TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/30 95/21/0831

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.1999
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des DCT (geboren am 25. Februar 1970), vertreten durch

Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Mai 1995, Zl. St - 156/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet insofern nicht statt.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Rumänien richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 iVm §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters stellte die belangte Behörde gemäß § 54 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Rumänien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Rumänien sei somit zulässig (Spruchpunkt II.).

Zur Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer im April 1995 versucht habe, von Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, von deutschen Polizeiorganen jedoch nach Österreich zurückgeschoben worden sei. Er sei nicht im Besitz eines Sichtvermerkes und halte sich nicht rechtmäßig in Österreich auf; an Barmitteln verfüge er lediglich über S 750,--. Gegen ihn sei daher ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, durch welches nicht in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Mit einer bloßen Ausweisung könne nicht das Auslangen gefunden werden, weil der Beschwerdeführer durch seinen zweimaligen Versuch, in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen, gezeigt habe, dass er nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten.

Zum Ausspruch gemäß § 54 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seiner Desertion (aus der rumänischen Armee) durch keinerlei Dokumente belegt seien. Sollten diese Angaben jedoch der Richtigkeit entsprechen, so könne eine dem Beschwerdeführer deswegen drohende Bestrafung keinesfalls als Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gewertet werden, weil der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, dass er aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten eine strengere Bestrafung als andere Personen zu erwarten hätte. Strafen wegen Desertion seien auch in fast allen westlichen Ländern der Welt vorgesehen, weshalb man diesbezüglich nicht von unmenschlicher Strafe oder Behandlung sprechen könne. Auch eine eventuelle Todesstrafe habe der Beschwerdeführer selbst nicht erwähnt. Was die von ihm behaupteten Misshandlungen von Sicherheitsorganen der Republik Rumänien im Jahr 1990 anlange, so habe sich zwischenzeitig die politische Situation in Rumänien grundlegend geändert. Staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Personen wegen ihrer Angehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe fänden derzeit nicht statt bzw. würden von den staatlichen Organen nicht geduldet und entsprechend verfolgt. Auch die Misshandlungen des Beschwerdeführers im Kinderheim stellten keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG dar, zumal es sich hier nicht um Übergriffe seitens des Staates handle, sondern um solche seitens Privatpersonen, deren Handeln staatlichen Organen nicht zugerechnet werden könne. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer anlässlich seiner Abschiebung (aus Deutschland) nach Rumänien am 23. März 1995 mit den dortigen Behörden keinerlei Probleme gehabt, obwohl er sich doch zwangsläufig am Flughafen in Bukarest der Persons- und Sicherheitskontrolle habe stellen müssen. Auch sei ihm anstandslos sein Reisepass ausgefolgt worden und habe er ungehindert das Flughafengebäude verlassen können. (Nach Ausweis der Verwaltungsakten ist der Beschwerdeführer sodann am 30. März 1995 nach Österreich eingereist.) Seine Erklärung, wonach die dort Dienst versehenden Beamten nicht über seine Person Bescheid gewusst hätten, vermöge nicht zu überzeugen, zumal auch in seinem Heimatstaat die Sicherheitsorgane über ein entsprechendes Kommunikationssystem verfügten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.

§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

...

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der eben genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

§ 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

Damit wurde der Behörde - anders als nach § 18 Abs. 1 FrG - Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer hatte in dem zur Erlassung des von ihm angefochtenen Aufenthaltsverbotes führenden Verfahren keine Möglichkeit, erst im Rahmen der nunmehrigen Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 relevante, gegen dessen Erlassung sprechende Umstände aufzuzeigen. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden.

Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 genannten Fälle und zum Ganzen den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Somit kann nicht gesagt werden, dass der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er in diesem Umfang gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Somit war die Beschwerde insoweit gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 - ohne Zuspruch von Aufwandersatz - als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Hingewiesen wird darauf, dass mit dem vorliegenden Beschluss gemäß § 114 Abs. 7 erster Satz, zweiter Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 insoweit auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft tritt.

Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0229) hinzuweisen, wonach vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist, und von der Behörde - ebenso wie im Asylverfahren - auch im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen ist.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid insofern deswegen für rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde bezüglich der Frage der Zulässigkeit seiner Abschiebung nicht mit der faktischen Situation in Rumänien auseinander gesetzt, sondern bloß festgestellt habe, dass sich die Situation in Rumänien geändert hätte. Diesbezüglich werde nicht begründet, wie sie zu dieser Feststellung gelangt sei.

Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A, stellt die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, ebenso eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes oder wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung. Die Furcht, wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung bestraft zu werden, kann nur dann asylrechtlich - und somit iSd § 37 Abs. 2 FrG - relevant sein, wenn Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass die Einberufung oder die unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt sei oder dass dem Beschwerdeführer aus solchen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion drohe als anderen Staatsangehörigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 95/21/0972, und vom 5. März 1999, Zl. 95/21/1171).

Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass die ihm in Rumänien wegen Desertion drohende Bestrafung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe strenger als für Angehörige anderer Gruppen sei oder dass es sich hiebei um eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe handle. Von daher ist die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer infolge seiner behaupteten Desertion nicht im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht oder gefährdet sei, unbedenklich.

Auch hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, sein Vater sei Deutschrumäne und aus diesem Grund sei auch er selbst verfolgt worden, und er habe im Jahr 1990 versucht, Unterlagen von den rumänischen Behörden über seine deutsche Herkunft zu erhalten und sei deswegen von der Polizei geschlagen worden, ist die Beschwerde im Ergebnis nicht berechtigt. Diese Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren sind nämlich so wenig konkret, dass sie keinen Schluss auf eine ausreichend intensive und ausreichend wahrscheinliche Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG in Rumänien zuließen. Von daher kann dahinstehen, ob die - einer nachvollziehbaren Begründung entbehrende - Ansicht der belangten Behörde, dass sich zwischenzeitig die politische Situation in der Republik Rumänien grundlegend geändert habe und dass staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Personen wegen ihrer Angehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe derzeit nicht stattfänden, zutrifft.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995210831.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten