TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2018/22/0301

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §54 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des A S, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das am 10. September 2018 mündlich verkündete und mit 8. Oktober 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/042/6796/2018-5, betreffend Aufenthaltskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom 19. April 2018, mit dem sein Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen und gemäß Abs. 7 leg. cit. festgestellt worden war, dass er nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle, als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwischen dem Revisionswerber und seiner ungarischen Ehefrau, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nahm, begründete das VwG mit dem Hinweis auf Widersprüche in den Angaben der Eheleute im behördlichen Verfahren. Der Revisionswerber habe weder im Verfahren vor der Behörde noch vor dem VwG die im Bescheid vom 19. April 2018 umfassend aufgezeigten Widersprüche in den Angaben der Eheleute, die jeglicher Lebenserfahrung widersprächen, noch "die übrigen für ein Nichtführen eines gemeinsamen Haushaltes bzw. einer gemeinsamen Lebensführung sprechenden Umstände nachvollziehbar" begründen können. Auch eine Interessenabwägung - so das VwG - falle nicht zu Gunsten des Revisionswerbers aus.

Zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. September 2018 sei trotz ordnungsgemäßer Ladung weder der Revisionswerber noch dessen Rechtsvertreter erschienen. Am 7. September 2018 sei beim VwG ein Schreiben eingelangt, mit dem eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Revisionswerbers übermittelt worden sei. Einem Auftrag des VwG, noch vor Beginn der Verhandlung einen ärztlichen Befund zu übermitteln, aus dem die Diagnose und die aktuelle Verhandlungsunfähigkeit des Revisionswerbers am 10. September 2018 eindeutig hervorgehe, sei weder vor der Verhandlung noch danach entsprochen worden. Daher sei in der Verhandlung der Akt verlesen und die Entscheidung mündlich verkündet worden.

5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt der Revisionswerber ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung. Das VwG habe dadurch, dass es keine unmittelbaren Beweise aufgenommen, sondern seiner Entscheidung die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens zugrunde gelegt habe, gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen. Es treffe zwar zu, dass der Revisionswerber ordnungsgemäß geladen worden sei, er habe dem Gericht jedoch bescheinigt, im Krankenstand zu sein. Der Auftrag des Gerichts (gemeint wohl: noch vor Beginn der Verhandlung einen ärztlichen Befund zu übermitteln, aus dem die Diagnose und die aktuelle Verhandlungsunfähigkeit des Revisionswerbers am 10. September 2018 eindeutig hervorgehen) sei an den Revisionswerber (gemeint wohl: von dessen Rechtsvertreter) per E-Mail weitergeleitet worden, es sei jedoch keine Lesebestätigung erfolgt und dieser sei - "mutmaßlich durch die Erkrankung" - telefonisch nicht erreichbar gewesen. Der Revisionswerber wäre auch gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, den Arzt aufzusuchen, um die geforderte Bestätigung beizubringen. Die Frist von nur einem Werktag sei zu kurz gewesen. Es sei unverständlich, aus welchem Grund eine "Verschiebung um kurze Zeit" nicht möglich gewesen wäre. Darüber hinaus hätte das VwG auch die Ehefrau des Revisionswerbers laden müssen. Durch die Vernehmung des Revisionswerbers und seiner Ehefrau hätten sich die geringen Widersprüche in den Vernehmungen vor der Behörde erklären lassen.

6 Damit macht die Revision Verfahrensmängel geltend. Diese führen nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wenn das VwG bei Vermeidung der Mängel zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber hat daher die Relevanz der Mängel durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung hat der Revisionswerber konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0138, mwN).

7 Fallbezogen erfüllt die Zulässigkeitsbegründung die oben dargelegten Anforderungen nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Revisionswerber der übermittelten Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vom 4. September 2018 zufolge keine Bettruhe verordnet wurde und er für 7. September 2018 - somit vor der Verhandlung beim VwG - bei der behandelnden Ärztin wiederbestellt war. Die Behauptung, der Revisionswerber sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, den Arzt aufzusuchen, stellt eine unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG) dar und wurde im Übrigen durch keinerlei Unterlagen belegt. Darüber hinaus ist den Verfahrensakten nicht zu entnehmen, dass eine Verschiebung der Verhandlung beantragt worden wäre. In der - auch vom Revisionswerber als ordnungsgemäß bezeichneten - Ladung zur Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass die Verkündung der Entscheidung von der Anwesenheit der Parteien unabhängig ist. Angesichts dessen wurde eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem VwG durch die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers nicht dargelegt.

8 Die Zulässigkeitsbegründung enthält abgesehen von der Verfahrensrüge auch keinerlei Tatsachenvorbringen, das geeignet wäre, die Erheblichkeit der Befragung des Revisionswerbers und seiner Ehefrau und darauf aufbauend die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses darzutun. Seitens des Revisionswerbers wird nicht substanziiert dargelegt, zu welchen Feststellungen seine Vernehmungen und die seiner Ehefrau geführt hätten und welche Aspekte eines gemeinsamen Familienlebens dadurch nachgewiesen worden wären. Er machte auch kein konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand geltend, wodurch die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hätte in Frage gestellt werden können (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0135, mwN).

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

10 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

11 Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220301.L00

Im RIS seit

04.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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