TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/18 LVwG-2019/42/0509-1

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Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §34 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerde des Herrn AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.02.2019, Zl ******, betreffend eine Ordnungsstrafe nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Ordnungsstrafe auf € 300,00 herabgesetzt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 23.02.2019, Zl ******, wurde über den Beschwerdeführer eine Ordnungsstrafe gemäß § 34 Abs 2 und 3 AVG in Höhe von Euro 400,00, wegen beleidigender Schreibweise in einer mit 05.02.2019 datierten Eingabe an die Landespolizeidirektion Tirol, verhängt.

Als beleidigend erachtete die belangte Behörde folgende Textpassagen in der Eingabe vom 05.02.2019:

„1. ) [...] Ich möchte auf keinen Fall die Tiroler Polizei mit der von damals in Chile unter

General & Diktator Augusto Pinochet berüchtigten Polizei vergleichen. Aber die Polizei

von Tirol ist glaube ich in einem Rechtsfreien Raum. Oder führt sich so auf.[...]

2. ) [...] Ich wüste zwar nicht was beleidigend war, aber wie schon in der DDR hat natürlich

die Polizei oder die Stasi immer Recht. [...]

3. ) Ich entschuldige mich auf tiefste, und werde mich durch ein Privates Coaching im

Arschkriechen den Gegebenheiten in Tirol anpassen.“

In dem fristgerecht dagegen erhobenen und als Beschwerde zu wertenden Einspruch vom 02.03.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor wie folgt:

„…Laut § 34 Abs 2 & 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 sieht diese vor, § 34 Abs. 2, dass der Angeklagte der die Amtshandlung stört, durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzt, sind zu ermahnen.

§ 34 Abs 3 Die gleiche Ordnungsstrafe können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Zu § 4 Abs. 2

Punkt 1: Ich habe die Tiroler Staatsdiener nicht mit der Polizei von General & Diktator Augusto Pinochet verglichen. Aber der zweite Satz war nicht Rechtens aber wenn man das mitmacht was ich mit der Polizei mitmache und Staatsdiener nicht belangt werden und keine Strafe bei Vergehen zu befürchten haben, mich aber einen deppen ...nennen dürfen, mir aber der Staatsanwalt sagt „lassen sie eine Strafverfolgung, wenn sie keinen Zeugen haben. Aber für den zweiten Satz entschuldige ich mich, verweise aber, dass ich nicht wie es der § 34 vorschreibt eine Ermahnung bekommen habe. Dies müsste auch in schriftlicher Form an mich gehen da ja meine Adresse bekannt sei und ich sie nicht verheimlicht habe.

Den Punkt 2 sehe ich ein und entschuldige mich ebenfalls. War ein kleines bisschen übertrieben und nicht angebracht.

Zu Punkt 3 möchte ich mich nicht entschuldigen, weil ich mich auch nicht entschuldigen muss, wenn ich ankündige, dass ich zum Beispiel einen Taekwondo Kurs belege damit mich kein Staatsdiener mehr schlagen kann. Also denke ich an die sanfte Art mich zu verteidigen. Aber im Allgemeinen wundere ich mich über die Feinfühligkeit der Staatsdiener und frage mich wie es diese auf der Straße aushalten. Jetzt kann ich es auch verstehen das diese versuchen alles vom Auto aus zu regeln. Ich kann es verstehen das Staatsdiener Angst auf der Straße haben bei der Feinfühligkeit. Für die nun übergebliebenen Beleidigungen übernehme ich zwar ungerne die Verantwortung aber sei es wie es sei ich entschuldige mich für diese und hoffe auf eine Reduktion meiner Strafe da ich diese unangebracht noch finde…“

II.      Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 06.07.2018 teilte der Beschwerdeführer der Landespolizeidirektion Tirol mit, dass ein Bediensteter während der Arbeitszeit private Einkäufe getätigt habe. Die Landespolizeidirektion Tirol bestätigte mit Schreiben vom 06.07.2018 dem Beschwerdeführer, den Beschwerdefall zum Anlass einer dienstinternen Prüfung zu nehmen.

In einem Schreiben vom 30.10.2018 wurde der Beschwerdeführer in einer anderen Angelegenheit bereits von der Landespolizeidirektion Tirol darüber informiert, dass im Falle von unsachlicher und beleidigender Schreibweise gemäß § 34 AVG dies mit einer Ordnungsstrafe bis zu Euro 726,00 geahndet werden könne.

Mit Schreiben vom 25.12.2018 brachte der Beschwerdeführer den Sachverhalt vom 06.07.2018 bei der Landespolizeidirektion Tirol zur Anzeige und verlangte die zugehörige Geschäftszahl.

Mit Schreiben vom 27.12.2018 erstattete der Beschwerdeführer erneut Anzeige gegen Gruppeninspektor BB.

Mit Schreiben vom 28.12.2018 übermittelte der Beschwerdeführer Lichtbilder, welche er bereits mit Schreiben vom 06.07.2018 vorlegte, an die Landespolizeidirektion Tirol.

Mit Schreiben vom 03.01.2019 verlangte der Beschwerdeführer die Geschäftszahl zu seiner Anzeige vom 06.07.2018 bzw vom 27.12.2018.

Mit Schreiben vom 03.01.2019 teilte die Landespolizeidirektion Tirol dem Beschwerdeführer mit, dass betreffend den vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.07.2018 mitgeteilten Sachverhalt die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet worden seien und dies auch der Staatsanwaltschaft Z übermittelt worden sei. Weiters wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass seine Schreiben der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung der Landespolizeidirektion Tirol zur Prüfung im Sinne des § 34 AVG übermittelt worden seien.

Mit Schreiben vom 03.01.2019 teilte die Staatsanwaltschaft Z mit, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen BB abgesehen wurde, weil kein Anfangsverdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung besteht.

Mit Eingabe vom 04.01.2019 richtete der Beschwerdeführer erneut ein Schreiben an die Landespolizeidirektion Tirol.

Mit Schreiben vom 07.01.2019 erging ein weiteres Schreiben des Beschwerdeführers in der Sache an die Landespolizeidirektion Z.

Ein weiteres Schreiben des Beschwerdeführers an die Landespolizeidirektion Tirol datiert vom 08.01.2019.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 11.01.2019, Zl ******, wurde über den Beschwerdeführer eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in Höhe von Euro 100,00, wegen der offenbar mutwilligen Inanspruchnahme der Behörde durch das Schreiben des Beschwerdeführers vom 04.01.2019 an die Landespolizeidirektion Tirol, verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 16.01.2019 brachte der Beschwerdeführer vor wie folgt:

„Sehr geehrter Herr CC, vom Zer Strafamt.

Ich erhebe

Beschwerde.

1. Erwägung der Behörde: Ich hätte andauernd Eingaben bei dem LPD-Tirol zuletzt mit dem Schreiben vom 04,01,2019 eingebracht.

Dazu möchte ich folgendes sagen:

Ich habe immer wieder angefragt um die GZ: da ich diese für das BMI brauchen würde. Ich habe aber niemals Antwort bekommen. Und habe dadurch nicht gewusst was mit meiner Anzeige los oder geschehen ist. Dadurch kann ich keinen Mutwillen erkennen.

2. Es ist für mich sehr befremdlich, wenn ich gegen einen Beamten der Polizei eine Anzeige mache und der Grund und Aussichtslosigkeit sowie der Nutzen und der Zwecklosigkeit der Eingabe offenkundig erkennbar sei.

3. Ich muss also als nicht Jurist erkennen, dass eine Anzeige gegen einen Polizeibeamten Nutzlos und somit Mutwillens ist.

4. Ich habe seid ca. 3 Jahren immer wieder Anzeigen und Eingaben gegen die Radfahrer auf dem Gehsteig, Adresse 2 bei der LPD Z eingebracht.

5. Ich wusste nicht, dass es Mutwillens ist, wenn ich Beamte aus dem Büroschlaf wecke und zur Arbeit animiere. Aber ich wurde mit Ihrem Schreiben des Besseren belehrt.

6. Ich habe nicht gewusst dass ein Kontrollinspektor einen Österr. Staatsbürger nicht mal soviel Anstand entgegenbringen kann, mir die Sachlage Persönlich mitzuteilen. Nein er lässt mich vom Portier rauswerfen.

7. Ich habe nicht gewusst, dass Polizeibeamte durch ihre Uniform geschützt sind und dadurch im Dienst einkaufen können, so wie Staatsidener BB. Er hat sich im Dienst einen Kriminalroman in der Buchhandlung DD gekauft. Den Einsatzwagen hat er natürlich in der Fußgängerzone stehen lassen und zwar so das kaum noch jemand vorbeikommen konnte. Aber der Bürger ist Mutwillens. Wenn sich Staatsdiener die ihre Überbezahlung von Staatsbürger bekommen.

Herr Mag. CC ich möchte Sie auf keinen Fall Überbelasten und mit meinem Rechtsmittel auch noch Sie Mutwillens zu Überbelasten. Tut mir wirklich von Herzen leid aber ich habe keine Ahnung ob ich dieses Rechtsmittel direkt beim LVWG Z einbringen kann.

Auch nehme ich zur Kenntnis, dass in Österreich die Polizei Rechtsfreiheit hat.

Hochachtungsvoll und mit tiefster Unterwürfigkeit grüße ich Sie und die Polizei auf Knien Ihr AA“

Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 31.01.2019, LVwG-2019/33/0182-1, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und erging unter Spruchpunkt II. folgender Beschluss:

1.       Herr AA hat sich mit der Eingabe vom 16.01.2019 durch die Worte:

„5. Ich wusste nicht, dass es Mutwillens ist, wenn ich Beamte aus dem Büroschlaf wecke und zur Arbeit animiere. Aber ich wurde mit Ihrem Schreiben des Besseren belehrt.

(…)

Herr Mag. CC ich möchte Sie auf keinen Fall Überbelasten und mit meinem Rechtsmittel auch noch Sie Mutwillens zu Überbelasten.

(…)

Auch nehme ich zur Kenntnis, dass in Österreich die Polizei Rechtsfreiheit hat.

Hochachtungsvoll und mit tiefster Unterwürfigkeit grüße ich Sie und die Polizei auf Knien Ihr AA“

einer beleidigenden Schreibweise bedient und wird über ihn daher gemäß § 34 Abs 2 und 3 AVG iVm § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) eine Ordnungsstrafe in der Höhe von Euro 100,00 verhängt.

2.       Die Ordnungsstrafe ist binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses an das Landesverwaltungsgericht Tirol mittels beiliegendem Zahlschein zu bezahlen (§ 50 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG).

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer richtete an einen Sachbearbeiter der belangten Behörde nachfolgendes mit 05.02.2019 datiertes Schreiben:

„Kontrollinspektor

EE

BÜRO ORGANISATION, STRATEGIE, DIENSTVOLLZUG

REFERAT DIENSTVOLLZUG A12-HS STV

herbert.schuetz@polizei.qv,at

2019,02,05 Z

Sehr geehrter Herr EE,

obwohl Sie nur ein gewöhnlicher Staatsdiener sind möchte ich mich bei Ihnen Höflichst entschuldigen, dass ich die Staatsmacht der Tiroler Polizei belästigt habe tut mir leid. Ich möchte auf keinen Fall die Tiroler Polizei mit der von damals in Chile unter General & Diktator Augusto Pinochet berüchtigten Polizei vergleichen. Aber die Polizei von Tirol ist glaube ich in einem Rechtsfreien Raum. Oder führt sich so auf.

Ich habe heute vom LVWG (Landesverwaltungsgericht) die Abweisung über meine Beschwerde bekommen. Ich werde die 100.- € Hundert Euro in den Nächsten Tagen einzahlen. Dies geht in Ordnung, weil ich nun den Beweis bekommen habe, dass ein Staatsdiener alles darf (in Tirol) ich aber eine beleidigende Schreibweise hätte. Wenn dies wirklich der Fall gewesen sein sollte so bin ich gerne bereit meinen guten Willen zu zeigen. Und Ihnen einen Strauß Vergissmeinnicht zukommen zu lassen. Ich wüste zwar nicht was beleidigend war, aber wie schon in der DDR hat natürlich die Polizei oder die Stasi immer Recht. Mir wurde auch gezeigt, dass ein Staatsdiener in Tirol immer über dem Recht steht und man sich als Privatperson nicht mit der Tirol-Macht anlegen soll. Hier dürfen sie Staatseigentum für Privateinkauf verwenden. Ich endschuldige mich auf tiefste, und werde mich durch ein Privates Coaching im Arschkriechen den Gegebenheiten in Tirol anpassen. Aber ich verspräche Ihnen auch, dass ich nun jedes fehlverhalten der Staatsdiener aufs genaueste beobachten werde und zur Anzeige bringen werde. Aber nicht in Tirol, sondern beim BMI Bundesministerium für Inneres. Von diesem habe ich noch immer korrekte Antwort bekommen. Ich wollte es Ihnen Privat nach Hall in die Milserstraße 18 senden aber hatte keine email Adresse. Grüße AA“

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt der LPD Tirol und in das Erkenntnis bzw den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 31.01.2019, LVwG-2019/33/0182-1. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und dem vorzitierten Erkenntnis bzw dem Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.

IV.      Rechtslage:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl Nr 58/2018, lauten wie folgt:

Ordnungsstrafen

§ 34

(1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

(…)

V.       Erwägungen:

Im Gegensatz zu § 34 Abs 1 und 2 AVG bezieht sich § 34 Abs 3 AVG nicht auf den mündlichen („persönlichen“), sondern auf den schriftlichen Verkehr mit den Behörden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz. 14 [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Danach kann die Behörde auch gegen Personen Ordnungsstrafen bis € 726,00 verhängen, die sich in „schriftlichen“ Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Unter einer solchen schriftlichen „Eingabe“ iSd § 34 Abs 3 AVG ist ein schriftliches Anbringen iSd § 13 AVG zu verstehen (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344), mithin auch ein Anbringen per E-Mail (vgl. § 13 Abs 2 AVG).

Die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 34 Abs 3 AVG setzt voraus, dass das AVG auf die betreffende Eingabe überhaupt Anwendung findet (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344; vgl. auch VwGH 19.12.1996, 96/11/0211). Dies ist gemäß Art I Abs 1 EGVG nur dann der Fall, wenn sich die Eingabe auf eine mit Bescheid iSd §§ 56 ff. AVG zu erledigende Angelegenheit bezieht (VwSlg. 6111 A/1963 bzw 4156 A/1956; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz. 15 [Stand 01.01.2014, rdb.at]). Dabei muss das bescheidmäßig zu erledigende Verwaltungsverfahren, auf das die Eingabe Bezug nimmt, aber nicht mehr anhängig sein, sondern es reicht aus, dass die Eingabe einem Verwaltungsverfahren zuzurechnen ist, das „vor der Behörde, die Adressat der Eingabe ist, anhängig war, anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll“ (VwGH 19.12.1996, 96/11/0211).

Die Ordnungsstrafe nach § 34 Abs 3 AVG ist dazu bestimmt, Verletzungen des gebotenen Anstandes im Verkehr mit den Behörden zu ahnden. Sie wendet sich also nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern die Form, in der dieses erfolgt (VwGH 28.09.1995, 94/17/0427).

Die Bestimmung des § 34 Abs 3 AVG stellt eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit dar, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung unentbehrlich und daher durch den Gesetzesvorbehalt des Art 10 EMRK gedeckt ist. Der Zweck dieser Bestimmung ist die Spezialprävention, also die Absicht, die betreffende Person von der Setzung eines ordnungswidrigen Verhaltens abzuhalten und damit den Anstand im schriftlichen Verkehr mit den Behörden zu wahren.

Dabei ist der unbestimmte Rechtsbegriff der beleidigenden Schreibweise im Lichte des Gesetzesvorbehalts des Art 10 Abs 2 EMRK und des darin normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen, sodass die bescheidförmige Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 34 Abs 3 AVG zulässig ist, wenn die damit verbundene Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung verhältnismäßig ist (vgl. VfSlg. 7900/1976 und 13.035/1992; vgl. auch VwGH 11.05.1998, 96/10/0033 u.a., und VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf mit der Pönalisierung der beleidigenden Schreibweise in § 34 Abs. 3 AVG nicht die Möglichkeit einer Person beschnitten werden, sachliche Kritik am Vorgehen einer Behörde oder am Verhalten eines Behördenorgans zu äußern. In einer demokratischen Gesellschaft muss es dem Bürger unbenommen sein, Kritik an – seiner Meinung nach bestehenden – Missständen im Behördenvollzug oder am Verhalten eines Behördenorgans zu äußern, wobei die Behörden Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (vgl. etwa VwGH 27.05.1992, 92/02/0098; 20.11.1998, 98/02/0320; 27.10.1997, 97/17/0187 u.a.).

Der Boden der zulässigen sachlichen Kritik wird aber verlassen, wenn diese nicht in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird oder beleidigende Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind (vgl. VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344). Dies ist etwa der Fall, wenn einem Behördenorgan eine niedrige Gesinnung oder sogar ein strafgesetzwidriges Verhalten unterstellt wird, ohne dazu konkret überprüfbare Angaben zu machen (vgl. VwGH 20.11.1998, 98/02/0320).

Für eine Bestrafung wegen Übertretung des § 34 Abs 3 AVG ist dabei ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtet (VwGH 21.11.1966, 2163/65).

Ein „animus iniurandi“, also eine Absicht zu beleidigen, fordert das Tatbild nicht.

Ausgehend von der zur Bestimmung des § 34 Abs 3 AVG ergangenen und im gegenständlichen Erkenntnis zitierten Judikatur kam das erkennende Gericht zu folgendem Schluss:

Der Beschwerdeführer nimmt in seiner Eingabe vom 05.02.2019 auf einen Sachverhalt Bezug, der die belangte Behörde zur Verhängung einer Mutwillensstrafe nach § 35 AVG (siehe Bescheid der belangten Behörde vom 11.01.2019, Zl ******) und das Landesverwaltungsgericht Tirol zur Erlassung einer Ordnungsstrafe wegen „beleidigender Schreibweise“ in der gegen den vorangeführten Bescheid erhobenen Beschwerde veranlasste (siehe Beschluss vom 31.01.2019, LVwG-2019/33/0182-1). Der Beschwerdeführer bezieht sich in seiner Eingabe vom 05.02.2019 damit eindeutig auf ein – wenn auch abgeschlossenes - Verfahren nach dem AVG, sodass die grundsätzliche Voraussetzung für die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegeben ist.

Mit dem unter Punkt II. (Sachverhalt) wörtlich wiedergegebenen Text der Eingabe vom 05.02.2019 hat der Beschwerdeführer durch die Äußerungen „[...] Ich möchte auf keinen Fall die Tiroler Polizei mit der von damals in Chile unter General & Diktator Augusto Pinochet berüchtigten Polizei vergleichen. Aber die Polizei von Tirol ist glaube ich in einem Rechtsfreien Raum. Oder führt sich so auf [...] Ich wüste zwar nicht was beleidigend war, aber wie schon in der DDR hat natürlich die Polizei oder die Stasi immer Recht [...] Ich entschuldige mich auf tiefste, und werde mich durch ein Privates Coaching im Arschkriechen den Gegebenheiten in Tirol anpassen“ jedenfalls den Boden der sachlichen Kritik verlassen.

Hinsichtlich der im Spruch des bekämpften Bescheides unter den Punkten 1. und 2. angeführten Äußerungen bestreitet der Beschwerdeführer in der Beschwerde dies auch nicht und entschuldigt sich ausdrücklich für die Ausdrucksweise. Für diese „…Beleidigungen…“ (Eigenwahrnehmung des Beschwerdeführers, siehe Seite 2 letzter Absatz der Beschwerde) übernehme er, wenn auch ungern, die Verantwortung.

Hinsichtlich der im Spruch des bekämpften Bescheides unter Punkt 3. angeführten Äußerung „Ich entschuldige mich auf tiefste, und werde mich durch ein Privates Coaching im Arschkriechen den Gegebenheiten in Tirol anpassen“ sieht der Beschwerdeführer hingegen lediglich eine „sanfte Art“ der Verteidigung. Dies sieht das erkennende Gericht anders. „Arschkriechen“ ist eine überaus vulgäre Ausdrucksweise, die den Mindestanforderungen des Anstandes im Umgang mit Behörden und deren Organen nicht entspricht und daher in einer schriftlichen Eingabe an diese nichts verloren hat.

Es handelt sich bei allen angelasteten Äußerungen - bezogen auf den gesamten Inhalt der Eingabe vom 05.02.2019 – um entweder herabsetzende, verhöhnende oder vulgäre Ausdrucksweisen, die den Mindestanforderungen des Anstandes im Umgang mit Behörden und deren Organen nicht entsprechen.

Zur Höhe der ausgesprochenen Ordnungsstrafe wird grundsätzlich festgehalten, dass sich die Behörde dabei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht an § 19 VStG, also insbesondere nicht an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allfälligen Sorgepflichten des Störers orientieren muss (vgl zB VwSlg 14.064 A/1994). Maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe ist die Überlegung, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens erwarten lässt. (VwGH 20.11.1998, 98/02/0320).

Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde für einzelne Textpassagen in seiner Eingabe vom 05.02.2019 entschuldigt. Eine gewisse Einsicht kann seitens des Gerichtes daher nicht gänzlich ausgeschlossen werden, sodass dem Gericht die verhängte Ordnungsstrafe – angesichts des Strafrahmens - doch ein wenig überhöht erscheint. Eine weitere Herabsetzung der Ordnungsstrafe war aber nicht angebracht, zumal die Einsicht über die Erforderlichkeit eines angemessenen Umganges mit Behörden und deren Organen beim Beschwerdeführer nicht in einem Ausmaß glaubhaft gegeben ist, die eine weitere Herabsetzung der verhängten Ordnungsstrafe rechtfertigen würde. Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.12.2016, Zl *******, bereits einmal ein Ordnungsstrafe wegen „beleidigender Schreibweise“ verhängt. Diese Ordnungsstrafe aus dem Jahr 2016 hielt den Beschwerdeführer nicht davon ab, sich im Jahr 2019 neuerlich und zwar zweimal in kurzer zeitlicher Abfolge einer „beleidigenden Schreibweise“ in Eingaben an das Landesverwaltungsgericht Tirol bzw an eine Behörde zu bedienen. So in der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (vom 16.01.2019) gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 11.01.2019, Zl ****** – siehe Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 31.01.2019 zu LVwG 2019/33/0182-1 – und nunmehr in der streitgegenständlichen Eingabe vom 05.02.2019.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes lässt nur eine Ordnungsstrafe in der nunmehr gewählten Höhe eine Änderung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers in Zukunft erwarten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall der mündlichen Beschwerdeverhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – vom Beschwerdeführer im Übrigen trotz entsprechenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung auch nicht beantragt - konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden. Bei der Frage, ob eine schriftliche Äußerung eine Beleidigung iSd § 34 Abs 3 AVG darstellt, handelt es sich um eine reine Rechtsfrage und der maßgebende Sachverhalt ist von vornherein klar gegeben, weil es für die Strafbarkeit nach § 34 Abs 3 AVG allein auf den objektiven Gehalt der Formulierungen in der Eingabe ankommt (VwSlg. 14.064 A/1994; VwGH 17.02.1997, 95/10/0221; 20.11.1998, 98/02/0320; 15.10.2009, 2008/09/0344). Somit war der maßgebliche Sachverhalt bereits aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich und hätte eine Verhandlung zur weiteren Klärung nichts beitragen können. Auch Art 6 EMRK steht dem nicht entgegen, weil es sich bei einer Ordnungsstrafe nicht um eine strafrechtliche Sanktion im Sinne der EMRK, sondern ihrer Natur nach eher um ein "Disziplinarvergehen" handelt und auch die Strafandrohung (ohne Möglichkeit einer primären oder Ersatzfreiheitsstrafe) wegen ihrer geringen Höhe nicht in den strafrechtlichen Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fällt (vgl. die Urteile des EGMR Putz, ÖJZ 1996, 434 ff. und Ravnsborg ÖJZ 1994, 706 ff.; vgl. auch VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Schaber

(Richter)

Schlagworte

Beleidigende Schreibweise; Ordnungsstrafe;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.42.0509.1

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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