TE Vfgh Beschluss 1997/3/12 B379/97

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Veröffentlicht am 12.03.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.

II.                                    Die Beschwerde wird

zurückgewiesen.

III.           Der Antrag, die Beschwerde

dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 1997 (zur Post gegeben am 12. Februar 1997) begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Dezember 1996, Z305.552/3-III/11/96. In diesem (rechtzeitig eingebrachten) Wiedereinsetzungsantrag, der mit der (versäumten) Beschwerde verbunden ist, wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Frist für die Einbringung der Beschwerde sei ordnungsgemäß in den Fristenvormerkkalender der Kanzlei ihres Rechtsvertreters eingetragen worden. Die Beschwerde sei auch rechtzeitig am 29. Jänner 1997 fertiggestellt und - nachdem die im Fristenvormerkkalender eingetragene Frist für die Einbringung dieser Beschwerde abgestrichen worden sei - in die für den Postausgang vorgesehene Ablage der Kanzlei eingelegt worden. Ein namentlich genannter Mitarbeiter ihres Rechtsvertreters, der seit vielen Jahren bei ihrem Rechtsvertreter als Sekretär tätig und unter anderem mit der Durchführung der Postaufgabe betraut sei, habe am 29. Jänner 1997 diese Beschwerde zusammen mit vielen anderen eingeschriebenen Schriftstücken aus der genannten Ablage entnommen. Da sich an diesem Tag besonders viele Briefe in der Ablage befunden hätten, habe es geschehen können, daß die Beschwerde wegen Überfüllung der Ablage durch einen Schlitz rückwärts aus der Ablage gefallen sei. Die Beschwerde sei nach zwölf Tagen (am 10. Februar 1997) wieder zum Vorschein gekommen, als die Ablagefächer weggehoben worden seien. Die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde beruhe daher auf einem unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignis, das nur auf eine unglückliche Verkettung von widrigen Umständen zurückzuführen sei. Auch die - routinemäßig durchgeführte - Überwachung der Kanzleitätigkeit durch ihren Rechtsvertreter habe die Versäumung nicht verhindern können, weil bei der Kontrolle die im Fristenvormerkkalender eingetragene Frist für die Einbringung der Beschwerde schon abgestrichen gewesen sei und sich das Schriftstück bereits in der Postablage befunden hätte. Es handle sich allenfalls um einen minderen Grad des Versehens.

Als Bescheinigungsmittel für die geschilderten Vorgänge, die zur Fristversäumung führten, wird der namentlich genannte Mitarbeiter des Rechtsvertreters als Auskunftsperson angeführt.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet.

1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

2. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Nach Lage des Falles kann nicht angenommen werden, daß die Beschwerdeführerin oder ihren Rechtsvertreter bzw. den genannten Mitarbeiter des Rechtsvertreters, für den die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (vgl. VfSlg. 10345/1985), bloß ein minderer Grad des Versehens bei der Versäumung trifft. Der Verfassungsgerichtshof wertet es nicht als leichte Fahrlässigkeit, wenn ein in eine Ablage für die Postaufgabe eingelegtes Schriftstück ohne Vorliegen eines besonderen Umstandes - die Überfüllung der Ablage kann nicht als solcher angesehen werden (vgl. VfSlg. 10345/1985) - aus der Ablage rutscht und unentdeckt liegen bleibt, sodaß es nicht fristgerecht zur Post transportiert wird (vgl. dazu VfSlg. 12370/1990, 13121/1992).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung war daher abzuweisen.

III. Die unter einem

eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen; bei diesem Ergebnis war auf den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht näher einzugehen.

Der Antrag, die Beschwerde in eventu an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer Abweisung oder einer Ablehnung der Beschwerdebehandlung in Betracht kommt.

IV. Dies konnte gemäß §33 VerfGG bzw. §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B379.1997

Dokumentnummer

JFT_10029688_97B00379_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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