TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 W197 2212132-1

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Veröffentlicht am 09.01.2019
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Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W197 2212132-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar Samsinger als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Dominikanische Republik, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2018, Zahl 169550508-181211250, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid und die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

III. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV der Beschwerdeführerin den Verfahrensaufwand in Höhe von € 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag, die Beschwerdeführerin von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang (Feststellungen):

1.1. Die Beschwerdeführerin (BF) ist Staatsangehörige der Dominikanischen Republik und reiste legal ins Bundesgebiet ein. Sie hielt sich von 1999 bis 2007 legal im Bundesgebiet auf. Die BF ist im Besitz eines gültigen Reisedokuments.

1.2. Die BF hat weder in Österreich noch sonst in der EU einen Asylantrag gestellt und hat sich bislang keinem asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahren entzogen. Sie ist strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthaltstitel der BF ist 2007 abgelaufen.

1.3. Die BF war jedenfalls seit 06.07.2018 wenn auch mit kurzen Unterbrechungen im Bundesgebiet an 2 Wohnadressen polizeilich gemeldet. An ihrer letzten Unterkunft ist sie seit 06.12.2018 aufrecht gemeldet. Die BF wurde am 27.04.2018 an der Meldeadresse, offenbar einem Bordell, kontrolliert.

1.4. Die BF arbeitet in Österreich illegal als Prostituierte, sie besitzt rund 2.300,- €.

1.5. Die Behörde erließ mit Bescheid vom 13.12.2018 eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot, erteilte keine Frist zur freiwilligen Ausreise und aberkannte einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Der BF wurde der Bescheid am 17.12.2018 an der Meldeadresse persönlich zugestellt. Die Rückkehrentscheidung ist durchsetzbar und durchführbar.

1.6. Die BF wurde auf Grund eines Festnahmeauftrags der Behörde vorgeführt. Anlässlich ihrer Einvernahme am 17.12.2018 gab die BF an, dass sie seit 1996 in Österreich lebe, sich hier zu Hause fühle und auch weiter hier leben wolle. Weiters gab sie an, dass sie auch künftig an der Meldeadresse bei ihrer Chefin und an einer weiteren, genau bezeichneten Adresse wohnen könne.

1.7. Mit dem nunmehr angefochtenen Mandatsbescheid vom 17.12.2018 wurde über die BF gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die Behörde sah Fluchtgründe im Sinne von § 76 Abs. 3 Z. 3 und 9 FPG als gegeben.

1.8. Gegen den Mandatsbescheid, die Anhaltung in und Fortsetzung der Schubhaft erhob der Rechtsvertreter Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass keine Fluchtgefahr bestehe, die BF unbescholten und gemeldet sei und ihr mehrere konkret bezeichnete Wohnmöglichkeiten sowie € 2.300,- zur Verfügung stünden. Sie bezahle Steuern, und unterzieht sich auch ihren gesundheitlichen Kontrollverpflichtungen als Prostituierte. Auf Grund ihres bisherigen Verhaltens hätte die Behörde daher mit der Vorschreibung eines gelinderen Mittels das Auslangen finden können. Beantragt wurde weiters Aufwand- und Barauslagenersatz.

1.9. Die Behörde legte die Akten vor, erstattete im Sinne des Bescheides eine Stellungnahme und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

1.10. Aufgrund des Akteninhalts und der Beschwerde konnte von der Aufnahme weiterer Beweise und der Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Die als Feststellungen formulierten Punkte im Sachverhalt werden der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

1.2. Die BF hat sich bislang den Behörden nie entzogen, ihr konnte jüngst ein Bescheid an der Meldeadresse zugestellt werden. Die BF besitzt eine aufrechte Meldeadresse, wo sie sich auch tatsächlich aufhält.

1.3. Die BF arbeitet illegal als Prostituierte und ist im Besitz von ca. 2.300,- €.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

2.2. Die Behörde hat im gesamten Verfahren nicht schlüssig dargetan, dass sich die BF im Hinblick auf ihr bisheriges Verhalten den Behörden entziehen und sich einer Abschiebung widersetzen wird. Die Behörde ist im Besitz des gültigen Reisedokuments der BF. Die BF ist gemeldet und hat eine Wohnmöglichkeit, hält sich an der Meldeadresse auf und besitzt zudem etwa 2.300,-€, mit dem sie über längere Zeit ihren Lebensunterhalt und eine allfällige Wohnmöglichkeit finanzieren kann. Ihr konnte jüngst an der Meldeadresse ein Bescheid der Behörde zugestellt werden. Ihre illegale Tätigkeit als Prostituierte vermag Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf nicht zu begründen

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A.I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

3.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

3.1.3. Gemäß §76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist oder 2. diese zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder die Abschiebung notwendig ist, sofern Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und 2. Dublin-Verordnung vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

3.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

3.1.5. Auf Grund des bisherigen Verhaltens der BF, der zur Verfügung stehende Wohnmöglichkeit und von ausreichenden Geldmittel ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Behörde mit der Verhängung eines gelinderen Mittels das Auslangen hätte finden können. Sohin ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben womit der Bescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig war. Das von der Behörde im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis kann im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Fluchtgründen und Sicherungsbedarf nicht dahingehend verstanden werden, dass Schwarzarbeit für sich alleine zur Begründung der Schubhaft ausreichend wäre, wobei auch im Rechtssatz des zitierten Erkenntnises weitere vorliegende Schubhaftgründe angeführt sind. Gelinderen Mittel sind von der belangten Behörde zu verhängen. Diese Entscheidung steht einer Schubhaftverhängung bei Änderung der Sachlage nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchpunkt A.II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Auf Grund der getroffenen Feststellung und ihrer rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

3.3. Zu den Spruchpunkten A. III und IV. - Kostenbegehren, Eingabegebühr

Da die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, waren ihr die begehrten Kosten zuzusprechen. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden.

3.4. Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

gelinderes Mittel, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2212132.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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