TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/26 98/10/0411

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Veröffentlicht am 26.04.1999
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §53 Abs1;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der Firma L in Wien, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Oktober 1998, Zl. 6-55 K 7/1-1998, betreffend naturschutzbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg (BH) vom 12. Februar 1998 wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 4 Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65 (NSchG) verpflichtet, die auf dem Grundstück Nr. 551 der KG A. aufgestellte Werbetafel binnen zwei Wochen zu entfernen.

In der Begründung heißt es, anlässlich einer Überprüfung durch den Bezirksnaturschutzbeauftragten sei festgestellt worden, dass die beschwerdeführende Partei auf dem Grundstück Nr. 551 der KG A. eine Werbetafel aufgestellt habe. Die Werbetafel sei 8,50 m lang und 2,60 m hoch. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Werbetafel ca. 40 m westlich des Wirtschaftsgebäudes Sch. außerhalb des zum Anwesen gehörenden Obstgartens aufgestellt worden sei. Östlich der Werbetafel befinde sich die geschlossene Ortschaft A. Westlich schließe eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von ca. 1,5 ha an. In südlicher Richtung betrage der Abstand zum nächsten Objekt ca. 116 m. In nördlicher Richtung verlaufe die Bundesstraße und befänden sich daran anschließend nicht bebaute Flächen. Die Werbetafel befinde sich ca. 40 m westlich des letzten Gebäudes der geschlossenen Ortschaft A. und rage auch deutlich aus dem Schatten des Gebäudes heraus, sodass nicht mehr von einem Naheverhältnis zur geschlossenen Ortschaft gesprochen werden könne. Die Werbetafel sei außerdem außerhalb des zum Gehöft gehörenden Obstgartens aufgestellt. Aus den beschriebenen Abständen könne in Bezug auf die Situierung der Werbeeinrichtung nicht von verbautem Gebiet gesprochen werden, da sich die geschlossene Ortschaft östlich der Werbeeinrichtung befinde und nördlich, südlich und westlich der Werbeeinrichtung eine großräumige Freifläche gegeben sei.

Die beschwerdeführende Partei berief. Sie machte geltend, es seien ihr nicht alle dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundegelegten Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht worden. Ihrem Antrag, ein Sachverständigengutachten über die detaillierten Abstände der Werbeanlage zu den umgebenden Gebäuden und sonstigen Bezugspunkten einzuholen und einen Ortsaugenschein durchzuführen, sei nicht Rechnung getragen worden. Die im Bescheid angeführten Abstände bzw. Flächenausmaße seien unrichtig bzw. ungenau. Insbesondere werde bestritten, dass die Werbetafel außerhalb des Obstgartens aufgestellt sei. Für den Betrachter ergebe sich ab der Werbetafel das Bild einer geschlossenen Ortschaft.

Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige für Naturschutz führte in einer Stellungnahme vom 8. April 1998 Folgendes aus:

"In Ergänzung zu den fachlichen Ausführungen der ersten Instanz hinsichtlich des Standortes sei nochmals festgehalten, dass die Werbeanlagen aus dem Schatten des letzten Gebäudes der geschlossenen Ortschaft auf Grund der Entfernungen zum letzten Gebäude der geschlossenen Ortschaft hervortreten.

Da weiter nördlich des Aufstellungsortes der Werbeanlagen unbebaute landwirtschaftliche Freiflächen anschließen sowie in südlicher Richtung der Abstand zum nächsten Anwesen 116 m beträgt und bei großräumiger Betrachtungsweise die bestehende Besiedlung nicht den Eindruck vermittelt, dass sich der Aufstellungsstandort auf einer Grünfläche innerhalb geschlossen bebauten Gebietes befindet, kann bei der vom VwGH geforderten großräumigen Betrachtungsweise eindeutig festgestellt werden, dass sich alle genannten Werbeanlagen innerhalb der freien Landschaft befinden.

Es wird daher der Antrag gestellt, auf Grund dieser Tatsachen die Entscheidung der ersten Instanz zu bestätigen."

In Ihrer Stellungnahme zu diesen Ausführungen machte die beschwerdeführende Partei Befangenheit des Amtssachverständigen geltend, weil er eine Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt habe. Weiters bezeichnete sie die Ausführungen des Amtssachverständigen als unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Es fehle eine exakte und vollständige Beschreibung der Umgebung der Werbeanlage und an präzisen Entfernungsangaben in Metern für die Entfernung zwischen der Werbeanlage und den umstehenden Gebäuden. Die vorhandenen Entfernungsangaben seien unrichtig.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab. In der Begründung stützte sie sich auf das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens und auf die von ihr eingeholte Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige für Naturschutz sei befangen gewesen, weil er sich für die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen habe. Über den diesbezüglichen Einwand der beschwerdeführenden Partei habe die belangte Behörde keine Entscheidung getroffen und sie habe sich damit auch im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt.

Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen sei unschlüssig, unvollständig und unrichtig. Es treffe keine Aussage darüber, welche Gebäude sich westlich und östlich der Werbeanlage befänden. Es fehle eine exakte und vollständige Beschreibung der Umgebung der Werbeanlage und konkrete Entfernungsangaben zu den übrigen, in der näheren und weiteren Umgebung der Werbeanlage befindlichen Gebäuden. Es sei ihm auch nicht zu entnehmen, auf welche Weise der Amtssachverständige zu der einzigen konkreten Entfernungsangabe gelangt sei. Es sei auch anzunehmen, dass der Amtssachverständige die Werbeanlage nicht besichtigt habe. Die Behörden beider Instanzen hätten sich auf Ermittlungsergebnisse gestützt, die der beschwerdeführenden Partei nicht zur Kenntnis gebracht worden seien. Dem Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheines sei nicht Rechnung getragen worden. Für den Betrachter ergebe sich bereits ab der Werbetafel das Bild einer geschlossenen Ortschaft. Die Entfernung zum Wirtschaftsgebäude Sch. betrage keineswegs 40 m, sondern sei bedeutend geringer. Die Werbeanlage könne daher auch als im Schattenwurf dieses Gebäudes gelegen angesehen werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 erster Satz NSchG dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden.

Nicht bewilligte Ankündigungen sind gemäß § 4 Abs. 7 leg. cit. binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde von demjenigen zu entfernen, der sie veranlasst hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof, seine ständige Rechtsprechung zusammenfassend, etwa in seinem Erkenntnis vom 21. November 1994, 91/10/0061, ausgesprochen hat, liegt eine "geschlossene Ortschaft" im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG insoweit vor, als das äußere Erscheinungsbild des Ortes oder Ortsteiles überwiegend von einer größeren Ansammlung von Bauwerken einschließlich der sie etwa umgebenden Grünanlagen geprägt wird, oder von einem räumlichen Zusammenschluss einer Vielheit von Bauwerken gesprochen werden kann, der sich durch den Zusammenschluss von einzelnen verstreut liegenden Baulichkeiten sichtbar abhebt. Da nur jene Störungen des Landschaftsbildes erfasst sind, die von Ankündigungen außerhalb geschlossener Ortschaften ausgehen, kommt es dabei nicht etwa auf den Ausblick auf die Landschaft, sondern nur auf die Umgebung des Standortes an, so zwar, dass selbst ausgedehntere Grünflächen inmitten stark verbauten Gebietes allenfalls noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft liegen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1994, 92/10/0391). Für die Beurteilung der Frage, ob eine geschlossene Ortschaft, die sich von der verbliebenen natürlichen Landschaft abhebt, vorliegt oder nicht, ist daher eine großflächige Betrachtungsweise geboten (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1981, 81/10/0040, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ob sich der fragliche Bereich in oder außerhalb des Bereiches von Ortstafeln befindet, ist ohne Belang (vgl. das Erkenntnis vom 1. Juni 1981, 81/10/0006, 0015). Werbeeinrichtungen, die außerhalb des letzten Gebäudes, das zu einer geschlossenen Ortschaft zählt, aufgestellt sind, liegen außerhalb der geschlossenen Ortschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG. Von diesem Grundsatz ist jedoch insofern eine Ausnahme denkbar, als eine Werbeeinrichtung an einem Gebäude selbst angebracht ist oder sich in einem derartigen räumlichen Naheverhältnis zu einem Gebäude befindet, dass die Werbeeinrichtung sozusagen nicht aus dem Schatten des Gebäudes hervortritt (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, 98/10/0058, u. a.).

Gemessen an diesem Begriff der "geschlossenen Ortschaft" kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Werbetafel der beschwerdeführenden Partei als außerhalb einer geschlossenen Ortschaft aufgestellt ansah.

Mit ihrem gegen die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz gerichteten Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass diese Stellungnahme nicht die einzige Sachverhaltsbasis für den angefochtenen Bescheid bildet. Dieser stützt sich vielmehr auch auf die im erstinstanzlichen Verfahren getroffenen Feststellungen. Die Stellungnahme des Amtssachverständigen baut auf diesen Feststellungen auf und bestätigt sie. Es stellt daher keinen Mangel dieser Stellungnahme dar, wenn sie nicht nochmals alle für die Beantwortung der Frage, ob sich die Werbetafel innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befindet, relevanten Umstände im Detail auflistet, da sich diese Umstände bereits aus den Feststellungen im erstinstanzlichen Verfahren ergeben.

Die Ermittlungsergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens waren in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiedergegeben. Die beschwerdeführende Partei hatte die Möglichkeit, in der Berufung alles vorzubringen, was gegen die Richtigkeit dieser Sachverhaltsermittlungen sprach. Ein allfälliger im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufener Mangel des Parteiengehörs war damit saniert (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 724, unter E 522 ff angeführte Rechtsprechung).

Dass weder der erstinstanzliche Bescheid noch die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz im einzelnen darlegen, auf welche Weise der relevante Sachverhalt ermittelt wurde, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Entscheidend ist, dass die genannten Unterlagen jene konkreten Angaben enthalten, die für die Beurteilung der Frage, ob die Werbetafel innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft sich befindet, erforderlich sind. Es wäre Sache der beschwerdeführenden Partei gewesen, diesen konkreten Angaben ebenso konkrete gegenteilige Behauptungen entgegenzustellen. Dies hat die beschwerdeführende Partei aber nicht getan. Sie hat sich damit begnügt, die Sachverhaltsfeststellungen im erstinstanzlichen Bescheid und in der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz als unrichtig zu bezeichnen, ohne diese Behauptung aber näher zu konkretisieren, was insbesondere bei Entfernungsangaben ohne Schwierigkeit möglich gewesen wäre. Die bloße Bestreitung der Richtigkeit der von den Behörden ermittelten Sachverhaltsgrundlagen reicht daher im vorliegenden Zusammenhang nicht aus, die Eignung dieser Sachverhaltsgrundlagen als Basis für den angefochtenen Bescheid in Frage zu stellen.

Dass der Amtssachverständige für Naturschutz in seiner Stellungnahme beantragt hat, die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen, begründet keine Befangenheit, ist diese Äußerung doch lediglich der Ausdruck dafür, dass der Amtssachverständige die von ihm überprüften Sachverhaltsgrundlagen des erstinstanzlichen Bescheides für richtig befunden hat.

Eine gesonderte Entscheidung über die von der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde gegen den Amtssachverständigen erhobenen Einwendungen sieht das AVG nicht vor.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. April 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Befangenheit von SachverständigenDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 geschlossene OrtschaftVerhältnis zu anderen Materien und Normen Befangenheit (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100411.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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