TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2018/07/0486

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwRallg;
WRG 1959 §109;
WRG 1959 §17 Abs3;
WRG 1959 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der S GmbH in K, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Oktober 2018, Zl. LVwG 46.23-1275/2018-12, betreffend ein wasserrechtliches Widerstreitverfahren (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:

Landeshauptmann für Steiermark; mitbeteiligte Partei: E G.m.b.H. in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im vorliegenden Fall geht es um ein Widerstreitverfahren, an dem drei Projekte (zwei Projekte der Revisionswerberin, ein Projekt der mitbeteiligten Partei) beteiligt sind.

2 Die mitbeteiligte Partei suchte um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines neuen Kraftwerkes an der Mürz, das Projekt "KW H", an (Projekt A).

3 Die Revisionswerberin beantragte die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung des Vorhabens "KW Z (KW Au)", das an der Stelle eines bestehenden Kraftwerkes vorgesehen ist (Projekt B). Schließlich beantragte auch die Revisionswerberin die wasserrechtliche Bewilligung für die Neuerrichtung eines Kraftwerkes "KW H" (Projekt C).

4 Hinsichtlich des Projektes C erteilte der Landeshauptmann von Steiermark (LH) der Revisionswerberin einen Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG (in Verbindung mit § 103 WRG 1959).

5 Mit Bescheid des LH vom 19. März 2018 wurde unter Spruchpunkt I der Bewilligungsantrag für das Projekt C mangels rechtzeitiger Verbesserung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

6 Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde zum einen festgestellt, dass die Projekte A und B in Widerstreit stünden. Zum anderen wurden - um im Widerstreitverfahren beide Projekte zu ermöglichen - beide Vorhaben (in jeweils näher dargestellter Weise) hinsichtlich der nutzbaren Fallhöhe eingeschränkt.

7 Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde. 8 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 22. Oktober 2018 wurde Spruchpunkt I dieses Bescheides behoben. Weiters fasste das LVwG den Beschluss, Spruchpunkt II des Bescheides des LH zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen.

9 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 10 Die Behebung des Spruchpunktes I wurde damit begründet,

dass der Verbesserungsauftrag fallbezogen zu Unrecht ergangen sei, weshalb seine Nichterfüllung irrelevant und die Zurückweisung des Ansuchens betreffend Projekt C zu beheben gewesen sei.

11 Aufgrund der Behebung des Spruchpunktes I sei im Widerstreitverfahren nun auch das zurückgewiesene Projekt C mitzubehandeln. Weil diesbezüglich überhaupt noch kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei, sei daher auch Spruchpunkt II zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen gewesen.

12 Die ordentliche Revision wurde unter Hinweis auf die einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auf das Fehlen von Indizien für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage nicht zugelassen.

13 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen den Beschluss des LVwG, gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG Spruchpunkt II des Bescheides des LH aufzuheben und die Angelegenheit an diesen zurückzuverweisen. Die Revisionswerberin macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 In den Zulässigkeitsgründen macht die Revisionswerberin vorerst geltend, die Entscheidung stehe in klarem Widerspruch zu § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG und zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es lägen ausreichende Beweisergebnisse vor, eventuelle offene Einzelfragen hätten vom LVwG leicht geklärt werden können, insbesondere die von der Revisionswerberin aufgestellte Behauptung, wonach die Projekte A und B einander sachlich widerstritten, ebenso die Projekte A und C, nicht aber die Projekte B und C.

18 Außerdem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob in einem Fall wie hier, wenn drei Projekte derart im Widerstreit stünden, dass ein Projekt sachlich zwei Projekten widerstreite, diese zwei einander aber nicht entgegenstünden, jedenfalls zunächst über den entscheidungsreifen Widerstreit zu entscheiden sei; dies vor allem dann, wenn sich dadurch eine Entscheidung über den zweiten Widerstreit erübrigen könne.

19 Die Frage sei, ob das LVwG in einem solchen Fall jedenfalls den effektiveren Weg zu wählen und vorzugeben habe, nämlich insoweit über den Widerstreit zu entscheiden, als die Grundlagen dafür bereits vorlägen (zur Beurteilung der Projekte A und B), womit sich auch der Widerstreit zwischen A und C erledigte, weil dann das Projekt A nicht bewilligt und ausgeführt werden dürfte, somit Projekt C jedenfalls im Bewilligungsverfahren behandelt werden könnte. Oder sei das Verwaltungsgericht berechtigt, die Entscheidung über den Widerstreit zwischen Projekt A und B aufzuschieben, offenbar allein deswegen, weil im Falle des Unterliegens von Projekt B gegenüber Projekt A auch noch der Widerstreit zwischen Projekt A und C auszutragen wäre?

20 Die Frage, ob das LVwG in einem Fall wie hier seiner regelmäßig bestehenden Pflicht zur inhaltlichen Entscheidung entbunden sei und wie das Verfahren abzuwickeln sei oder ob es in solchen Widerstreitfällen nach dem WRG 1959 primär inhaltlich zu entscheiden habe, komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

21 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wurde die auf Rechtsgrundlage des § 17 in Verbindung mit § 109 Abs. 1 WRG 1959 bescheidmäßig erfolgte Feststellung des Widerstreits zwischen den Projekten A und B und die (offenbar auf § 17 Abs. 3 WRG 1959 gestützte) Einschränkung beider Vorhaben gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Miteinbeziehung des Projektes C an den LH zurückverwiesen. Dies wurde mit der (in der gleichen Entscheidung getroffenen) Aufhebung der Zurückweisung des Antrages in Bezug auf Projekt C und mit dem Fehlen von Ermittlungen in Bezug auf dieses Projekt im Widerstreitverfahren begründet.

Es trifft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG zu, dass dort ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027; 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, mwN).

22 Allerdings ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass durch die Aufhebung der Zurückweisung des Antrages betreffend das Projekt C erstmals die Situation gegeben war, dass das Widerstreitverfahren (materiell betrachtet) nicht mehr mit zwei, sondern mit drei Projekten durchzuführen war.

23 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 17 WRG 1959 handelt es sich bei einem Widerstreitverfahren mit mehreren Projekten um ein einheitliches, gemeinsam durchzuführendes Verfahren; die bei einem Widerstreit um wasserrechtliche Bewilligungen konkurrierenden Bewerber bilden eine Verfahrensgemeinschaft. Die einzelnen Bewilligungsanträge sind nicht getrennt, sondern in einem Gesamtverfahren zu behandeln (VwGH 18.12.2014, Ro 2014/07/0033). Die notwendigen Ermittlungen in diesem Gesamtverfahren können sich aber je nach Anzahl und Art der widerstreitenden Projekte durchaus unterschiedlich gestalten; dies auch in Hinblick auf ein allfälliges Vorgehen nach § 17 Abs. 3 erster Satz WRG 1959.

24 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung dann keine grundsätzliche Rechtsfrage berührt, wenn sich das vom Verwaltungsgericht erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2016/04/0061; 30.3.2017, Ra 2014/08/0050, jeweils mwN). Ob das Verwaltungsgericht die zu § 28 Abs. 3 VwGVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts der einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar.

25 Eine am Maßstab der oben dargestellten Grundsätze zu beurteilende Unvertretbarkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Vorgangsweise vermag die Revisionswerberin fallbezogen nicht aufzuzeigen:

26 So erscheint es vorliegendenfalls vor dem Hintergrund der Qualifikation eines Widerstreitverfahrens als Gesamtverfahren aller widerstreitenden Projekte als vertretbar, wenn das Verwaltungsgericht im Ergebnis vom Fehlen von für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnissen (vgl. insoweit VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088, mwN) ausgegangen ist. Es ist daher fallbezogen nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der - ausnahmsweise vorgesehenen - Möglichkeit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde Gebrauch gemacht hat.

27 Was das weitere Vorbringen in der Revision zur verfahrensökonomischen Abfolge der Entscheidungen im Widerstreitverfahren betrifft, so wurde mit der Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG dem LH (lediglich) die Miteinbeziehung auch des Antrages betreffend das Projekt C ins Widerstreitverfahren überbunden. Diese Vorgangsweise steht aber in Übereinstimmung mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Widerstreitverfahren als Gesamtverfahren aller Projekte mit einer Verfahrensgemeinschaft aller Bewerber.

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

29 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2019

Schlagworte

VerwaltungsverfahrensgemeinschaftVwRallg13

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070486.L00

Im RIS seit

06.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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