TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/24 W178 2211859-1

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Norm

BPGG §21c
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W178 2211859-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 14.11.2018, GZ: FHS 1818/18, betreffend Ablehnung des Antrages auf Pflegekarenzgeld zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Einlangend am 25.10.2018 stellte Fr. XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) einen Antrag auf Pflegekarenzgeld gemäß § 21c Abs. 3 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) in der Zeit von 09.10.2018 bis 15.11.2018 für die Sterbebegleitung ihrer Mutter, welche zum Zeitpunkt der Antragstellung in Padua (Italien) lebte.

2. Am 14.11.2018 erließ das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (in weiterer Folge: belangte Behörde) den nunmehr angefochtenen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass der am 25.10.2018 eingelangte Antrag abgewiesen werde. Begründet wurde die Abweisung mit dem Umstand, dass die Mutter der Beschwerdeführerin nicht der österreichischen Krankenversicherung unterliege.

3. Die Beschwerdeführerin erhob am 14.12.2018 einlangend fristgerecht Beschwerde. Sie selbst sei die versicherte Person und nach 38 Jahre langer ununterbrochener Versicherungsleistung sei es für sie nicht nachvollziehbar, warum ihr diese Leistung nicht zustehe.

4. Die belangte Behörde übermittelte den Beschwerdeakt am 20.12.2018 dem Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Dienstgeber eine Vereinbarung über eine Pflegekarenz für den Zeitraum 09.10.2018 bis voraussichtlich 15.11.2018 abgeschlossen.

In weiterer Folge stellte sie einlangend am 25.10.2018 einen Antrag auf Familienhospizkarenz für die Sterbebegleitung ihrer in Italien lebenden Mutter vom 09.10.2018 bis 15.11.2018.

Die Mutter der Beschwerdeführerin ist italienische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Italien und unterlag zum Antragszeitpunkt keiner österreichischen Krankenversicherung und bezog auch kein österreichisches Pflegegeld.

2. Beweiswürdigung:

Die Ausführungen zum Verfahrensgang und den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Es ist unbestritten, dass die Mutter der Beschwerdeführerin nicht der österreichischen Krankenversicherung zugehörte und kein österreichisches Pflegegeld bezog.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

3.1.1.1. Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz:

§ 14a. (1) Der Arbeitnehmer kann schriftlich eine Herabsetzung, eine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs. 1 letzter Satz UrlG für einen bestimmten, drei Monate nicht übersteigenden Zeitraum unter Bekanntgabe von Beginn und Dauer verlangen, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt mit dem nahen Angehörigen gegeben ist. Eine solche Maßnahme kann auch für die Sterbebegleitung von Geschwistern, Schwiegereltern, Schwiegerkindern, Wahl- und Pflegeeltern und von leiblichen Kindern des anderen Ehegatten oder Lebensgefährten verlangt werden. Der Arbeitnehmer kann eine Verlängerung der Maßnahme schriftlich verlangen, wobei die Gesamtdauer der Maßnahme sechs Monate nicht überschreiten darf.

(2) Der Arbeitnehmer hat den Grund für die Maßnahme und deren Verlängerung als auch das Verwandtschaftsverhältnis glaubhaft zu machen. Auf Verlangen des Arbeitgebers ist eine schriftliche Bescheinigung über das Verwandtschaftsverhältnis vorzulegen.

(3) Der Arbeitnehmer kann die von ihm nach Abs. 1 verlangte Maßnahme frühestens fünf Arbeitstage, die Verlängerung frühestens zehn Arbeitstage nach Zugang der schriftlichen Bekanntgabe vornehmen. Die Maßnahme wird wirksam, sofern nicht der Arbeitgeber binnen fünf Arbeitstagen - bei einer Verlängerung binnen zehn Arbeitstagen - ab Zugang der schriftlichen Bekanntgabe Klage gegen die Wirksamkeit der Maßnahme sowie deren Verlängerung beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht erhebt. Das Arbeits- und Sozialgericht hat unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Interessen des Arbeitnehmers zu entscheiden. In solchen Rechtsstreitigkeiten steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere zu, ist gegen ein Urteil des Gerichtes erster Instanz eine Berufung nicht zulässig und sind - unabhängig vom Wert des Streitgegenstandes - Beschlüsse des Gerichtes erster Instanz nur aus den Gründen des § 517 Abs. 1 Z 1, 4 und 6 der Zivilprozessordnung anfechtbar. Bis zur Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts kann der Arbeitnehmer die von ihm verlangte Maßnahme sowie deren Verlängerung vornehmen, es sei denn, das Arbeits- und Sozialgericht untersagt auf Antrag des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer mit einstweiliger Verfügung nach § 381 Z 2 Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, die Vornahme dieser Änderung. Im Übrigen sind die für einstweilige Verfügungen geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden.

(4) Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber den Wegfall der Sterbebegleitung unverzüglich bekannt zu geben. Er kann die vorzeitige Rückkehr zu der ursprünglichen Normalarbeitszeit nach zwei Wochen nach Wegfall der Sterbebegleitung verlangen. Ebenso kann der Arbeitgeber bei Wegfall der Sterbebegleitung die vorzeitige Rückkehr des Arbeitnehmers verlangen, sofern nicht berechtigte Interessen des Arbeitnehmers dem entgegen stehen.

(5) Fallen in das jeweilige Arbeitsjahr Zeiten einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts, so gebührt ein Urlaub, soweit dieser noch nicht verbraucht worden ist, in dem Ausmaß, das dem um die Dauer der Freistellung von der Arbeitsleistung verkürzten Arbeitsjahr entspricht. Ergeben sich bei der Berechnung des Urlaubsausmaßes Teile von Werktagen, so sind diese auf ganze Werktage aufzurunden.

(6) Der Arbeitnehmer behält den Anspruch auf sonstige, insbesondere einmalige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 in den Kalenderjahren, in die Zeiten einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts fallen, in dem Ausmaß, das dem Teil des Kalenderjahres entspricht, in den keine derartigen Zeiten fallen. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen werden dadurch nicht berührt.

(7) Wird das Arbeitsverhältnis während der Inanspruchnahme der Maßnahme oder der Verlängerung beendet, ist bei der Berechnung einer gesetzlich zustehenden Abfertigung die frühere Arbeitszeit des Arbeitnehmers vor dem Wirksamwerden der Maßnahme zugrunde zu legen. Bei der Berechnung der Abfertigung nach dem BUAG ist bei der Berechnung der Stundenzahl nach § 13d Abs. 3 BUAG vorzugehen. Erfolgt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer Freistellung von der Arbeitsleistung, ist bei der Berechnung der Ersatzleistung gemäß § 10 UrlG das für den letzten Monat vor Antritt der Freistellung von der Arbeitsleistung gebührende Entgelt zugrunde zu legen.

(Anm.: Abs. 8 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 107/2013)

3.1.1.2. Bundespflegegeldgesetz:

§ 21c. (1) Personen, die eine Pflegekarenz gemäß § 14c AVRAG vereinbart haben, sowie Personen, die sich zum Zwecke der Pflegekarenz gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 AlVG vom Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe oder von der Vormerkung zur Sozialversicherung nach § 34 AlVG abgemeldet haben, gebührt für die Dauer der Pflegekarenz ein Pflegekarenzgeld nach den Bestimmungen dieses Abschnittes. Personen, die eine Pflegeteilzeit gemäß § 14d AVRAG vereinbart haben, gebührt für die vereinbarte Dauer der Pflegeteilzeit ein aliquotes Pflegekarenzgeld. Pro zu betreuender pflegebedürftiger Person gebührt das Pflegekarenzgeld für höchstens sechs Monate. Bei einer neuerlichen Vereinbarung einer Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit wegen einer wesentlichen Erhöhung des Pflegebedarfs um zumindest eine Pflegegeldstufe (§ 9 Abs. 4) gebührt das Pflegekarenzgeld für höchstens weitere sechs Monate pro zu betreuender pflegebedürftiger Person. Eine Pflegekarenz oder eine Pflegeteilzeit nach landesgesetzlichen Regelungen in Ausführung des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287/1984, sowie nach gleichartigen bundes- oder landesgesetzlichen Regelungen sind wie eine Pflegekarenz oder eine Pflegeteilzeit gemäß §§ 14c und 14d AVRAG zu behandeln. Auf das Pflegekarenzgeld besteht ein Rechtsanspruch.

(2) Vor Inanspruchnahme des Pflegekarenzgeldes muss die karenzierte Person aus dem nunmehr karenzierten Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Monate nach dem ASVG vollversichert oder ununterbrochen drei Monate nach dem B-KUVG krankenversichert oder nach einer vergleichbaren landesgesetzlichen Regelung gegenüber einer Krankenfürsorgeanstalt anspruchsberechtigt gewesen sein. Das Pflegekarenzgeld gebührt, soweit in diesem Bundesgesetz oder in einer gemäß Abs. 5 erlassenen Verordnung keine abweichende Regelung erfolgt, in der Höhe des nach den Bestimmungen des § 21 AlVG zu ermittelnden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes zuzüglich allfälliger Kinderzuschläge. Der Grundbetrag gebührt bei der Pflegekarenz jedoch mindestens in Höhe der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG und bei der Pflegeteilzeit mindestens in Höhe des aliquoten Teiles der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze im Ausmaß der Herabsetzung der Arbeitszeit. Im Falle der Pflegeteilzeit ist für die Ermittlung des Grundbetrages die Differenz der monatlichen Bruttoeinkommen als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Das für den ersten Monat der Pflegeteilzeit ermittelte tägliche Pflegekarenzgeld gebührt für die gesamte Dauer der Pflegeteilzeit.

3.2. Auf den Beschwerdefall bezogen:

Fallbezogen liegt ein Sachverhalt mit EU-Auslandsbezug vor. Es ist die Vo (EG) 883/2004 anzuwenden.

Beim Pflegekarenzgeld handelt es sich um eine "Leistung aus Krankheit" im Sinne der VO (EG) 883/2004 im Sinne der Art. 17 ff.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) GH sind Leistungen, wie "Pflegegeld" , vgl. Urteil des EuGH vom 05.03.1998, C-160/96 und vom 08.03.2001, Rs C-215/99, oder die "Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des eine pflegebedürftige Person pflegenden Dritten durch die Pflegeversicherung", unter "Leistung aus Krankheit" im Sinne der VO (EG) 883/2004 zu qualifizieren, vgl. dazu Urteil vom 08.07.2004, Rs C-502/01 und 31/02. Diese Urteile sind zwar zur VO (EWG) 1408/71 ergangen, für die gegenständliche Frage ist gegenüber der Regelung in der nunmehr anzuwendenden VO 883/2004 kein wesentlicher Unterschied festzustellen, sodass die oben dargestellte Judikatur anzuwenden ist.

3.3 Im Beschwerdefall ist zu berücksichtigen, dass die Mutter der Beschwerdeführerin weder der österreichischen Krankenversicherung unterlegen ist noch ein österreichisches Pflegegeld bezogen hat, wobei der Wohnsitz in Italien grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung ist.

Das Pflegekarenzgeld kann für die Leistung einer Familienhospizkarenz als "Leistung aus Krankheit" nur dann in einen anderen EU-Staat exportiert werden, wenn sich eine Zuständigkeit Österreichs für Leistungen bei Krankheit im Sinne der VO (EG) 883/2004 in Bezug auf die zu pflegende oder zu begleitende Person ergibt.

Genau diese Voraussetzung ist jedoch fallbezogen nicht erfüllt. Für die Mutter der Beschwerdeführerin ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für Leistungen aus Krankheit. Informativ darf festgehalten werden, dass eine Abfrage der MISSOC-Datenbank (gegenseitiges Informationssystem für soziale Sicherheit) in Bezug auf Italien ergeben hat, dass zum Abfragezeitpunkt (14.01.2019) in Italien keine Regelung bestanden hat, die mit dem österreichischen Modell des Pflegekarenzgeldes vergleichbar wäre.

Es war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Auslandsbezug, Pflegekarenzgeld, Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2211859.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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