TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/7 W119 1407794-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2019
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Entscheidungsdatum

07.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §10
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W119 1407794-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: China, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zl. 488233809-14798606/BMI-BFA_WIEN_AST_01, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 68 Abs 1 AVG idgF als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III, IV, V., VI und VIII des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 und 46 sowie § 53 Abs 1 iVm Abs 2, § 55 Abs 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.04.2009 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass er wegen der zu geringen Entschädigung für sein abgerissenes Haus mehrere Beamte beim Einbringen einer Beschwerde verletzt habe und geflüchtet sei, um einer Festnahme zu entgehen.

Der Beschwerdeführer wurde am 25.06.2009 beim Bundesasylamt niederschriftlich eivernommen. Dabei gab er an, dass die Regierung sein Haus hätte enteignen wollen und ihm zu wenig Entschädigung angeboten hätte. Deswegen hätte er Kontakt mit der Behörde gesucht, es sei ein Konflikt entstanden und er hätte einen Beamten unabsichtlich auf die Seite gestoßen und diesen verletzt. Da ihn die Polizei nunmehr suchen würde, sei er geflüchtet. Als er zwei oder drei Tage nach dem Vorfall mit dem Beamten von Polizisten auf der Straße erkannt worden sei, sei es ebenfalls zu einem Gerangel gekommen und er hätte erneut unabsichtlich einen Polizisten zur Seite gestoßen und diesen am Kopf verletzt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2009, Zl 09 04.736-BAW, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat VR China ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die VR China ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Zu Spruchpunkt I führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer die Darstellung seiner Fluchtgründe auf das Aufstellen von bloß abstrakten Behauptungen beschränkt und zudem auch widersprüchliche Angaben innerhalb seines Vorbringens getätigt habe. Der Beschwerdeführer sei auch nicht in der Lage gewesen konkrete und widerspruchsfreie Angaben zu der angeblichen Enteignung seines Wohnhauses zu machen. Überdies hätten auch fundierte Auskünfte zum Enteignungsverfahren gefehlt. Zudem habe er bei seiner Einvernahme angeführt, gemeinsam mit "anderen" Personen bei der Behörde eine Beschwerde eingebracht zu haben, um an anderer Stelle derselben Einvernahme anzuführen, dass er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen eine solche Beschwerde eingebracht habe.

Im Spruchpunkt II wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer in der VR China nach wie vor über familiäre und soziale Beziehungen verfüge und er auch an keinen Krankheiten leide.

Im Spruchpunkt III wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer erst seit April 2009 in Österreich lebe und er hier weder ein Familienleben noch soziale Kontakte habe, sodass nicht von einer Verletzung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung auszugehen sei.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.09.2009, Zl. C2 407794-1/2009/2E, gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 abgewiesen.

Begründung wurde ausgeführt, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft bzw. nicht ersichtlich sei. Ferner drohe dem gesunden Beschwerdeführer keine Verletzung nach Art. 3 EMRK und es herrsche im Herkunftsstaat kein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Situation. Da sich der Beschwerdeführer als Asylwerber lediglich vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten habe dürfen, wodurch regelmäßig kein schützenswertes Privatleben begründet werde, sei im vorliegenden Fall nicht von einer Verletzung des Rechts auf Familien- oder Privatleben auszugehen.

Am 15.07.2014 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Polizeiinspektion XXXX im Zuge einer Lokalkontrolle bei Renovierungsarbeiten betreten und gemäß § 34 Abs. 3 Z 2 BFA-VG festgenommen, worauf er am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.07.2014 gab der Beschwerdeführer an, in der VR China verheiratet zu sein und den zweiten Antrag deshalb gestellt zu haben, weil er in Österreich leben wolle und keine neuen Fluchtgründe habe.

Im Rahmen seiner Einvernahme am 16.07.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) gab der Beschwerdeführer an, aus einem Dorf in der Provinz XXXX in der Nähe der Stadt XXXX zu stammen. Seine Eltern seien bereits verstorben. In Österreich sei er immer wieder mit Gelegenheitsarbeiten als Hilfsarbeiter auf Baustellen tätig. Sein monatliches Einkommen betrage etwa 1.000.- Euro. Er sei von verschiedenen Menschen in Österreich auf diese Weise beschäftigt worden. Er habe keine fixe Unterkunft und schlafe auf den Baustellen, bei denen er arbeite. Familienangehörige oder Verwandte habe er in Österreich nicht. Er sei in China verheiratet und habe in Österreich eine Freundin namens XXXX . Er habe keinen Kontakt zu seiner Ehefrau und wisse nicht, wo sie sich nach dem Abriss des Hauses aufhalte. Er habe auch einen 18-jährigen Sohn. Sonst pflege er in Österreich Kontakte zu chinesischen Landsleuten, welche er hier kennengelernt habe. Seine Freundin sehe er ganz selten, lediglich ein bis zwei Mal monatlich. Er wisse nicht, ob der ihm bekannte Name richtig sei, er schätze sie auf 30 bis 40 Jahre. Bis auf eine Untersuchung an einem Bein habe er bisher keine besonderen medizinischen Probleme gehabt. Bei Bedarf nehme er Schmerztabletten.

Er werde im Herkunftsstaat gesucht, weil er den für die Zwangsübersiedelung zuständigen Beamten im Zuge eines Streits verletzt habe. Dieser habe am Kopf geblutet.

Auf seinem Mobiltelefon langte während der Einvernahme ein Anruf von Frau XXXX ein, zu dem er angab, dass dies seine Freundin sei. Diese habe ebenfalls keine fixe Wohnung und schlafe am ihrem Arbeitsplatz.

Zum Vorhalt der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 Z 7 wegen "Schwarzarbeit" brachte er vor, dass er nicht nach Hause zurückkehren könne, weil die Leute sich sicher rächen würden und sie ihn bereits vor seiner Ausreise gesucht hätten. Er wisse nicht, was ihm in China drohe. Zwei von ihm mitgeführte Rabattkarten waren auf den Namen XXXX ausgestellt, wozu er vorbrachte, dass diese einem Freund gehören würden. Weiters habe er die Schlüssel der Wohnung eines Freundes in Wien bei sich, bei dem er übernachte, wenn er keine Arbeit finde. Er könne deren Anschrift nicht nennen könne.

Im Zuge seiner Einvernahme beim Bundesamt am 26.01.2016 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er wegen einer Veränderung am rechten Fuß in einem Monat operiert werde, er aber ansonsten gesund sei und keine Medikamente nehmen müsse. Er wiederholte seine Angaben zu seinen Personalien und gab weiters an, in China fünf Jahre die Grundschule in seiner Heimatgemeinde besucht zu haben. Einen Beruf habe er nicht erlernt. Auf die Frage, ob sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz die Gefahrenlage in der VR China verändert habe, brachte er vor, nun eine Freundin in einem anderen Bundesland zu haben. Sie würden einander ab und zu treffen. Mittlerweile habe er sich an das Leben in Österreich gewöhnt und er würde gerne weiter hierbleiben. Zu seinen in China aufhältigen Angehörigen (Ehefrau und Sohn) habe er selten telefonischen Kontakt. Einen Reisepass habe er nie besessen. Der Namen seiner Freundin laute XXXX , sie sei ca. XXXX Jahre alt und vermutlich Asylwerberin. Seit circa einem Jahr bestehe die Beziehung. Sie habe keine fixe Unterkunft und sie wohne dort, wo sie arbeite. Im Moment befinde sie sich in einem anderen Bundesland, er habe telefonischen Kontakt zu ihr. Sie arbeite als Putzfrau oder Babysitterin, genau wisse er es nicht. Circa einmal im Monat würden sie Zeit gemeinsam verbringen und spazieren gehen. Er habe Österreich seit der Entscheidung über seinen ersten Asylantrag nicht verlassen. Er habe nie eine fixe Unterkunft besessen und wohne immer bei Landsleuten. Er legte eine Meldebestätigung vor. Weiteres gab er an, nicht Deutsch zu sprechen. Er verrichte Gelegenheitsjobs bei Landsleuten, womit er seinen Lebensunterhalt bestreite. Er habe noch nie Leistungen vom Staat erhalten. Er habe auch niemals einen Aufenthaltstitel in Österreich außerhalb des Asylverfahrens besessen. Er habe in Österreich nur chinesische Bekannte, jedoch keine Freunde. Im Fall seiner Rückkehr könnte er Probleme wegen des verletzten Beamten bekommen.

Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den ihm vorgelegten Länderfeststellungen.

Der Beschwerdeführer befand sich vom 16.07.2014 bis 25.07.2014 in der Grundversorgung und wird nunmehr seit 18.11.2014 weiterhin dort betreut.

Im Zuge einer weiteren Einvernahme am 16.10.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, gesund zu sein. Außer der weißen Verfahrenskarte besitze er keine Dokumente. Er sei in China verheiratet und habe einen Sohn. Er kenne deren Adresse nicht. Insgesamt habe er 5 Jahre die Grundschule und zwei Jahre die Hauptschule besucht und zuletzt als Bauarbeiter gearbeitet, wodurch er in der Lage gewesen sei, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten. Aktuell sei er regelmäßig in medizinischer Behandlung. 2016 sei ein Metallgerüst bei Renovierungsarbeiten auf ihn gefallen und er sei an seiner Hüfte bzw. in der Nierengegend verletzt worden. Er nehme keine Medikamente, befinde sich aber regelmäßig in ärztlicher Kontrolle. Er habe nur Schmerztabletten vom Hausarzt bekommen. Dort werde er wegen seines Husten und wegen der erlittenen Verletzung behandelt.

Weiters führte er aus, dass sich die Gefährdungssituation in China seit der Entscheidung des Asylgerichtshofes nicht verändert habe. Es sei unverändert, er habe keinen Kontakt nach China. Er habe erneut Asyl beantragt, um in Österreich existieren zu können. Er habe sich im Herkunftsstaat weder politisch noch religiös betätigt und sei auch nicht wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit im Herkunftsstaat verfolgt worden oder hätte deswegen Probleme zu befürchten. Über seine Fluchtgründe, die Enteignung seines Hauses, wolle er nicht reden.

Bisher habe er keinen Deutschkurs besucht. Er wolle hier nicht mehr illegal arbeiten. Er übe Gelegenheitsjobs aus, arbeite bei Landsleuten als Hilfskoch bzw. Gemüseschneider und erhalte Geld nach Stunde und Bedarf. Pro Tag arbeite er etwa ein bis zwei Stunden. Er habe China auf Grund der wirtschaftlichen Situation verlassen, um in Europa zu arbeiten. In Italien habe er Cousins und Cousinen, jedoch keinen Kontakt zu ihnen. Er lebe derzeit alleine, er habe eine längere Zeit eine Freundin gehabt. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch die Grundversorgung und illegale Arbeit. Er habe keine Integrationsschritte gemacht und sei in keinem Verein Mitglied. Er arbeite und gehe spazieren. Er würde gerne legal arbeiten. Er könne nicht lesen und verfolge die Medien selten. Es bestünden auch keine besonderen Abhängigkeiten in Österreich. Er sei in Österreich bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden, arbeite aber noch immer illegal. Auf die Frage, warum er nach der Rechtskraft seines (ersten) Asylverfahrens nicht ausgereist, sondern stattdessen ohne Meldung im Bundesgebiet geblieben sei, gab er an, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gegeben habe. Er habe im Herkunftsland keine Strafrechtsdelikte begangen und es sei gegen ihn auch kein Gerichtsverfahren anhängig. Er persönlich sei beim Abriss seines Hauses nicht bedroht worden. An einer freiwilligen Rückkehr nach China sei er nicht interessiert.

Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Einsichtnahme in die Länderfeststellungen zu China und gab diesbezüglich auch keine Stellungnahme ab.

Nach dem beigebrachten ärztlichen Befund besteht beim Beschwerdeführer "St.p. Nikotinabusus, Gastro-ösophagischer Reflux, persistierender Husten". Am 14.10.2016 stürzte ein Gerüstteil im Lendenbereich auf den Beschwerdeführer (Diagnose: Fract. Compressa LIV, Fract. Proc. Transv. LII - LIV dext."), weswegen der Beschwerdeführer am 25.10.2016 aus dem Krankenhaus mit Schmerzmedikamenten und einem Mieder entlassen wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.10.2018, Zl. 488233809-14798606/BMI-BFA_WIEN_AST_01, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 idgF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt V.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 4, 5 und 6 BFA-VG idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VIII.).

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine neuen Gründe für den Asylantrag geltend gemacht habe, sondern hierbleiben und arbeiten wolle. Er habe auch nicht vorgebracht, an einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden, sodass eine Änderung seines Gesundheitszustandes seit der vorangehenden rechtskräftigen Entscheidung keinen geänderten Sachverhalt darstelle, zumal er nach wie vor arbeitsfähig sei. Er habe den vorliegenden Asylantrag gestellt, um nicht in Schubhaft genommen zu werden, weil er davor bei einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei und er nicht rechtmäßig (im Bundesgebiet) aufhältig gewesen sei. Da der Beschwerdeführer bei einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei, lägen die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs.2 Z 7 FPG vor. Der Beschwerdeführer habe zudem angegeben, dass er aktuell und regelmäßig einer illegalen Beschäftigung nachgehe. Weiters sei er nach dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens untergetaucht, um sich weiteren Maßnahmen der Behörde zu entziehen. Er sei vom 16.06.2010 bis zum 20.02.2012 behördlich nicht gemeldet gewesen, wodurch er sich dem Verfahren bewusst entzogen habe. Auch sei seinen Sozialversicherungsdaten zu entnehmen, dass er vom dem 19.05.2009 bis zum 15.07.2014 dort nicht aufscheine. Den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt vermöge er nicht nachzuweisen, wodurch auch § 53 Abs.2 Z 6 FPG erfüllt sei. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet stelle somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und es sei davon auszugehen, dass er nach der negativen Entscheidung neuerlich untertauchen und seinen illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzen werde.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I ausgeführt, dass es sich um eine entschiedene Sache nach § 68 Abs. 1 AVG handle, weil der Beschwerdeführer keine neuen asylrelevanten Fluchtgründe angegeben habe und seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag keine neuen Tatsachen entstanden seien, welche für die Erteilung von internationalem Schutz oder subsidiärem Schutz sprechen würden. Da sich weder in der maßgeblichen Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung ergeben habe, stehe die Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 23.09.2009, Zl. C2 407794-1/2009/2E, über seinen ersten Antrag einer neuerlichen Entscheidung entgegen (zu Spruchpunkt I.). Ferner hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde, ergeben (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführer lebe im Bundesgebiet in keiner familienähnlichen Beziehung und es bestehe auch kein Abhängigkeitsverhältnis. Seine Ehefrau und sein Sohn würden nach wie vor in China leben. Sein sehr begrenztes Privatleben in Österreich stehe einer Rückkehrentscheidung ebenfalls nicht entgegen. Er halte sich nach illegaler Einreise am 21.04.2009 im Bundesgebiet auf. Nach Abschluss seines Asylverfahrens am 23.09.2009 sei sein Aufenthalt bis zur Stellung seines zweiten Asylantrages am 15.07.2014 nicht rechtmäßig gewesen. Er habe den zweiten Antrag nur deshalb gestellt, weil er beim Verrichten von Schwarzarbeit betreten worden sei. Festzuhalten sei, dass er seit dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens überwiegend untergetaucht gewesen sei. Er beziehe kein geregeltes Einkommen, verfüge über keine Arbeit und sei in Österreich auf Unterstützung angewiesen. Er besitze weder familiäre Bindungen im Bundesgebiet noch schützenswerte private oder soziale Anknüpfungspunkte. Er habe sich nicht im integrative Maßnahmen bemüht und gedenke weiterhin im Bundesgebiet der Schwarzarbeit nachzugehen. Hingegen sei er in China aufgewachsen und habe dort seine Sozialisierung erfahren, sodass er bei einer Rückkehr und Wiedereingliederung in die chinesische Gesellschaft keinen unüberwindbaren Hürden begegnen würde. Er sei unbescholten und es könne in Bezug auf die bisherige Verfahrensdauer ein Organisationsverschulden nicht ausgemacht werden (Spruchpunkt IV.). Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass er bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei und selbst angegeben habe, nach wie vor einer illegalen Erwerbstätigkeit nachzugehen zu wollen. Zudem habe wegen der fehlenden Meldung bei der Sozialversicherung auch der Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachgewiesen werden können, wodurch er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Das Einreiseverbot in der angegebenen Höhe von 4 Jahren sei angesichts seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte gerechtfertigt und notwendig (Spruchpunkt VI.). Ferner lägen die in § 18 Abs.1 Z 2, 4, 5 und 6 BFA-VG genannten Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor (Spruchpunkt VII. und VIII.).

Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung vom 17.10.2018 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Beschwerdeführers gegen alle Spruchpunkte des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens infolge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Dazu wurde ausgeführt, dass die im Rahmen der Begründung des Einreiseverbotes durchgeführte Gefährdungsprognose im gegenständlichen Fall nur lückenhaft erfolgt sei. Der Beschwerdeführer bestreite jegliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, welche von ihm ausgehen solle, weshalb der Beschwerde Folge zu geben sei. Es sei nicht zu befürchten, dass er in Zukunft solch eine Gefährdung darstelle, welche ein Einreiseverbot in der Höhe von 4 Jahren rechtfertigen würde. Da die Abschiebung nach China eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 und 8 EMRK darstellen würde, sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.04.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er wegen Übergriffen auf Behördenorgane im Zuge des Abrisses seines Hauses vor der Polizei habe flüchten müssen.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde letztlich durch Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.09.2009, Zl. C2 407794-1/2009/2E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Begründend wurde von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers ausgegangen.

Am 15.07.2014 stellte der Beschwerdeführer anlässlich seiner Festnahme im Zuge der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, in Österreich leben und arbeiten zu wollen. Eine Änderung seines Fluchtgrundes brachte er nicht vor.

Der arbeitsfähige Beschwerdeführer ist verheiratet. Seine Ehefrau und sein Sohn leben im Herkunftsland, seine Eltern sind bereits verstorben. Er hat im Herkunftsland seine gesamte Schulbildung absolviert, beherrscht die Landessprache und war ohne Berufsausbildung zuletzt als Bauarbeiter tätig. In Österreich besitzt er keine Familienangehörigen, jedoch einen aus chinesischen Staatsangehörigen bestehenden Bekanntenkreis. Er ist kein Mitglied von Organisationen oder Vereinen. Der Beschwerdeführer ist trotz seiner rechtskräftigen Ausweisung im Bundesgebiet geblieben, wo er bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, sondern seinen Lebensunterhalt laufend durch illegale Gelegenheitsarbeiten in chinesischen Restaurants bestreitet. Am 15.07.2014 wurde der Beschwerdeführer bei einer illegalen Beschäftigung betreten. Diese illegale Beschäftigung setzte er jedoch weiterhin fort. Seit Juli 2014 bezieht er laufend die staatliche Grundversorgung. Er konnte weder ein Deutsch-Sprachdiplom vorlegen noch einen erfolgreich absolvierten Deutschkurs nachweisen und verfügt auch über keine Deutschkenntnisse. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Bei Renovierungsarbeiten zog er sich im Jahr 2016 Verletzungen in der Hüft- und Nierengegend zu. Er benötigt keine Medikamente, nimmt aber die ihm verordneten Kontrolltermine im Krankenhaus wahr.

Es kann nicht festgestellt werden, dass seit dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens Umstände eingetreten sind, wodurch dem Beschwerdeführer allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in China aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr nach China die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Beschwerdeführer leidet an keinen seither aufgetretenen akut lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheiten und befindet sich - bis auf die auf seinen Unfall zurückzuführenden Kontrolltermine - aktuell auch nicht in medizinischer Behandlung.

In der Beschwerde wurde kein neuer Sachverhalt dargetan.

Zur Situation im Herkunftsland wird festgestellt:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu China

Gesamtaktualisierung am 14.11.2017

letzte Kurzinformation eingefügt am 05.02.2018

0. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

-

DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

-

DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

-

NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

1. Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

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China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

2. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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