TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 G312 2177437-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §15
ZustG §13

Spruch

G312 2177437-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Birgit KLÖCKL und KommR Mag. Heinz ZAVECZ als Beisitzer über die Beschwerde vom 23.10.2017 sowie über den Vorlageantrag des XXXX, SVNR: XXXX, vom 11.09.2017 gegen die Beschwerdevorentscheidung der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom 21.08.2017, GZ: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde vom 23.10.2017 wird s t a t t g e g e b e n und der Bescheid vom 10.10.2017 ersatzlos behoben und festgestellt, dass der Vorlageantrag vom 11.09.2017 fristgerecht eingebracht wurde.

2. Die Beschwerde vom 12.07.2017 wird als unbegründet a b g e w i e s e n und die Beschwerdevorentscheidung vom 21.08.2017 bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheiden der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom 20.06.2017 und 23.06.2017 wurde ausgesprochen, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 22.06.2017 sowie vom 23.06.2017 bis 12.07.2017 des XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 10 AlVG bzw. § 10 iVm § 38 AlVG 1977 ausgeschlossen ist.

2. Gegen die oben genannten Bescheide der belangten Behörde richtete sich die mit 14.07.2017 datierte und bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde.

3. Die belangte Behörde wies die oben angeführte Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung, datiert mit 21.08.2017 und hinterlegt am 23.08.2018, gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF, ab.

4. Der gegenständliche Vorlageantrag vom 10.09.2017, eingelangt am 11.09.2017 über eAMS Konto, wurde mit Bescheid vom 10.10.2017 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

5. Mit 23.10.2017 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid über die Zurückweisung wegen Verspätung.

6. Die Beschwerde wurde samt maßgeblichem Verwaltungsakt von der belangten Behörde am 22.11.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.

7. Am 25.04.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung, an der Vater des BF als dessen bevollmächtigter Vertreter teilnahm, statt. Der BF selbst nahm an der Verhandlung aufgrund seiner beruflichen Auslandstätigkeit nicht teil. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung ebenfalls teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages:

1.1.1. Der Bescheid der belangten Behörde (Beschwerdevorentscheidung) wurde dem BF nach einem Zustellversuch am 23.08.2018 beim Postamt 8020 hinterlegt.

1.1.2. Der BF war in der Zeit vom 22.08.2017 bis 27.08.2017 nachweislich ortsabwesend, der Bescheid vom 21.08.2017, der ab 23.08.2017 hinterlegt wurde, ging dem BF aufgrund seiner Ortsabwesenheit erst am 28.08.2017 zu, er erlangte erst ab 28.08.2017 Kenntnis von der Zustellung, die Frist zur Beantragung der Vorlage endete daher mit 11.09.2017.

Der Vorlageantrag vom 11.09.2017 gilt somit als rechtzeitig eingebracht.

1.2. Zum Sachinhalt:

1.2.1 Der BF stand vom 03.02.2017 bis 10.09.2017 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, in der Höhe von € 24,71 täglich, wobei der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 03.02.2017 zuerst mit Bescheid vom 18.04.2017 mangels Arbeitslosigkeit abgelehnt wurde, da der BF die Abmeldung des Masterstudiums der belangten Behörde trotz mehrmaliger Fristsetzung nicht nachgewiesen hat. Der BF hat den Bescheid vom 18.04.2017 erst am 10.05.2017 zugestellt bekommen, hat dagegen Beschwerde erhoben und den Nachweis über die Abmeldung vom Masterstudium mit November 2016 (ausgestellt mit 04.05.2017 von der TU Graz) legte der BF gleichzeitig mit seiner Beschwerde am 16.05.2017 der belangten Behörde vor. Mit Bescheid vom 16.05.2017 hob die belangte Behörde den Bescheid vom 18.04.2017 auf und gewährte dem BF das Arbeitslosengeld rückwirkend ab 03.02.2017.

1.2.2. Der BF absolvierte ein abgeschlossenes Bachelor Studium Verfahrenstechnik, das begonnene Masterstudium hat der BF mit November 2016 ruhend gestellt. Er verfügt über einen Führerschein B.

1.2.3. Die belangte Behörde unterstützte den BF bei der Suche eine Vollzeitbeschäftigung als Verfahrenstechniker bzw. im Bereich Automatisierungstechnik.

1.2.4. Am 26.04.2017 wurde dem BF der VV über die Beschäftigung im Bereich Konstruktion im Rahmen eines Vorauswahlverfahrens für den Bewerbungstermin 09.05.2017 bei der belangten Behörde mit möglichem Arbeitsbeginn 01.06.2017 über das eAMS Konto zugewiesen.

1.2.4.1. Am 29.05.2017 teilte der BF über sein eAMS Konto mit, dass er sich hinsichtlich der Stelle als Techniker bei der XXXX über das Jobcasting 09.05.2017 nicht beworben habe, da diese Beschäftigung in eine andere Richtung (Maschinentechnik/Automatisierungstechnik) gehe, als sein Studium zum Inhalt hatte (Verfahrenstechnik Chemieanlagen und Pharma). Er möchte eher in diesem Bereich arbeiten und hat daher an dem Jobcasting nicht teilgenommen.

1.2.5. Der BF hat sich auf die zugewiesene Beschäftigung unstrittig nicht beworben.

1.2.6. Die verfahrensgegenständliche Beschäftigung bei der Firma XXXX stellt eine zumutbare Beschäftigung im Sinne des § 9 AlVG dar.

1.7. Der BF hat durch sein Verhalten - Nichtbewerben bei der zumutbaren, zugewiesenen Beschäftigung bei der XXXX - die Aufnahme dieser Beschäftigung vereitelt.

1.8. Der BF hat mit 01.09.2017 eine die Arbeitslosigkeit ausschließende, nachhaltige Beschäftigung aufgenommen, welche jedoch mangels Nähe zum Sanktionszeitraum nicht als Nachsichtsgrund gewertet werden kann. Andere Nachsichtsgründe liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die oben getroffenen Feststellungen resultieren aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Als Nachweis über die Ortsabwesenheit von 22.08.2017 bis 27.08.2017 legte der BF ein Busticket über die Fahrt von Linz nach Graz am 27.08.2017 (Sonntag) vor, sowie die XXXX-Buchung von Graz nach Linz am 22.08.2017.

Der BF hat über seinen bevollmächtigten Vertreter folgende XXXX-Buchungen nachgewiesen:

16.08.2017 von Linz nach Graz

22.08.2017 von Graz nach Linz

27.08.2017 von Linz nach Graz

07.09.2017 von Graz nach Linz

2.4. Die Feststellungen zur möglichen Arbeitsaufnahme als Techniker im Rahmen der Vorauswahl bei der belangten Behörde mit möglichem Arbeitsbeginn 01.06.2017 ergeben aus dem Akteninhalt (Stellenzuweisung vom 26.04.2017).

Die Feststellung über die Nichtbewerbung auf diese Beschäftigung resultiert aus dem Akteninhalt (Niederschrift mit dem BF vom 07.06.2017)

Zu den Gründen der Nichtbewerbung führte der BF bei der niederschriftlichen Befragung am 07.06.2017 an, dass diese zugewiesene Tätigkeit eher in Richtung Maschinentechnik/Automatisierungstechnik gehe, er jedoch in der Verfahrenstechnik, Chemieanlagen und Pharma arbeiten - sieh BSc Studium - möchte. Er habe für sich selbst abgeklärt, dass die XXXX keine Arbeitsplätze anbiete, die er möchte. Als berücksichtigungswürdige Gründe gab er weiters an, dass bei ihm im März 2017 ein ADS diagnostiziert worden sei und er sich seit Mai 2017 in Psychotherapie befinde. Er hätte eine Blockade gehabt, dies der belangten Behörde zu melden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 13 Abs. 1 ZustellG ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

Bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes oder der Gemeinde darf gemäß Abs. 2 leg. cit. auch an eine gegenüber dem Zustelldienst oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist.

Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument gemäß Abs. 3 leg. cit. einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument gemäß Abs. 4 leg. cit. in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat. Die Behörde hat Angestellte des Parteienvertreters wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer zuvor der Behörde schriftlich abgegebenen Erklärung des Parteienvertreters durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Zustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß Abs. leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Das hinterlegte Dokument ist gemäß Abs. 3 leg. cit. mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Der BF moniert, dass ihm der Bescheid vom 21.08.2017 erst mit 28.08.2017 zugestellt werden konnte, da er ortsabwesend gewesen sei - er habe sich bei seinen Eltern in Oberösterreich aufgehalten. Als Nachweis hat der BF das Busticket über die Fahrt von Linz nach Graz am 27.08.2017 (Sonntag) vorgelegt, sowie am 02.05.2018 die XXXX-Buchung von Graz nach Linz am 22.08.2017.

Der Vorlageantrag gilt somit als rechtzeitig eingebracht.

3.2. Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Gegenständlich ist strittig, ob der BF die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung als Verfahrenstechniker bei der Firma XXXX durch Nichtbewerbung vereitelt hat.

3.2.2. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 7 Abs. 1 AlVG, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Arbeitswillig ist gemäß § 9 Abs. 1 AlVG, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Eine Beschäftigung ist gemäß Abs. 2 leg. cit. zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

3.2.3. Wenn eine arbeitslose Persons sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt so verliert sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist gemäß Abs. 3 leg. cit. in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

3.2.3. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Unstrittig ist, dass sich der BF nicht für die Stelle als Verfahrenstechniker bei der belangten Behörde im Rahmen einer Vorauswahl beworben hat.

Der BF rechtfertigt sich einerseits damit, dass er für sich entschieden hat, dass die XXXX keine Beschäftigung angeboten habe, die er ausüben möchte. Zum anderen brachte er durch seinen Vertreter vor, dass er sich bei Zuweisung der Beschäftigung nicht im Leistungsbezug befunden habe, daher eine Sanktion nicht zu verhängen sei. Außerdem sei er an ADHS erkrankt und befinde sich in Psychotherapie. Er habe eine Blockade gehabt, dies der belangten Behörde mitzuteilen.

Die belangte Behörde begründet ihr Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF am 03.02.2017 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Er habe dabei angegeben, dass er den BSc Verfahrenstechnik absolviert habe und das Masterstudium zurzeit ruhend gelegt sei. Am 13.02.2017 sei mit dem BF eine Betreuungsvereinbarung abgeschlossen worden und darin festgehalten worden, dass der BF bei der Suche nach einer Vollzeitstelle als Verfahrenstechniker oder im Bereich der Automatisierungstechnik unterstützt werde, dass ihm passende Stellen zugeschickt werden und er sich auf diese Stellen bewerben werde, auf Anrufe oder Emails von Unternehmen reagieren und über die Ergebnisse der Bewerbungen der belangten Behörde binnen 8 Tagen Rückmeldung geben werde. Da der BF sein eAMS-Konto aktiviert habe, erfolge die Kommunikation darüber. Zur Beurteilung des Anspruches auf Arbeitslosengeld sei noch die Vorlage des BF über die Studienzeiten, sowie der Nachweis darüber, dass der BF nicht mehr studiere, erforderlich gewesen und sei der BF zur Vorlage der Nachweise am 08.03.2017 wie auch am 15.03.2017 aufgefordert worden. Da der BF die notwendigen Nachweise nicht erbracht habe, sei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 18.04.2017 keine Folge gegeben worden. Am 26.04.2017 sei dem BF der Vermittlungsvorschlag über die Stelle als Verfahrenstechniker im Rahmen einer Vorauswahl über die belangte Behörde übermittelt worden, als mögliche Arbeitsaufnahme sei der 01.06.2017 angeführt gewesen. Am 02.05.2017 habe der BF mitgeteilt, dass er die angeforderten Unterlagen betreffend der Studiumsruhendlegung übermittelt hätten, diese seien jedoch nicht bei der belangten Behörde eingetroffen. Desweiteren teilte der BF mit, dass er den Bescheid vom 18.04.2017 nicht erhalten habe, ihm sei daher am 10.05.2017 eine Kopie des Bescheides ausgefolgt worden. Am 16.05.2017 sei seine Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.04.2017 bei der belangten Behörde eingelangt, ebenso die Bestätigung der XXXX über die Abmeldung des Studiums ab November 2016. Mit Bescheid vom 16.05.2017 sei der Bescheid vom 18.04.2017 aufgehoben und dem BF das Arbeitslosengeld rückwirkend ab 03.02.2017 gewährt und angewiesen worden.

Somit war dem BF bei Übermittlung des Vermittlungsvorschlages über die verfahrensgegenständliche Beschäftigung am 26.04.2017 nicht bekannt, dass die belangte Behörde seinen Leistungsanspruch - mangels seiner Studiumsruhendmeldung - mit Bescheid abgelehnt hat. Er erhielt von der belangten Behörde am 10.05.2017 eine Kopie des Bescheides, brachte eine Beschwerde ein und legte gleichzeitig die Studiumsruhendmeldung vor. Die belangte Behörde änderte den Bescheid vom 18.04.2017 ab und gewährte dem BF die Leistung rückwirkend ab 03.02.2017. Somit befand sich der BF ab 03.02.2017 durchgehend im Leistungsbezug und wäre verpflichtet gewesen, an der Jobbörse für die verfahrensgegenständliche Beschäftigung teilzunehmen.

Die vom BF zusätzlich vorgebrachte Erkrankung an ADHS und laufende Psychotherapie und medikamentöse Behandlung kann insofern nicht zum Erfolg führen, als keine ärztliche Arbeitsunfähigkeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorgelegen ist, die ein Nichthandeln (Nichtbewerbung) entschuldigen könnte.

3.2.4. Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d. h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, VwSlg 13286 A/1990, und die dort angeführte Vorjudikatur). Der Arbeitslose ist zur Annahme einer zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung verpflichtet, wobei ein von den Kriterien des § 9 AlVG unabhängiges Recht des Arbeitslosen zur sanktionslosen Ablehnung einer Beschäftigung wegen ihres Ausmaßes dem Gesetz nicht entnehmbar ist. Ein Arbeitsloser muss daher zur Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden) Teilzeitbeschäftigung bereit sein, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen (VwGH vom 17. März 2004, Zl. 2001/08/0035; 19.09.2007, Zl. 2006/08/0157).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen bedarf und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. (VwGH vom 16.03.2016, Zl. Ra 2015/08/0100).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann ein Arbeitsloser vom Arbeitsmarktservice zu einer Beschäftigung zugewiesen werden, sofern diese nicht evident unzumutbar ist bzw. das Arbeitsmarktservice nicht von vornherein (etwa auf Grund eines diesbezüglichen Einwands des Arbeitslosen) Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit begründenden Umstand hat. Es liegt dann am Arbeitslosen, beim Vorstellungsgespräch mit dem potenziellen Dienstgeber die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit zu erörtern (VwGH vom 11. Juli 2012, Zl. 2012/08/0070; VwGH vom 31. Juli 2014, Zl. Ro 2014/08/0019; VwGH vom 16.03.2016, Zl. Ra 2015/08/0100).

Unter "Vereitelung" im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG ist ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2002/08/0193).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Es ist dabei nicht Voraussetzung, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (VwGH vom 18. Jänner 2012, 2008/08/0243).

Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (Hinweis E 20. Oktober 1992, 92/08/0042, VwSlg 13722 A/1992; E 5. September 1995, 94/08/0050; VwGH vom 19.10.2011, Zl. 2008/08/0251).

Die Verpflichtung einer arbeitslosen Person, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich sonst bietende Beschäftigung innerhalb der Zumutbarkeitsgrenzen des § 9 Abs. 2 bis 4 AlVG anzunehmen, deren Verletzung gemäß § 10 AlVG mit dem Verlust von Geldleistungen durch mindestens sechs Wochen sanktioniert ist, dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Das Gesetz überlässt es aber der arbeitslosen Person selbst, vorerst die näheren Bedingungen der ihr von der regionalen Geschäftsstelle bekannt gegebenen oder der sonst sich bietenden Beschäftigung (wie Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Arbeitszeit, Entlohnung und ähnliches) mit dem potentiellen Arbeitgeber zu besprechen, und verpflichtet sie sodann, dessen Angebot - wenn dieses nach den gesetzlichen Kriterien zumutbar ist - anzunehmen (VwGH vom 23. Februar 2005, Zl. 2003/08/0039).

Am 29.05.2017 hat der BF über seine eAMS Konto mitgeteilt, dass er sich bei den zwei Stellen telefonisch beworben habe, jedoch für die Firmen nicht gepasst habe. Im Mai hat er drei Vorstellungsgespräche gehabt und aktuell eine Bewerbung in XXXX im Laufen. Zu dieser Beschäftigung als Techniker bei XXXX hat der BF angegeben, dass diese Beschäftigung eher in Richtung Maschinentechnik/Automatisierungstechnik gehe, er jedoch in der Verfahrenstechnik (siehe BSc Studium) arbeiten möchte und für sich abgeklärt hat, dass die XXXX keine Beschäftigung anbietet, die er ausüben möchte.

Somit steht unstrittig fest, dass der BF sich - vorsätzlich, da er diese Stelle nicht wollte - nicht beworben hat.

Auf den gegenständlich konkret angebotenen Arbeitsplatz als Techniker bei der XXXX hat sich der BF somit als nicht arbeitswillig gezeigt, da er sich nicht beworben hat. Er wollte die Stelle nicht. Der BF hat daher die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt.

3.2.5. Weiters zu überprüfen ist, ob Nachsichtsgründe gegen die Verhängung der Ausschlussfrist gemäß § 10 Abs. 3 AlVG vorliegen.

In berücksichtigungswürdigen Fällen ist nach § 10 Abs. 3 AlVG der Anspruchsverlust nach Abs. 1 dieser Bestimmung ganz oder teilweise nachzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ro 2015/08/0026, klargestellt (siehe auch VwGH 27.1.2016, Ro 2015/08/0027; 24.2.2016, Ra 2016/08/0001), dass sich die Voraussetzung der Aufnahme einer anderen Beschäftigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - etwa bis zum Ablauf von acht Wochen ab Beginn des Anspruchsverlusts (vgl. § 10 Abs. 1 AlVG) - dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Vielmehr kann grundsätzlich jede Beschäftigung berücksichtigt werden, die vor der (endgültigen) Entscheidung über die Nachsicht angetreten wurde und die auf Grund einer gewissen zeitlichen Nähe zur Weigerung bzw. Vereitelung noch deren negative Konsequenzen für die Versichertengemeinschaft (teilweise) auszugleichen vermag. (VwGH vom 01.12.2017, Zl. Ra 2015/08/0176)

Der Anspruchsverlust gemäß § 10 AlVG wurde für die Zeit vom 01.06.2017 bis 12.07.2017 verhängt. Der BF hat mit 01.09.2017 eine nachhaltige, die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung angenommen. Die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung erfolgte somit 13 Wochen nach der Pflichtverletzung.

Mangels zeitlicher Nähe iSd ständigen Judikatur kann diese Beschäftigung daher nicht zur Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG führen.

Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben und der bekämpfte Bescheid zu bestätigen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Frist, Notstandshilfe, Ortsabwesenheit, Teilstattgebung,
Vereitelung, Vorlageantrag, zumutbare Beschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G312.2177437.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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