TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2018/16/0216

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BAO §167 Abs2;
BAO §177;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der O GmbH in O, vertreten durch die Rechtsanwälte Pitzl & Huber Anwaltspartnerschaft in 4040 Linz, Rudolfstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 7. November 2018, LVwG-AV-960/001-2017, betreffend Kanalbenützungsgebühr (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verbandsvorstand des Gemeindedienstleistungsverbandes Region A für Umweltschutz und Abgaben in O), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 26. Juni 2017 hatte der Verbandsvorstand des Gemeindedienstleistungsverbandes Region A für Umweltschutz und Abgaben gegenüber der Revisionswerberin mit Wirkung vom 1. Jänner 2016 eine Kanalbenützungsgebühr sowie einen schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteil unter Zugrundelegung eines Berechnungseinwohnergleichwertes von 2.928,75 vorgeschrieben, wogegen die Revisionswerberin Beschwerde erhob.

2 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Amtssachverständigen für Siedlungswasserwirtschaft wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision begründet ihre Zulässigkeit zusammengefasst damit, das Verwaltungsgericht habe seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, indem es sich mit aufgezeigten Unschlüssigkeiten des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht befasst und seine Entscheidung auf dieses Gutachten gestützt habe. Darin liege ein grober Verfahrensfehler, weil das Verwaltungsgericht von Amts wegen ein weiteres Gutachten hätte einholen müssen, um die aufgezeigten Unschlüssigkeiten auszuräumen. Die Revisionswerberin habe in der Verhandlung vom 11. Juni 2018 Widersprüche in den der Ermittlung des Berechnungseinwohnergleichwertes zugrundeliegenden Messreihen zwischen 22. und 29. Juni 2016 zwischen den Abwasserwerten bei der von der Revisionswerberin betriebenen Autobahnraststätte und jenen beim Messschacht der Gemeinde O aufgezeigt. Hiezu habe der Amtssachverständige schriftlich ergänzend Stellung genommen, worauf die Revisionswerberin am 23. Oktober 2018 eine schriftliche Stellungnahme erstattet habe, in der sie Unschlüssigkeiten der gutachterlichen Stellungnahme aufgezeigt habe. Die Ausführungen des Sachverständigen könnten nicht überzeugen, weil es im Rahmen der Messreihe auch an einem weiteren Tag, dem 24. Juni 2016, zu einer Diskrepanz der Messwerte gekommen sei. Im Ergebnis ließen sich somit drei von sieben Messergebnissen nicht miteinander in Einklang bringen, was einer Genauigkeit von lediglich 43% entspreche und nicht der vom Sachverständigen anhand der "vier von fünf - Regel" tolerierten 80%-igen Genauigkeit. Das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Erkenntnis mit keinem Wort auf die Stellungnahme der Revisionswerberin eingegangen, sondern habe sich damit begnügt, die Ausführungen der kritisierten Stellungnahme des Amtssachverständigen zu übernehmen und auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, schlüssiges Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden könne, eine bloß gegenteilige Behauptung jedoch nicht genüge; die Revisionswerberin wäre dem Amtssachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Die Würdigung des Gutachtens sei Teil der Beweiswürdigung und nicht nur "falsch", sondern in wesentlichen Teilen unvollständig. Es liege eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende und unvertretbare Beweiswürdigung vor.

4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

6 Unter dem Blickwinkel des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt eine Frage der Beweiswürdigung von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn das Gericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise gepflogen hätte (vgl. etwa VwGH 2.5.2016, Ra 2016/16/0007, mwN).

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde - ebenso wie das Verwaltungsgericht unter Anwendung des § 17 VwGVG - ein Gutachten auf seine Schlüssigkeit dahingehend zu überprüfen, ob das Gutachten den Gesetzen des richtigen, zur Kenntnis der Wahrheit führenden Denkens entspricht. Fehler, die hier festzustellen sind, sind durch die Einholung ergänzender oder neuer sachverständiger Äußerungen zu beseitigen. Behörde wie Gericht sind verpflichtet, für die Klarstellung des Sachverhaltes in allen wesentlichen Punkten zu sorgen, insbesondere auch für die Überprüfung eines eingeholten Sachverständigengutachtens. Behörde wie Gericht sind zwar an die eingeholten Sachverständigengutachten nicht gebunden, dürfen von ihnen aber nur in entsprechend fachlich begründeter Weise abweichen. Eine Sache ist dann spruchreif, wenn es dem Entscheidungsorgan gelungen ist, den beigezogenen Amtssachverständigen dazu zu veranlassen, die gegen das Gutachten vorgetragene Kritik in jedem einzelnen Punkt in einer auch dem nicht fachkundigen Rechtsanwender einleuchtenden zu widerlegen und das Entscheidungsorgan damit in die Lage zu versetzen, die Einsichtigkeit der von der Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen in einleuchtender Weise detailliert darzustellen (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetzes I2, unter E 217 bis E 226 zu § 52 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

8 Einem schlüssigen Sachverständigengutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise, nicht entgegen getreten werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 238 und E 245 zu § 52 AVG zitierte Judikatur).

9 Im vorliegenden Revisionsfall hatte das Verwaltungsgericht zur Ermittlung des Berechnungseinwohnergleichwertes (§ 1a Z 2 NÖ Kanalgesetz 1977) einen Amtssachverständigen herangezogen, dessen Tauglichkeit (Sachkunde) die Revisionswerberin nicht in Zweifel zieht.

10 Auf die vom Vertreter der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2018 aufgezeigte Diskrepanz in den zugrunde gelegten Messwerten vom 28. und 29. Juni 2016 (Seite 6 der Verhandlungsschrift vom 11. Juni 2018) ging der Amtssachverständige in seiner schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens dahingehend ein, dass die an den beiden Tagen im Messschacht O ermittelten - unplausibel - niedrigen Messwerte den Schluss nahelegten, an den genannten Tagen sei es zu Problemen bei der Probeentnahme gekommen, jedoch aus seiner sachverständigen Sicht und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei der Berechnung der Schmutzfracht lediglich der dritthöchste Wert der Messreihe herangezogen worden sei, der für die Vorschreibung verwendete Wert korrekt und für die Ermittlung plausibel erscheine. Unter weiterer Auseinandersetzung und Erläuterung aller im Juni 2016 ermittelten Messwerte gelangte der Amtssachverständige abschließend zur Schlussfolgerung, der in einem Restbereich bestehenden Möglichkeit einer Fehlerquote bei Abwassermessungen sei insoweit Rechnung getragen worden, dass nicht der höchste gemessene Wert, sondern der dritte in der Reihenfolge zur Berechnung der Gebühr herangezogen worden sei. Somit seien die Messergebnisse und das darüber verfasste Gutachten als plausibel zu bezeichnen.

11 Wenn die Revisionswerberin diesen sachverständigen Schlussfolgerungen in ihrer Stellungnahme im Kern nunmehr mit dem Hinweis auf die Messergebnisse vom 24. auf den 25. Juni 2016 entgegnete, versuchte sie damit, den sachverständigen Schlussfolgerungen zu widersprechen, ohne allerdings dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten: Ausfluss der sachverständigen Ausführungen war die Tauglichkeit der Messreihe zwischen 22. und 30. Juni 2016 unter Erörterung unplausibel niedriger Messwerte der letzten beiden Messungen im Messschacht der Gemeinde O. Dass auch der vom 24. auf den 25. Juni 2016 beim Messschacht der Gemeinde O ermittelte Wert unplausibel wäre und damit auch diese Messung der Berechnung nicht zugrunde gelegt werden könnte, war den Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht zu entnehmen, weshalb vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für das Verwaltungsgericht kein Anlass bestand, weitere Ermittlungsschritte zu setzen, insbesondere den Amtssachverständigen zu einer weiteren Ergänzung seines Gutachtens zu veranlassen, zumal auch die Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme aus den von ihr vorgebrachten Bedenken lediglich eine abweichende Berechnung des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles in geringerer Höhe ableitete, nicht jedoch die Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen begehrte.

12 Eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende unvertretbare Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes wird damit nicht aufgezeigt.

13 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 ?-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160216.L00

Im RIS seit

07.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten