TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/21 97/01/1069

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Veröffentlicht am 21.04.1999
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §11;
StbG 1985 §16 Abs1;
StbG 1985 §16;
StbG 1985 §17 Abs1;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der B M in S, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Fabrikstraße 26, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. September 1997, Zl. Gem(Stb)-401024/4-1997/Sch, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf ihren Ehegatten und auf ihre mj. Kinder, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. September 1997 wurden der Antrag der Beschwerdeführerin - einer jugoslawischen Staatsangehörigen - vom 23. Juni 1995 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf ihren Ehegatten und ihre drei mj. Kinder gemäß "§ 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 i.V.m. §§ 11, 16, 17 und 18" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin zwischen 1993 und 1996 dreimal nach dem KFG und dreimal nach der StVO (zu Geldstrafen in der Höhe zwischen 300 S und 1.000 S) bestraft worden sei. Bezüglich ihres Ehegatten schienen zwischen 1989 und 1995 24 Verwaltungsübertretungen (mit Geldstrafen zwischen 200 S und 25.000 S) auf, insbesondere sei dieser neunmal wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung und dreimal wegen Trunkenheit am Steuer bestraft worden. Am 16. Juni 1994 sei ihm überdies auf die Dauer von drei Jahren der Führerschein entzogen worden, die Bundespolizeidirektion Steyr habe bis 9. Mai 2001 über ihn ein Waffenverbot verhängt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG könne einem Fremden die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür biete, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Auf Grund der zahlreichen, zum Großteil schwer wiegenden Verwaltungsübertretungen bildeten die Staatsbürgerschaftswerber eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, wobei auch nicht auszuschließen sei, dass "sein bisheriges Verhalten nicht weiterhin eine derartige Gefahr darstellen" werde. Überdies habe sich - so die belangte Behörde weiter - ergeben, dass H. M. (der Ehegatte der Beschwerdeführerin) laufend Geldmittel aus dem Titel der Sozialhilfe bzw. Notstandshilfe bezogen habe. Mehrere Versuche durch das Arbeitsmarktservice, ihn in einen Arbeitsprozess einzugliedern, seien an seiner ablehnenden Haltung gescheitert, ein mit 3. März 1997 begonnenes Beschäftigungsverhältnis sei nach Absolvierung von Krankenständen mit 13. April 1997 beendet worden. Die Beschwerdeführerin ihrerseits habe ihre Stundenverpflichtung als Integrationslehrerin soweit reduziert, dass ihrem Mann neuerlich Notstandshilfe gewährt werde. Aushaftende Sozialhilfekostenersätze in Höhe von S 264.147,06 seien seit mehreren Monaten nicht beglichen worden. Auf Grund des bisherigen Arbeitsverhaltens "der Familie M." könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt gesichert sei, zumal dieser zum Teil durch staatliche Unterstützung finanziert werde. Die "Sicherung" des Lebensunterhaltes (im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG) bedeute außerdem mehr als nur die Abdeckung der gewöhnlichen Lebenshaltungskosten, sie umfasse auch die Bildung entsprechender Reserven zur Vorsorge. Die Staatsbürgerschaftswerber erfüllten daher nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG.

Gemäß § 11 StbG habe sich die Behörde bei der Ausübung des ihr in § 10 leg. cit. eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen. Auf Grund der Tatsache, dass sich "die Familie M." trotz des langjährigen Aufenthaltes in Österreich nicht in die österreichische Rechtsordnung habe einfügen können, ihr Lebensunterhalt nur zum Teil aus eigenem Einkommen erwirtschaftet werde, sie daher auf staatliche Unterstützungen angewiesen und offenbar auch nicht gewillt sei, Sozialhilfekostenersätze rückzuerstatten, sei die vorgenannte Verleihungsvoraussetzung nicht erfüllt; zu einem positiv zu wertenden Gesamtverhalten gehöre auch die Befolgung der österreichischen Rechtsnormen und eine entsprechende Einbindung in den Arbeitsprozess.

Da die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte die Verleihungsvoraussetzungen "des § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 und des § 11 StbG" nicht erfüllten, sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Die Abweisung der Erstreckungsanträge "findet auch ihre Begründung in den im Spruch zitierten Gesetzesstellen, wonach die Erstreckungsanträge das rechtliche Schicksal des Hauptantrages teilen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen "Mangelhaftigkeit seines Inhaltes" oder wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf "§ 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 i.V.m. §§ 11, 16, 17 und 18" StbG gestützt. Diese Bestimmungen lauten - in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124/1998 - wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

....

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und

....

§ 11. Die Behörde hat sich bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen. Bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft ist gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist.

§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 auf seinen Ehegatten zu erstrecken, wenn ......

§ 17. (1) die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 zu erstrecken auf

1. die ehelichen Kinder des Fremden,

....

§ 18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden."

Die belangte Behörde verkannte das Zusammenspiel dieser Normen in zweifacher Hinsicht. Zunächst nahm sie in unzulässiger Weise eine Gesamtbetrachtung bezüglich der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten und ihrer Kinder (auf welche Personen die Staatsbürgerschaft antragsgemäß erstreckt werden soll) vor, indem sie bei Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen schlichtweg auf "die Familie M." abstellte. Das widerspricht jedoch dem Verhältnis zwischen den §§ 10 und 11 StbG einerseits und den §§ 16 und 17 StbG andererseits. Demnach ist nämlich gesondert für die Person des Verleihungswerbers zu prüfen, ob er die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG erfüllt und ob gegebenenfalls eine positive Ermessensübung nach § 11 leg. cit. in Frage kommt und - davon streng zu trennen - bei Bejahung dieser Voraussetzungen ebenso gesondert eine individuelle Beurteilung der Person des Erstreckungswerbers im Hinblick auf das Vorliegen der Kriterien des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 StbG vorzunehmen, wobei gegebenenfalls der Behörde kein Ermessen offen steht und sie verpflichtet ist, die Erstreckung zu verfügen. Zwar darf nach § 18 StbG die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft (und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt) verfügt werden, weshalb Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem abzuführen sind (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 246); ferner ist nach dem Vorgesagten für die Erstreckung der Verleihung eine "doppelte" Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen (für den Verleihungs- und für den Erstreckungswerber) erforderlich. Das ändert jedoch nichts daran, dass die betreffenden Personen je für sich einer Beurteilung zu unterziehen sind und dass eine pauschale familienbezogene Betrachtung mit dem Gesetz nicht in Einklang steht. Zum Verleihungserfordernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG sei in diesem Zusammenhang ergänzend angemerkt, dass diese Bestimmung eine Prüfung der Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers erfordert, sodass der bloße Hinweis auf das Vorliegen von Vorstrafen für die Beurteilung nicht ausreichend ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. März 1998, Zl. 97/01/0433, und vom 13. Mai 1998, Zl. 97/01/0242).

Der zweite Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt darin begründet, dass sie § 11 StbG als selbständige Verleihungsvoraussetzung (gleich den Tatbeständen des § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 StbG) ansah. Demgegenüber wird in dieser Bestimmung "nur" umschrieben, von welchen Kriterien sich die Behörde bei Übung des ihr nach § 10 Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Ermessens leiten zu lassen hat. Bei gesetzeskonformer Vollziehung ist demnach zuerst zu prüfen, ob die in § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG aufgestellten Einbürgerungserfordernisse erfüllt sind. Steht dies fest, liegt es sodann in dem durch § 11 StbG determinierten Ermessen der Behörde, dem Verleihungsansuchen zu entsprechen oder nicht. Liegt hingegen auch nur ein Einbürgerungserfordernis nicht vor, kommt eine Ermessensübung nach § 11 StbG gar nicht in Betracht (vgl. abermals das zuvor genannte Erkenntnis vom 13. Mai 1998). Ebenso wenig spielt diese Bestimmung im Rahmen der Erstreckungstatbestände der §§ 16 und 17 StbG eine Rolle, weil (siehe oben) im Fall der Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Bezugsperson und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 StbG bezüglich des Erstreckungswerbers ein Rechtsanspruch auf die Erstreckung der Verleihung besteht.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG nicht behördlichem Ermessen anheim gestellt ist. Sollten die Ausführungen der belangten Behörde zu § 11 StbG in diesem Sinn zu verstehen sein, so hätte sie auch insoweit die Rechtslage verkannt.

Nach dem Gesagten leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren (S 2.500,-- an Umsatzsteuer) war abzuweisen, weil neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 21. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997011069.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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