TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/4 VGW-151/090/16715/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §2 Abs2
NAG §2 Abs3
NAG §2 Abs7
NAG §11 Abs1 Z5
NAG §11 Abs2 Z2
NAG §11 Abs2 Z3
NAG §11 Abs2 Z4
NAG §11 Abs5
NAG §63 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Chmielewski über die Beschwerde der Frau A. B., (geb.: 2006, StA: Russische Föderation), vom 6. 12. 2018, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 7. 11. 2018, Zl. …, mit dem der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung Schüler gemäß § 63 NAG abgewiesen wurde, nach einer mündlichen Verhandlung am 30. 1. 2019,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Beschwerdeführerin wird gemäß § 63 NAG eine Aufenthaltsbewilligung Schüler für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin stellte durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter am 21. 9. 2018 einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung Schüler. Dabei legte sie zahlreiche Dokumente vor, um die Erteilungsvoraussetzungen der §§ 11 Abs. 2 und 63 NAG nachzuweisen.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der MA 35 vom 7. 11. 2018, Zahl: … gemäß „§ 63 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 iVm § 21 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 NAG“ abgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Lebensunterhalt nicht als gesichert anzusehen sei. Die Beschwerdeführerin habe zwar ein Konto mit einem Guthaben von € 10.000 vorgelegt, der Nachweis über die Herkunft der Geldmittel könne jedoch nach wie vor als nicht gegeben erachtet werden, „da die diesbezüglich abgegebenen Unterlagen in Ermangelung weiterführender und den behaupteten Sachverhalt stützender Dokumente einer tiefergehenden Authentizitätsprüfung nicht standhalten. Auch sind manche Unterlagen nicht geeignet, der Behörde in plausibler und selbsterklärender Weise zu vermitteln, woher ihr vorgelegtes Sparguthaben tatsächlich resultiert.“

Die in der Stellungnahme gemachten Angaben hinsichtlich der Ein- und Ausreisen der Beschwerdeführerin seien nicht mit entsprechenden Nachweisen untermauert, weshalb die sichtvermerkfreie Zeit nach wie vor nicht berechnet werden könne.

3. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde sich nicht im Klaren sei, ob die Beschwerdeführerin sich zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und somit zur Inlandsantragstellung berechtigt sei. Somit habe die Behörde nicht festgestellt, dass die Inlandsantragstellung unzulässig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe Angaben zu ihren Ein- und Ausreisen gemacht. Aus diesen Angaben sei ersichtlich, dass sie zur visumsfreien Einreise berechtigt sei und sich auch zum Zeitpunkt der Antragstellung und während des Verfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet befunden habe. Sie habe nachgewiesen, dass sie über einen gültigen Aufenthaltstitel in Ungarn verfüge und somit zur visumsfreien Einreise berechtigt sei. Ein- und Ausreisestempel könnten naturgemäß nicht vorgelegt werden, weil es im Schengenraum keine Grenzkontrollen gebe und die Beschwerdeführerin daher die Einreise in das Bundesgebiet von Ungarn aus, und auch die Ausreise, nicht nachweisen könne. Es sei nicht zulässig, Unterlagen wie Nachweise für die Ein- und Ausreise zu verlangen, wenn diese denkunmöglich existieren könnten. Zum Abweisungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes im Bundesgebiet wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin einen Kontoauszug über ein Sparguthaben in der Höhe von € 10.000, über die sie verfüge, vorgelegt habe. Mit der vorgelegten Umsatzliste habe sie nachgewiesen, dass dieser Geldbetrag von ihrem Vater überwiesen worden sei. Zudem habe sie eine Bestätigung vorgelegt, aus der hervorgehe, dass ihr Vater von Jänner 2018 bis August 2018 umgerechnet rund € 29.000 an Einkommen gehabt habe. Auch habe sie die Einkommensteuererklärung ihres Vaters für das Jahr 2017 inklusive Übersetzung vorgelegt. Aus dem bekämpften Bescheid sei nicht ersichtlich, welche konkreten Zweifel die belangte Behörde an der Richtigkeit dieser Dokumente habe. Die MA 35 habe auch nicht ausgeführt, welche Nachweise für die Herkunft der Geldmittel aus ihrer Sicht geeignet gewesen wären. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin sowohl ihr Sparguthaben nachweisen können als auch den Umstand, dass das Geld von ihrem Vater stamme und dieser finanziell in der Lage sei, diesen Betrag zur Verfügung zu stellen.

Die belangte Behörde habe es somit Unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und stütze die Abweisung des Antrags auf bloße Mutmaßungen. Im Bescheid fehlten auch Feststellungen zur Frage, ob die Einreise bzw. der Aufenthalt rechtswidrig gewesen seien.

Vorgebracht wurde zudem, dass die Beschwerdeführerin durch die Abweisung des Antrags ihren Schulbesuch im Bundesgebiet beenden müsste. Dies würde dem Kindeswohl jedenfalls widersprechen, weshalb bereits daraus ersichtlich sei, dass der beantragte Aufenthaltstitel aufgrund von Art. 8 EMRK zu erteilen sei. Ein Wechsel während des Schuljahres wäre für die weitere Entwicklung der Beschwerdeführerin nachteilig. Es bestünde die konkrete Gefahr, dass sie ein Schuljahr wiederholen müsste.

4. Die Beschwerdeführerin wurde vom Verwaltungsgericht aufgefordert, Kontoumsätze seit dem 3. 10. 2018 ihres Sparkontos sowie eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung vorzulegen. Am 25. 1. 2019 langte beim Verwaltungsgericht eine Urkundenvorlage ihres rechtsfreundlichen Vertreters ein, mit der eine Schulbesuchsbestätigung vom 10. 1. 2019 und eine Kontoumsatzliste vom 17. 1 .2019 vorgelegt wurden. Aus der Kontoumsatzliste geht hervor, dass die Beschwerdeführerin die Kontoinhaberin ist und sich auf diesem Konto € 10.000 befinden, wobei dieser Geldbetrag am 3. 10. 2018 von ihrem Vater überwiesen worden ist.

5. Am 30. 1. 2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt an der die belangte Behörde nicht teilnahm.

Der Zeuge C. D. gab an, dass die Familie der Beschwerdeführerin ihn im Sommer 2018 gebeten habe, der Beschwerdeführerin Unterkunft zu geben. Er sei mit der Familie sehr gut befreundet. Im September 2018 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels gestellt. Im August 2018 sei sie ca. eine Woche in Österreich gewesen. Ab Beginn des Schuljahres, im September 2018, sei sie immer unter der Woche bei ihm gewesen. An den Wochenenden sei sie jeweils zu ihren Eltern nach Ungarn gefahren. Von Anfang September bis Mitte Dezember sei sie immer unter der Woche bei ihm gewesen. Auf Vorhalt, dass im ZMR die Abmeldung mit 3. 12. 2018 aufscheine, gab er an, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne und es auch sein könne, dass sie Anfang Dezember ausgereist sei. Ab Anfang Dezember sei sie jeden Tag mit dem Auto von E. in die Schule gefahren worden. Sie sei seit Mitte Jänner wieder (bei ihm) gemeldet und wohne wieder bei ihm. An den Wochenenden fahre sie zu ihren Eltern nach E.. Von Anfang September 2018 bis jetzt sei sie ungefähr 2 Wochen krank gewesen und in der Zeit in Ungarn geblieben.

Über Befragung des Vertreters der Beschwerdeführerin gab der Zeuge an, dass sie Ende Oktober 2018 in den Schulferien eine Woche in Ungarn gewesen sei.

Am Ende der Verhandlung wurde mit dem Vertreter erörtert, wie das Pendeln der Beschwerdeführerin zwischen ihrem Wohnsitz in Ungarn und der Schule in Österreich zu werten sei. Dazu brachte der Vertreter vor, dass tägliches Pendeln nicht als Aufenthalt im Bundesgebiet gewertet werde, weil ein Wohnsitz im Ausland keine Grundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels sein könne. Es wäre nach dem NAG nicht möglich, eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler zu erteilen, wenn der Schulbesuch im Inland erfolge, aber der Wohnsitz im Ausland verbleibe. Daraus sei in Umkehr zu schließen, dass Aufenthalte für einige Stunden nicht als Aufenthalt zu werten seien. Das NAG setze immer einen Aufenthalt im Bundesgebiet für die Erteilung eines Aufenthaltstitels voraus.

Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist 2006 geboren und ordentliche Schülerin einer Privatschule in Österreich mit Öffentlichkeitsrecht.

Sie ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und hat einen ungarischen Aufenthaltstitel, der bis zum 26. 9. 2020 gültig ist.

Die vorgelegte Wohnrechtsvereinbarung zwischen ihr und Herrn C. D. (dem Zeugen) vom 26. 9. 2018 vermittelt ihr bis 31. 8. 2020 einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft. Diese Wohnung hat eine Größe von 96,5 m² und besteht aus 4 Wohnräumen. Sie wird gegenwärtig, inklusive der Beschwerdeführerin, von vier Personen bewohnt.

Die Beschwerdeführerin hat eine Krankenversicherung der F. Versicherungen AG vorgelegt (Tarifbezeichnung …), die auf unbestimmte Dauer abgeschlossen ist.

Der vorgelegte Kontoauszug vom 17. 1. 2019 weist einen Betrag von € 10.000 auf. Aus dem Kontoauszug geht hervor, dass die Unterhaltsmittel vom Vater der Beschwerdeführerin stammen. Zudem wurde eine tschechische Einkommensteuererklärung aus dem Jahr 2017 des Vaters, samt beglaubigter Übersetzung ins Deutsche, vorgelegt.

Im August 2018 war die Beschwerdeführerin ungefähr eine Woche in Österreich. Ab Beginn des Schuljahres Anfang September 2018 bis 3. 12. 2018 wohnte sie von Montag bis Freitag bei ihrem Unterkunftgeber in Wien. An den Wochenenden ist sie jeweils zu ihren Eltern nach Ungarn gefahren.

Ab dem 4. 12. 2018 ist sie jeden Tag mit dem Auto von E. in die Schule in Wien gefahren worden. Sie ist seit 11. 1. 2019 wieder bei ihrem Unterkunftgeber in Wien gemeldet und wohnt dort. An den Wochenenden fährt sie nach E. zu ihren Eltern. In den Schulferien war sie Ende Oktober eine Woche in Ungarn. Von Anfang September 2018 bis 30. 1. 2019 war sie ungefähr zwei Wochen krank und ist bei ihren Eltern in Ungarn geblieben.

Somit hat die Beschwerdeführerin sich zum Entscheidungszeitpunkt in den letzten 180 Tagen weniger als 90 Tage im Bundesgebiet aufgehalten, wenn man das Pendeln von E. nach Wien, zwischen 4. 12. 2018 und dem 11. 1. 2019, um die Schule zu besuchen und dann wieder zu ihren Eltern nach E. zurückzukehren, nicht als Aufenthalt im Bundesgebiet ansieht.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf dem verwaltungsbehördlichen Akt und der Urkundenvorlage des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 25. 1. 2019. Aus dieser geht insbesondere hervor, dass die Beschwerdeführerin aktuell über ein Sparguthaben von € 10.000 verfügt, welches von ihrem Vater stammt. Angesichts der vorgelegten tschechischen Einkommensteuererklärung des Vaters aus dem Jahr 2017 samt beglaubigter Übersetzung ins Deutsche bestehen für das Verwaltungsgericht keine Zweifel an der Herkunft der Unterhaltsmittel.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin in den letzten 180 Tagen im Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des Zeugen C. D., der der Unterkunftgeber der Beschwerdeführerin und mit ihren Eltern befreundet ist. Der Zeuge hat sich in der Verhandlung als glaubwürdig erwiesen, weil er nicht aus eigenem sondern erst über Befragung Umstände vorbrachte, nämlich die Abwesenheit der Beschwerdeführerin aufgrund von Schulferien Ende Oktober 2018 und aufgrund von Erkrankungen, die bei der Berechnung ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zu ihren Gunsten sprechen. Zudem machte er zunächst von sich aus für die Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Berechnung potenziell nachteilige Angaben, in dem er sagte, dass sie sich bis Mitte Dezember 2018 bei ihm aufgehalten hat und an seiner Wohnadresse gemeldet war. Erst nach Vorhalt der Daten aus dem Zentralen Melderegister, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin bis 3. 12. 2018 in Österreich gemeldet war, korrigierte er seine Angaben, indem er ausführte, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne und es auch möglich sei, dass sie bis 3. 12. 2018 in seiner Wohnung gelebt habe. Diese Umstände zeigen, dass dem Zeugen die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet als relevanter Umstand für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels offenbar nicht bewusst gewesen ist. Daher werden seine auf Vorhalt korrigierten und mit dem Zentralen Melderegister korrespondierenden Angaben sowie seine ergänzenden Angaben zur Abwesenheit der Beschwerdeführerin während der Schulferien Ende Oktober, und während ihrer kurzzeitigen Erkrankungen, den Feststellungen zur Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zugrunde gelegt.

Auch entsprechen die Angaben des Zeugen der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine 12-jährige Minderjährige, wenn sie eine Schule besucht, die nicht am Wohnort ihrer Eltern gelegen ist, sich an den Wochenenden, während Schulferien und im Fall von Erkrankungen bei ihren Eltern, die nicht weit entfernt wohnen, aufhält. Auch aus diesem Grunde sind seine Angaben glaubhaft.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin seit 11. 1. 2019 wieder in Wien gemeldet ist, ergibt sich aus einem eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 4. 2. 2019.

Rechtliche Beurteilung:

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

        1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

        2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;  

3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

        4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

        6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

        1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

        2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

        3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

        4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen

könnte;

[…]      

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

 

Schüler

§ 63. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

        1. ordentliche Schüler einer öffentlichen Schule sind;

        2. ordentliche Schüler einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht sind;

        3. Schüler einer Statutschule mit Öffentlichkeitsrecht nach § 14 Abs. 2  lit. b des

Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962, sind;

        4. Schüler einer zertifizierten nichtschulischen Bildungseinrichtung sind (§ 70);

        5. außerordentliche Schüler einer Schule nach Z 1, 2 oder 6 sind, soweit es sich um die erstmalige Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung handelt, oder

        6. Schüler einer Privatschule sind, für die im vorangegangenen Schuljahr das Öffentlichkeitsrecht verliehen und nicht gemäß § 16 Abs. 1 des Privatschulgesetzes entzogen worden ist sowie für das laufende Schuljahr um die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes angesucht wurde. Eine Haftungserklärung ist zulässig.

[…]“

Die Beschwerdeführerin ist ordentliche Schülerin einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht gemäß § 63 Abs. 1 Z 2 NAG.

Die vorgelegte Wohnrechtsvereinbarung vom 26. 9. 2018 zwischen ihr und dem Zeugen vermittelt ihr bis 31. 8. 2020 einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG. Denn die Unterkunft hat eine Größe von 96,5 m² und besteht aus vier Wohnräumen. Diese wird, inklusive der Beschwerdeführerin, von vier Personen bewohnt.

Die Beschwerdeführerin hat eine Krankenversicherung vorgelegt, die den Vorgaben des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG entspricht. Diese wurde auf unbestimmte Dauer abgeschlossen.

Der vorgelegte Kontoauszug vom 17. 1. 2019 weist einen Betrag von € 10.000 auf, womit der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG führen könnte. Aus dem Kontoauszug geht hervor, dass die Unterhaltsmittel vom Vater der Beschwerdeführerin stammen. Näheres dazu in der Beweiswürdigung.

Der gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG 2005 geforderte Unterhalt darf grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden (Hinweis E vom 9. September 2010, 2008/22/0470). Diese Guthaben dürfen zwar nicht aus illegalen Quellen stammen; wenn die Behörde ausführt, dass die Herkunft des Geldes unbekannt sei, reicht dies allein aber nicht aus, diesen Beträgen die Eigenschaft abzusprechen, zum Unterhalt der Fremden herangezogen werden zu können. (VwGH 18.10.2012, 2011/23/0129).

Die Beschwerdeführerin ist Drittstaatsangehörige und hat einen ungarischen Aufenthaltstitel, der bis zum 26. 9. 2020 gültig ist.

Bei der Frage, ob eine Überschreitung des erlaubten visumsfreien Aufenthalts der Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG zum Entscheidungszeitpunkt vorliegt, ist im konkreten Fall entscheidend, ob das Pendeln der Beschwerdeführerin von E. nach Wien zwischen 4. 12. 2018 (Montag) und dem 11. 1. 2019, um die Schule zu besuchen und dann wieder zu ihren Eltern nach E. zurückzukehren, als Aufenthalt im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG („Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts“) zu werten ist.

Den Legaldefinitionen in § 2 Abs. 1 NAG ist dazu keine Antwort zu entnehmen, weil der Begriff Aufenthalt dort nicht definiert wird.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts kann der gegenständliche Sachverhalt auch nicht unter § 2 Abs. 7 NAG subsumiert werden, weil diese Norm offenbar kurzfristige Aufenthalte im Sinne von Urlauben oder längeren Besuchen von Familienangehörigen (vgl. VwGH 20.08.2013, 2012/22/0122), nicht jedoch das Pendeln, somit die Einreise für einige Stunden und Ausreise noch am gleichen Tag, erfasst.

§ 2 Abs. 2 NAG definiert die Niederlassung und § 2 Abs. 3 NAG unterscheidet lediglich den Aufenthalt aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung von der Niederlassung. Somit ist auch aus diesen Normen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Antwort auf die Frage, wann ein Aufenthalt im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG vorliegt, zu gewinnen.

Das Verfahren ist nach rechtmäßiger Antragstellung und Ablauf des sichtvermerkfreien Zeitraumes im Ausland abzuwarten. Ein Zuwiderhandeln steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels grundsätzlich entgegen, auch wenn zwischenzeitlich eine Ausreise erfolgt ist. (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0177).

Der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG 2005 ist selbst dann erfüllt, wenn der Fremde nach sichtvermerkfreier Einreise rechtmäßig einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellte, die Dauer des erlaubten Aufenthaltes jedoch überschritt und erst zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Bundesgebiet ausreiste. (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0204)

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des VwGH stellt sich somit angesichts des konkreten Sachverhaltes die Frage, ob der erlaubte Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet mit der Verlegung ihres Wohnsitzes zu ihren Eltern ins Ausland ab dem 4. 12. 2018, somit noch bevor sie sich länger als 90 Tage innerhalb von 180 Tagen in Österreich aufgehalten hatte, und dem darauffolgenden Pendeln zum Schulbesuch in Österreich, überschritten ist.

Mangels weiterer gesetzlicher Anhaltspunkte im NAG und dazu ersichtlicher Judikatur kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin zwischen dem 4. 12. 2018 und dem 11. 1. 2019 im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG und der oben dargestellten Judikatur des VwGH einen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, darauf abgestellt werden, wo sie den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hatte.

Für den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in Österreich spricht der regelmäßige Schulbesuch. Für den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in E. spricht, dass dort ihre Eltern leben und sie dort übernachtet hat, somit die weit überwiegende Zeit verbracht hat. Im konkreten Fall der erst 12-jährigen Beschwerdeführerin kommt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes dem Umstand, dass sie dort den Mittelpunkt ihres Familienlebens mit ihren Eltern - als wichtigste Bezugspersonen für Minderjährige wie die Beschwerdeführerin - hatte, vorrangige Bedeutung zu. Daher hatte sie im Zeitraum zwischen dem 4. 12. 2018 und dem 11. 1. 2019 den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen nicht in Österreich. Daraus ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes zu schließen, dass sie in dieser Zeit auch nicht einen Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG sowie im Sinne der dargestellten Judikatur des VwGH hatte.

Daher ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes zum Entscheidungszeitpunkt der erlaubte Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet noch nicht überschritten und der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG nicht gegeben.

Somit ist spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Frage der Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung fehlt, was unter einem Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG zu verstehen ist, und ob das Pendeln aus dem Ausland in das Bundesgebiet zum Zweck des Schulbesuchs einen solchen Aufenthalt darstellt.

Schlagworte

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen; erlaubter visumsfreier Aufenthalt iSd. § 11 Abs. 1 Z 5 NAG; Überschreitung; Aufenthalt; Mittelpunkt der Lebensbeziehungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.090.16715.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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