TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/4 VGW-171/008/1819/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.02.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

VwGVG §8 Abs1
VwGVG §8 Abs2 Z1
VwGVG §8 Abs2 Z2
B-VG Art. 130 Abs1 Z3
AVG §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch Mag. Chmielewski als Vorsitzenden, Mag. Burda als Berichterin, Mag. Hornschall als Beisitzerin sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Hassfurther und Obermüller über die Säumnisbeschwerde der Frau Mag. A. B. vom 10.12.2018 betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, Personalservice, in Angelegenheit eines Verfahrens auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages (Zl. ...)

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 VwGVG iVm § 28 Abs. 1 wird die Säumnisbeschwerde abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den aus Anlass der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt.

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht demnach fest:

Frau Mag. A. B. ist Fachbeamtin des Verwaltungsdienstes (eingereiht in Schema II, Verwendungsgruppe B). Am 12.12. 2017 brachte sie einen Antrag auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages ein.

Am 10. Dezember 2018 erhob sie eine Säumnisbeschwerde, da seitens der Magistratsabteilung 2 keine inhaltliche Entscheidung ergangen ist.

Die belangte Behörde teilte aus Anlass der Aktvorlage mit, dass das gegenständliche Verfahren auf Grund eines derzeit beim Europäischen Gerichtshof zur Zl. C-24/2017 geführten Vorabentscheidungsverfahrens zur Bundesbesoldungsreform 2015, welche von der Stadt Wien 1:1 übernommen wurde, gemäß § 38 AVG ausgesetzt worden sei. Aus Sicht der Magistratsabteilung 2 liege somit gemäß § 8 Abs. 2 VwGVG keine Säumnis der belangten Behörde vor.

Ähnliches hatte die belangte Behörde bereits mit Schreiben vom 8.1.2019 der nunmehrigen Beschwerdeführerin mitgeteilt und dazu ausgeführt, dass sie das Verfahren gemäß § 38 AVG formlos ausgesetzt habe. Die Beschwerdeführerin beharrte jedoch in der Folge mit E-Mail vom 24.1.2019 auf Vorlage ihrer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Es ist notorisch, dass dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) seitens des Obersten Gerichtshofes (OGH) mit Vorabentscheidungsersuchen vom 19.12.2016, GZ. 9 ObA 141/15y-14 (RS0131186), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden:

„1.1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein (in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr) altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein neues Besoldungssystem ersetzt wird, die Überleitung der Bestandsbediensteten in das neue Besoldungssystem aber dadurch erfolgt, dass das neue Besoldungssystem rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stammgesetzes in Kraft gesetzt wird, sich die erstmalige Einstufung in das neue Besoldungssystem aber nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem für einen bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) tatsächlich ausbezahlten Gehalt richtet, sodass die bisherige Altersdiskriminierung in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?

1.2. Für den Fall der Bejahung der Frage 1.1.:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 17 der Richtlinie 2000/78/EG, dahin auszulegen, dass Bestandsbedienstete, die in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr im alten Besoldungssystem diskriminiert wurden, einen finanziellen Ausgleich erhalten müssen, wenn diese Altersdiskriminierung auch nach Überleitung in das neue Besoldungssystem in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?

1.3. Für den Fall der Verneinung der Frage 1.1.:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 47 GRC, dahin auszulegen, dass dem darin verbrieften Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz eine nationale Regelung entgegensteht, nach der das alte diskriminierende Besoldungssystem in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist und sich die Überleitung der Besoldung von Bestandsbediensteten in das neue Besoldungsregime allein nach dem für den Überleitungsmonat zu ermittelnden bzw ausbezahlten Gehalt richtet?

2. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 45 AEUV, Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, und Art 20 f GRC, dahin auszulegen, dass es einer Regelung entgegensteht, nach der Vordienstzeiten eines Vertragsbediensteten

- in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, uä zur Gänze,

- in einem Dienstverhältnis zu einem anderen Dienstgeber nur bei Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren anrechenbar sind?“

Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Bundesbesoldungsreform 2015 des Bundes (insbesondere auch die vom Bund gewählte Methode der Überleitung sowie die Anrechnung von Vordienstzeiten). Nachdem die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie nicht zwischen Vertragsbediensteten und Beamtinnen und Beamten unterscheidet, sind die Antworten des EuGH auch für übergeleitete Beamtinnen und Beamten bindend. Dieses Verfahren wird beim EuGH unter der Zahl C-24/2017 geführt.

Da die Dienstrechts-Novelle 2015 nach dem Vorbild des Bundesbesoldungsreform 2015 gestaltet worden ist, gilt das oben Ausgeführte auch für übergeleitete Beamtinnen und Beamten der Stadt Wien.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang gründen sich auf den diesbezüglich unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie das im RIS auffindbare Vorabentscheidungsersuchen des OGH vom 19.12.2016.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. werden in die Frist nicht eingerechnet:

 

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Im vorliegenden Verfahren hat die Verwaltungsbehörde zwar nicht bescheidförmig, aber unstrittig faktisch das Verfahren über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages ausgesetzt. In diesem Fall ist keine schuldhafte Verletzung der Entscheidungspflicht anzunehmen, wenn die Behörde zu einer Aussetzung nach § 38 AVG berechtigt war (VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316).

Somit ist allein zu prüfen, ob die belangte Behörde mit der faktischen Aussetzung des über den Antrag der Beschwerdeführerin eingeleiteten Verfahrens auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages rechtmäßig gehandelt hat.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die angeführten Fragen des Vorabentscheidungsersuchens von Bedeutung für das Verfahren der Beschwerdeführerin sind, stellt sich als unbedenklich dar.

Dass aber mit Blick auf die im zitierten Vorabentscheidungsersuchen des OGH vom 19.12.2016, GZ. 9 ObA 141/15y-14 (RS0131186), enthaltenen Vorlagefragen die (wenn auch bloß faktische) Aussetzung nach § 38 AVG dem Gesetz entspricht, steht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Vornahme einer Aussetzung im Fall von beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren im Einklang (vgl. VwGH 5.7. 2011, 2010/21/0141; VwGH 9.11.2011, 2011/22/0284; ebenso VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316) bzw. ergibt sich dies expressis verbis aus der Bestimmung des § 8 Abs. 2. Z 2 VwGVG.

Aus diesem Grunde war die Säumnisbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG entfallen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Säumigkeit einer Verwaltungsbehörde im Zusammenhang mit anhängigen Vorabentscheidungsverfahren ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung, wie die Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht; Säumnisbeschwerde; EuGH; Vorabentscheidungsersuchen; Vorfrage; faktische Aussetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.171.008.1819.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten