TE Bvwg Beschluss 2018/12/6 W208 2207165-1

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

AVG §45 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
GEG §7 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
ZustG §17 Abs3

Spruch

W208 2207165-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen WIEN vom 18.05.2018, Zl 100 Jv 4296/18h-33a, 003 Rev 11326/13m, betreffend Gerichtsgebühren beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen WIEN zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 25.04.2018 schrieb die Kostenbeamtin im Namen der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen WIEN der nunmehrigen beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Pauschalgebühren Tarifpost (TP) 7 lit a Gerichtsgebührengesetz (GGG) in Höhe von € 49,00, die Rechtsmittelgebühr TP 12a lit a GGG von € 98,00 sowie die Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) von € 8,00, in Summe € 155,00, zur Zahlung vor.

Der Zahlungsauftrag wurde beim Postamt hinterlegt, Beginn der Abholfrist war am 02.05.2018. Die Sendung wurde nicht behoben und nach Rücklangen bei Gericht neuerlich zur Abholung ab 05.06.2018 hinterlegt und am 07.06.2018 der bP ausgefolgt.

2. Am 12.06.2018 brachte die bP eine Vorstellung gegen den Zahlungsauftrag ein.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.05.2018 wurde die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Hinterlegung des Zahlungsauftrags zur Abholung ab 02.05.2018 (laut Vermerk am Kuvert am 30.04.2018) gelte als wirksame Zustellung. Dass die Sendung nicht behoben wurde und erst nach neuerlicher Hinterlegung am 07.06.2018 ausgefolgt werden konnte, sei ohne Belang. Der Zahlungspflichtige habe die Vorstellung am 12.06.2018 bei Gericht überreicht. Die Frist zur Erhebung einer Vorstellung sei jedoch mit 16.05.2018, 24:00 Uhr abgelaufen.

4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 04.09.2018) erhob die bP am 01.10.2018 (Postaufgabedatum) Beschwerde. Darin wir ua ausgeführt, die belangte Behörde habe zu Unrecht jedwede Ermittlung zur Frage der Rechtzeitigkeit der Vorstellung unterlassen. Im fraglichen Zeitpunkt, nämlich am 02.05.2018, sei die bP bereits mehr als fünf Monate ortsabwesend gewesen, was schon allein dadurch für den Zusteller unschwer erkennbar war, als ihr Briefkasten in Folge monatelanger Nichtbehebung der Post schier vor Poststücken übergequollen sei. Die Hinterlegung sei daher an sich schon rechtswidrig und daher wirkungslos. Die bP habe sich von 25.11.2017 bis 24.05.2018 in GRAN CANARIA, SPANIEN, aufgehalten. Zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr an die österreichische Abgabestelle am 25.05.2018 sei die Abholfrist der hinterlegten Sendung bereits abgelaufen gewesen, dies jedenfalls am Tag nach der Rückkehr, der - infolge des dazwischenliegenden Wochenendes - mit dem 28.5.2018 zu datieren sei. Da die Sendung nicht mehr zur Abholung bereitgestellt gewesen sei, gelte auch die Zustellfiktion nicht. Die Sendung sei daher zunächst nicht wirksam zugestellt worden.

5. Mit Schreiben vom 04.10.2018 wurde die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt dem BVwG - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - zur Bearbeitung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es steht nicht fest, wann der bP der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 25.04.2018 zugestellt wurde. Daher steht auch nicht fest, ob die Vorstellung der bP rechtzeitig oder verspätet war.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg cit).

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

§ 28 VwGVG lautet (Hervorhebungen durch BVwG):

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu A) 3.2. Zurückverweisung der Beschwerde

3.2.1. Gemäß § 7 Abs 2 erster Satz GEG sind verspätete Vorstellungen von der Behörde zurückzuweisen.

Vor der Zurückweisung einer Vorstellung als verspätet hat die Behörde entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn die Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Vorstellungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/03/0057, 24.11.2011, 2011/23/0269).

Die amtswegige Prüfung der Zustellung ist hier unterblieben, obwohl Anhaltspunkte für einen bei der Zustellung des Zahlungsauftrags unterlaufenen Mangel vorliegen bzw der Zeitpunkt der Zustellung fraglich war, zumal die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht behoben worden ist. Vor Zurückweisung der Vorstellung als verspätet hätte der bP außerdem die Verspätung vorgehalten und Gelegenheit gegeben werden müssen, sich dazu zu äußern und Stellung zu nehmen.

3.2.2. Die belangte Behörde hat es somit unterlassen, die relevanten Tatsachen umfassend zu ermitteln und festzustellen. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

Um beurteilen zu können, ob die belangte Behörde die Vorstellung der bP zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat, ist der Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsauftrags an die bP zu klären.

Die aufgezeigten fehlenden Feststellungen zur Zustellung des Zahlungsauftrags vom 25.04.2018 können nicht ohne Durchführung von ergänzenden Ermittlungen getroffen werden. Aufgrund des völligen Unterbleibens der oben genannten Ermittlungen und Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich, steht der für eine Entscheidung des BVwG in der Sache erforderliche Sachverhalt fallbezogen nicht fest. Auf § 17 Abs 3 ZustG, wonach bei Abwesenheit von der Abgabestelle hinterlegte Dokumente als nicht zugestellt gelten, wird verwiesen, wobei die durch den dritten Satz des § 17 Abs 3 ZustG normierte Zustellwirkung nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin nicht bewirkt wird, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen wird, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (VwGH 24. Mai 2007, 2006/07/0101, mwN).

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs 3 2 Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Fallbezogen liegen diese besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes vor.

Es kann nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch das BVwG bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, weil wenn sich herausstellen sollte, dass der Mandatsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, er keine Rechtswirkungen entfalten konnte und ein neuer Bescheid ausgestellt werden müsste und Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Vorstellung ist. Eine inhaltliche Prüfung ist dem BVwG im vorliegenden Beschwerdegegenstand verwehrt.

Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs 2 AVG ist daher von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG Gebrauch zu machen und der angefochtene Bescheid an die belangte Behörde zur Durchführung der genannten Ermittlungen zur Ortsabwesenheit und zur (Un)möglichkeit der Kenntnisnahme der Hinterlegung und Erlassung, eines neuen Bescheides mit ergänzten Feststellungen, zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass durch eine Zurückverweisung das Verfahren in den Stand zurück tritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch VwGH 22.05.1984, 84/07/0012).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Parteiengehör, verspätete Vorstellung, Vorstellungsfrist,
Zahlungsauftrag, Zustellmangel, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2207165.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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