 102/2002 idF BGBl. I 103/2013 wird festgestellt, dass Änderungen am Kessel 11 der ... (Erstmitbeteiligten) und der

Reststoffverbrennungsanlage, Eigentümer ... (der

Zweitmitbeteiligte) ..., der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz ... nicht unterliegen."

Mit Spruchpunkt II. wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt.

20 Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die beiden Mitbeteiligten gemeinsam eine Abwasserreinigungsanlage betrieben, in der einerseits Abwässer aus der Papier- und Zellstofferzeugung (rund 90 %), andererseits kommunale Abwässer aus den Mitgliedsgemeinden des Zweitmitbeteiligten (rund 10 %) gereinigt würden. Der daraus entstehende Klärschlamm werde, nach einer mechanischen Entwässerung, einerseits im Kessel 11 der von der Erstmitbeteiligten betriebenen Papier- und Zellstoffproduktion, andererseits in der von dem Zweitmitbeteiligten betriebenen RVA thermisch verwertet und der so erzeugte Dampf der Energiegewinnung für die Papierfabrik zugeführt, wobei eine interne Verrechnung zwischen den beiden Betreibern vertraglich vereinbart sei. Beide Verbrennungsanlagen hätten eine lange, bis 1980 zurückreichende Genehmigungsgeschichte, sowohl nach der Dampfkesselverordnung für Kesselanlagen als auch nach den einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung, und seien nach diesen Gesetzen als rechtskräftig genehmigt anzusehen.

21 Der in Frage stehende Klärschlamm weise homogen einen hohen Anteil an Faserstoffen aus der Papier- und Zellstofferzeugung auf, der kommunale Anteil des Abwassers verändere die Stoffqualität des Klärschlammes nach übereinstimmender Aussage in den Sachverständigengutachten des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens nicht, so dass der rein rechnerisch ermittelte Anteil von 2 % des Klärschlammes aus kommunalen Abwässern auf die Bewertung des Stoffes als Abfall keinen Einfluss habe. Der kommunale Abwasseranteil führe zudem der Abwasserreinigungsanlage Stickstoff und Phosphor als Nährstoffe zu, die für die ordnungsgemäße Funktion der Kläranlage erforderlich seien und anderenfalls zudosiert werden müssten. Diese Anlagenkonzeption sei von Beginn des Produktionsstandortes zur Maximierung der Anlageneffizienz und zur Verringerung des Ressourceneinsatzes so gewählt, sodass von einer einheitlichen Betriebsanlage am Standort der Papier- und Zellstofffabrik gesprochen werden könne, in der Abwässer gemeinsam mit jenen Abwässern der beteiligten Gemeinden gereinigt und der daraus gewonnene Klärschlamm energetisch verwertet werde, wobei dadurch gleichzeitig andere Brennstoffe substituiert würden.

22 Dieser Sachverhalt ergebe sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten, dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und den Gutachten der beigezogenen Sachverständigen,

insbesondere aus dem Gutachten der b. ... GmbH, staatlich

akkreditierte Inspektionsstelle in L., vom 11. Mai 2016, die vom beigezogenen Amtssachverständigen im Wesentlichen als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt worden sei.

23 In diesem Gutachten werde grundsätzlich bestätigt, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Klärschlamm um einen aus dem Produktionsprozess der Papier- und Zellstofferzeugung entstandenen Reststoff handle, dessen Stoffeigenschaften von den mitgereinigten kommunalen Abwasserströmen nicht verändert würden. Der so gewonnene, einheitliche und homogene Klärschlamm werde danach sowohl in der gewerberechtlich genehmigten RVA als auch dem Kessel 11 der Papierfabrik gemeinsam mit Rinde, Biogas und Erdgas verbrannt. Die dabei gewonnene Energie (Dampf) werde wiederum dem Produktionsprozess zur Verfügung gestellt. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass sich aus dem rein rechnerisch ermittelten Anteil des kommunalen Abwasserstromes an der Gesamtmenge des verwerteten Klärschlammes keinerlei Änderung des Emissionsverhaltens bei dessen Verbrennung in der Wirbelschichtfeuerung der RVA bzw. dem Kessel 11 erwarten lasse. Die Grenzwerte des gewerbebehördlichen Bescheides und der AVV für Mitverbrennungsanlagen würden auf Basis der Emissionsmessungen der letzten drei Jahre eingehalten bzw. deutlich unterschritten. Auf Grund des eindeutigen Ergebnisses habe eine weitere Befassung eines emissionstechnischen Amtssachverständigen unterbleiben können.

24 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis u.a. auf VwGH 20.3.2013, 2010/07/0175) Klärschlamm zumindest grundsätzlich den objektiven Abfallbegriff erfülle, weil diesbezüglich die Gefährdung von Schutzgütern möglich sei. Zu prüfen sei aber, ob die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 3a AWG 2002 betreffend Nebenprodukte einschlägig sei. Das Vorliegen der Kriterien des § 2 Abs. 3a Z 1 bis 4 AWG 2002 sei in einer Gesamtschau aller Sachverhaltselemente in einer Einzelfallentscheidung zu bewerten. Die einzelnen Kriterien seien in richtlinienkonformer Interpretation an Hand der durch den EuGH herausgearbeiteten Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Abfallrahmen-RL 2008/98/EG zu untersuchen. Zur Auslegung seien auch die unverbindlichen Auslegungsdokumente der Kommission (u.a. die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen betreffend Abfall- und Nebenprodukte KOM 2007, 59 endgültig), die die bislang ergangene Judikatur des EuGH zusammenfassten und erläuterten, heranzuziehen. Eine Geringfügigkeitsschwelle, wonach die Abfalleigenschaft dann nicht gegeben sei, wenn der Großteil des in einem gemeinsamen Verwertungsprozess verwendeten Stoffes die Eigenschaft als Nebenprodukt erfülle, lasse sich weder der Judikatur des EuGH noch der Mitteilung der Kommission eindeutig entnehmen, sodass die Eigenschaft als Nebenprodukt für den gesamten durch die Erstmitbeteiligte verwerteten Klärschlamm vorliegen müsse, um die Anwendung des AWG 2002 auf die Anlagen der Erstmitbeteiligten auszuschließen.

25 Gemäß dem Einleitungssatz des § 2 Abs. 3a Einleitungssatz AWG dürfe das fragliche Material nicht als Hauptprodukt im Rahmen des Produktionsprozesses anfallen, sondern müsse nicht unmittelbar angestrebtes Ergebnis des Herstellungsverfahrens sein. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um ein Hauptprodukt, weil weder die Abwasseraufbereitung noch der Produktionsprozess der Erstmitbeteiligten darauf gerichtet sei, den Klärschlamm absichtlich zu produzieren.

26 Es sei auch von der sicheren Weiterverwendung des Klärschlamms (§ 2 Abs. 3a Z 1 AWG 2002) auszugehen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.1.2014, 2011/07/0179) sei eine Weiterverwendung eines Stoffes nicht nur dann gewiss im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. a Abfallrahmen-RL bzw. "sicher" im Sinne des § 2 Abs. 3a Z 1 AWG 2002, wenn es für das betreffende Material einen Markt im Sinne von vertraglich abgesicherten Abnehmern gebe, die zumindest den Marktpreis leisteten, sondern auch dann, wenn der Erzeuger des Stoffes diesen tatsächlich unter für ihn wirtschaftlich vorteilhaften Bedingungen nutzen wolle, sofern diese Wiederverwendung ohne vorherige Bearbeitung gewiss sei. So habe der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis ein bei Destillationsprozessen anfallendes organisches Substanzgemisch zum Befeuern einer Heizanlage als Nebenprodukt qualifiziert. Daraus ergebe sich, dass die energetische Nutzung von im eigenen Betrieb anfallenden Produktionsrückständen eine sichere Weiterverwendung im Sinne des § 2 Abs. 3a Z 1 AWG 2002 sei. Jener Anteil des Klärschlammes der im Zuge der Reinigung betrieblicher Abwässer aus der Papierbzw. Zellstoffproduktion entstehe, erfülle somit das genannte Kriterium, weil die Verbrennung des Klärschlammes dessen vollständige Verwertung zum Zwecke der Erzeugung von Dampf für die Papier- und Zellstoffproduktion gewährleiste.

27 Fraglich sei, ob dieses Kriterium auch auf jenen Anteil des Klärschlammes zutreffe, der aus der kommunalen Abwasserreinigung herrühre. Der EuGH habe im Urteil Brady (EuGH 3.10.2013, C-113/12, Rn. 44) ausgeführt, dass ein Stoff, der bei einem nicht hauptsächlich zu seiner Gewinnung bestimmten Abbau- oder Herstellungsverfahren entstehe, auch dann ein Nebenerzeugnis darstelle, wenn er unter für den Erzeuger vorteilhaften Bedingungen für Zwecke anderer Wirtschaftsteilnehmer wiederverwendet werde. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen, weil der durch die Verbrennung des Klärschlammes entstandene Dampf zwar letztlich der Erstmitbeteiligten zur Produktherstellung diene, der Zweitmitbeteiligte jedoch insofern einen Vorteil daraus ziehe, "als der in der Reststoffverbrennungsanlage entstandene

Dampf ... der Erstmitbeteiligten weiterverrechnet

wird".

28 Gemäß § 2 Abs. 3a Z 2 AWG müsse der Produzent nachweisen, dass der Stoff entweder keiner weiteren Verarbeitung bedürfe oder die weitere Verarbeitung einem normalen industriellen Verfahren und nicht einem abfallspezifischen Sonderverfahren entspreche (Hinweis auf 1005 BlgNR 24. GP 16). Unter normalen industriellen Verfahren seien solche Bearbeitungen zu verstehen, denen auch Hauptprodukte eines Produktionsprozesses gewöhnlich unterzogen würden, während abfallspezifische Behandlungsverfahren solche Bearbeitungen darstellten, die einen potentiell umwelt- oder gesundheitsschädlichen Prozess beinhalten würden, der eine spezifisch abfallrechtliche Regulierung mit den Mitteln des AWG 2002 erfordere. Als normales industrielles Verfahren sei auch die Aufbereitung des Stoffes in einem Prozess zu qualifizieren, der integraler Bestandteil des Produktionsprozesses für das Hauptprodukt sei. Dabei sei nicht allein ausschlaggebend, ob ein Beseitigungs- oder Verwertungsverfahren in den Anhängen der Abfallrahmen-RL genannt sei, weil auch Hauptprodukte derartigen Verfahren unterzogen würden. Ob ein Verbrennungsverfahren wie das vorliegende ein abfallspezifisches Sonderfahren oder ein normales industrielles Verfahren darstelle, sei somit davon abhängig, ob es integraler Bestandteil des Produktionsprozesses sei. Nach dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, handle es sich bei der Verbrennung zur Energiegewinnung als Bestandteil des Produktionsprozesses um ein normales industrielles Verfahren. Somit sei das Kriterium des § 2 Abs. 3a Z 2 AWG 2002 auch bei der vorliegenden Verbrennung des Klärschlammes zur Nutzung des Dampfes für die Papier- und Zellstoffproduktion erfüllt, sofern dieses Verfahren einen integralen Bestandteil eines Herstellungsprozesses im Sinne des § 2 Abs. 3a Z 3 AWG 2002 bilde.

29 Das letztere Kriterium liege unstrittig hinsichtlich jenes Anteiles des Klärschlammes vor, der aus der Aufbereitung der betrieblichen Abwässer der Erstmitbeteiligten herrühre. Die Erstmitbeteiligte sei Mitbetreiberin der Kläranlage des Zweitmitbeteiligten. Dabei schade es auch nicht, dass der für die Papier- und Zellstoffproduktion verwendete Dampf in der Reststoffverbrennungsanlage des Zweitmitbeteiligten erzeugt werde, weil an der Aufbereitung für die spätere Verwendung auch zwischengeschaltete Unternehmen mitwirken könnten. Daher könne insofern von einem kontinuierlichen Produktionsprozess ausgegangen werden, weil die Nutzung des aufbereiteten Stoffes im Rahmen der Haupttätigkeit des Herstellers ein Indiz für einen kontinuierlichen Produktionsprozess sei (Hinweis auf die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen).

30 Fraglich sei dieses Kriterium hinsichtlich des aus der Kommunalwasseraufbereitung stammenden Klärschlammanteiles. Dieser werde nicht in einem Herstellungsprozess erzeugt, weil es sich bei der Abwasseraufbereitung durch den Zweitmitbeteiligten nicht um einen Produktionsprozess handle, in dem ein Produkt hergestellt werde. Es lasse sich eine generelle Geringfügigkeitsschwelle, wonach die Abfalleigenschaft dann nicht gegeben sei, wenn der Großteil des in einem gemeinsamen Verwertungsprozess verwendeten Stoffes die Eigenschaft als Nebenprodukt erfülle, weder der Judikatur des EuGH noch der Mitteilung der Kommission entnehmen, sodass die Eigenschaft als Nebenprodukt grundsätzlich für den gesamten durch die Erstmitbeteiligte verwerteten Klärschlamm vorliegen müsse, um die Anwendung des AWG 2002 auf die verfahrensgegenständlichen Anlagen auszuschließen. Eine derartige Geringfügigkeitsschwelle könne wohl auch nicht, wie dies in der Beschwerde versucht werde, aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet werden.

31 Im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung handle es sich aber im vorliegenden Fall um einen derart zwischen der Erstmitbeteiligten und dem Zweitmitbeteiligten verschränkten Prozess der Abwasseraufbereitung, dass nicht zwischen dem Produktionsprozess der Erstmitbeteiligten und der Abwasseraufbereitung der Kommunalabwässer unterschieden werden könne. So könne hinsichtlich des Klärschlammes nicht danach unterschieden werden, ob dieser aus betrieblichen oder kommunalen Abwässern generiert worden sei. Die verfahrensgegenständlichen Anlagen dienten auch immer der energetischen Nutzung des Klärschlammes für den Produktionsprozess, sodass die Verbrennung des aus der Kommunalwasseraufbereitung stammenden Anteils des Klärschlamms kein abfallspezifisches Sonderverfahren darstelle.

32 Im vorliegenden Fall berühre daher die Beimengung des Kommunalabwassers, die - wie die Gutachten der beigezogenen Sachverständigen bestätigten - keinen Einfluss auf die Qualität der Emissionen habe (Hinweis auf das in der mündlichen Verhandlung erstattete Gutachten vom 7. Dezember 2016), bei der Aufbereitung des Abwassers (das selbst keinen Abfall im Sinne des AWG 2002 darstelle, wie sich dies aus Art. 2 Abs. 2 lit. a Abfallrahmen-RL ergebe und weiters Hinweis auf VwGH 7.12.2006, 2006/07/0059) die Schutzziele des AWG 2002 gerade nicht, sondern es werde dadurch im Gegenteil im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzipes durch die Zusammenführung der Abwässer in der Wasserkläranlage eine größtmögliche Effizienz des Materialeinsatzes erreicht.

33 Im Ergebnis könne daher angesichts der geringfügigen und emissionsneutralen Beimengung kommunaler Abwässer in einem einheitlichen Prozess der Aufbereitung und Weiterverwendung zur energetischen Nutzung, in dem auch zwischen den handelnden Akteuren Verschränkungen bestünden (z.B. sei die Erstmitbeteiligte Mitbetreiberin der Kläranlage des Zweitmitbeteiligten, der Zweitmitbeteiligte verrechne der Erstmitbeteiligten den in der RVA erzeugten Dampf), "der verfahrensgegenständliche Klärschlamm als einheitliches Ergebnis des Aufbereitungsprozesses nicht in abstrakter Weise nach der Herkunft des Ausgangsstoffes differenziert werden".

34 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes sei weiters von der rechtmäßigen Weiterverwendung des Klärschlammes gemäß § 2 Abs. 3a Z 4 AWG 2002 auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (nochmals Hinweis auf VwGH 23.1.2014, 2011/07/0179) müssten sowohl das Material selbst rechtlichen und technischen Verwendungsvoraussetzungen entsprechen als auch sämtliche Bewilligungen, Anzeigen oder ein Nichtuntersagen für die Anlagen, in denen das Material weiter verwendet werden solle, vorliegen. Im vorliegenden Fall bestünden für den Klärschlamm keine Verwendungsverbote, auch lägen die erforderlichen nichtabfallrechtlichen Genehmigungen für die Reststoffverbrennungsanlage und den Kessel 11 vor.

35 Insgesamt könne festgehalten werden, dass in den beiden verfahrensgegenständlichen Anlagen Klärschlamm in einem integrierten, technisch eng und untrennbar verflochtenen Prozess thermisch verwertet werde, der aus der Produktion von Papier- und Zellstoff stamme. Die vorangegangene gemeinsame Abwasserbehandlung mit einem kommunalen Abwasserteilstrom könne an der Stoffqualität nichts ändern, sodass von einem einheitlichen Reststoff ausgegangen werden könne, der zulässiger Weise in gewerberechtlich genehmigten Verbrennungsanlagen thermisch verwertet werde. Eine gesonderte Behandlung dieses Reststoffes als Abfall sei daher im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht erforderlich. Sei aber bereits der Abfallbegriff des in den verfahrensgegenständlichen Anlagen verwerteten Klärschlammes gemäß § 2 Abs. 3a AWG 2002 nicht erfüllt, komme die Anwendung des § 37 AWG 2002 von vornherein nicht in Betracht.

36 Die Zulässigkeit der Revision wurde damit begründet, dass hg. Rechtsprechung "zur Abfalleigenschaft von Klärschlämmen aus unterschiedlichen Abwasserteilströmen, die gemeinsam verwertet werden", fehle.

37 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision wird dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt.

38 Die Mitbeteiligten haben eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

39 Die vorliegende Revision ist im Hinblick auf die in ihr aufgeworfene Frage, ob durch die Reinigung von Produktionsabwässern anfallender Klärschlamm im Lichte des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 3a AWG 2002 überhaupt als im Rahmen des jeweiligen Produktionsbetriebes angefallener Klärschlamm anzusehen sei, zulässig.

40 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. VwGH 27.2.2018, Ro 2016/05/0009, mwN).

41 Im vorliegenden Fall kam das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 163/2015 (AWG 2002) zur Anwendung.

42 Die gegenständlich maßgebenden Bestimmungen des AWG 2002

lauten auszugsweise wie folgt:

     "Begriffsbestimmungen

     § 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

bewegliche Sachen,

1.        deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt

hat oder

2.        deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als

Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

...

(3a) Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstandes ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall gelten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiterverwendet wird;

2. der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden.

3. der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und

4. die weitere Verarbeitung ist zulässig, insbesondere ist

der Stoff oder Gegenstand unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar, es werden keine Schutzgüter (vergleiche § 1 Abs. 3) durch die Verwendung beeinträchtigt und es werden alle einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten.

...

(7) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. ‚Behandlungsanlagen' ortsfeste oder mobile Einrichtungen, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile;

... ."

"Ausnahmen vom Geltungsbereich

§ 3. (1) Keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. Abwasser einschließlich sonstiger Wässer, die in § 1 Abs. 1 Z 1 bis 4 und Z 6 und Abs. 2 der Verordnung über die allgemeine Begrenzung von Abwasseremissionen in Fließgewässer und öffentliche Kanalisationen (AAEV), BGBl. Nr. 186/1996, genannt sind,

... ."

"Feststellungsbescheide

§ 6. (1) ...

     (6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers

oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei

Monaten festzustellen, ob

1.        eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37

Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 52 unterliegt oder eine Ausnahme gemäß

§ 37 Abs. 2 gegeben ist,

2.        ...

3.        eine Änderung einer Behandlungsanlage der

Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 unterliegt oder gemäß

§ 37 Abs. 4 anzeigepflichtig ist.

     Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt.

     ... ."

"Behandlungsanlagen

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste

Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.

     (2) Der Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 unterliegen nicht

1.        ...

4.        Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen zur thermischen

Verwertung für nicht gefährliche Abfälle mit einer thermischen

Leistung bis zu 2,8 Megawatt, sofern sie der Genehmigungspflicht

gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

     ... .

(3) Folgende Behandlungsanlagen - sofern es sich nicht um IPPC-Behandlungsanlagen handelt - und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

1.        ...

2.        Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen zur

thermischen Verwertung für nicht gefährliche Abfälle mit einer thermischen Leistung bis zu 2,8 Megawatt;

...

(4) Folgende Maßnahmen sind - sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt - der Behörde anzuzeigen:

1.        eine Änderung zur Anpassung an den Stand der Technik;

     ... ."

43 Art. 5 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (im Folgenden: Abfallrahmen-RL) lautet wie folgt:

"Artikel 5

Nebenprodukte

(1) Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstandes ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 gelten, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird,

b) der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden,

c) der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und

d) die weitere Verwendung ist rechtmäßig, d.h. der Stoff oder Gegenstand erfüllt alle einschlägigen Produkt-, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung und führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.

..."

44 Die Revisionswerberin macht geltend, dass nach § 2 Abs. 3a erster Satz AWG 2002 das auf seine Nebenprodukteigenschaft hin zu beurteilende Material das "Ergebnis eines Herstellungsverfahrens, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstandes ist", zu sein habe. Um überhaupt in die Prüfung der Z 1 bis 4 des § 2 Abs. 3a AWG 2002 eintreten zu können, müsse das Material daher als bei einem nicht hauptsächlich zu seiner Gewinnung bestimmten Herstellungsverfahren entstanden angesehen werden können. Der in Rede stehende Klärschlamm entstehe durch die gemeinsame Reinigung von betrieblichem und häuslichem/kommunalem Abwasser in der vom Zweitmitbeteiligten betriebenen Abwasserreinigungsanlage.

45 Abwasser müsse entsprechend dem Stand der Technik entsorgt werden, egal ob es sich dabei um industrielles, gewerbliches oder häusliches/kommunales Abwasser handle. Der Stand der Technik in der Entsorgung betrieblicher Abwässer bestehe in der Reinigung der Abwässer in einer Betriebskläranlage oder in einer kommunalen Kläranlage. Der Zweck der Abwasserreinigung sei die Ermöglichung der Einleitung von Abwässern in den Vorfluter. Das Maß der erforderlichen Reinigung/Klärung der Abwässer werde durch den Vorfluter und nicht durch den Produktionsprozess bestimmt. Bei der Reinigung von Abwässern fielen projektgemäß Feststoffe an. Die Vorgangsweise der Erstmitbeteiligten, nämlich die Einleitung ihrer betrieblichen Abwässer in eine (Verbands)Kläranlage zur Reinigung der Abwässer vor deren Einleitung in den Vorfluter, sei sohin dem Umstand geschuldet, dass damit eine gesetzliche Pflicht erfüllt werde. Das Vorhandensein des Klärschlammes sei nicht auf ein Herstellungsverfahren im Sinne des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 3a AWG 2002 zurückzuführen, sondern darauf, dass in Gewässer nur unbedenkliche Stoffe einzuleiten seien.

46 Abwasser sei gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 kein Abfall. Abwasser sei auch kein Produktionsrückstand, sondern einfach durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser (Hinweis auf Oberleitner/Berger, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 19594, § 32 Rn 12). Da Abwasser kein Rückstand aus der Produktion sei, könne auch nicht gesagt werden, dass Abwasserinhaltsstoffe nur, weil sie aus dem Abwasser entfernt worden seien, als Produktionsrückstände im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG 2002 anzusehen seien.

47 Die Abwasserreinigung sei ein dem Produktionsbetrieb nachgeschalteter Prozess. Der Umstand, dass der Klärschlammanfall zum überwiegenden Teil auf die Reinigung des betrieblichen Abwassers der Papier- und Zellstoffproduktion zurückgehe, sei daher irrelevant. Dass es nicht darauf ankommen könne, ob der Klärschlamm auf die Reinigung industrieller, gewerblicher oder häuslicher/kommunaler Abwässer zurückzuführen sei, davon gehe offenbar auch das Verwaltungsgericht aus, jedenfalls soweit es um die Frage des Anteiles des kommunalen Abwassers am Klärschlamm gehe. Führe es doch aus, dass der verfahrensgegenständliche Klärschlamm als einheitliches Ergebnis des Wasseraufbereitungsprozesses anzusehen sei und nicht in abstrakter Weise nach der Herkunft der Abwässer zu differenzieren sei.

48 Der Umstand, dass der Klärschlamm in weiterer Folge verbrannt werde und der Dampf dem Papier-und Zellstoffproduktionsprozess zugeführt werde, bewirke nicht, dass der Anfall des Klärschlammes als im Rahmen der Papier- und Zellstofferzeugung erfolgt anzusehen sei. Der in Rede stehende Klärschlamm sei daher nach Auffassung der Revisionswerberin nicht als Rückstand "aus" einem Produktionsbetrieb, sondern als Rückstand "aus" der Abwasserreinigungsanlage anzusehen und daher schon aus diesem Grund nicht als Nebenprodukt im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG 2002 zu qualifizieren.

49 Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu:

50 In § 2 Abs. 3a AWG 2002 sind im Einklang mit Art. 5 Abfallrahmen-RL die Voraussetzungen dafür festgelegt, dass ein Stoff oder Gegenstand, der zwar das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens, aber nicht dessen Hauptziel ist, als Nebenprodukt und nicht als Abfall qualifiziert werden kann. Aus dem Einleitungssatz dieser Bestimmung ergibt sich, dass es sich um einen Stoff bzw. Gegenstand handeln muss, der im Zuge eines Herstellungsverfahrens anfällt. Die Revisionswerberin weist zutreffend darauf hin, dass der in Rede stehende Klärschlamm bei der gemeinsamen Reinigung von betrieblichem und häuslichem/kommunalem Abwasser in der vom Zweitmitbeteiligten betriebenen Abwasserreinigungsanlage entsteht. Abwasser und damit auch das betriebliche Abwasser der Erstmitbeteiligten stellt gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 keinen Abfall dar. Allgemein wird unter Abwasser ein durch häuslichen, gewerblichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser verstanden. Im wasserrechtlichen Sinn ist Abwasser Wasser, dessen sich jemand entledigt. Es kann sich um verschmutztes Wasser (u.a. Küchenabwässer, häusliche Abwässer, Betriebsabwässer), aber auch um gering oder gar nicht verschmutztes Wasser (zB Niederschlagswässer) handeln (vgl. zum Ganzen Lindner in Oberleitner/Berger, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 1959, § 32 Rn 12, 314). Für die Reinhaltung und den Schutz der Gewässer (einschließlich dem Grundwasser) trifft das WRG 1959 (insbesondere die §§ 30 ff) nähere Regelungen. Ab dem Zeitpunkt, da Inhaltsstoffe aus dem Abwasser herausgefiltert wurden und sich nicht mehr im Abwasser befinden, kann nicht mehr von Abwasserinhaltsstoffen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 gesprochen werden. Die Ausnahme gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 kommt für solche Stoffe nicht mehr zum Tragen (vgl. betreffend Klärschlamm VwGH 7.12.2006, 2006/07/0059). Wenn bei der gemäß dem WRG 1959 gebotenen Reinigung von Abwässern als Abwasserinhaltsstoff Klärschlamm anfällt, liegt kein Produktionsrückstand aus einem Herstellungsprozess vor, weil die Abwasserreinigung, sei es nun in einer Kläranlage des Betriebes oder in einer kommunalen Kläranlage, nicht als Teil eines Herstellungsprozesses angesehen werden kann. Die Abwasserreinigung stellt vielmehr ein Behandlungsverfahren dar, um eine den Schutzzielen des WRG 1959 entsprechende Ableitung von Abwasser in Gewässer zu sichern. Dass der bei der Abwasserreinigung anfallende Klärschlamm nach einer mechanischen Entwässerung mittels Verbrennung in den genannten Verbrennungsanlagen für den Produktionsbetrieb der Erstmitbeteiligten genützt wird (er also verwertet und nicht beseitigt wird), sagt nichts darüber aus, ob dieser so verwendete Klärschlamm davor im Rahmen eines Herstellungsverfahrens als Nebenprodukt angefallen ist.

51 Eine maßgebliche Voraussetzung für das Vorliegen eines Nebenproduktes im Sinn des § 2 Abs. 3a AWG 2002 liegt somit nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist beim verfahrensgegenständlichen Klärschlamm zu Unrecht vom Vorliegen eines Nebenproduktes gemäß der genannten Bestimmung ausgegangen und hat darauf aufbauend unzutreffend die Nichtanwendung des § 37 AWG 2002 auf die verfahrensgegenständlichen Verbrennungsanlagen festgestellt.

52 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. Februar 2019

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017050003.J00

Im RIS seit

10.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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