TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 98/06/0049

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §851;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der K Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch D, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Februar 1998, Zl. 03-12.10 L 102 - 98/3, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S in L, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G; 2. Stadtgemeinde Leibnitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung für den Zu- und Umbau der bestehenden Gebäude zu einem Dienstleistungszentrum auf den näher angeführten Grundstücken unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Eingabe vom 20. März 1996 beantragte die Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die geänderte Bauführung im zweiten Obergeschoß.

Im Rahmen eines baupolizeilichen Überprüfungsverfahrens betreffend die Baubewilligung für den Zu- und Umbau des verfahrensgegenständlichen Gebäudes erstattete der bautechnische Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 26. März 1996 zu der Lage der von der Beschwerdeführerin wiedererrichteten Mauer an der westlichen Gebäudegrenze (also zum Grundstück der Erstmitbeteiligten hin) folgendes Gutachten (wie dies aus dem Protokoll über die Verhandlung zu entnehmen ist):

"Bei der heute durchgeführten Begehung wurde die Lage der bestehenden Mauer entlang der westlichen Gebäudegrenze überprüft und eine Übereinstimmung mit dem genehmigten Einreichplan vom 18.7.1994 - Erdgeschoß - festgestellt. Die gemessenen Naturmaße konnten nicht mit einer Plankotierung verglichen werden, nachdem diese Mauer als Bestandsmauer im Einreichplan dargestellt wurde. Bei Herausmessen aus dem Einreichplan ist jedoch eine Übereinstimmung mit geringen Toleranzen (Zeichengenauigkeit) feststellbar. Der Knick in der Mauerflucht mit einer Abweichung von 26 cm ist in gleicher Form im Einreichplan dargestellt. Ebenso der Absatz im Mauerwerk von ca. 1,08 m. Gleichzeitig wurde überprüft, ob vorhandene Fundamente bestehen, auf welchem die Neuerrichteten (wohl richtig: neu errichteten) Mauern aufgesetzt wurden. Dabei war feststellbar, dass in Teilbereichen eine alte Fundamentvorsprungskante sichtbar war und teilweise offensichtlich der Sockel durch eine sichtbare Arbeitsfuge auf ein vorhandenes Fundament mit nicht exakter Kanten- und Oberflächenausbildung aufgesetzt wurde. Die sichtbaren Fundamentkanten, knapp über Terrain vorspringend, vom neu errichteten Sockel, befinden sich im südlichen und nördlichen Bereich der Wandteile sowie im Vorsprungsbereich. Die Feststellung der genauen Längen dieser vorspringenden Fundamentkanten sind jederzeit in der Natur messbar. In den Bereichen dieser vorstehenden Fundamentteile sind eindeutig die Mauern auf diese alten Fundamente aufgesetzt. Im übrigen Bereich kann es derzeit, aufgrund keiner sichtbaren alten Fundamentteile, nicht festgestellt werden und müsste durch Aufgraben der Fundamentbereiche bestätigt werden.

Gutachten:

Aufgrund der sichtbaren Fundamentteile in Teilbereichen des Mauerwerks kann festgestellt werden, dass die Mauern auf alten Fundamenten errichtet wurden. Nachdem der Verlauf der Mauer nicht geradlinig erfolgt ist und die sichtbaren Fundamentbereiche in geradliniger Verbindung herangezogen wurden, kann angenommen werden, dass in den übrigen, nicht sichtbaren Bereichen, der Fundamentverlauf genutzt wurde. Eine genaue Feststellung der nicht sichtbaren alten Fundamentbereiche ist derzeit aufgrund des Augenscheines nicht möglich. Eine genaue Überprüfung dieser Bereiche kann nur durch Freilegen der Fundamente erfolgen."

In diesem baupolizeilichen Verfahren, in dem auch die Frage des Verlaufes der Grundgrenze zwischen dem Grundstück der Beschwerdeführerin und der Erstmitbeteiligten aufgeworfen wurde, wurde ein vermessungstechnisches Gutachten zur Grenzfeststellung zwischen den beiden näher angeführten Grundstücken erstattet. Der Sachverständige erstattete seine Stellungnahme aufgrund verschiedenster Unterlagen (insbesondere von Teilungsplänen, der amtsinternen Mappenänderung, dem amtlichen Koordinatenverzeichnis und der Katastralmappe); er stellte fest, dass im näher bezeichneten Teilungsplan (VHW 3/85) die gegenständliche Grenze samt dem im Schreiben angesprochenen Altbestand numerisch angegeben sei. Somit könne der erste Teilungsplan VHW 35/1959, der die vorliegende Grenze erstmals ausweise, durch diesen ersetzt werden. Im Teilungsplan VHW 4/85 habe der Altbestand bereits amtliche Punktnummern (4706 bis 4708). Somit könne davon ausgegangen werden, dass dieser Teilungsplan den letzten Stand darstelle. Weiters sei noch eine näher angeführte Grundstücksvereinigung auf Seiten des Grundstückes der Erstmitbeteiligten zu beachten. Dieser Sachverständige führte weiters aus, dass er am 14. November 1995 nach Einsicht in den Bauakt und nach Erhebung der genannten Unterlagen eine Bestandsaufnahme von identen Grenzpunkten durchgeführt habe, "um den Plan mit dem VHW 4/85 örtlich zu rekonstruieren". Die Berechnung und Einpassung habe ergeben, dass fünf Punkte innerhalb der amtlichen Fehlergrenze lägen. Durch Ausscheiden von zwei Punkten habe eine wesentliche Verbesserung erzielt werden können. Die restlichen drei Punkte lägen auch gut verteilt. Die nun vorliegenden Restklaffungen seien kleiner/gleich 2 cm. Die Grundgrenze werde am 28. November rückgesteckt und übergeben.

Der Sachverständige fügte in seiner Stellungnahme noch folgenden Zusatz an:

"Die Überlagerung des heutigen Neubaues mit dem in VHW 4/85 dargestellten Altbestand deckt sich im südlichen Teil exakt. Im nördlichen Teil steht der Neubau um ca. 35 cm weiter westlich und hat einen Abstand von ca. 38 cm von der Grundgrenze. Sowohl das

alte Gebäude auf dem Grundstück ... stand nicht an der Grundgrenze

als auch das neue auf dem Grundstück ... ."

In der mündlichen Verhandlung (betreffend das Bauansuchen vom 20. März 1996) vom 8. April 1997, machte der Vertreter der Erstmitbeteiligten geltend, dass das Bauvorhaben in der vorliegenden Ausführung nicht genehmigungsfähig sei. Es handle sich um keinen Umbau, sondern um einen Neubau, insbesondere deshalb, weil die alte "Feuermauer" abgetragen worden sei. Auch durch das Bestehenlassen allfälliger sonstiger Bauwerksteile sei kein Umbau gegeben, da die Teile des alten Bestandes für den gegenständlichen Bereich nicht maßgeblich seien und nur ein unbedeutender Rest des Altbestandes stehen geblieben sei. Hinsichtlich der vorliegenden Altmauer, bezeichnet als "Feuermauer", sei aus den Plänen des Genehmigungsaktes ersichtlich, dass sie nicht an der Grundgrenze stehe und nur infolge der Annahme des "Erhalters" (offensichtlich gemeint: Erhaltens) des alten Konsenses eine Bewilligungsfähigkeit angenommen worden sei. Die Erstmitbeteiligte habe nie eine Erklärung dahingehend abgegeben, dass die Grenze des Bauplatzes bzw. des Grundstückes zu ihrem Eigentum und Besitz mit der Westgrenze der "Feuermauer" gegeben sei. Es könne auch kein stillschweigendes Einverständnis angenommen werden. Es sei von der vermessenen Grundstücksgrenze auszugehen. Der Grenzverlauf sei im genehmigten Plan gegenüber der Achse H deutlich gekennzeichnet. Auch sei das Obergeschoß mit 5 m gegenüber der Grenze zurückversetzt gewesen. Auch daraus sei zu erstehen, dass die tatsächliche Grundgrenze Bezugslinie gewesen sei und die vorliegende "Feuermauer" nur aufgrund der Annahme eines "altbestehenden" Konsenses in das Bauwerk einzubeziehen gewesen sei. Da von einer (offensichtlich gemeint: keiner) geschlossenen Bebauung auszugehen sei, sei auf die Grundgrenze nunmehr Bedacht zu nehmen und seien die Abstände nach dem Baugesetz jedenfalls einzuhalten. Die Höhe einer allfälligen Feuermauer sei mit 15 cm über Dachgeschoß des zweiten Obergeschoß festzulegen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 14. Mai 1997 wurde der beantragten Änderung des zweiten Obergeschoßes unter Bezugnahme auf den rechtskräftigen Bescheid vom 18. Juli 1994 die baurechtliche Bewilligung mit der Maßgabe erteilt, dass die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und beiliegenden Pläne und Unterlagen einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden und unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen.

Auflage 6 lautet:

"Folgende Mindestabstände sind einzuhalten:

- von den Nachbargrundgrenzen: Bauen an der Grundgrenze (geschlossene Bebauung)

Es ist dazu eine Brandmauer bis 15 cm über das Dach des 2. OG zu errichten. Dies jedoch erst, wenn der, an der westlichen Gebäudefront angrenzende Nachbar, S... G... oder dessen Rechtsnachfolger ebenfalls an der Grundgrenze zum Baugegenstand dieses Bescheides ein Gebäude errichtet und zwar mit einer mindestens gleichen Geschoßhöhe. Als angemessene Ausführungsfrist wird hiezu ein Zeitraum von 2 Monaten ab Fertigstellung eine solchen Nachbargebäudes der Frau S... G... oder dessen Rechtsnachfolger bestimmt.

Vorläufig reicht aus brandschutztechnischer Sicht der Istzustand, welcher vom brandschutztechnischen Sachverständigen vom 8.4.1997 (vgl. nachfolgendes Gutachten) festgestellt wurde, aus, d. h. die Erhöhung der Brüstung ist, wie auch vom bautechnischen Sachverständigen vorgeschlagen, derzeit nicht notwendig ... ."

Der dagegen erhobenen Berufung der Erstmitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. November 1997 keine Folge gegeben. Diese Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die westliche Fassade des Objektes zum Grundstück der Erstmitbeteiligten eine an der Grundgrenze befindliche Feuermauer sei und weiche diese im Einreichplan von DI. O. vom 16. Juli 1996 eingezeichnete und auch tatsächlich zur Ausführung gebrachte Fassadenmauer nicht von der ursprünglichen, mit Bescheid vom 18. Juli 1994 bewilligten Fassadenmauer und der sich darüber befindlichen Terrassenbrüstung (in einer Höhe von ca. 70 cm) ab. Es werde festgestellt, dass die westliche Fassadenmauer entlang der ursprünglichen bzw. bestehenden Fundamente verlaufe und daher im Bereich der Westfassade auch im Obergeschoß keine Veränderung durchgeführt worden sei (vgl. die Befundaufnahme des bautechnischen Sachverständigen vom 8. April 1997). Daraus ergebe sich, dass die westliche Fassadenmauer des Objektes nunmehr dort stehe, wo ursprünglich bereits zum Grundstück der Erstmitbeteiligten hin eine zweigeschoßige Außenmauer (EG und 1. OG) des bestehenden Gesamtgebäudes auf den Nachbargrundstücken gegeben gewesen sei und sei auf diesen erwähnten Grundstücken mit Bescheid vom 18. Juli 1994 ein dreigeschoßiger Zu- und Umbau der bestehenden Gebäude zu einem Dienstleistungsbetrieb in Leibnitz für die Beschwerdeführerin genehmigt worden. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und des nunmehrigen Berufungsverfahrens sei lediglich die geänderte Bauausführung im zweiten Obergeschoß, nicht aber der rechtskräftig bewilligte Umbau des gesamten Gebäudes auf dem Nachbargrundstück gemäß dem Bewilligungsbescheid vom 18. Juli 1994. Die Frage, ob die Westmauer an der Grundstücksgrenze situiert sei oder nicht, sei für das vorliegende Verfahren daher unerheblich. Dies deshalb, weil, wie bereits ausdrücklich festgestellt, der Altkonsens durch die Neuaufführung der westlichen Fassadenmauer auf den alten Fundamenten, nicht untergegangen sei. Es sei im Befund des amtstechnischen Sachverständigen vom 8. April 1997 ausdrücklich festgehalten, dass im Bereich der Westfassade auch im Obergeschoß keine Veränderung durchgeführt worden sei. Wesentliche Änderungen zum ursprünglichen Einreichplan ergäben sich aus anderen Bereichen, die näher ausgeführt werden. Aufgrund der rechtskräftigen Baubewilligung des Gesamtobjektes vom 18. Juli 1994 sei davon auszugehen, dass es sich an der Westgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin um eine geschlossene Verbauung handle und sei aus diesem Grund auch die Fassadenfläche als Brandmauer (ohne Öffnungen) ausgebildet worden. Sollte bei einer geschlossenen Verbauung durch die Erstmitbeteiligte ein Gebäude errichtet werden, sei dann "jedenfalls die derzeitige Brüstung in eine Brandmauer bis über Oberkante 2. OG zu erhöhen", sofern die Erstmitbeteiligte die Absicht habe, eine gleiche Geschoßhöhe anzustreben. Der Grenzverlauf werde zwischen den näher angeführten Grundstücken der Beschwerdeführerin bzw. der Erstmitbeteiligten entlang des westlichen Endes des aufgehenden Mauerwerkes angenommen. Diese Entscheidung gründe sich auf § 38 AVG und § 851 ABGB und sei bei den Ortsverhandlungen festgestellt worden, dass die Nutzung des Nachbargrundstückes bis zu der bestehenden Mauer durch die Erstmitbeteiligte erfolgt sei. Eine Grenzkatastereintragung gemäß § 8 Vermessungsgesetz liege nicht vor. Gemäß § 853a ABGB gälten für Grundstücke, die nicht im Grenzkataster enthalten seien, die Bestimmungen der §§ 850 - 853 ABGB. Für diese Vorfragenbeurteilung sprächen auch die Erklärungen der Erstmitbeteiligten in der Bauverhandlung vom 18. Oktober 1994. Sie habe dem Verlauf der Grundgrenze entlang der bestehenden Mauer ausdrücklich oder zumindest konkludent zugestimmt. Die Abstandsbestimmungen würden nicht verletzt, da das Gebäude an der Grundgrenze stehe und geschlossene Verbauung vorliege.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Erstmitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde verwiesen.

Diese Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Projektunterlagen im ursprünglichen Baubewilligungsverfahren mangelhaft gewesen seien, da sie nicht geeignet gewesen seien, den Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die zur Verfolgung ihrer Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich seien. In den Planunterlagen sei weder ein Lageplan enthalten, noch seien die Bauteile gekennzeichnet gewesen, die erhalten bleiben bzw. abgetragen werden sollten. Dieser Mangel sei allerdings aufgrund der Rechtskraft dieses Bescheides nicht mehr aufgreifbar. Dem Baubewilligungsbescheid vom 18. Juli 1994 betreffend Zu- und Umbau des bestehenden Gebäudes zu einem Dienstleistungsbetrieb sei jedoch eindeutig zu entnehmen, dass die bestehenden Feuermauern u.a. zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin im erforderlichen Umfang erhalten bleiben und an das neu geplante Gebäude entsprechend angepasst und die vorhandenen Fensteröffnungen zu diesem Grundstück hin abgemauert werden sollten. Der Verlauf der Grundstücksgrenze in Bezug auf die ursprünglich bestehende Feuermauer sei lediglich im Einreichplan betreffend das 2. OG dargestellt gewesen, wenn auch eine Kotierung nicht erfolgt sei. Wesentlich sei weiters, dass im Baubewilligungsbescheid vom 18. Juni 1994 - entgegen den Ausführungen im Berufungsbescheid - keine Festlegung hinsichtlich der Bebauungsweise erfolgt sei. Noch vor Einleitung des gegenständlichen Baubewilligungsverfahrens sei aus Anlass baupolizeilicher Erhebungen der Vermessungstechniker Dipl. Ing. K. beigezogen worden. Im technischen Bericht vom 26. November 1995 sei dieser zum Ergebnis gelangt, dass sowohl das alte als auch das neue Gebäude nicht an der Grundgrenze situiert gewesen seien. Im nördlichen Teil stehe der Neubau um ca. 35 cm weiter westlich und weise einen Abstand von ca. 38 cm von der Grundgrenze auf. Die Berufungsbehörde habe unter Heranziehung des § 851 ABGB die Vorfrage des Grenzverlaufes dahingehend zu klären versucht, dass eine Grenzkatastereintragung gemäß § 8 Vermessungsgesetz nicht vorliege und die Erstmitbeteiligte in der mündlichen Bauverhandlung vom 18. Oktober 1994 dem Verlauf der Grundgrenze entlang der bestehenden Mauer ausdrücklich oder zumindest konkludent zugestimmt habe. Entgegen den Ausführungen im Berufungsbescheid könne dem Vorbringen der Erstmitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung keineswegs der von der Berufungsbehörde angenommene Inhalt beigemessen werden. Bezogen auf das damals vorliegende Projekt habe diese nämlich lediglich festgehalten, dass die an der östlichen Grundgrenze bestehenden Fensteröffnungen in der Feuermauer geschlossen werden sollten. Eine Aussage über den Verlauf der Grundgrenze sei darin nicht enthalten. Die vorliegenden Teilungspläne und Auszüge aus der Katastralmappe widersprächen jedenfalls dem von der Berufungsbehörde angenommenen "letzten ruhigen Besitzstande", zumal die Erstmitbeteiligte in keiner Phase des Verfahrens das Eigentum an diesem Grundstücksstreifen ausdrücklich behauptet habe. Die Vorfragenbeurteilung der Berufungsbehörde sei daher nicht nachvollziehbar. Unbestritten stehe fest, dass die zum Grundstück der Erstmitbeteiligten hinweisende Brandwand (Feuermauer) nicht - wie ursprünglich vorgesehen - als Altbestand erhalten geblieben sei, sondern eine neue Mauer errichtet worden sei. Die Feststellung der Berufungsbehörde, dass die Wiedererrichtung dieser Feuermauer an der gleichen Stelle erfolgt sei, lasse sich aufgrund des Akteninhaltes in zweifacher Hinsicht widerlegen. Zunächst ergebe sich aus dem technischen Bericht des Vermessungstechnikers vom 26. November 1995, dass sich der Neubau im südlichen Bereich exakt mit dem Altbestand decke, im nördlichen Teil jedoch um ca. 35 cm weiter westlich stehe. Eine Gegenüberstellung des dem Bescheid vom 18. Juli 1994 zugrunde liegenden Einreichplanes betreffend das

2. Obergeschoß und des im vorliegenden Verfahren gegebenen Einreichplanes ergebe, dass die zur Erstmitbeteiligten hinweisende Brandwand im neuen Einreichplan im Gegensatz zum ursprünglich genehmigten Projekt einen Mauersprung im südlichen Bereich zwischen den Achsen 11 und 12 aufweise. Schon durch diese geänderte Ausführung der Brandwand könne nicht von einer Sanierung der ursprünglichen Brandwand im Rahmen des bestehenden Konsenses ausgegangen werden. Es handle sich bei der Wiederherstellung der gegenständlichen Brandwand um eine Baumaßnahme, die jedenfalls gemäß § 19 Z. 1 Stmk. Baugesetz bewilligungspflichtig gewesen sei, weil es sich dabei nicht um eine Wiederherstellung des ursprünglichen Bestandes gehandelt habe. Der Auffassung des Berufungsbescheides, dass Gegenstand des Verfahrens lediglich die geänderte Bauausführung im zweiten Obergeschoß sei, nicht aber der rechtskräftig bewilligte Umbau des gesamten Gebäudes, sowie dass die Frage der Situierung der Westmauer an der Grundstücksgrenze für das vorliegende Verfahren unerheblich sei, sei Folgendes entgegenzuhalten:

Die Lage der Brandwand im Bereich der Grundgrenze zur Erstmitbeteiligten stehe in einem technisch und rechtlich untrennbaren Zusammenhang mit der Ausgestaltung des zweiten Obergeschosses, da im Gegensatz zum ursprünglich genehmigten Projekt im südlichen Bereich des zweiten Obergeschosses die Brandwand hochgezogen und somit die Wohneinheit bis zur Brandwand ausgeführt werde. Im ursprünglichen Projekt sei hingegen das zweite Obergeschoß entlang der westseitigen Grundgrenze zur Gänze zurückversetzt gewesen. Das zweite Obergeschoß könne somit im südlichen Bereich ohne das tragende Mauerwerk der Brandwand gar nicht errichtet werden. Außerdem sei ein entsprechender Baukonsens für das tragende Mauerwerk der Brandwand rechtliche Voraussetzung des darauf beruhenden zweiten Obergeschosses. Es sei daher davon auszugehen, dass die Baubewilligung vom 18. Juli 1994, soweit sie die Brandwand bzw. Feuermauer sowie die darauf aufbauenden Ausgestaltungen des Erdgeschosses, des 1. Obergeschosses sowie des 2. Obergeschosses treffe, rechtens nicht konsumiert werden habe können. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, hinsichtlich der Brandwand ein neuerliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen. Erst dann könne die Bewilligungsfähigkeit der Abänderungen im zweiten Obergeschoß behandelt werden. Die Bewilligungsfähigkeit des südwestlichen zweiten Obergeschosses könne nur unter Heranziehung der angeführten Darlegungen beurteilt werden. Da die Berufungsbehörde die Feststellung des Grenzverlaufes in nicht nachvollziehbarer Weise vorgenommen habe und überdies rechtswidrigerweise vom Konsens der Brandwand ausgegangen sei, seien durch die Bewilligung dieses Gebäudetraktes Rechte der Erstmitbeteiligten verletzt worden. Außerdem wiesen die Gebäudefronten des übrigen 2. Obergeschosses im Bereich der Grenze zur Erstmitbeteiligten hin nicht den erforderlichen Grenzabstand (nämlich mindestens 5 m) auf, sodass auch diesbezüglich eine Rechtsverletzung vorliege. Zusammenfassend werde festgestellt, dass die Erstmitbeteiligte durch den angefochtenen Bescheid, insbesondere durch die nicht nachvollziehbare Beurteilung des Grenzverlaufes, die rechtswidrige Annahme eines Konsenses hinsichtlich der Brandwand sowie durch die Bewilligung der Abweichungen im Obergeschoß unter Missachtung der gesetzlichen Mindestabstände in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 95/06/0270, und die in diesem angeführte Vorjudikatur) kommt den Rechtsauffassungen der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt sind und den aufhebenden Spruch des Bescheides tragen, bindende Wirkung zu. In diesem Umfang erstreckt sich die Bindung auf alle beteiligten Parteien und Behörden, einschließlich der Aufsichtsbehörde und dem Verwaltungsgerichtshof.

Als die Aufhebung tragende Gründe der belangten Behörde sind im vorliegenden Fall die nicht nachvollziehbare Beurteilung des Grenzverlaufes (durch die Berufungsbehörde), die rechtswidrige Annahme eines Konsenses hinsichtlich der Brandwand sowie die Bewilligung der Abweichungen im Obergeschoß unter Missachtung der gesetzlichen Mindestabstände zu qualifizieren.

In der Beschwerde wird gerügt, dass die belangte Behörde der Entscheidung einen Verlauf der westlichen Feuermauer zugrunde lege, der nicht mit der alten Mauer übereinstimme. Es sei dabei nicht das Gutachten des bautechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. G.G. in der baupolizeilichen Verhandlung vom 26. März 1996 beachtet worden (die von der Beschwerdeführerin bezogenen Passagen sind eingangs wiedergegeben worden).

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die Feststellung, dass die Wiedererrichtung dieser Feuermauer an der gleichen Stelle erfolgt sei, lässt sich nach Auffassung der belangten Behörde in zweifacher Weise widerlegen. Einerseits liege die Feststellung im technischen Bericht des Vermessungstechnikers vom 26. November 1995 vor, dass die wieder errichtete Feuermauer im nördlichen Teil um ca. 35 cm weiter westlich als der frühere Bestand stehe. Andererseits zeige eine Gegenüberstellung des dem Bescheid vom 18. Juli 1994 zugrunde liegenden Einreichplanes betreffend das zweite Obergeschoß und des im vorliegenden Verfahren vorliegenden Einreichplanes, dass die zu dem Grundstück der Erstmitbeteiligten hinweisende Feuermauer im neuen Einreichplan im Gegensatz zum ursprünglich genehmigten Projekt einen Mauersprung im südlichen Bereich zwischen den Achsen 11 und 12 aufweise. Es liege daher keine Sanierung der ursprünglichen Brandwand im Rahmen des bestehenden Konsenses vor.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der bautechnische Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 1996 - worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verweist - entsprechend begründet festgestellt hat, dass die tatsächlich wieder errichtete Mauer mit jener Feuermauer an der Grenze zu der Erstmitbeteiligten übereinstimmt, wie sie in dem am 18. Juli 1994 genehmigten Einreichplan vorgesehen war. Mit der Zu- und Umbaubewilligung vom 18. Juli 1994, deren Gegenstand im Hinblick auf die an dieser Feuermauer vorgesehenen Anpassungen - wie sie sich aus dem Bescheid vom 18. Juli 1994 (insbesondere Westansicht) ergeben - und im Hinblick darauf, dass die mit Bescheid vom 18. Juli 1994 bewilligten Pläne zwischen Bestand und Änderungen nicht unterschieden, auch diese Feuermauer war, ist diese Feuermauer rechtskräftig bewilligt worden.

Aus der Zu- und Umbaubewilligung vom 18. Juli 1994 ergibt sich, dass man in Bezug auf die Grundgrenze zum Grundstück der Erstmitbeteiligten hin vom Vorliegen einer geschlossenen Bebauung ausgegangen ist (In dem im Bescheid wiedergegebenen Befund und Gutachten des technischen Sachverständigen wird ausgeführt, dass die bestehenden Feuermauern u.a. zum Grundstück 54/24 (das Grundstück der Erstmitbeteiligten) im erforderlichen Umfang erhalten bleiben und an das neu geplante Gebäude entsprechend angepasst werden. Die vorhandenen Fensteröffnungen zum Grundstück der Erstmitbeteiligten würden F-90 abgemauert. Im Einvernehmen mit dem Ortsbildsachverständigen sollen zurückgesetzte Nischen mit entsprechender Farbgebung erhalten bleiben. Die Erstmitbeteiligte hat in der mündlichen Verhandlung zu dieser Baubewilligung festgehalten, dass die an der östlichen Grenze (aus der Sicht des Grundstückes der Erstmitbeteiligten) bestehenden Fenster in der Feuermauer zugemacht werden sollten.). An diesem von der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 18. Juli 1994 erfassten Gebot der geschlossenen Bebauung ändert sich durch den Umstand nichts, dass sich der angenommene Verlauf der Grundgrenze entlang der verfahrensgegenständlichen Feuermauer allenfalls als unrichtig erweist. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem dem Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0259, BauSlg. Nr. 73, zugrundeliegenden Bauverfahren, bei dem es um die Aufstockung eines im Seitenabstand errichteten, aber als konsentiert geltenden, Gebäudes ging, sodass es nicht darum ging, dass von einer rechtskräftig festgelegten geschlossenen Bebauung ausgegangen werden konnte. Ist aber von einer rechtskräftig festgelegten geschlossenen Bebauung auszugehen, dann konnte die Erstmitbeteiligte nicht in Rechten dadurch verletzt sein, dass die nunmehr im geänderten Obergeschoß teils hochgezogene Feuermauer bzw. die Brüstung entlang der Terrasse nicht unmittelbar an der vom Vermessungstechniker festgestellten Grundgrenze errichtet wurde, sondern vielmehr in Fortsetzung des rechtskräftig bewilligten Zu- und Umbaues erhöht wurde. Es stellt sich somit als inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, dass der Konsens für die vorliegende Feuermauer aufgrund ihrer Wiedererrichtung untergegangen sei und daher eine Entscheidung über das Bauansuchen über das nunmehr geänderte zweite Obergeschoß gar nicht möglich ist. Es kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass die von der Berufungsbehörde erteilte Baubewilligung unter Missachtung von Abstandsvorschriften erfolgt sei.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060049.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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