TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/26 98/12/0126

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Veröffentlicht am 26.05.1999
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §75 Abs2;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der Dr. H, derzeit in Alicante/Spanien, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. September 1996, Zl. 100.624/4-Pr/A/3/96, betreffend Anrechnung von Karenzurlaubszeiten (§ 75 Abs. 3 BDG 1979 alte Fassung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Hofrätin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Österreichische Patentamt (in der Folge kurz: Dienststelle)

Aufgrund ihres Antrages vom 28. November 1995 wurde ihr mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 1996 ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis 31. Jänner 2001 zur Ausübung der Funktion der Vorsitzenden der ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt in Alicante/Spanien gewährt. Zugleich heißt es in diesem Bescheid, dass hinsichtlich der beantragten Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 leg. cit. gesondert entschieden werde.

In der Folge trat die belangte Behörde an den Bundeskanzler heran, um dessen Zustimmung zu einer Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 dahin zu erwirken, dass die gemäß Abs. 2 leg. cit. mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht eintreten.

Mit Erledigung vom 20. Februar 1996 eröffnete der Bundeskanzler, er stimmte mit dem Bundesminister für Finanzen der angestrebten (positiven) Verfügung lediglich für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis 31. Jänner 1999 zu, was näher begründet wurde.

Hierauf eröffnete die belangte Behörde der Beschwerdeführerin (im Wege ihrer Dienststelle) diese Auffassung des Bundeskanzlers und teilte mit, die bloß teilweise Zustimmung sei wie folgt begründet worden:

"Bei der Zustimmung zur Berücksichtigung wurde seitens des BKA und des BMF insbesondere von der Überlegung ausgegangen, dass Sie während der Zeit des Karenzurlaubes in Verwirklichung des angestrebten Karenzurlaubszweckes Kenntnisse und Erfahrungen erwerben, die Sie nach Beendigung des Karenzurlaubes auf Ihrem Arbeitsplatz im Bereich des Österreichischen Patentamtes einsetzen und verwerten können.

Weiters sei festzustellen, dass zufolge der geltenden Gesetzeslage und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Zahl 89/12/0183) an die Anwendung der Ausnahmeregelung des Abs. 3 des § 75 des BDG 1979 zwei Voraussetzungen geknüpft sind:

1. Es müssen für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten (überwiegend) sein und

2. es müssen berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.

Darüber hinaus kommt dem unbestimmten Gesetzesbegriff 'Öffentliches Interesse' nach der Judikatur der Höchstgerichte des öffentlichen Rechtes normativer Charakter zu.

Der konkrete Gehalt, der einem unbestimmten Gesetzesbegriff in einem Zusammenhang zukommt, kann nicht durch einen von Beweggründen geleiteten Willensakt festgelegt, sondern nur durch eine von den Gesetzen der Logik beherrschten Gedankenoperation, durch Auslegung, ermittelt werden, die, wie jede wissenschaftliche Tätigkeit, unter der Richtigkeit im Sinne eines zureichenden Erkenntnisgrundes steht (VwGH, Sammlung 7304/A).

Bei der Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes ist daher in erster Linie das anzuwendende Gesetz heranzuziehen, d.h., dass sich die Auslegung an normativen Inhalten zu orientieren hat (VwGH, Sammlung 9481/A).

Das bedeutet, dass für die Auslegung des Begriffes 'Öffentliches Interesse' im Sinne der dienstrechtlichen Vorschriften nicht irgendein tatsächliches oder fingiertes Interesse der Öffentlichkeit (Allgemeinheit) oder eines Teiles dieser maßgebend sein kann, vielmehr muss der Inhalt des gegenständlichen Begriffes aus dem Zusammenhang der dienstrechtlichen Vorschriften ermittelt werden.

Da ein 'Zugewinn' an Erfahrungen und Tätigkeiten über einen durch die gegenständliche Zustimmung zu einer Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 des BDG 1979 genehmigten Zeitraum hinaus nicht in dem Maß (überwiegend) von Bedeutung erscheint, dass eine Zustimmung zur Berücksichtigung des gesamten gewährten Karenzurlaubes für von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängige Rechte nach Ansicht des BKA und des BMF gerechtfertigt ist, konnte dem gegenständlichen Antrag nur teilweise nähergetreten werden."

Abschließend heißt es in dieser Erledigung der belangten Behörde, es werde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens "zu dem oben ausgeführten Sachverhalt und den rechtlichen Überlegungen Stellung zu nehmen".

Mit Erledigung vom 15. Mai 1996 teilte die Dienststelle der Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, die Beschwerdeführerin habe innerhalb der gesetzten Frist nicht Stellung genommen. In den Akten der belangten Behörde heißt es weiters, die Beschwerdeführerin habe telefonisch bekannt gegeben, die Rechtsansicht des Bundeskanzleramtes ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter Hinweis auf das Einvernehmen mit dem Bundeskanzler und dem Bundesminister für Finanzen verfügt, dass die gemäß § 75 Abs. 2 BDG 1979 mit der Gewährung eines Karenzurlaubes verbundenen Folgen in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis 31. Jänner 1999 nicht eintreten. Weiters heißt es im Spruch des angefochtenen Bescheides, in Abweichung vom Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. November 1995 und unter Berücksichtigung eines Telefonates vom 6. August 1996 werde für die Zeit des Karenzurlaubes vom 1. Februar 1999 bis zum 31. Jänner 2001 mangels Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen eine Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 nicht getroffen. Soweit vorliegendenfalls erheblich, heißt es zu letzerem in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die teilweise Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen sei "wie folgt begründet worden:" (Es folgt die Wiedergabe der Gründe, die der Beschwerdeführerin bekannt gegeben worden waren). Diese Rechtsansicht sei der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden, und es sei ihr Gelegenheit gegeben worden, hiezu Stellung zu nehmen. Da sie in einem Telefonat vom 6. August 1996 auf eine Stellungnahme verzichtet habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Februar 1998, B 4819/96-8, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin stützt sich in ihrer Argumentation auf das in einem rechtlich gleich gelagerten Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegengehalten werden kann, dass sie sich zu den ihr vor der belangten Behörde bekanntgegebenen, ablehnenden Erwägungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen nicht geäußert hat. Dies ist vorliegendenfalls zu verneinen, weil nach den Umständen des Falles diese Mitteilung lediglich die Bekanntgabe einer allgemeinen Rechtsansicht ohne Bezugnahme auf die konkreten Umstände des Beschwerdefalles (dies insbesondere auf Sachverhaltsebene) darstellte.

Eine solche ganz allgemeine Betrachtung ohne Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ist aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem von der Beschwerdeführerin zutreffend bezogenen Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178, näher ausgeführt hat (und auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann), verfehlt. Weiterhin ist dem Verwaltungsgerichtshof ein (allgemeiner) Erfahrungssatz, dass die in der zuvor wiedergegebenen Rechtsauffassung des Bundeskanzlers (im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen) umschriebene Rückwirkung auf die Verwendung des Beamten nach seiner Rückkehr nach einem drei Jahre übersteigenden Zeitraum jedenfalls nicht mehr gegeben sei, nicht erkennbar. Der Argumentation der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, Derartiges sei für sie aufgrund ihres Amtswissens offenkundig, und offenkundige Tatsachen bedürften gemäß § 45 AVG keines Beweises, vermag ihr schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil sie Derartiges weder der Beschwerdeführerin in ihrem Vorhalt bekanntgegeben noch in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufgenommen hat. Daher stellt sich der angefochtene Bescheid im Sinne des schon genannten hg. Erkenntnisses Zl. 97/12/0178 als inhaltlich rechtswidrig dar, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998120126.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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