TE Bvwg Beschluss 2018/12/6 W128 2197652-3

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
RATG Anl.1 TP9 Z1 litb
RATG §23
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8a
ZPO §64

Spruch

W128 2197652-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über den Antrag vom 02.10.2018 von RA Mag. XXXX auf Erstattung von Barauslagen und Fahrtkosten aus Amtsgeldern im Rahmen der im Verfahren Zl. W128 2197652-2 geleisteten Verfahrenshilfe beschlossen:

A.) Der Antrag wird abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Beschluss vom 11.07.2018, Zl. W128 2197652-1/4E, gab das BVwG einem Antrag von Frau Hristina STOYKOVA, gesetzlich vertreten durch Planetka SIMEONOVA, vom 07.06.2018 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Beschwerdeverfahrens gegen einen Bescheid betreffend Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs des Landesschulrates für Niederösterreich vom 27.04.2018, Zl. SPF-WY/908/4-2018, gem. § 8a Abs 1 VwGVG statt und bewilligte die Verfahrenshilfe.

2. Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 20.7.2018, Zl VZ18/0483 wurde der nunmehrige Antragsteller zum Vertreter in oben bezeichneter Angelegenheit bestellt.

3. Mit, in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 verkündetem, Erkenntnis vom 11.10.2018, Zl. W128 2197652-1/8E (gekürzte Ausfertigung), wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab.

4. Mit Schriftsatz vom 02.10.201 stellte der Antragsteller den Antrag, "näher aufgeschlüsselte Fahrtkosten für die An- und Abreise zur Beschwerdeverhandlung am 26.09.2018 im Ausmaß von € 121,80 zu ersetzen (§ 8a Abs. 2 VwGVG iVm. § 64 Abs. 4 ZPO)" und ersuchte um Überweisung des genannten Betrages auf sein Konto.

5. Am 12.11.2018 wurde dem Antragsteller vom Bundesverwaltungsgericht vorgehalten, dass eine Abfrage des Online-Fahrplans/Routenplaner (https://anachb.vor.at/, Stand 12.11.2018) durch das Bundesverwaltungsgericht ergeben habe, dass der Zeitaufwand für eine einfache Strecke mit einem öffentlichen Verkehrsmittel vom Kanzleisitz zum Bundesverwaltungsgericht keinen Zeitverlust bewirkt hätte. Die Abfrage habe eine Dauer der Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1:28h ergeben, hingegen eine Fahrt mit dem PKW 1:33h.

6. Dazu äußerte sich der Antragsteller bis zum Datum der Beschlussfassung nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zuspruch der Barauslagen bzw. Fahrtkosten

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Besondere rechtliche Grundlagen

§ 8a VwGVG lautet auszugsweise:

Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

[...]

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

§ 64 ZPO lautet auszugsweise:

§ 64. (1) Die Verfahrenshilfe kann für einen bestimmten Rechtsstreit

und ein nach Abschluss des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgenden Begünstigungen umfassen:

1. die einstweilige Befreiung von der Entrichtung

[...]

f) der notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind; [...] die unter den Buchstaben b bis e und die unter diesem Buchstaben genannten Kosten, Gebühren und Auslagen werden vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt;

[...]

§ 23 RATG lautet auszugsweise:

Einheitssatz für Nebenleistungen

§ 23. (1) Bei Entlohnung von Leistungen, die unter die Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, gebührt an Stelle aller unter die Tarifposten 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und an Stelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz.

[...]

Tarifpost 9 des RATG lautet auszugsweise:

Bei Vornahme von Geschäften in gerichtlichen Verfahren außerhalb des Ortes, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, gebühren außer der Entlohnung für die Vornahme des Geschäftes folgende Reisekosten und Entschädigung für Zeitversäumnis, wenn der Ort der Geschäftsvornahme vom Ort, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, mehr als zwei Kilometer entfernt ist:

1. als Reisekosten

a) die Kosten der Beförderung mit einem Massenbeförderungsmittel (Eisenbahn, Straßenbahn, Autobus, Schiff, Flugzeug u. dgl.); einem Rechtsanwalt oder einem Rechtsanwaltsanwärter gebührt für Strecken, die er mit der Eisenbahn, mit einem Schiff oder mit einem Flugzeug zurücklegt, die Vergütung für die höchste, einem anderen Bediensteten des Rechtsanwaltes für die nächstniedrigere tatsächlich geführte Klasse;

b) sofern ein Massenbeförderungsmittel überhaupt oder ohne bedeutenden Zeitverlust nicht benützt werden kann, die Vergütung für ein Kraftfahrzeug (Wagen);

[...]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Gem. § 8a Abs 2 VwGVG sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe grundsätzlich nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen. Nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO umfasst die Verfahrenshilfe unter anderem die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der notwendigen Barauslagen, die von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt gemacht worden sind, wobei die diesbezüglichen Kosten bzw. Auslagen vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt werden.

Klar erkennbarer Zweck von § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO ist, dass sowohl die Partei, als auch insbesondere der ihr zur Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt von der Tragung dieser Kosten (die Partei im Zivilverfahren jedenfalls einstweilen) befreit sein sollen (vgl. etwa AnwBl 1997/7307 mit Hinweisen auf die diesbezüglich ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte). Der Verfahrenshelfer hat somit Anspruch auf Zuspruch der ihm erwachsenen Barauslagen einschließlich der Fahrtkosten (vgl. etwa explizit das OLG Wien vom 21.5.2002, Zl. 15R49/02i).

Diese - ständige - Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO hat nach Auffassung des BVwG auch gegenständlich zur Anwendung zu gelangen, da § 8a Abs 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe explizit auf die ZPO verweist.

Nicht verkannt wird, dass der VwGH mit (einem einzigen) Erkenntnis vom 30.1.2006 - in Zusammenhang mit einer Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen - ausgesprochen hat, dass der Verfahrenshelfer keinen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen bzw. Fahrtkosten hat, zumal diese bereits mit dem Einheitssatz nach § 23 RATG abgegolten seien, sodass ein entsprechender Entlohnungsanspruch entfalle (VwGH vom 30.1.2006, Zl. 2004/09/0136). Allerdings erklären die Zivilgerichte eine derartige Auffassung in ständiger Rechtsprechung explizit für unzutreffend, vgl. etwa das OLG Wien vom 21.5.2002, Zl. 15R49/02i: "Gemäß § 23 Abs 1 RATG gebührt dem Rechtsanwalt bei Entlohnung von Leistungen, die unter die TP 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, anstelle aller unter die TP 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und anstelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz. Diese Vorschrift gilt jedoch, was das Erstgericht übersehen hat, im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem bevollmächtigten Rechtsanwalt (sofern nicht eine Einzelverrechnung nach § 23 Abs 2 RATG vereinbart wird) sowie bei der Bestimmung der vom Prozessgegner zu ersetzenden Kosten (§ 1 Abs 2 RATG). Sie hat jedoch nichts mit der Frage der notwendigen Barauslagen des Verfahrensfehlers zu tun, welche nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO vorläufig aus Amtsgeldern zu berichtigen sind. Als solche kommen auch solche Auslagen in Betracht, die nach § 23 Abs 1 RATG durch den Einheitssatz abgedeckt wären (AnwBl 1997/7307)."

Hält man sich vor Augen, dass der seinerzeit vom VwGH zu beurteilende § 51a VStG betreffend die Verfahrenshilfe keinerlei Verweis auf die ZPO enthielt, während hingegen nunmehr § 8a Abs 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe explizit auf die ZPO verweist, so kann hier nach Auffassung des BVwG nur die ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO maßgeblich sein.

Der Antragsteller hat somit dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz seiner Barauslagen einschließlich Fahrtkosten.

Allerdings ist der vom Antragsteller konkret geltend gemachte Anspruch zu beanstanden: So hat er den Ersatz seiner Fahrtkosten auf Kilometergeldbasis beantragt, wobei Tarifpost 9 Z 1 lit b RATG einen solchen nur dann vorsieht, wenn ein Massenbeförderungsmittel überhaupt oder ohne bedeutenden Zeitverlust nicht benützt werden kann (vgl. auch VwGH vom 30.01.2006, 2004/09/0136). Eine Abfrage eines Online-Fahrplanes/Routenplaners durch das BVwG hat ergeben, dass der Zeitaufwand für eine einfache Strecke mit einem öffentlichen Verkehrsmittel vom Kanzleisitz des Antragstellers zum Hauptsitz des BVwG 1:28h betragen würde, hingegen die Fahrtdauer mit dem PKW 1:33h; die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels hätte somit sogar einen geringfügigen Zeitgewinn bewirkt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die vom Antragsteller angegebenen Kilometer um 3 Kilometer geringer ausfallen, als die vom Routenplaner ausgegebenen.

Zu einem entsprechenden Vorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes hat sich der Antragsteller nicht geäußert.

Der Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten in Form von Kilometergeld war daher abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist zulässig, da - wie dargestellt - zwar eine einheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte besteht, wonach aus § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO abzuleiten ist, dass der Verfahrenshelfer den Ersatz der ihm erwachsenen Barauslagen einschließlich Fahrtkosten geltend machen kann, auch wenn diese nach § 23 Abs 1 RATG durch den Einheitssatz abgedeckt wären. Allerdings hat der VwGH mit (einem einzigen) Erkenntnis vom 30.1.2006 - in Zusammenhang mit einer Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen - ausgesprochen, dass der Verfahrenshelfer keinen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen bzw. Fahrtkosten hat, zumal diese bereits mit dem Einheitssatz nach § 23 RATG abgegolten sind (VwGH vom 30.1.2006, Zl. 2004/09/0136). Durch den nunmehrigen ausdrücklichen Verweis des § 8a Abs 2 VwGVG hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe auf die ZPO ist nach Auffassung des BVwG zwar die Heranziehung der Rechtsprechung der Zivilgerichte naheliegend, allerdings fehlt diesbezüglich eine Rechtsprechung des VwGH.

Schlagworte

Barauslagen, Erstattungsantrag, Fahrtkostenersatz, Kilometergeld,
Massenbeförderungsmittel, Verfahrenshelfer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W128.2197652.3.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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