TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2018/14/0404

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache der A B C in X, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2018, I404 2192656-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine nigerianische Staatsangehörige, stellte am 24. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 21. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag ab, sprach aus, dass von Amts wegen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen sowie ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revisionswerberin macht betreffend die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Fall der Verbringung in ihr Heimatland keine Verletzung des Art. 3 EMRK drohen werde, geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass es in Nigeria zu beachtlichen ökonomischen Diskriminierungen von Frauen komme. Schwierigkeiten bestünden im Besonderen für alleinstehende Frauen.

Zudem stellten dort auch Vergewaltigungen und "FGM" (gemeint: weibliche Genitalverstümmelungen) ein erhebliches Problem dar. Es bestehe somit für die Revisionswerberin die akute Gefahr, dass sie in Nigeria Opfer einer Vergewaltigung werde.

8 Dieses Vorbringen ist fallbezogen im Zusammenhalt mit den in den Revisionsgründen enthaltenen und die Zulässigkeitsbegründung näher ausführenden Darlegungen zu sehen, in denen die Revisionswerberin darauf hinweist, von Mitgliedern der Boko Haram entführt, vergewaltigt und beinahe erstochen worden zu sein, und es daher in Nigeria keine freie Gestaltung der Lebensführung gebe.

9 Dazu ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen der Revisionswerberin zu den von ihr für ihre Flucht aus ihrem Heimatland angeführten Gründen wegen ihrer widersprüchlichen Angaben und Ungereimtheiten in ihren Aussagen als unglaubwürdig eingestuft hat. Somit ist dem auf die Behauptungen zu den Gründen für die Flucht gestützten Revisionsvorbringen der Boden entzogen.

10 Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der von der Revisionswerberin angesprochenen Beurteilung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (VwGH 20.11.2018, Ra 2018/20/0528, mwN).

11 Die Revision, die sich - abgesehen von ihrer Bezugnahme auf das als unwahr eingestufte Fluchtvorbringen - in allgemeinen Ausführungen erschöpft, zeigt nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles die oben angeführten Grundsätze nicht beachtet oder diese in unvertretbarer Weise zu Anwendung gebracht hätte.

12 Die Revisionswerberin wendet sich des Weiteren gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz und verweist auf die zu ihren Gunsten sprechenden Umstände.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). Es gelingt der Revision nicht darzulegen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene und auf die Umstände des Einzelfalles ausreichend Bedacht nehmende Interessenabwägung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs.1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140404.L00

Im RIS seit

04.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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