TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/26 W265 2213999-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §5
VOG §6a

Spruch

W265 2213999-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.01.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzensgeld und orthopädische Versorgung (Zahnersatz) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.10.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung und orthopädische Versorgung (Zahnersatz) nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Dabei gab sie an, am 18.09.2018 von einem unbekannten jungen Mann attackiert worden zu sein, welscher auf sie eingetreten und sie beschimpft habe. Die Beschwerdeführerin sei blind, deshalb gebe es keine Täterbeschreibung. Ihr sei ein Zahn abgebrochen, was die Beschwerdeführerin jedoch aufgrund ihrer Panik erst verspätet wahrgenommen habe. Weiters habe sie eine Prellung am linken Fuß und am linken Oberschenkel erlitten. Sie befinde sich noch nicht in psychotherapeutischer Behandlung, mit einem möglichen Therapiebeginn werde noch mehrere Wochen abgewartet. Dem Antrag schloss die Beschwerdeführerin eine Ambulanzkarte des Wilhelminenspitals vom 19.09.2018, einen Heilkostenplan eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vom 16.10.2018, Fotos der Verletzungen auf dem linken Bein und Fuß und ihre polizeiliche Zeugenvernehmung vom 19.09.2018 an.

Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Staatsanwaltschaft Wien mit Schreiben vom 22.11.2018 eine Aktenkopie zur angegebenen Strafsache. Demnach wurde das Verfahren wegen § 83 Strafgesetzbuch (StGB) gegen unbekannten Täter geführt und am 06.11.2018 gemäß § 197 Strafprozessordnung (StPO) abgebrochen. Laut dem im Akt einliegenden polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 20.09.2018 handle es sich bei der von der Beschwerdeführerin bei der Tat erlittenen Prellung des linken Fußes sowie des linken Oberschenkels um eine an sich leichte Körperverletzung von nicht mehr als 14-tägiger Dauer ohne Berufsunfähigkeit.

Mit Parteiengehör vom 11.12.2018 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betreffend den Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die belangte Behörde teilte darin mit, dass der Antrag abgewiesen werde, weil ein Anspruch auf Schmerzengeld nur für Straftaten bestehe, die eine schwere Körperverletzung verursacht haben, laut polizeiamtsärztlichem Befund und Gutachten vom 20.09.2018 sei die Prellung des linken Fußes und des linken Oberschenkels als leichte Körperverletzung qualifiziert, eine Zahnschädigung liege nicht vor.

Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld sowie orthopädische Versorgung (Zahnersatz) ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 6a VOG Pauschalentschädigung für Schmerzengeld für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von € 2.000 zu leisten sei. Gemäß § 5 VOG ist orthopädische Versorgung für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG zu leisten. Da der Vorfall vom 18.09.2018 keine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB und auch keine Zahnschädigung verursacht habe, sei das Ansuchen der Beschwerdeführerin abzuweisen. Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme abgegeben, weshalb vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden konnte. Anmerkend wurde festgehalten, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Heilfürsorge in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung nach Vorlage des Therapieberichtes zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin persönlich, am 25.01.2019 vor der belangten Behörde niederschriftlich aufgenommen, fristgerecht Beschwerde. Dabei gab sie an, im Zuge des Vorfalles am 18.09.2018 am Zahn verletzt worden zu sein. Sie habe eine Panikattacke erlitten und die Schmerzen im Fuß und Oberschenkel seien stark gewesen, weshalb sie vergessen habe, die Beschädigung des Zahnes zu melden. Nach dem Spitalsbesuch am 19.09.2018, sohin am 20.09.2018, habe sie bemerkt, dass im Mund etwas nicht stimme und etwas ausgebrochen sei. Sie habe keine Schmerzen im Mund gehabt. Wegen der Panikattacke habe sie das einfach nicht melden können. Die Beschwerdeführerin ersuche darum, dass ihre Anträge auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und orthopädische Versorgung (Zahnersatz) neuerlich geprüft und bewilligt werden. Sie legte keine neuen Beweismittel oder Befunde vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie beantragte am 23.10.2018 beim Sozialministeriumservice eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, die Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung und orthopädische Versorgung (Zahnersatz) nach dem Verbrechensopfergesetz.

Die blinde Beschwerdeführerin wurde am 18.09.2018 von einem unbekannten Mann beschimpft und gegen den linken Fuß und Oberschenkel getreten. Dabei stürzte sie nach hinten und bekam eine Panikattacke. Die Beschwerdeführerin erlitt durch die Tat eine Prellung des linken Fußes und eine Prellung des linken Oberschenkels.

Es kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin durch die Tat am 18.09.2018 ein Zahn abgebrochen ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin sowie zum Datum der Einbringung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Tathergang am 18.09.2018 basieren auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Akt der Staatsanwaltschaft Wien und dem darin befindlichen polizeilichen Akt. In dem polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 20.09.2018 wurden die laut vorgelegtem Ambulanzbefund des Wilhelminenspitals am 19.09.2018 diagnostizierte Prellung des linken Fußes und des linken Oberschenkels als an sich leichte Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung, ohne Berufsunfähigkeit und von nicht mehr als 14-tägiger Dauer eingestuft. Sowohl das polizeiliche Ermittlungsverfahren als auch das - mittlerweile abgebrochene - Verfahren der Staatsanwaltschaft wurden wegen § 83 StGB (leichte Körperverletzung) geführt. Die Beschwerdeführerin legte keine medizinischen Befunde vor, die geeignet wären, eine Beurteilung der erlittenen Verletzungen als schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB herbeizuführen bzw. zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Es liegen auch keine medizinischen Befunde vor, welche die von der Beschwerdeführerin angegebene Panikattacke als Folge des Übergriffs am 18.09.2018 belegen.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihr sei bei der Tat auch ein Zahn abgebrochen, was ihr aufgrund des Schocks jedoch erst zwei Tage später aufgefallen sei, so ist zunächst festzuhalten, dass es betreffend des abgeschlagenen bzw. abgebrochenen Zahnes ebenfalls keinen Befund im Akt gibt, der eine entsprechende Verletzung konkret belegt. Die Beschwerdeführerin machte keine Angaben, um welchen Zahn es sich dabei handeln solle, hielt jedoch sowohl bei Antragsstellung als auch bei Beschwerdeerhebung fest, dass es sich um lediglich einen Zahn handle. Demgegenüber handelt es sich bei dem von ihr vorgelegten Heilkostenplan eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vom 16.10.2018 um einen Kostenvoranschlag für eine geplante Kronenbehandlung der Zähne Nummer 11, 12, 13, 21 und 22. Die Indikation für die Zahnbehandlung der fünf Zähne ist aus dem Heilkostenplan nicht ersichtlich, ein kausaler Zusammenhang zum Vorfall vom 18.09.2018 lässt sich daraus somit nicht ableiten.

Gegen eine verbrechenskausale Zahnschädigung spricht der von der Beschwerdeführerin geschilderte Tathergang, wonach sie beschimpft und gegen ihren Fuß bzw. Oberschenkel getreten und daraufhin nach hinten gefallen sei. Die Beschwerdeführerin brachte weder vor, ins Gesicht geschlagen bzw. getreten worden zu sein, noch nach vorne auf ihr Gesicht gefallen zu sein. Im Befund des Wilhelminenspitals vom 19.09.2018 werden lediglich ein Hämatom im Bereich des linken Oberschenkels sowie im Bereich des Vorfußes diagnostiziert. Weiters wurde darin festgehalten, dass bei der Beschwerdeführerin "Kein Trauma auf dem Kopf, keine weiteren Schmerz- oder Verletzungsangaben" vorlagen. Ein abgebrochener Zahn fiel weder der Beschwerdeführerin selbst noch den behandelnden Ärzten im Krankenhaus auf. Laut Beschwerdevorbringen habe die Beschwerdeführerin erst am 20.09.2018 bemerkt, dass "im Mund etwas nicht stimmt und da etwas ausgebrochen ist." Schmerzen habe sie im Mund jedoch keine gehabt, sie habe es wegen der Panikattacke nicht melden können. Dem widersprechend wird im polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 20.09.2018 - somit an dem Tag, an dem der Beschwerdeführerin laut ihrer Angaben die Zahnverletzung bereits bewusst gewesen sei - ebenfalls weder eine Zahnschädigung noch eine Panikattacke oder sonstige psychische Beeinträchtigung festgehalten.

Es steht somit nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beschwerdeführerin durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten, rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung in Form einer Zahnschädigung erlitten hat und ihr dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Ebenso hat die Beschwerdeführerin durch die zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten, rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, nämlich den Angriff am 18.09.2018, keine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB erlitten, da es sich bei den Prellungen am linken Fuß und am linken Oberschenkel um eine leichte Körperverletzung gemäß § 83 StGB handelt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes lauten auszugsweise:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

(3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.

(4) Hatte die Handlung im Sinne des Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist. Die Kostenübernahme gemäß § 4 Abs. 5 erfolgt unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Unterhaltsentganges.

(5) Kindern ist Hilfe gemäß Abs. 4 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten. Darüber hinaus ist ihnen auch dann Hilfe zu leisten, wenn sie

1. wegen wissenschaftlicher oder sonstiger regelmäßiger Schul- oder Berufsausbildung sich noch nicht selbst erhalten können, bis zur ordnungsmäßigen Beendigung der Ausbildung, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, gebührt die Hilfe nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992, betreiben;

2. infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sofern das Gebrechen vor Vollendung des 18. Lebensjahres oder während des in Z 1 bezeichneten Zeitraumes eingetreten ist und solange dieser Zustand dauert.

(6) Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1

1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder

2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde.

(7) Hilfe ist ferner den nicht in den Abs. 1 und 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt zum Tatzeitpunkt durch einen erlittenen Menschenhandel bewirkt, ist Personen Hilfe solange zu leisten, als sie dafür über ein Aufenthaltsrecht für besonderen Schutz verfügen oder im Anschluss daran weiterhin aufenthaltsberechtigt sind und sie sich gewöhnlich im Inland aufhalten.

(8) Einer Körperverletzung und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des Abs. 1 stehen die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, insbesondere einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich, wenn die zur Beschädigung führende Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 begangen wurde. Der Ersatz und die Reparatur richten sich nach § 5 Abs. 2.

Hilfeleistungen

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

2. Heilfürsorge

a) ärztliche Hilfe,

b) Heilmittel,

c) Heilbehelfe,

d) Anstaltspflege,

e) Zahnbehandlung,

f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);

2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;

3. orthopädische Versorgung

a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,

b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,

c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

e) notwendige Reise- und Transportkosten;

4. medizinische Rehabilitation

a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,

b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,

c) notwendige Reise- und Transportkosten;

5. berufliche Rehabilitation

a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,

b) Ausbildung für einen neuen Beruf,

c) Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);

6. soziale Rehabilitation

a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,

b) Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);

7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;

8. Ersatz der Bestattungskosten;

9. einkommensabhängige Zusatzleistung;

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

...

Orthopädische Versorgung

§ 5 (1) Hilfe nach § 2 Z 3 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten orthopädische Versorgung bei jedem Körperschaden.

(2) Hilfe nach § 2 Z 3 lit. a bis d ist nach Maßgabe des § 32 Abs. 3 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, zu gewähren.

(3) Beschafft sich ein Opfer oder ein Hinterbliebener ein Körperersatzstück, ein orthopädisches oder anderes Hilfsmittel selbst, so sind ihm die Kosten zu ersetzen, die dem Bund erwachsen wären, wenn die orthopädische Versorgung auf Grund dieses Bundesgesetzes durch diesen erfolgt wäre.

(4) Die unvermeidlichen Reisekosten (§ 9e), die einem Opfer oder Hinterbliebenen beim Bezuge, der Wiederherstellung oder Erneuerung von Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln erwachsen, sind ihm nach Maßgabe des § 49 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, zu ersetzen.

...

Pauschalentschädigung für Schmerzengeld

§ 6a (1) Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.

(2) Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht.

..."

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Strafgesetzbuches (StGB) lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"Schwere Körperverletzung

§ 84 Abs. 1 StGB:

Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie wurde am 18.09.2018 von einem unbekannten Täter beschimpft und getreten und erlitt dadurch eine Prellung des linken Vorfußes und eine Prellung am linken Oberschenkel.

Gemäß § 1 Abs. 1 VOG liegen die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz damit vor.

Wie im polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 20.09.2018 festgehalten, handelt es sich bei der Prellung am linken Fuß und der Prellung am linken Oberschenkel jedoch nicht um eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB. Die Beschwerdeführerin ist - wie unter Punkt II.2. ausgeführt - dieser Beurteilung weder substantiiert noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und hat auch sonst keine Beweismittel vorgelegt, welche fundierte Anhaltspunkte enthalten, das Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises zu entkräften. Da die Beschwerdeführerin keine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB erlitten hat, war der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 6a VOG abzuweisen.

Es konnte auch nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin durch die mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung vom 18.09.2018 eine Zahnschädigung erlitten hat. Somit ist auch eine Leistung in Form von orthopädischer Versorgung für Zahnersatz gemäß § 5 VOG nicht möglich.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall wurde eine Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht für nicht erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt durch Aktenstudium des vorgelegten Fremdaktes, insbesondere auch der Beschwerde, zu klären war. Alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes notwendigen Unterlagen befanden sich im verwaltungsbehördlichen Fremdakt. Ansonsten waren im gegenständlichen Fall rechtliche Fragen zu klären. Damit liegt ein besonderer Grund vor, welcher auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt auch kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Körperverletzung, Schmerzengeld, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W265.2213999.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten