TE Vwgh Erkenntnis 2019/2/28 Ra 2017/07/0071

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AVG §46
AVG §52
AVG §53
VwRallg
WRG 1959 §105 Abs1 lita
WRG 1959 §134 Abs7
WRG 1959 §134 Abs7 idF 1997/I/074
WRG 1959 §138
WRG 1959 §21a
WRG 1959 §23a
WRG 1959 §23a Abs1
WRG 1959 §23a idF 1997/I/074
WRG 1959 §50

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der V AG in B, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 8. Mai 2017, LVwG-435-9/2016-R15, betreffend Bestellung von Talsperrenverantwortlichen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Vorarlberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) vom 14. Jänner 1906 wurde der Firma J. & S. die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage an der Bregenzerach mit einer Wasserentnahme in Bezau und der Wasserableitung zum Weiher Andelsbuch erteilt. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg (LH) vom 20. Dezember 2002 wurde der Revisionswerberin als Rechtsnachfolgerin die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkräfte der Bregenzerach und zwar von der Wasserfassung Bezau bei Fluss-km 33,75 in Bezau bis zum Niveau des Krafthauses in Andelsbuch im Kraftwerk Andelsbuch erteilt (Wiederverleihung).

2 Ferner wurde der Revisionswerberin mit Bescheid des LH vom 24. Februar 1989 die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkräfte der Bregenzerach im Gefälleabschnitt vom Unterwasser des Kraftwerkes Andelsbuch bis zum Unterwasser des Kraftwerkes Langenegg im Kraftwerk Alberschwende sowie zur Beileitung des Losenbaches in die Oberwasserführung dieses Kraftwerkes erteilt.

3 Mit Schreiben vom 21. Mai 1991 wurde das Detailprojekt "Flussbauliche Maßnahmen beim Ausgleichsbecken Ach, Jänner 1991" genehmigt.

4 Mit Schreiben vom 24. Jänner 1992 wurde das Detailprojekt "Seitenspeicher Bozenau, März 1991" in der Fassung der Ergänzung "Seitenspeicher Bozenau, flussbauliche Maßnahmen, Mai 1999" genehmigt.

5 Mit Bescheid des LH (nun belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 29. September 2016 wurde gemäß § 134 Abs. 7 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) die Anwendung des § 23a WRG 1959 betreffend Talsperrenverantwortliche auf folgende Stauanlagen vorgeschrieben:

-

Stauweiher Andelsbuch (Kraftwerk Andelsbuch)

-

Speicher Alberschwende/Ausgleichsbecken Ach (Kraftwerk Alberschwende)

-

Ausgleichsbecken Alberschwende/Seitenspeicher Bozenau (Kraftwerk Alberschwende).

6 Der Bescheid stützte sich insbesondere auf eine Stellungnahme des Talsperrenaufsichtsorgans des Landes Vorarlberg, gemäß der für die genannten Stauanlagen, deren Höhe über Gründungssohle 15 m nicht übersteige und durch die eine zusätzliche Wassermenge von gleich oder weniger als 500.000 m3 zurückgehalten werde, im Interesse der allgemeinen Sicherheit ein Talsperrenverantwortlicher zu bestellen sei.

7 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde.

8 Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Talsperrenaufsichtsorgans des Landes Vorarlberg vom 29. November 2016 und einer Stellungnahme der Revisionswerberin erließ der LH die Beschwerdevorentscheidung vom 12. Dezember 2016, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides - jedoch ohne eine hier relevante inhaltliche Änderung - neu formuliert wurde.

9 Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag. 10 Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (im Folgenden: LVwG) führte eine mündliche Verhandlung durch und gab mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Mai 2017 der Beschwerde keine Folge. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

11 In seiner Begründung hielt das LVwG fest, der Stauweiher Andelsbuch (Kraftwerk Andelsbuch) sei an der Bergseite durch den Klausberg begrenzt. Die talseitige Beckeneinfassung sei als Erdschüttdamm mit einem Lehmdichtkern ausgeführt. Neben dem Einlaufbauwerk verfüge der Stauweiher Andelsbuch über einen Grundablass (Leerlaufleitung) sowie eine Hochwasserentlastung, die für eine Wassermenge von 32 m3/s bemessen sei. Der nutzbare Stauinhalt betrage ca. 120.000 m3. Die maximale Dammhöhe über Gründungssohle betrage ca. 7,0 m. Im Dammvorland befänden sich Drainageleitungen, deren Schüttung kontinuierlich gemessen und aufgezeichnet werde. Mit geodätischen Kontrollmessungen werde die Lage und Höhe des Erdschüttdammes sowie des Einlaufbauwerkes in regelmäßigen Intervallen beobachtet. Um die Verlandung des Stauweihers, der ursprünglich ein Gesamtvolumen von ca. 185.000 m3 aufgewiesen habe, zu verhindern, sei eine Nassbaggeranlage mit Ableitung des Wasser-, Schlammgemisches in die Bregenzerache eingerichtet.

12 Nördlich des Norddammes befänden sich die Bregenzerwald Straße (L 200) sowie ein Betriebsgebiet. Ebenso verlaufe ein Geh- und Radweg entlang des nordseitigen Dammfußes. Östlich angrenzend an den Stauweiher befinde sich der Fußballplatz der Gemeinde Andelsbuch mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen.

13 In Spruchpunkt A/VI/a des Wiederverleihungsbescheides des LH vom 20. Dezember 2012 seien Vorschreibungen betreffend die Messung der Drainagewassermengen beim Stauweiher Andelsbuch sowie die geodätische Überwachung der Dammbauwerke des Stauweihers Andelsbuch enthalten. In den erwähnten Vorschreibungen sei die Beurteilung der Messwerte und des Bauwerksverhaltens sowie erforderlichenfalls die Veranlassung notwendiger Schritte durch den Talsperrenverantwortlichen angeordnet.

14 Die Überwachung des Stauweihers Andelsbuch erfolge im Rahmen einer jährlichen Begehung der Anlage durch das Talsperrenaufsichtsorgan des Landes im Beisein des Talsperrenverantwortlichen der Illwerke/VKW, des Beckenwärters sowie des betroffenen Betriebspersonals der Revisionswerberin.

15 Der Stauweiher Andelsbuch stelle bei einem Versagen des Dammbauwerkes mit Auslösung einer Flutwelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Im unmittelbaren Nahbereich des Dammbauwerkes befänden sich - wie erwähnt - private und öffentliche Schutzgüter. Darüber hinaus wären bei einem Dammbruch das Krafthaus Andelsbuch und in weiterer Folge die Bregenzerache von einer Flutwelle betroffen. Der Stauweiher Andelsbuch werde als Anlage mit erheblichem Gefahrenpotential eingestuft.

16 Zum Speicher Alberschwende/Ausgleichsbecken Ach (Kraftwerk Alberschwende) hielt das LVwG begründend fest, die maximale Höhe des Dammbauwerkes über der Gründungssohle betrage ca. 10,20 m. Das nutzbare Volumen des Ausgleichsbeckens Ach beträgt 350.000 m3. Die Dammkonstruktion sei als Erdschüttdamm mit Innendichtung ausgeführt worden. Über den Norddamm sowie die nordseitige Hälfte des Westdammes verlaufe ein überörtlicher Geh- und Radweg, der die Bregenzerache ca. bei fkm 28,20 mittels Brücke quere. Im unmittelbaren Nahbereich des Ausgleichsbeckens Ach seien abgesehen vom Entnahmebauwerk keine Gebäude oder Bauwerke, die bei einem Dammbruch gefährdet seien.

17 Die Überwachung des Ausgleichsbecken Ach erfolge im Rahmen einer jährlichen Begehung der Anlage durch das Talsperrenaufsichtsorgan des Landes im Beisein des Talsperrenverantwortlichen der Illwerke/VKW, des Beckenwärters sowie des Betriebspersonals der Revisionswerberin.

18 Die Bregenzerache werde im gegenständlichen Abschnitt sowie flussab des Ausgleichsbeckens Ach als Freizeit- und Erholungsraum intensiv genutzt. Mit Bescheid des LH vom 8. September 2015 sei der Revisionswerberin die wasserrechtliche Bewilligung zur Abgabe von Wasser in die Bregenzerache im Gefällsabschnitt vom Unterwasser des Kraftwerkes Andelsbuch bis zum Unterwasser des Kraftwerkes Langenegg im Kraftwerk Alberschwende erteilt worden. Die Abgabe von Wasser erfolge zur Durchführung von Freizeitaktivitäten in der Bregenzerache (zB Wildwasserrafting).

19 Bei einem Dammbruch des Ausgleichsbeckens Ach wäre mit einer Flutwelle in der Bregenzerache zu rechnen. Dabei wären - abgesehen vom betriebseigenen Personal der Revisionswerberin - auch Benutzer des angeführten Geh- und Radweges sowie Erholungssuchende bzw. Freizeitnutzer im Gewässerraum der Bregenzerache massiv gefährdet. Sowohl die Höhe über Gründungssohle als auch das zurückgehaltene Wasservolumen führe in Anbetracht der gefährdeten Schutzgüter zu einer Einstufung der Stauanlage mit erheblichem Gefahrenpotential.

20 Zum Ausgleichsbecken Alberschwende/Seitenspeicher Bozenau (Kraftwerk Alberschwende) führte das LVwG aus, der Seitenspeicher Bozenau diene dem Schwallausgleich in der Bregenzerache und sei Anlagenteil des Kraftwerkes Alberschwende. Das nutzbare Volumen im Seitenspeicher Bozenau betrage 160.000 m3. Die Dammkonstruktion sei als Erdschüttdamm mit Innendichtung ausgeführt. Die maximale Dammhöhe über der Gründungssohle betrage ca. 9,85 m. Der Seitenspeicher Bozenau sei durch einen Zwischendamm von der Bregenzerache getrennt. Aufgrund von Eintiefungstendenzen in der Bregenzerache sei es in den vergangen Jahren zu inneren Erosionen im Dammkörper gekommen. Die Sanierung des Dammes sei im Jahre 2015 erfolgreich durchgeführt worden.

21 Geodätische Kontrollen der Dammkrone, der Dammprofile sowie der Bauwerkpunkte würden jährlich durchgeführt. Ebenso erfolge jährlich eine Kontrollbegehung durch den Talsperrenverantwortlichen der Illwerke/VKW in Anwesenheit des Talsperrenaufsichtsorgans des Landes.

22 Bei einem Dammbruch wäre eine Flutwelle in Verbindung mit Erosionserscheinungen im Gewässerbett der Bregenzerache zu befürchten. Aufgrund der intensiven Erholungs- und Freizeitnutzung im Gewässerraum der Bregenzerache sei mit der Gefährdung von Menschen und Infrastruktureinrichtungen zu rechnen. Rechtsufrig der Bregenzerache verlaufe auf der alten Wälderbahntrasse der überörtliche Radweg, welcher in Folge eines Dammbruches gefährdet wäre. Zudem sei zu bedenken, dass bei Außerbetriebnahme des Seitenspeichers Bozenau die Schwalldämpfung nicht mehr gegeben wäre bzw. durch massive Einschränkungen der Betriebsweise der Kraftwerke Andelsbuch und Alberschwende ausgeglichen werden müsste. Zufolge der Höhe über Gründungssohle sowie des zurückgehaltenen Wasservolumens sei das Gefährdungspotential des Seitenspeichers Bozenau als erheblich zu bewerten.

23 Ergänzend legte das LVwG zu den drei genannten Stauanlagen dar, im Bereich der Bregenzerache befinde sich ca. 500 m unterhalb des Seitenspeichers Bozenau der Campingplatz Doren-Bozenau. Ebenfalls befinde sich im Bereich des Bahnhofs Lingenau - unterhalb des Ausgleichsbeckens Ach - das Outdoor-Sportzentrum "High Five", bei welchem gelegentlich auch campiert werde. Bei dieser Outdoor-Sportanlage werde auch River Rafting betrieben. Im Bereich der Bregenzerache befinde sich auch der überregionale Radweg, der von Egg bis nach Doren-Bozenau verlaufe. Dieser verlaufe auf der ehemaligen Wälderbahntrasse. Der Radweg befinde sich ca. 7 bis 8 m oberhalb der Bregenzerache. In den Sommermonaten werde die Bregenzerache auch durch Badende genutzt. Ebenso seien ganzjährig Fischer in der Bregenzerache unterwegs. In Egg und in Schwarzenberg seien Fußballplätze entlang der Ache situiert. Dieser Sachverhalt werde aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Aktenlage, der Stellungnahme des Talsperrenaufsichtsorgans des Landes Vorarlberg vom 29. November 2016 sowie der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2017 als erwiesen angenommen.

24 In der mündlichen Verhandlung - so führte das LVwG weiter aus - habe die Revisionswerberin vorgebracht, es sei unrichtig, dass sich das von den Kraftwerksanlagen ausgehende Gefährdungspotential für die Öffentlichkeit oder für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gewässerstrecke der Bregenzerache unterhalb der Anlagen qualitativ oder quantitativ erhöht habe. Das Gegenteil sei der Fall. So seien in der Vergangenheit Nutzungen und Aktivitäten der Wohnbevölkerung in der Bregenzerache weit häufiger gewesen.

25 Das Talsperrenaufsichtsorgan habe in der mündlichen Verhandlung ergänzend angegeben, der von ihm in seiner Stellungnahme verwendete Begriff "Stauanlagenverantwortlicher" sei gleichbedeutend mit dem Begriff "Talsperrenverantwortlicher" im Sinne des WRG 1959. Für die gegenständlichen Anlagen sei es erforderlich, einen Talsperrenverantwortlichen im Sinne des § 23a WRG 1959 zu bestellen. Die Illwerke/VKW-Gruppe habe noch andere kleine Stauanlagen, für die eine solche Vorschreibung nicht erforderlich sei.

Die Klassifizierung der Gefährdung bei Stauanlagen erfolge über den Leitfaden des BMLFUW "Mindestanforderungen an den Stauanlagenverantwortlichen von kleinen Stauanlagen" in der Fassung 12/2009. In dessen Anhang 4 befinde sich die Zuordnungsmatrix zu den Gefährdungsklassen "erheblich" und "gering". Im Falle eines Dammbruches gehe er von einer Wasserstandshöhe > 0,5 m im Bereich der vorgenannten Nutzungen aus, wodurch Personen ohne Vorwarnung gefährdet würden. Entsprechend der Zuordnungsmatrix erfolge die Klassifizierung aller drei Stauanlagen mit erheblichem Gefährdungspotential. Es gehe darum, der Behörde einen Verantwortlichen für die jeweilige Stauanlage bekanntzugeben, welcher der Behörde gegenüber für die Sicherheit der Stauanlage verantwortlich sei. Es gehe nicht um die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung sondern um die Sicherheit der Stauanlage.

26 Seitens der Revisionswerberin sei dazu angemerkt worden, dass der Stauanlagenverantwortliche in der Hierarchie dem Betriebsleiter untergeordnet sei, hingegen der Talsperrenverantwortliche nach § 23a WRG 1959 weisungsunabhängig vom Betriebsleiter sei.

27 In weiterer Folge hielt das LVwG fest, das Talsperrenaufsichtsorgan komme in seiner eindeutigen und schlüssigen Stellungnahme sowie in seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass die betreffenden Stauanlagen der Revisionswerberin ein erhebliches Gefährdungspotential aufwiesen. Dies sei aufgrund der näher beschriebenen Situation insbesondere hinsichtlich Infrastruktureinrichtungen und Freizeitnutzung im Bereich um die angeführten Stauanlagen sowie unterhalb dieser auch plausibel. Diesen Ausführungen sei die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. An der Einstufung der gegenständlichen Stauanlagen als Stauanlagen mit erheblichem Gefahrenpotential bestünden daher keine Zweifel.

28 Hinsichtlich Talsperren und Speicher unter 15 m Höhe oder mit weniger als 500.000 m3 Inhalt bestimme § 134 Abs. 7 WRG 1959, dass, soweit dies im Interesse der allgemeinen Sicherheit notwendig erscheine, die Wasserrechtsbehörde mit Bescheid die Anwendung des § 23a leg. cit. betreffend Talsperrenverantwortliche auch auf solche "kleinen Stauanlagen" sowie auf Flusskraftwerke vorschreiben könne. Aufgrund der steigenden Anzahl und der zunehmenden Größe "kleiner Stauanlagen" (steigendes Gefährdungspotential) und des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung seien heute im öffentlichen Interesse entsprechend angepasste Anforderungen an die Sicherheit - auch von "kleinen Stauanlagen" - zu stellen. Im öffentlichen Interesse werde es daher als notwendig erachtet, auch für "kleine Stauanlagen", die ein Gefährdungspotential aufwiesen, einen Stauanlagenverantwortlich en zu bestellen (Hinweis auf das Handbuch "Betrieb und Überwachung von ,kleinen Stauanlagen' mit länger dauernden Staubelastungen", BMLFUW, Fassung 12/2009).

29 Bei den genannten "kleineren Stauanlagen" sei eine Einzelfallbeurteilung hinsichtlich der Bestellung eines Talsperrenverantwortlichen erforderlich. Eine solche Beurteilung sei durch das Talsperrenaufsichtsorgan hinsichtlich aller drei gegenständlichen Stauanlagen erfolgt. Es habe für diese Stauanlagen jeweils ein erhebliches Gefährdungspotential aufgrund der jeweiligen spezifischen Situation im Umkreis bzw. Unterliegerbereich der jeweiligen Stauanlagen festgestellt. Zudem habe das Talsperrenaufsichtsorgan klargestellt, dass die Illwerke/VKW-Gruppe noch weitere kleinere Stauanlagen betreibe, für die eine solche Vorschreibung nicht erforderlich sei.

30 Aufgrund der festgestellten Nutzungen im Bereich um sowie unterhalb der gegenständlichen Stauanlagen im Bereich der Bregenzerache bestünden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und es sei ein erhebliches Gefährdungspotential bei diesen Stauanlagen gegeben. Aufgrund ihrer (bereits genannten) Abmessungen seien im Falle eines außergewöhnlichen Ereignisses (Dammbruch) Personen und Infrastruktureinrichtungen unmittelbar betroffen und es sei von einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen. Die Bestellung eines "Talsperrenaufsichtsorgans" (gemeint wohl: eines Talsperrenverantwortlichen) im Sinne des § 23a WRG 1959 gemäß § 134 Abs. 7 WRG 1959 sei daher (vom LH) zu Recht angeordnet worden.

31 Das Talsperrenaufsichtsorgan habe das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausdehnung der Talsperrenüberwachung auf die gegenständlichen Stauanlagen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Diesen Ausführungen sei die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Anordnung zur Anwendung des § 23a WRG 1959 auf kleine Anlagen gemäß § 134 Abs. 7 WRG 1959 könne auch jederzeit, nicht nur im Bewilligungsbescheid erfolgen.

32 Auf eine Erhöhung oder Verringerung des von den Kraftwerksanlagen ausgehenden Gefährdungspotentials gegenüber früher komme es nicht an. Dass ein entsprechendes Gefährdungspotential bestehe, habe das Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben. So befänden sich unterhalb des Stauweihers Andelsbuch eine öffentliche Straße, ein Geh- und Radweg sowie ein Betriebsgebiet und der Fußballplatz der Gemeinde Andelsbuch mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen. Über Teile des Dammes des Ausgleichsbeckens Ach verlaufe ein überörtlicher Geh- und Radweg, unterhalb des Ausgleichsbeckens Ach befinde sich das Outdoor-Sportzentrum "High Five". Unterhalb des Seitenspeichers Bozenau befänden sich der öffentliche Geh- und Radweg und der Campingplatz Bozenau. Darüber hinaus fänden unterhalb der betreffenden Stauanlagen zeitweise Freizeitnutzungen wie Fischen, Baden und River-Rafting in der Bregenzerache statt. Selbst wenn sich die Nutzung der Bregenzerache durch die Bevölkerung durch einen Rückgang von Tätigkeiten wie Entnahmen von Flusssteinen oder die Holztrift im Laufe der Zeit gewandelt habe, so seien an deren Stelle andere Freizeitnutzungen getreten. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass die Nutzung der Bregenzerache durch die Bevölkerung geringer geworden wäre. Aber selbst bei einer Verringerung solcher Nutzungen wäre nach wie vor ein entsprechendes Gefährdungspotential vorhanden.

33 Die vom Vertreter der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung angegebene hierarchische Struktur zeige, dass der derzeitige Stauanlagenverantwortliche der Revisionswerberin nicht unabhängig vom Betriebsleiter entsprechende Entscheidungen treffen könne, sondern sich den Weisungen des Betriebsleiters unterzuordnen habe. Gerade darin zeige sich die Notwendigkeit einer vom Betriebsleiter unabhängigen Person in Form eines Talsperrenverantwortlichen, zumal betriebliche Interessen im Einzelfall mit Sicherheitsinteressen, welche vom Talsperrenverantwortlichen zu vertreten seien, in Konflikt stehen könnten.

34 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

35 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

36 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die geltend gemachte, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärte Frage, nach welchen Kriterien die Wasserrechtsbehörde und das Verwaltungsgericht bei einer auf § 134 Abs. 7 WRG 1959 gestützten Anordnung vorzugehen haben, als zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

37 Die maßgeblichen Bestimmungen des WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 58/2017, lauten:

"Talsperrenverantwortlicher

§ 23a. (1) Für Talsperren und Speicher, Flusskraftwerke ausgenommen, deren Höhe über Gründungssohle 15 m übersteigt oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von mehr als 500 000 m3 zurückgehalten wird, ist vom Wasserberechtigten ein fachlich qualifizierter, verlässlicher und mit der Anlage vertrauter Talsperrenverantwortlicher sowie eine entsprechende Stellvertretung schriftlich zu bestellen und der Bezirksverwaltungsbehörde, der Gewässeraufsicht sowie dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bekanntzugeben. Der Talsperrenverantwortliche und seine Vertretung müssen dem technischen Führungsstab des Unternehmens angehören, die Befugnis haben, alle im Interesse der Talsperrensicherheit erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, und in angemessener Frist leicht erreichbar sein.

(2) Auf Antrag des Wasserberechtigten kann die Wasserrechtsbehörde ausnahmsweise mit Bescheid gestatten, dass die Funktion des Talsperrenverantwortlichen und seiner Vertretung von Personen ausgeübt wird, die nicht dem Unternehmen angehören. In diesem Fall hat der Wasserberechtigte mit der Funktion des Talsperrenverantwortlichen oder dessen Vertretung einen fachlich qualifizierten, verlässlichen und mit der Anlage vertrauten Befugten (§ 134 GewO 1994, § 1 ZTG) der Fachbereiche Bauwesen oder Kulturtechnik und Wasserwirtschaft zu bestellen und mit allen Befugnissen auszustatten.

(3) Der Talsperrenverantwortliche hat die Einhaltung der auf die Sicherheit der Talsperre bezughabenden Vorschriften und Verwaltungsakte zu überwachen. Er hat festgestellte Mängel abzustellen, den Wasserberechtigten hierüber unverzüglich zu informieren und besondere Vorkommnisse der Wasserrechtsbehörde, der Gewässeraufsicht und dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unverzüglich mitzuteilen. Umfassende Berichte über die Stand- und Betriebssicherheit der Gesamtanlage sind der Gewässeraufsicht und dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft jährlich vorzulegen. Durch Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft können Aufgaben und Tätigkeit des Talsperrenverantwortlichen näher geregelt werden.

(...)

Öffentliche Interessen.

§ 105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:

a) eine Beeinträchtigung der Landesverteidigung oder eine

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder gesundheitsschädliche Folgen zu befürchten wären;

(...)

Besondere Aufsichtsbestimmungen.

§ 134. (1) (...)

(...)

(7) Soweit dies im Interesse der allgemeinen Sicherheit notwendig erscheint, kann die Wasserrechtsbehörde mit Bescheid die Anwendung der §§ 23a und 131 Abs. 1 betreffend Talsperrenverantwortliche und Überwachung von Talsperren auch auf Talsperren und Speicher, deren Höhe über Gründungssohle 15 m nicht übersteigt, oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von weniger als 500 000 m3 zurückgehalten wird, sowie auf Flusskraftwerke vorschreiben."

38 Die Revisionswerberin bringt vor, bei einer Beurteilung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 sei einer Einzelfallbetrachtung der Vorzug vor generalisierenden Aussagen zu geben. Es seien daher sämtliche Umstände heranzuziehen, die sicherheitsrelevant seien, wobei es auf die nähere Umgebung der Anlage ebenso ankomme wie auf das Alter und die Ausstattung der Anlage selbst. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zulässig, die Notwendigkeit der Vorschreibung des § 23a WRG 1959 im Gegenstandsfall unter anderem mit der steigenden Anzahl und der zunehmenden Größe "kleinerer Stauanlagen" und des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung zu begründen. Gegenstand der Prüfung könne immer nur die konkrete Anlage sein.

39 Das LVwG habe die Erfüllung des Tatbestandes des § 134 Abs. 7 WRG 1959 durch die verfahrensgegenständlichen Anlagen deshalb bejaht, weil diese ein erhebliches Gefährdungspotential im Sinne des Anhangs 4 zum Leitfaden "Mindestanforderungen an den Stauanlagenverantwortlichen von ‚kleinen Stauanlagen'" (im Folgenden: Leitfaden) aufwiesen. Dies stelle keine gesetzmäßige Begründung dar. Der Leitfaden sei rechtlich unverbindlich. Daher führe die Zuordnung einer Anlage nach der Matrix in Anhang 4 des Leitfadens zu einer erheblichen Gefährdungsklasse nicht per se zur Erfüllung des Tatbestandes des § 134 Abs. 7 WRG 1959. Ferner bedeute das Bestehen eines erheblichen Gefährdungspotentials nach Anhang 4 des Leitfadens selbst nach dem Leitfaden nicht, dass ein solches zur Bestellung eines Stauanlagenverantwortlichen (im Sinne des Leitfadens) führen müsse. Das Vorliegen eines erheblichen Gefährdungspotentials bedeute nach dem Leitfaden einzig, dass sich die Anforderungen an den Stauanlagenverantwortlichen und seine Aufgaben erhöhten bzw. vergrößerten. Schließlich sei der vom Leitfaden vorgesehene Stauanlagenverantwortliche mit dem wasserrechtlichen Talsperrenverantwortlichen deshalb nicht gleichzusetzen, weil als Stauanlagenverantwortlicher nach dem Leitfaden sowohl eine unternehmensinterne als auch eine -externe Person eingesetzt werden könne. Talsperrenverantwortlicher im Sinne des § 23a WRG 1959 dürfe hingegen gemäß Abs. 2 leg. cit. nur im Ausnahmefall und nur nach bescheidgemäßer Gestattung durch die Wasserrechtsbehörde eine unternehmensexterne Person sein.

40 Der Talsperrenverantwortliche habe die Funktion, durch laufende Überprüfungen und entsprechende Anordnungen Gefährdungslagen hintanzuhalten, diese also gar nicht entstehen zu lassen. Somit gehe die Bestellung eines solchen Verantwortlichen keineswegs von dem Gefahrenbild eines Dammbruchs aus, sondern sie diene der Verhinderung eines solchen Katastrophenereignisses. Ein möglicher Dammbruch könne also niemals die Begründung für eine Vorgangsweise nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 sein, weil es sich dabei um ein außergewöhnliches, nicht vorhersehbares zukünftiges Ereignis handle.

41 Im angefochtenen Erkenntnis sei nicht dargelegt worden, welche konkreten Gefahren vom Zustand der jeweiligen Anlage überhaupt ausgingen, ob der Damm porös sei, ob es Unterspülungen gebe, wie alt die Anlage sei, ob allfällige bauliche Mängel behoben worden seien und ob ein Grundablass existiere, der die rechtzeitige Entleerung des Speichers sicherstelle. Auch die Anhörung von Vertretern der Revisionswerberin zu diesen Fragen sei unterlassen worden.

42 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses dargelegt.

43 Die Bestimmungen der §§ 23a und 134 Abs. 7 WRG 1959 wurden mit der WRG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 74/1997, eingefügt. Demnach ist gemäß § 23a Abs. 1 WRG 1959 für Talsperren und Speicher, Flusskraftwerke ausgenommen, deren Höhe über Gründungssohle 15 m übersteigt oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von mehr als 500.000 m3 zurückgehalten wird, vom Wasserberechtigten ein fachlich qualifizierter, verlässlicher und mit der Anlage vertrauter Talsperrenverantwortlicher sowie eine entsprechende Stellvertretung schriftlich zu bestellen und der Bezirksverwaltungsbehörde, der Gewässeraufsicht sowie dem BMLFUW bekanntzugeben.

44 Die Vorschreibung der Anwendung des § 23a WRG 1959 betreffend Talsperrenverantwortliche und Überwachung von Talsperren auch auf Talsperren und Speicher, deren Höhe über Gründungssohle 15 m nicht übersteigt oder durch die eine zusätzliche Wassermenge von weniger als 500.000 m3 zurückgehalten wird ("kleinere Stauanlagen"), sowie auf Flusskraftwerke durch die Wasserrechtsbehörde wurde auf Fälle beschränkt, in denen dies im Interesse der allgemeinen Sicherheit notwendig erscheint.

45 Die Materialien zur WRG-Novelle 1997 enthalten zu den bei der Beurteilung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 anzuwendenden Kriterien keine Ausführungen.

46 Sowohl das LVwG als auch die Revisionswerberin gehen zutreffend davon aus, dass die Anordnung der Talsperrenüberwachung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 aufgrund einer Einzelfallbeurteilung zu erfolgen hat (vgl. dazu auch Berger in Oberleitner/Berger, WRG4 (2018) § 134 Rz 5).

47 Der Revisionswerberin ist auch darin beizupflichten, dass die Notwendigkeit der Vorschreibung der Anwendung des § 23a WRG 1959 nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 nicht ausschließlich mit der steigenden Anzahl und der zunehmenden Größe "kleinerer Stauanlagen" (wobei jedoch auch diese Umstände grundsätzlich einen Beitrag zur Erhöhung des Gefahrenpotentials leisten können) und des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses der Bevölkerung begründet werden könnte. Ein derartiger Begründungsmangel ist dem LVwG aber nicht vorzuwerfen.

48 § 134 Abs. 7 WRG 1959 stellt eine besondere Aufsichtsbestimmung dar. Sie ermöglicht die Vorschreibung der Anwendung unter anderem des § 23a WRG 1959 auf "kleinere Stauanlagen", "soweit dies im Interesse der allgemeinen Sicherheit notwendig erscheint". Der Begriff der "allgemeinen Sicherheit" kann im vorliegenden Fall mit dem Begriff der "öffentlichen Sicherheit" gleichgesetzt werden (vgl. zur inhaltsgleichen Verwendung dieser Begriffe auch erneut Berger in Oberleitner/Berger, WRG4 (2018) § 134 Rz 5).

49 Der Revisionswerberin ist insoweit zu folgen, als die genannten Bestimmungen nicht zuletzt dazu beitragen sollen, ein Katastrophenereignis, etwa in Form eines Dammbruchs, zu verhindern; dies jedoch vor dem Hintergrund der mit einem solchen Ereignis verbundenen Folgen. Entgegen dem Revisionsvorbringen sind damit der Beurteilung aber gerade vor allem die (unter anderem) bei einem allfälligen Dammbruch zu befürchtenden Auswirkungen zugrunde zu legen. Hingegen kann der bauliche Zustand einer Stauanlage zwar in die Prüfung miteinbezogen werden, er ist jedoch nicht als entscheidendes Kriterium anzusehen.

50 Dies ergibt sich bereits aus einer Zusammenschau mit weiteren Bestimmungen des WRG 1959. So dürfte ein Vorhaben (hier: eine Talsperre bzw. Stauanlage), bei dem eine sachverständig begründete Befürchtung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bestünde, gar nicht oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden (vgl. dazu § 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959 sowie das sich mit dem in der zitierten Litera ebenso normierten Kriterium der gesundheitlichen Folgen befassende Erkenntnis VwGH 7.9.1973, 1937/71, VwSlg. 8450). Ferner sieht das WRG 1959 bereits an anderen Stellen unter anderem Instandhaltungsverpflichtungen der Wasserberechtigten (§ 50 leg. cit.), die Verpflichtung zur Anordnung eines wasserpolizeilichen Auftrages etwa bei Nichteinhaltung des erteilten wasserrechtlichen Konsenses, wenn dies das öffentliche Interesse erfordert (vgl. § 138 leg. cit.), oder die Möglichkeit der Abänderung von Bewilligungen unter den Voraussetzungen des § 21a leg. cit., wenn öffentliche Interessen trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, vor.

51 Angesichts der nach den zitierten Bestimmungen des WRG 1959 in den genannten Fällen ohnehin bereits bestehenden Möglichkeiten bzw. Verpflichtungen ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Wege des § 134 Abs. 7 WRG 1959 die Anwendung des § 23a WRG 1959 nur auf jene "kleineren Stauanlagen" beabsichtigte, bei denen bereits bauliche Mängel vorliegen oder die sich nicht in einem konsensgemäßen Zustand befinden. Mit der besonderen Aufsichtsbestimmung des § 134 Abs. 7 in Verbindung mit § 23a WRG 1959 verfolgt der Gesetzgeber vielmehr das Ziel, (auch) bei jenen "kleineren" Talsperren und Speichern, die sich zwar in einem konsensgemäßen Zustand befinden und bei denen auch regelmäßige Kontrollbegehungen durchgeführt werden, bei denen jedoch im Falle eines - wenngleich aufgrund des Zustandes der Anlagen nicht zu erwartenden - Katastrophenszenarios eine Gefährdung der allgemeinen Sicherheit zu erwarten ist, eine bereits im Voraus wirkende zusätzliche Maßnahme zur Verhinderung eben eines solchen Vorfalles durch die Bestellung eines Talsperrenverantwortlichen zu setzen. Mit einer entsprechenden Überwachung soll - wie es auch der erwähnte Leitfaden formuliert - ein Versagen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden.

52 Demgemäß hat ein Talsperrenverantwortlicher nach § 23a WRG 1959 unter anderem die Aufgaben, im Interesse der Talsperrensicherheit erforderliche Maßnahmen zu veranlassen, in angemessener Frist leicht erreichbar zu sein, festgestellte Mängel abzustellen, den Wasserberechtigten hierüber unverzüglich zu informieren und besondere Vorkommnisse unter anderem der Wasserrechtsbehörde unverzüglich mitzuteilen.

53 Es mögen daher bei der Beurteilung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 auch die vom baulichen Zustand der jeweiligen Anlage gegebenenfalls ausgehenden konkreten Gefahren miteinzubeziehen seien. In erster Linie stellt der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung jedoch offenkundig auf die zu befürchtenden Folgen für die allgemeine Sicherheit im Falle (z.B.) eines Dammbruchs ab.

54 Untermauert wird diese Ansicht auch dadurch, dass § 23a Abs. 1 WRG 1959 für die dort angeführten "größeren" Talsperren und Speicher von Vornherein zwingend die Bestellung eines Talsperrenverantwortlichen sowie einer entsprechenden Stellvertretung vorschreibt, ohne auf den konkreten Zustand dieser Anlagen Bezug zu nehmen. Der Gesetzgeber geht bei diesen Anlagen, auch im Falle ihres konsensgemäßen Zustandes, schon aufgrund ihrer Ausmaße (und ohne auf die konkrete Umgebung dieser Anlagen abzustellen) jedenfalls von gravierenden Folgen etwa eines allfälligen Dammbruches aus und hält demnach die Bestellung eines Talsperrenverantwortlichen für erforderlich. Gleiches gilt für die hier gegenständlichen "kleineren" Stauanlagen dann, wenn das - im Einzelfall zu prüfende - Kriterium "im Interesse der allgemeinen Sicherheit notwendig" als erfüllt anzusehen ist.

55 Nach dem Gesagten erscheint es daher geboten, bei der Beurteilung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 in erster Linie auf die Größe des Gefährdungspotentials von Katstrophenereignissen bei "kleineren Stauanlagen", somit auf die Auswirkungen für den Fall eines derartigen Ereignisses, abzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken, dabei im Rahmen der fachkundigen Beurteilung vor allem die im Leitfaden "Mindestanforderungen an den Stauanlagenverantwortlichen von ,Kleinen Stauanlagen'", BMLFUW bzw. Österreichische Staubeckenkommission, Fassung 12/2009, genannten Kriterien heranzuziehen. Es sind dies: Stauhöhe und Stauinhalt, im Zusammenhang mit den geologischen und topographischen Verhältnissen; Neigung des Geländes im Abflussbereich; Nähe zu Wohnobjekten oder Arbeitsstätten, Verkehrswegen, Versorgungseinrichtungen (Wasser, Energie, Kommunikation), Sicherheitseinrichtungen (Feuerwehr, Spitäler, etc.). Ebenso wenig bestehen Bedenken, im Einzelfall eine Zuordnung entsprechend der im Anhang 4 "Zuordnungsmatrix zu Gefährdungsklassen ,erheblich' und ,gering'" dieses Leitfadens unter Berücksichtigung der dort angeführten Schutzgüter vorzunehmen. Dass im Leitfaden und zunächst auch vom beigezogenen Talsperrenaufsichtsorgan des Landes der Begriff "Stauanlagenverantwortlicher" verwendet wurde, ändert daran nichts (vgl. dazu auch die klarstellenden Ausführungen des Talsperrenaufsichtsorgans, wonach dieser auch von ihm verwendete Begriff mit dem "Talsperrenverantwortlichen" gleichzusetzen sei).

56 Dem genannten Leitfaden kommt der Charakter eines Regelwerkes (vergleichbar mit jenem von ÖNORMEN) mit der Wirkung eines objektivierten, generellen Gutachtens zu, das gegebenenfalls durch ein fachliches Gegengutachten widerlegt werden könnte. Diese einschlägigen Regelwerke können von den Sachverständigen als Grundlage ihrer Gutachten herangezogen werden (vgl. zu anderen Regelwerken VwGH 20.2.2014, 2011/07/0180; 23.10.2014, Ra 2014/07/0031, jeweils mwN).

57 Im vorliegenden Fall hat der im Verfahren beigezogene Sachverständige (Talsperrenaufsichtsorgan) die im Leitfaden genannten Kriterien als Grundlage seiner fachkundigen Beurteilung herangezogen und im Einzelnen - mit Blick auf die oben wiedergegebene, jeweils spezifische Situation im Umkreis bzw. Unterliegerbereich der in Rede stehenden Stauanlagen - dargelegt, weshalb aufgrund der Gefährdungslage die Notwendigkeit der Anwendung des § 23a WRG 1959 bei den gegenständlichen Stauanlagen bestehe.

58 Es trifft somit das Revisionsvorbringen, das LVwG habe sein Erkenntnis auf einen rechtlich unverbindlichen Leitfaden gestützt, in dieser Form nicht zu. Dass das LVwG auf der Grundlage der fachkundigen Ausführungen des Talsperrenaufsichtsorgans die Vorschreibung der Anwendung des § 23a WRG 1959 auf die in Rede stehenden Anlagen im Interesse der allgemeinen Sicherheit für notwendig erachtete, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

59 Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, es seien bei der Beurteilung auch Wege und sonstige Anlagen (Outdoor-Sportzentrum "High Five"; Campingplatz Bozenau; Radweg) als gefährdet eingestuft worden, die (aufgrund ihrer Situierung) selbst im Falle eines - nur theoretisch denkbaren - Dammbruchs denkunmöglich in Mitleidenschaft genommen würden, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar. So waren in der Stellungnahme der Revisionswerberin vom 7. Dezember 2016 zu der vor der Beschwerdevorentscheidung des LH eingeholten Stellungnahme des Talsperrenaufsichtsorgans vom 29. November 2016 dessen Ausführungen "zu potenziellen Gefahrensituationen" noch als "grundsätzlich zutreffend" bezeichnet worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG vom 21. Februar 2017 war von der Revisionswerberin zwar auf die genannten Anlagen Bezug genommen worden, dies jedoch lediglich unter dem - hier nicht entscheidungswesentlichen - Aspekt, dass die Nutzung der Bregenzerach durch die Bevölkerung früher intensiver als heute gewesen sei.

60 Dem Vorwurf, das LVwG habe Vertreter der Revisionswerberin zu näher genannten Fragen des Zustandes der Stauanlagen nicht angehört, kommt - ungeachtet der Frage der Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels - bereits angesichts der vom LVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung keine Berechtigung zu.

61 Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet sich die Revision ferner gegen die Beurteilung des LVwG, wonach die Revisionswerberin dem Talsperrenaufsichtsorgan des Landes Vorarlberg nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei. Die Revisionswerberin als Betreiberin von allein sieben Stauanlagen unter den Schwellenwerten des § 23a Abs. 1 bzw. § 134 Abs. 7 WRG 1959 und von vier Stauanlagen über diesen Schwellenwerten, somit von elf derartigen Anlagen, verfüge unzweifelhaft über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse zum Betrieb von Anlagen der verfahrensgegenständlichen Art. Ihre im Verfahren abgegebenen Äußerungen seien somit als sachverständig anzusehen.

62 Die Sachverständigeneigenschaft des im Verfahren beigezogenen Talsperrenaufsichtsorgans des Landes Vorarlberg wird mit diesem Vorbringen nicht in Zweifel gezogen.

63 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens unter anderem durch den Nachweis erschüttert werden, dass es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen ist oder den Erfahrungen der Wissenschaft widerspricht. Wird jedoch vorgebracht, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaft in Widerspruch, so muss diese Behauptung - und zwar tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden; durch eine bloße gegenteilige Behauptung, die einer Sachverständigengrundlage entbehrt, kann das Gutachten eines Amtssachverständigen nicht entkräftet werden (VwGH 24.3.2011, 2009/07/0107, mwN).

64 Im Verfahren vor dem LVwG blieb zwar unbestritten, dass die Revisionswerberin über fachlich qualifiziertes Personal zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Talsperrenverantwortlichen verfügt (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen des Talsperrenaufsichtsorgans). Das bloße Vorbringen, wonach die Revisionswerberin eine größere Zahl vergleichbarer Anlagen betreibe, erfüllt jedoch noch nicht das Erfordernis, Sachverständigenausführungen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Sachverständige sind Personen, die in einem Verfahren bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dadurch mitwirken, dass sie Tatsachen erheben und aus diesen Tatsachen auf Grund ihrer besonderen Fachkunde Schlussfolgerungen ziehen (VwGH 25.4.2003, 2001/12/0195). Der Umstand allein, dass ein Konsensinhaber Erfahrungen durch das Betreiben von gleichartigen Anlagen erworben hat, stellt ihn im Allgemeinen noch nicht auf dieselbe fachliche Stufe wie ein Sachverständiger für dieses Fachgebiet.

65 Das zitierte Revisionsvorbringen führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil die Revisionswerberin, eine juristische Person, in der Revision nicht konkret darlegt, welcher Person (welchen Personen), die ihrem Mitarbeiterstand angehöre (angehörten) oder deren Tätigkeit ihr zuzurechnen sei, aufgrund welcher Umstände eine einem Sachverständigen gleichzuhaltende fachliche Qualifikation aufweise (aufwiesen) und durch welches konkrete, im Zuge des Verfahrens erstattete Vorbringen dieser Person(en) die schlüssigen und nachvollziehbaren fachkundigen Darlegungen des Talsperrenaufsichtsorgans in Zweifel gezogen worden seien.

66 Soweit in der Revision auf das im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG erstattete und - so der Vorwurf - vom LVwG nicht aufgegriffene "Vorbringen des Vertreters" der Revisionswerberin, wonach sich deren Betriebsanlagen in einem einwandfreien sowie stets sicheren Zustand befänden und die Sicherheitsstandards laufend verbessert und erhöht würden, verweist, ist auf die vorstehenden Ausführungen hinzuweisen, wonach bei der Beurteilung nach § 134 Abs. 7 WRG 1959 primär auf die zu erwartenden Folgen (z.B.) eines Katastrophenereignisses abzustellen ist und der (gegebenenfalls einwandfreie) bauliche Zustand einer Stauanlage allein der Notwendigkeit der Bestellung eines Talsperrenverantwortlichen nicht entgegensteht.

67 Die Revision war daher nach § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

68 Von der von der Revisionswerberin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil der Anforderung des Art. 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan wurde.

Wien, am 28. Februar 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Beweismittel SachverständigengutachtenRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietVerwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1Vorliegen eines Gutachtens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017070071.L00

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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