TE Vwgh Erkenntnis 2019/2/27 Ra 2018/05/0001

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82054 Baustoff Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauO OÖ 1994 §31;
BauRallg;
BauTG OÖ 2013 §40;
BauTG OÖ 2013 §41 Abs5;
VwGG §21 Abs1 Z3;
VwGG §22;
VwGG §48 Abs2 Z1 impl;
VwGG §58 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Dr. L E in L, vertreten durch die Rechtsanwälte Maxwald - Bauer - Kerschbaummayr in 4020 Linz, Museumstraße 6-8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Oktober 2017, Zl. LVwG-151203/13/MK/SB, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei:

HgmbH in L, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Elisabethstraße 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Landeshauptstadt Linz Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der Oberösterreichischen Landesregierung wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit Eingabe vom 29. Februar 2016 beantragte die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: Magistrat) die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Gesundheitszentrums als Dienstleistungs- bzw. Bürogebäude mit zwei Tiefgaragengeschossen und sechs oberirdischen Geschossen auf den Grundstücken Nr. 1631/1 und Nr. 1633/3 mit der Adresse H.-Straße 54-56, wobei u.a. die Errichtung eines Verbindungsganges über der H.-Straße zwischen dem geplanten sechsgeschossigen Baukörper und dem straßenseitig (zum Teil) gegenüberliegenden Krankenhaus B. projektiert ist.

2 Der Revisionswerber ist Eigentümer der zwei unmittelbar nördlich an das Grundstück Nr. 1633/3 angrenzenden Grundstücke Nr. 1643 und Nr. 1644 mit der Adresse H.-Straße 52. Ostseitig der Grundstücke Nr. 1631/1, Nr. 1633/3 und Nr. 1644 befindet sich die öffentliche Verkehrsfläche H.-Straße.

3 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Bauvorhaben in der Bauverhandlung am 14. November 2016 Einwendungen, die sich u. a. gegen den geplanten Übergang zwischen dem Krankenhaus B. und dem projektierten Gebäude richteten. Im nachgereichten Schriftsatz vom 25. November 2016 (mangels ordnungsgemäßer Ladung zur Bauverhandlung war dem Revisionswerber für die Erhebung von weiteren Einwendungen eine Frist bis zum 28. November 2016 eingeräumt worden) brachte der Revisionswerber in Bezug auf diesen Verbindungsgang über der H.-Straße (u.a.) vor, dass die geplante Verbindungsbrücke die Belichtung der östlichen Fassade seines Hauses und der Räumlichkeiten an dieser Fassade beeinträchtige, wodurch in unzulässiger Weise in die durch § 31 Abs. 4 Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 geschützten subjektivöffentlichen Nachbarrechte eingegriffen werde. Sein Haus sei bauordnungskonform entlang der inneren Gehsteigkante unmittelbar an das öffentliche Gut, nämlich die öffentliche Verkehrsfläche H.- Straße, angrenzend errichtet worden, und es sei die geschlossene Bauweise vorgesehen gewesen. Die Belichtung der straßenseitigen Fassade und der zur H.-Straße gelegenen Räumlichkeiten erfolge daher zwangsläufig über die öffentliche Verkehrsfläche H.-Straße. Diese Belichtung würde durch die geplante Brücke, die diese öffentliche Verkehrsfläche unmittelbar und noch dazu südlich seiner Liegenschaft quere, erheblich eingeschränkt. Die Unterkante der Brücke liege nach den Einreichplänen 12 m über Straßenniveau und deren Oberkante bei 15,65 m, sodass sie eine Höhe von 3,65 m habe. Der Abstand zwischen der Einbindung der Brücke in den geplanten Neubau betrage an der nähesten Stelle zu seiner Liegenschaft (nördliche Begrenzung der Brücke zur südöstlichen Ecke seines Grundstückes) nur 2,7 m.

4 Mit Bescheid des Magistrates vom 21. Dezember 2016 wurde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

5 Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: Stadtsenat) vom 25. Jänner 2017 als unbegründet abgewiesen.

6 Dazu führte der Stadtsenat (u.a.) aus, aus der Formulierung des § 41 Abs. 5 Oö. Bautechnikgesetz 2013 - Oö. BauTG 2013, insbesondere aus den in Z 1 und Z 2 normierten Tatbestandsvoraussetzungen ("... lichte Durchfahrtshöhe ..." und "... lichte Durchgangsbreite ..."), sei zu schließen, dass diese Bestimmung ausschließlich den Interessen des Verkehrs auf der öffentlichen Verkehrsfläche diene. Ein spezifischer Nachbarschutz sei daraus nicht ableitbar. Der für das gegenständliche Bauvorhaben geltende (näher bezeichnete) Bebauungsplan begrenze die zulässige Bebauung der H.-Straße durch eine unmittelbar an der Straßengrundgrenze verlaufende Straßenfluchtlinie, der zugleich auch die Funktion einer vorderen Baufluchtlinie zukomme. Einem seitlich an das Baugrundstück angrenzenden Nachbarn stehe grundsätzlich kein Recht auf Einhaltung von Abständen zu öffentlichen Verkehrsflächen zu. Die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie bzw. Straßenfluchtlinie könne nur ein dem Bauvorhaben gegenüberliegender Nachbar geltend machen, nicht jedoch ein seitlicher Nachbar. Da somit dem Revisionswerber als seitlichem Nachbarn jedenfalls kein Mitspracherecht auf die Einhaltung der Bestimmung des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 zukomme (sofern diese Bestimmung überhaupt als "Abstandsbestimmung" angesehen werden könne), sei der Stadtsenat nicht zu einer inhaltlichen Prüfung des betreffenden Nachbareinwandes befugt.

7 Wenn der Revisionswerber eine Widmungswidrigkeit darin erblicke, dass die beantragte Brücke über die H.-Straße dem "sonderwidmungspflichtigen" Krankenhaus B. diene, jedoch außerhalb des Bauplatzes des Krankenhauses geplant sei, so könne dieses Vorbringen nur so verstanden werden, dass der dem Krankenhaus zuzuordnende Verbindungsgang mit der "Kerngebietswidmung" des Baugrundstückes nicht zu vereinbaren sei. Widmungskategorien kämen als subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gewährleistende Normen allerdings nur insoweit in Betracht, als durch die bestimmte Widmungskategorie ein Immissionsschutz gewährt werde. Einem Nachbarn komme kein Mitspracherecht hinsichtlich der Einhaltung des ersten Satzes des § 22 Abs. 4 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 - Oö. ROG 1994 zu, und es bestehe lediglich hinsichtlich des zweiten Satzes des § 22 Abs. 4 leg. cit. ein subjektivöffentliches Nachbarrecht. Ein Krankenhaus sei unter die Begriffe "öffentlicher Bau" bzw. "Dienstleistungsbetrieb" subsumierbar und daher in der hier gegenständlichen Widmung "Kerngebiet" nach § 22 Abs. 4 erster Satz Oö. ROG 1994 jedenfalls zulässig, sodass eine Prüfung der Einhaltung des einen Immissionsschutz vermittelnden zweiten Satzes dieser Gesetzesbestimmung ausscheide. Angesichts dieser Rechtslage erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der in Rede stehende Verbindungsgang überhaupt in irgendeinem Zusammenhang mit dem Krankenhaus stehe. Zum abschließenden Berufungsvorbringen, dass dem Bauansuchen die Zustimmung der Baurechtsnehmerin fehle, genüge ein Hinweis darauf, dass das Fehlen der Zustimmung des Grundeigentümers (oder Baurechtsnehmers) keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn berühre.

8 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis (unter Spruchpunkt I.) die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine Revision für unzulässig erklärt.

9 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, die gegenständliche Verbindungsbrücke werde im 3. Obergeschoss des geplanten Gebäudes errichtet und verlaufe in nordöstlicher Richtung schräg über die öffentliche Verkehrsfläche H.-Straße. Die detaillierte Ausgestaltung der Verbindungsbrücke sei im entsprechenden Einreichplan dargestellt, insbesondere auch der Umstand, dass an der Außenseite der Verbindungsbrücke Lamellen angebracht würden, die die Einsicht in die Räumlichkeiten des Revisionswerbers verhinderten. Die Zustimmung für die Überbauung des öffentlichen Guts sei von der Stadt Linz erteilt worden. Aus der Projektbegutachtung des Bauvorhabens vom 24. Mai 2016 gehe hervor, dass durch das Bauvorhaben das Ortsbild nicht gestört werde. Für den gegenständlichen Bereich gelte der näher bezeichnete Bebauungsplan der Stadt Linz, wonach an der östlichen Grenze der verfahrensgegenständlichen Grundstücke Nr. 1631/1, Nr. 1633/3 und Nr. 1644 die Baufluchtlinie ident mit der Straßenfluchtlinie sei. Die zu bebauenden Grundstücke seien gemäß Flächenwidmungsplan Linz Nr. 4 als "Kerngebiet" gewidmet. Durch den Umstand, dass die Brücke seitlich zum Gebäude des Revisionswerbers situiert werde, sei der Lichteinfall für die Wohn- und Aufenthaltsräume auf der Liegenschaft des Revisionswerbers nicht geschmälert.

10 Die Beschwerde richte sich ausdrücklich nur gegen die Bewilligung der Verbindungsbrücke. Zur eingewendeten Widmungswidrigkeit des gesamten Neubaus sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handle, dessen Gegenstand lediglich die Beurteilung der Einreichpläne und sonstigen Projektunterlagen sei. Eine allenfalls vom Revisionswerber befürchtete Verwendungszweckänderung des Neubaus sei somit nicht Gegenstand dieses Verfahrens und könne zu keiner Versagung der Baubewilligung führen. Dem Nachbarn stehe hinsichtlich der bloßen Einhaltung der Kerngebietswidmung kein subjektiv-öffentliches Recht zu. Der Vorschrift des § 22 Abs. 4 zweiter Satz Oö. ROG 1994 komme Nachbarn schützende Wirkung im Sinne des § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 zu, nicht hingegen der Vorschrift des § 22 Abs. 4 erster Satz Oö. ROG 1994. Durch die Aufnahme des Wortes "sonstige" am Beginn des § 22 Abs. 4 zweiter Satz Oö. ROG 1994 werde darüber hinaus klargestellt, dass die im ersten Satz dieser Bestimmung genannten Bauten und Anlagen im Kerngebiet jedenfalls errichtet werden dürften. Gemäß § 23 Abs. 4 Z 1 Oö. ROG 1994 könne in bestimmten Fällen eine Sondergebietswidmung z.B. für eine Krankenanstalt vorgenommen werden, die Errichtung einer solchen Anlage setze aber eine solche Widmung nicht voraus. Das gegenständliche Projekt beinhalte ein Gesundheitszentrum, welches in die nach § 22 Abs. 4 erster Satz Oö. ROG 1994 genannten Gebäude und Anlagen einzuordnen sei, weshalb dem Revisionswerber kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Kerngebietswidmung zukomme und eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte in Bezug auf die aus dieser Widmung resultierenden Immissionen ausscheide. Darüber hinaus wäre wohl auch ein Krankenhaus in der Kerngebietswidmung zulässig und sei dieses nicht zwingend nur in der Sondergebietswidmung "Krankenanstalten" zu errichten. Dementsprechend erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der Einwendung, das gegenständliche Projekt sei Teil des Krankenhauses.

11 Die Bestimmung des § 41 Oö. BauTG 2013 sehe zulässige Ausnahmen von Abstandsbestimmungen vor, und § 41 Abs. 5 leg. cit. lasse in begründeten Fällen (und unter bestimmten Voraussetzungen) Überbauungen von öffentlichen Verkehrsflächen zu.

Ausnahmebestimmungen seien grundsätzlich restriktiv zu interpretieren. Daraus ergebe sich, dass einer Genehmigung einer Überbauung eine Einzelfallbeurteilung zugrunde liege und eine solche Genehmigung in begründeten Fällen zulässig sei. Dem Nachbarn stehe dabei das Recht zu, dass von diesen Ausnahmebestimmungen nur unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften Gebrauch gemacht werde, was sich aus der Zusammenschau des § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 sowie der §§ 40 und 41 Oö. BauTG 2013 ergebe. Es sei denkmöglich, dass ein Nachbar durch die Genehmigung einer Überbauung im Sinne des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 (im Hinblick auf den zu ihm einzuhaltenden Abstand und die damit zusammenhängenden Auswirkungen) in seinen Rechten beeinträchtigt werde, weshalb sein Recht darauf bestehe, dass von dieser "Ausnahme" nur in begründeten Fällen Gebrauch gemacht werde. Entgegen der Ansicht des Stadtsenates sei daher auf Grund der Nachbarbeschwerde darzulegen, weshalb im vorliegenden Fall eine Überbauung zulässig sei. Eine dahingehende Begründung bzw. Prüfung lasse das behördliche Bewilligungsverfahren vermissen.

12 Die Bestimmung des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 habe Überbauungen zum Inhalt, die nicht ausschließlich den Interessen des Verkehrs bzw. der Verkehrsteilnehmer dienten, weshalb hier eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen vorzunehmen sei. Die Bauwerberin habe im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - insbesondere in der mündlichen Verhandlung - dargelegt, weshalb die Verbindungsbrücke "begründet" sei. Einerseits sei mit der Hauptgarderobe argumentiert worden, welche im bereits bestehenden Krankenhausgebäude situiert sei und als Schmutzschleuse diene, andererseits seien im geplanten Gebäude Arztpraxen von im Krankenhaus arbeitenden Ärzten situiert. Zusätzlich solle diese Verbindungsbrücke Patienten dienen. Auch dieses Argument sei nachvollziehbar, weil im geplanten Gebäude ein Rehazentrum situiert sein werde und dieses Angebot im Krankenhaus stationär aufhältige Patienten in Anspruch nehmen könnten. Dieses Argument sei auch im Hinblick auf das Interesse des Verkehrs und der Verkehrsteilnehmer nachvollziehbar, verringere doch die Verbindungsbrücke den Fußgängerverkehr auf der H.-Straße. Weiters sei von der Bauwerberin dargelegt worden, dass die Variante mit einem unterirdischen Gang geprüft worden sei, diese jedoch auf Grund der in der Nähe befindlichen Strahlenbunker nicht umsetzbar sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes sei somit die Begründung für die gegenständliche Überbauung der öffentlichen Verkehrsfläche nachvollziehbar und ausreichend dargelegt worden.

13 Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass laut dem (oben genannten) Bebauungsplan die Baufluchtlinie mit der Straßenfluchtlinie der H.-Straße ident sei und dieser für die Gebäude eine geschlossene Bauweise vorsehe, weshalb gegenständlich durch den Bebauungsplan "andere" Abstände als im Oö. BauTG 2013 (welches nur subsidiär zum Bebauungsplan gelte), nämlich keine einzuhaltenden Abstände, normiert seien. § 40 Z 5 Oö. BauTG 2013 bestimme, dass zu den öffentlichen Verkehrsflächen der sich aus straßenrechtlichen Bestimmungen ergebende Abstand einzuhalten sei, sofern sich aus dem Bebauungsplan nicht anderes ergebe. Daraus sei ersichtlich, dass lediglich die Abstände zu öffentlichen Verkehrsflächen geregelt würden - "dh, welchen Abstand der Bf zur öffentlichen Verkehrsfläche mit seinem Bauwerk einhalten müsste, würde der Bebauungsplan nichts anderes - wie im gegenständlichen Fall und oben bereits ausgeführt - vorsehen, nämlich hier, dass seitens des Bf und der Bw keine Abstände zur öffentlichen Verkehrsfläche einzuhalten sind". Das Verwaltungsgericht erblicke daher keine durch Analogie zu schließende Lücke der bautechnischen Regelungen. Eine Verletzung der Abstandsvorschriften zu Lasten des Revisionswerbers liege daher nicht vor, weshalb durch die Anwendung der - begründeten - Ausnahme nicht in dessen Rechte eingegriffen werde.

14 Aus § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 könne nicht der Schluss gezogen werden, dass jegliche Veränderung der Belichtung auf den Nachbargrundstücken unzulässig sei oder der Nachbar ein subjektives Recht auf "Besonnung" habe. Diese Bestimmung treffe keine selbstständige Regelung hinsichtlich des Ausmaßes der Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstückes, sondern stelle auf materielle Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes ab. Der Nachbar habe weiters kein Recht auf Beibehaltung der Lebens- und Wohnqualität. Der Einwand des Revisionswerbers, dass sich die Belichtungsverhältnisse veränderten bzw. eine Beschattung vorliege, gehe damit ins Leere, weil nicht gegen Abstandsbestimmungen verstoßen werde. Ausdrücklich sei hier jedoch darauf hinzuweisen, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom bautechnischen Amtssachverständigen ausgeführt worden sei, dass der Lichteinfall für die Wohn- und Aufenthaltsräume auf der Liegenschaft durch die Errichtung der Verbindungsbrücke in der projektierten Weise nicht geschmälert werde. Auch hinsichtlich der Einsicht in die Räume des Revisionswerbers seien Maßnahmen projektiert, sodass die Räume des Revisionswerbers von den die Verbindungsbrücke nutzenden Menschen nicht eingesehen werden könnten.

15 Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass eine nachvollziehbare Begründung für die Errichtung des gegenständlichen Bauvorhabens vorliege und eine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen worden sei. Daraus ergebe sich, dass der Revisionswerber in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sei, zumal Abstandsbestimmungen nicht verletzt würden und sich damit sein Mitspracherecht erschöpfe. Zusätzlich sei durch einen bautechnischen Amtssachverständigen festgestellt worden, dass dessen Belichtungsverhältnisse nicht geschmälert würden.

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

17 Die Bauwerberin, der Stadtsenat und die Oberösterreichische Landesregierung erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die Revision erweist sich in Anbetracht der in der Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Überbauung von öffentlichen Verkehrsflächen unter dem Blickwinkel des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 und der Einhaltung von Abständen zu Nachbargrundstücken bei dieser Überbauung als zulässig. Ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

19 Die Revision bringt im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht die primär relevante Rechtsfrage, ob ein Gebäude über einer öffentlichen Verkehrsfläche innerhalb des Bauwichs errichtet werden dürfe, wenn Vorgaben über die einzuhaltende Abstände zu den Nachbargrundstücken fehlten, unrichtig gelöst habe. Das im angefochtenen Erkenntnis vorgetragene Argument, dass nach § 40 Z 5 Oö. BauTG 2013 der sich aus der straßenrechtlichen Bestimmung ergebende Abstand zu den öffentlichen Verkehrsflächen einzuhalten sei, sofern sich aus dem Bebauungsplan nichts anderes ergebe, gehe völlig am Thema vorbei. Es gehe nicht um den Abstand des Gebäudes auf der Liegenschaft H.- Straße 54-56 zur öffentlichen Verkehrsfläche H.-Straße und auch nicht um den Abstand des Gesundheitszentrums zur Liegenschaft des Revisionswerbers, sondern um den Abstand des über der öffentlichen Verkehrsfläche zu errichtenden Bauteils zur Liegenschaft des Revisionswerbers. Dieser Bauteil, die Brücke über die H.-Straße, komme deutlich innerhalb des Mindestabstandes nach § 40 Oö. BauTG 2013 zu liegen.

20 Die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass nach dem für die Häuser entlang der H.-Straße vorgesehenen Bebauungsplan die vordere Baufluchtlinie mit der Straßenfluchtlinie der H.- Straße ident und eine geschlossene Bauweise vorgesehen sei, weshalb durch den Bebauungsplan andere Abstände als im Oö. BauTG 2013 normiert seien, gehe am Kern des Problems vorbei. Diese Bestimmungen regelten die Bebauung auf den Bauplätzen H.- Straße 52, 54 bis 56 etc., nicht jedoch die Bebauung auf der H.- Straße selbst. Unstrittig sei, dass für die H.-Straße im hier relevanten Bereich kein Bebauungsplan existiere, was nicht verwundere, weil eine öffentliche Verkehrsfläche üblicherweise nicht be- oder überbaut werde. Damit sei jedoch zu dem Abstand, den ein dieser geschlossenen Häuserflucht vorgelagertes Gebäude, das ausnahmsweise über der öffentlichen Verkehrsfläche für private Zwecke errichtet werden dürfe, zur Nachbarliegenschaft einzuhalten habe, keine spezielle Aussage getroffen. Sollte man die Meinung vertreten, dass in diesem Fall ohnedies die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung zu kommen hätten, also dass § 40 Oö. BauTG 2013 auf diesen Gebäudeteil "direkt" anzuwenden sei, dann würden damit für den Verbindungsgang, der außerhalb des Bereiches liege, für den der Bebauungsplan die geschlossene Bauweise vorsehe, die "normalen" Abstandsbestimmungen des § 40 Oö. BauTG 2013 anzuwenden sein. Der Verbindungsgang müsste damit auf Grund seiner höhenmäßigen Ausgestaltung zumindest 5,22 m von der Liegenschaft des Revisionswerbers abrücken. Sollte man allerdings der Meinung sein, dass eine "direkte" Anwendung der Abstandsbestimmungen nicht möglich sei, hätte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine gesetzliche Lücke vorliege, und diese schließen müssen.

21 Das Verwaltungsgericht habe sich den Ausführungen des Amtssachverständigen DI P., dass für Bauten auf öffentlichen Verkehrsflächen keine Abstandsbestimmungen existierten, angeschlossen, jedoch zu Unrecht keine Lücke in den baurechtlichen Regelungen gesehen. Die Bebauung einer öffentlichen Verkehrsfläche für private Zwecke stelle einen Ausnahmefall dar. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er hätte bewusst für Bauten auf öffentlichen Verkehrsflächen, die privaten Zwecken dienten, auf Abstandsvorschriften gegenüber "normalen" Bauten verzichtet und dadurch bewusst ermöglicht, dass derartige Bauten in Unterschreitung der Mindestabstände knapp oder sogar unmittelbar an der Grenze des an die öffentliche Verkehrsfläche angrenzenden Baulandes errichtet werden dürften. Es sei kein sachlicher Grund zu sehen, weshalb Bauten auf öffentlichen Verkehrsflächen, die privaten Zwecken dienten, im Gegensatz zu Bauten auf für die Bebauung gewidmeten Grundflächen dann, wenn der Bebauungsplan keine einschlägige Regelung vorsehe, andere bzw. keine Abstände zu den Nachbargrenzen einhalten müssten als Bauten auf Grundflächen, die a priori zur Bebauung vorgesehen seien.

22 Daraus folge, dass - wenn die Abstandsvorschriften nicht ohnedies unmittelbar anzuwenden seien - eine planwidrige Unvollständigkeit der diesbezüglichen baurechtlichen Regelungen vorliege. Diese Lücke sei primär durch Analogie zu schließen, wobei die Vorschriften, die die von einem Bauwerber im Regelfall einzuhaltenden Abstände normierten, auf den vorliegenden Fall anzuwenden seien. Dies führe zum Ergebnis, dass der über der öffentlichen Verkehrsfläche projektierte Bauteil deutlich innerhalb des Bauwichs zu liegen komme und das Bauansuchen abzuweisen gewesen wäre.

23 Unabhängig davon sei die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, es liege mittlerweile eine ausreichende Begründung für die Bewilligung einer Ausnahme nach § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 vor, nicht korrekt. Der gegenständliche Neubau solle ein Gesundheitszentrum als Dienstleistungs- und Bürogebäude verwirklichen mit Rehabilitationsbereichen, Arztpraxen und sonstigen Büroflächen, einschließlich eines Verkaufs- und Restaurantbereichs. Ein Zusammenhang mit dem Krankenhaus bestehe aus funktioneller Sicht nicht. Es sei daher irrelevant, ob sich die Hauptgarderobe des Krankenhauses B. in diesem befinde und als Schmutzschleuse (auch für den Neubau) diene. Das neue Objekt sei nicht nur über das Krankenhaus, sondern vor allem über einen eigenen großen Eingang in der H.-Straße erreichbar. Es sei daher keinesfalls gesichert, dass Personen, die das neue Gebäude an der H.-Straße über dessen Eingang beträten, in weitere Folge nicht über den Verbindungsgang in das Krankenhaus gelangten. Das "Schmutzschleusen- und Garderobenargument" sei daher ein reines Scheinargument. Auch der Umstand, dass die im Krankenhaus arbeitenden Ärzte im geplanten Neubau Arztpraxen unterhielten, sei nicht ausreichend. Es würde dann der Verbindungsgang lediglich der Bequemlichkeit von Privatpersonen dienen, keinesfalls jedoch wegen des Betriebes des neu zu errichtenden Dienstleistungszentrums oder des Krankenhauses erforderlich sein.

24 Letztlich sei auch das Argument, dass die Brücke Patienten dienen würde, verfehlt. Diese würden im Krankenhaus und vor oder nach dem Krankenhausaufenthalt von niedergelassenen Ärzten, sollten diese auch zugleich im Krankenhaus beschäftigt sein, behandelt. Ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus und eine gleichzeitige Behandlung in der Privatordination wegen ein und derselben medizinischen Probleme schieden daher jedenfalls aus. Es sei kein Fall denkbar, in dem Patienten im Krankenhaus B. stationär aufgenommen würden und sich dann zur Behandlung in eine Privatordination begeben müssten. Im Neubau ordinierende Ärzte würden auch keinesfalls den Weg über das Krankenhaus wählen, sondern den direkten Weg von der H.-Straße ohne Umweg über das Krankenhaus. Eine Notversorgung von Patienten im Neubau durch Krankenhauspersonal wäre zudem rechtlich unzulässig.

25 Jeglicher Krankenhauszweck müsse als taugliche Begründung für die Ausnahmegenehmigung zur Überbauung öffentlicher Verkehrsflächen ausscheiden, weil ansonsten der Neubau nicht als Ärztedienstleistungszentrum zu beurteilen gewesen wäre, sondern als Teil eines Krankenhauses (inklusive völlig anders gelagerter Beeinträchtigungen für die Umgebung und Anrainerschaft als bei einem bloß tagsüber betriebenen Ärzte-, Büro- und Dienstleistungsbau). Nur letzterer sei im Kerngebiet zulässig, nicht jedoch ein (Teil eines) Aufnahmespital(s), wie es das Krankenhaus B. sei. Letztlich sei auch die Begründung, dass die Brücke dem Materialtransport diene, unverständlich. Dies würde bedeuten, dass für den Betrieb des Neubaus bestimmtes Material zuerst an das Krankenhaus B. und nicht über den Direktzugang zur öffentlichen Verkehrsfläche H.-Straße geliefert werden würde. Auch dies sei wenig stichhaltig. Es liege daher für den Übergang keine andere Begründung vor als die Bequemlichkeit einiger Ärzte, die nach Ende ihres Dienstes im Krankenhaus in ihre Privatordination wechseln wollten, ginge man - entgegen den Beteuerungen der Bauwerberin und den Angaben der Nutzung des Neubaus - nicht davon aus, dass dieser als Erweiterung der Bettenstation des Krankenhauses B. dienen solle. Sollte jedoch die Bequemlichkeit als Begründung genügen, wäre der Überbauung öffentlicher Verkehrsflächen immer dann kein Argument mehr entgegenzusetzen, wenn sich die Eigentümer zweier gegenüberliegender Liegenschaften auf den Bau einer Verbindungsbrücke verständigten.

26 Dazu ist Folgendes auszuführen:

27 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 23.5.2018, Ra 2016/05/0094, mwN).

28 § 31 Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66, in der hier maßgeblichen

Fassung LGBl. Nr. 34/2013 lautet auszugsweise:

"§ 31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen

Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die

Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

...

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft

gegen Immissionen dienen. ... Überdies kann der Schutz der

Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

..."

Die §§ 40 und 41 Oö. BauTG 2013, LGBl. Nr. 35, in der hier jeweils maßgeblichen Stammfassung, lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 40

Abstandsbestimmungen für Gebäude und Schutzdächer Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für

die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern:

1. Beim Neu- und Zubau von Gebäuden ist, sofern sich aus

den folgenden Ziffern nichts anderes ergibt, zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen ein Mindestabstand, gemessen von der fertigen Außenwand, von 3 m einzuhalten. Bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, muss der Abstand wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen.

...

5. Zu öffentlichen Verkehrsflächen ist der sich aus

straßenrechtlichen Abstandsbestimmungen ergebende Abstand einzuhalten.

..."

"§ 41

Ausnahmen von den Abstandsbestimmungen

...

     (5) In begründeten Fällen sind Überbauungen von öffentlichen

Verkehrsflächen durch bauliche Anlagen, auch wenn sie nicht

ausschließlich Interessen des Verkehrs, der

Verkehrsteilnehmerinnen oder der Verkehrsteilnehmer dienen (wie

Arkaden, Kuppeln und ähnliche Verbindungsbaulichkeiten), zulässig,

wenn

1.        bei den dem Verkehr dienenden Flächen eine lichte

Durchfahrtshöhe von mindestens 4,50 m und

2.        bei Gehsteigen eine lichte Durchgangshöhe von mindestens

2,50 m

     gewährleistet ist.

..."

29 Der Revisionswerber ist unstrittig Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994.

30 Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0059, mwN).

31 Die in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften sind jene des oberösterreichischen Baurechts und jene der für das Baugrundstück relevanten Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, sofern diese nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen (vgl. § 31 Abs. 4 erster Satz Oö. BauO 1994). Die Aufzählung in § 31 Abs. 4 zweiter Satz Oö. BauO 1994 (Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen) ist demonstrativ (vgl. "insbesondere" in § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994), weshalb es nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Bestimmungen des oberösterreichischen Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes den Interessen der Nachbarschaft dienen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 30.10.2018, Ra 2017/05/0239, mwN).

32 Da gemäß § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 (u.a.) die Bestimmungen über die Lage des Bauvorhabens sowie die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen, stellen die Regelungen des § 40 Oö. BauTG 2013, die Abstandsbestimmungen über die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, enthalten, solche "auch im Interesse der Nachbarschaft liegenden" Regelungen im oben genannten Sinn dar.

33 Der oben genannte Bebauungsplan - oder ein anderer Bebauungsplan - legt hinsichtlich einer Überbauung von öffentlichen Verkehrsflächen durch bauliche Anlagen im Bereich der H.-Straße nichts fest, wovon auch der Revisionswerber in seinem Revisionsvorbringen ausgeht.

34 Bei der Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens unter dem Blickwinkel des § 40 Oö. BauTG 2013 - so vor allem des § 40 Z 1 leg. cit., wonach beim Neu- und Zubau von Gebäuden bzw. Gebäudeteilen die in dieser Bestimmung angeführten Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen einzuhalten sind - ist auch auf § 41 leg. cit., der eine Ausnahmeregelung zu den in § 40 leg. cit. normierten Abstandsbestimmungen darstellt, Bedacht zu nehmen.

35 § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 enthält die Ausnahmeregelung, dass "in begründeten Fällen" Überbauungen von öffentlichen Verkehrsflächen durch bauliche Anlagen (z.B. durch Verbindungsbaulichkeiten), auch wenn sie nicht ausschließlich Interessen des Verkehrs bzw. der Verkehrsteilnehmer dienen, zulässig sind, wenn die in dieser Gesetzesbestimmung näher bezeichneten Durchfahrtshöhe bzw. Durchgangshöhe gewährleistet sind. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen - so etwa die Einhaltung von bestimmten Mindestabständen der Überbauung zu den umliegenden Liegenschaften und Bauwerken - sind in dieser Ausnahmebestimmung nicht normiert.

36 Nachbarn können die Verletzung in einem ihnen durch baurechtliche Vorschriften gewährten subjektiv-öffentlichen Recht durch das Bauvorhaben mit Erfolg geltend machen, wenn die Baubewilligung für dieses Vorhaben auf Grund einer Ausnahmebestimmung erteilt wurde, ohne dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung dieser Ausnahme erfüllt waren. Im Hinblick darauf hat somit ein Nachbar - wie im vorliegenden Fall der Revisionswerber - einen Rechtsanspruch in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme nach § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013, sofern die unter Zugrundelegung dieser Gesetzesbestimmung erteilte Ausnahmebewilligung für das Bauvorhaben - etwa auf Grund der Lage der baulichen Anlage - in seinen Schutzbereich eingreifen kann. Einem solchen Nachbarn kommt somit ein Mitspracherecht in Bezug auf die Frage der Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Ausnahme zu (vgl. zum Ganzen etwa Hauer, Der Nachbar im Baurecht6 414 f; ferner etwa das zur Bauordnung für Wien ergangene, für die vorliegende Konstellation insoweit vergleichbare Erkenntnis VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0054, mwN).

37 Die Materialien zu § 41 Oö. BauTG 2013 in der Stammfassung (846/2013 BlgLT 27. GP 17) führen zu dieser Gesetzesbestimmung (u.a.) Folgendes aus:

"Zu § 41:

Diese Gesetzesstelle übernimmt das Grundkonzept des § 6 Oö. Bautechnikgesetz betreffend Ausnahmen von den Abstandsbestimmungen. ...

..."

38 In den Materialien zu § 6 Abs. 5 Oö. Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 67/1994, (435/1994 BlgLT 24. GP 9) - bei dieser Gesetzesbestimmung handelt es sich um die mit Inkrafttreten des Oö. BauTG 2013 am 1. Juli 2013 außer Kraft getretene, textgleiche Vorgängerbestimmung zu § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 - heißt es insoweit lediglich:

"Durch Abs. 5 soll klargestellt werden, daß unter den dort genannten Voraussetzungen öffentliche Verkehrsflächen mit bestimmten baulichen Anlagen im Einzelfall überbaut werden dürfen. Sonderregelungen gelten jedoch für öffentliche Gewässer (Abs. 7)."

39 Wie sich aus dem Wortlaut des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 ("In begründeten Fällen ...") im Zusammenhalt mit den Materialien zu dieser Bestimmung ergibt, bedarf die Bewilligung einer im Einzelfall zulässigen Überbauung nach dieser Gesetzesbestimmung einer entsprechenden Begründung, wobei diese Beurteilung eine Einzelfallbeurteilung darstellt.

40 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der von ihm getroffenen Beurteilung nach § 41 Abs. 5 leg. cit. zu Recht eine Interessenabwägung vorgenommen. Dabei hat es u.a. die Auffassung vertreten und als wesentlich berücksichtigt, dass sich der Fußgängerverkehr auf der H.-Straße durch die projektierte Verbindungsbrücke verringere, die Variante einer Verbindung der gegenüberliegenden Gebäude durch einen unterirdischen Gang nicht umsetzbar sei und der Lichteinfall für die Wohn- und Aufenthaltsräume auf der Liegenschaft des Revisionswerbers durch die Errichtung der Verbindungsbrücke in der projektierten Weise nicht geschmälert werde, wobei es sich bei seinen Feststellungen zum Lichteinfall auf die Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen (DI P.) im Beschwerdeverfahren stützte. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2017 (u.a.) unter Hinweis auf die Möglichkeit der Verschwenkung des Lichteinfallswinkels bis zu 30 Grad ausgeführt, dass der Lichteinfall für die Wohn- und Aufenthaltsräume des Revisionswerbers durch den Umstand, dass die Brücke seitlich zu dessen Gebäude situiert werde, nicht geschmälert werde.

41 Die Revision behauptet nicht, dass der Revisionswerber dieser gutachterlichen Beurteilung des Lichteinfalls auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei, und zeigt nicht auf, dass die gutachterlichen Schlussfolgerungen mit den Gesetzen der Logik oder Erfahrung unvereinbar seien oder die diesbezügliche Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes in sonstiger Weise nicht schlüssig sei. Ferner bestreitet die Revision auch nicht in nachvollziehbarer Weise die Feststellung, dass durch die projektierte Verbindungsbrücke der Fußgängerverkehr auf der H.- Straße verringert werde.

42 Im Hinblick darauf kann die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass ein "begründeter Fall" für die Überbauung der öffentlichen Verkehrsfläche im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 41 Abs. 5 Oö. BauTG 2013 gegeben und die projektierte Überbauung daher nach dieser Gesetzesbestimmung zulässig sei, nicht als rechtswidrig beurteilt werden.

43 Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ist auch nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Zusammenhang im Anwendungsbereich des § 40 Oö. BauTG 2013 in Verbindung mit § 41 Abs. 5 leg. cit. eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke vorliege. Die Zulässigkeit einer solchen Analogie setzt das Bestehen einer echten, d.h. planwidrigen, Rechtslücke voraus. Eine solche ist dort anzunehmen, wo das Gesetz - gemessen an der eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo die Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende echte Lücke ist nur dann gegeben, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn es in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf den - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 4.5.2017, Ro 2014/08/0060, mwN).

44 Dass nach der Absicht des Baurechtsgesetzgebers öffentliche Verkehrsflächen mit bestimmten baulichen Anlagen im Einzelfall überbaut werden dürfen und in diesem Fall die in § 40 Oö Bau TG 2013 normierten Mindestabstände nicht eingehalten werden müssen, geht aus dem klaren Wortlaut des § 41 Abs. 5 leg. cit. und den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien zu dessen (textgleichen) Vorgängerbestimmung eindeutig hervor.

45 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

46 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Kostenbegehren der Oberösterreichischen Landesregierung war abzuweisen, weil gemäß § 58 Abs. 1 VwGG jede Partei, soweit die §§ 47 bis 56 leg. cit. nicht anderes bestimmen, den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat und diese Bestimmungen einen Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden war, in Bezug auf eine Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 leg. cit. nicht vorsehen (vgl. etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2016/05/0027, mwN).

Wien, am 27. Februar 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050001.L00

Im RIS seit

28.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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