TE Vfgh Beschluss 1997/3/13 B4927/96

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Veröffentlicht am 13.03.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs3
VfGG §33
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; gleichzeitige Zurückweisung der Beschwerde wegen Fristversäumnis; Abweisung des Abtretungsantrags und des Verfahrenshilfeantrags

Spruch

I. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Oktober 1996, Z101.214/3-III/11/95, wird abgewiesen.

II.                                    Die Beschwerde wird

zurückgewiesen.

III.           Der Antrag, die

Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

IV.                                    Der Antrag auf Gewährung

der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem am 12. Dezember 1996 zur Post gegebenen und am 13. Dezember 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Oktober 1996, Z101.214/3-III/11/95. In der zugleich mit diesem Antrag eingebrachten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Weiters begehrt der Beschwerdeführer die Bewilligung der Verfahrenshilfe.

2. Zur Begründung des - rechtzeitig eingebrachten - Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird (im wesentlichen) vorgebracht, daß die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde durch ein Versehen einer Kanzleiangestellten seines Rechtsfreundes gehindert worden sei. Die Kanzleiangestellte, die seit August 1995 regelmäßig (unter anderem) mit der Vervielfältigung, Vorlage zur Unterfertigung, Kuvertierung und Abfertigung der in der Unterschriftenmappe einliegenden Ausgangspost der Kanzlei seines Rechtsfreundes befaßt gewesen sei und die diese Tätigkeiten nach Einschulung seitens seines Rechtsfreundes seit Anbeginn stets verläßlich und fehlerlos verrichtet habe, habe die von seinem Rechtsvertreter am 23. November 1996 fertiggestellte und am 25. November 1996 von diesem unterfertigte, gegenständliche Beschwerdeschrift versehentlich nicht zusammen mit einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, welche ebenfalls an die gemeinsame Einlaufstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes hätte gesendet werden sollen, kuvertiert und in die für die Postaufgabe vorgesehene Postaufgabemappe der Kanzlei gegeben. Der Rechtsvertreter habe am 26. November 1996 das in der Postaufgabemappe abgelegte, an die gemeinsame Einlaufstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes gerichtete Briefkuvert, welches vermeintlich auch die gegenständliche Beschwerde enthielt, zur Post gegeben, wobei unbemerkt geblieben sei, daß die gegenständliche Beschwerdeschrift in der Unterschriftenmappe liegengeblieben war. Da weder die Kanzleiangestellte infolge einer Erkrankung noch der Rechtsvertreter aufgrund der Teilnahme an einem Seminar die Kanzlei an den zwei darauffolgenden Tagen hätten aufsuchen können, sei die Beschwerde nicht bis längstens 28. November 1996 (dem letzten Tag der Beschwerdefrist) zur Post gegeben worden. Sein Rechtsvertreter habe wegen der Seminarteilnahme seine Kanzlei auch am 29. November 1996 nicht aufgesucht. Die Fristversäumung sei erst am 2. Dezember 1996 (dem dem 26. November 1996 nächstfolgenden Tag der Tätigkeit der Kanzleiangestellten in der Kanzlei) aufgeklärt worden, als die Kanzleiangestellte routinemäßig die Unterschriftenmappe durchgesehen und die liegengebliebene Beschwerde bemerkte habe.

Dem Antrag sind (unter anderem) zwei eidesstattliche Erklärungen beigeschlossen, die vom Rechtsvertreter sowie von seiner Kanzleiangestellten unterfertigt sind und die die (geschilderten) Vorgänge, die zur Fristversäumung führten, bestätigen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet.

1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

2. Von einem minderen Grad des Versehens kann aber aufgrund der im Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachten Umstände, die zur Fristversäumung führten, nicht die Rede sein. Nach diesem Vorbringen hat der Beschwerdevertreter mehrere Tage seine Kanzlei nicht aufgesucht. Im vorliegenden Fall hätte die Fristversäumung ohne weiteres vermieden werden können, wenn sich der Beschwerdevertreter am 27. oder 28. November 1996 in seine Kanzlei begeben und die Unterschriftenmappe durchgesehen hätte. Im Wiedereinsetzungsantrag wird auch nicht vorgebracht, daß dem Beschwerdevertreter die Rückkehr in seine Kanzlei wegen des Seminarbesuches an diesen Tagen (zumindest abends) nicht möglich gewesen wäre. Nach Ansicht des Gerichtshofes kann von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden, wenn ein Anwalt seiner Kanzlei tagelang fernbleibt, die Unterschriftenmappe nicht durchsieht und auch keine Vorsorge dahingehend trifft, daß die Unterschriftenmappe während seiner Abwesenheit von einer anderen geeigneten Person überprüft wird.

Der Antrag war daher mangels der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 Abs1 VerfGG iVm §§146ff ZPO).

III. Die unter einem

eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen.

Der Antrag, die Beschwerde in eventu an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer Abweisung oder einer Ablehnung der Beschwerdebehandlung in Betracht kommt.

IV. Bei diesem Ergebnis war auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, weil die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 VerfGG und §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG bzw. §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Abtretung, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B4927.1996

Dokumentnummer

JFT_10029687_96B04927_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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