TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/10 96/21/0382

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Veröffentlicht am 10.06.1999
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

61989CJ0192 Sevince VORAB;
61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AsylG 1991 §7;
AufG 1992;
AuslBG;
FrG 1993 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftsführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der Z G, (geboren am 5. November 1953), in St. Pölten-Unterradlberg, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wienerstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. März 1996, Zl. Fr 3309/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 14. März 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, die Beschwerdeführerin sei am 17. März 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Sie habe am 19. März 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Melk einen Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens gestellt, wobei dieses Verfahren mit Bescheid vom 13. Mai 1992 negativ entschieden worden sei. Dieser Bescheid sei mit 10. Juni 1994 rechtskräftig geworden, da die Beschwerdeführerin ihren Berufungsantrag zurückgezogen habe. Sie halte sich daher seit 10. Juni 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei als Erstantrag angesehen worden und sie verfüge daher über keine gültige Aufenthaltsberechtigung. Am 31. Mai 1995 habe das Amt der niederösterreichischen Landesregierung der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung derzeit in Ermangelung freier Quotenplätze bis auf weiteres aufgeschoben werde. Im Hinblick auf den Schutz ihres Privat- und Familienlebens gemäß § 19 FrG sei erwogen worden, dass die Beschwerdeführerin seit 17. März 1992 ständig in Österreich lebe, eine Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes St. Pölten (gültig bis 14. April 1996) habe und derzeit auch bei einer Firma beschäftigt sei, jedoch auf Grund mangelnder Aufenthaltsbewilligung nicht berechtigt sei, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Die Eltern und der Sohn der Beschwerdeführerin würden im Ausland leben. Im Rahmen der ihr obliegenden Verpflichtung zur Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden öffentlichen und privaten Interessen sei die Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, dass selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von emimentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Da somit sämtliche Tatbestandsmerkmale der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erfüllt seien, habe die Behörde die Ausweisung zu verfügen gehabt. Eine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet sei der Beschwerdeführerin dadurch nicht verwehrt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen. Nach letzterer Bestimmung ist eine Ausweisung, durch die in das Privat- oder Familienleben des betroffenen Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 17 Abs. 4 FrG ist über eine Ausweisung erst nach Erledigung eines Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu entscheiden, wenn der Behörde im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung auf ihr Befragen bekannt wird, dass der Fremde einen solchen Antrag rechtzeitig gestellt hat.

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, sie hätte auf den Beschluss Nr. 1/80 des "Assoziationsrates EWG-Türkei" Bedacht nehmen müssen. Sie sei seit dem 19. Dezember 1992 in Österreich ununterbrochen einer Beschäftigung nachgegangen und besitze eine bis zum 14. April 1996 gültige Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes St. Pölten.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Auf ein Aufenthaltsrecht gemäß der - von der Beschwerdeführerin offensichtlich angesprochenen - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Assoziationsratbeschluss Nr. 1/80 EWG-Türkei können sich nämlich nur solche türkische Arbeitnehmer berufen, die zunächst während der in dieser Bestimmung angeführten Zeiträume von ein, drei oder vier Jahren auf die dort näher umschriebene Weise ordnungsgemäß beschäftigt waren. Dies setzt - wie der EuGH in seinem Urteil vom 20. September 1990 in der Rechtssache C 192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, RdNr. 30, ausgeführt hat - "eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus" (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 6. Juni 1995 in der Rechtssache C 434/93, Bozkurt, Slg. 1995, I-1492, RdNr. 26). Während der in Art. 6 Abs. 1 leg. cit. genannten Zeiträume muss somit sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers in Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zl. 96/21/0806). Da sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt, in dem durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (1. Jänner 1995) der Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei Nr. 1/80 für sie hätte wirksam werden können, nicht in Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften in Österreich aufhielt, war schon aus diesem Grund die Anwendung der genannten Bestimmung ausgeschlossen. Auch die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 kann - abgesehen davon, dass eine solche im Fall der Beschwerdeführerin bereits vor dem 1. Jänner 1995 geendet hätte - eine "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses nicht begründen (vgl. auch dazu das genannte hg. Erkenntnis vom 6. November 1998).

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil sie am 9. November 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht habe und dieser mit Bescheid des "Amtes der niederösterreichischen Landesregierung" vom 21. März 1994 zurückgewiesen worden sei. Der dagegen erhobenen Berufung sei stattgegeben und der Bescheid aufgehoben worden. Die Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sei bis auf weiteres aufgeschoben worden, da keine freien Quotenplätze zur Verfügung stünden. Auf Grund des § 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, sei sie berechtigt, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise aus dem Inland zu stellen. Ihre illegale Einreise könne ihr nicht als Sichtvermerksversagungsgrund entgegengehalten werden. Nach § 1 Z. 4 der genannten Verordnung seien auch Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei, von der festgelegten Zahl von Bewilligungen ausgenommen, was auf die Beschwerdeführerin (sie verfüge über eine bis zum 14. April 1996 gültige Arbeiterlaubnis des Arbeitsamtes St. Pölten) zutreffe. Es hätte daher der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden müssen und in weiterer Folge hätte die belangte Behörde auf Grund der geänderten Gesetzeslage die Ausweisung aufheben müssen.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die von der Beschwerde damit angesprochene Bestimmung des § 17 Abs 4 FrG kommt entgegen der Beschwerdemeinung nämlich deshalb nicht zum Tragen, weil diese Norm einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz voraussetzt. Eine solche Verlängerung kommt nur in Frage, wenn eine Bewilligung gemäß diesem Gesetz bereits vorliegt. Nach der diesbezüglich unbestrittenen Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jedoch zu keinem Zeitpunkt über eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz oder über eine andere, einer Verlängerung im Sinn des § 6 Abs. 3 AufG zugänglichen Berechtigung zum Aufenthalt (§ 13 Abs. 1 AufG). Bei dieser Sach- und Rechtslage kam eine Anwendung des § 17 Abs. 4 FrG nicht in Betracht. Soweit die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid weitere Argumente für die Stattgebung ihres Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ins Treffen führt, spricht dies nicht gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Ausweisung im Grund des § 17 FrG.

Die Ausweisung der Beschwerdeführerin ist daher - vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit gemäß § 19 FrG - nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Auch im Hinblick auf die nach § 19 FrG gebotene Berücksichtigung der privaten und familiären Interessen des betroffenen Fremden zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens (somit zur Erreichung eines der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele) dringend geboten sei, begegnet keinem Einwand, hat doch die Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften durch ihren schon etwa zweijährigen unerlaubten Aufenthalt - bei einer noch keineswegs langen Aufenthaltsdauer von insgesamt vier Jahren - erheblich beeinträchtigt. Auch dass die Beschwerdeführerin seit Dezember 1992 einer Beschäftigung nachgeht, vermag daran nichts zu ändern, zumal diese Beschäftigung teilweise in die Zeit ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes fällt. Das Gewicht ihrer privaten und familiären Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erscheint auch deswegen nicht stark ausgeprägt, weil sich unbestritten sowohl ihre Eltern als auch ihr Sohn nicht im Bundesgebiet aufhalten, und die Beschwerdeführerin keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet geltend gemacht hat.

Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, sie sei gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, berechtigt, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise aus dem Inland zu stellen, lässt dies ihre Ausweisung auch im Licht des § 19 FrG schon deswegen nicht als rechtswidrig erscheinen, weil die zuerst genannte Bestimmung nur solche Fremde zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Inland aus berechtigt, "die eine Aufenthaltsbewilligung hatten", welche Voraussetzung bei der Beschwerdeführerin unbestritten nicht erfüllt ist. Dasselbe gilt auch für den Einwand der Beschwerdeführerin, sie wäre - bei der Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz - im Grund des § 1 Z. 4 der genannten Verordnung von der Anrechnung auf die in der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1023/1994 festgelegten Zahl von Bewilligungen ausgenommen.

Schließlich würde es auch dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn die Beschwerdeführerin, die bloß auf Grund einer durch einen - im Ergebnis - unberechtigten Asylantrag erlangten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Erfüllung der für dessen Rechtmäßigkeit erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen erzwingen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zlen. 95/18/0326, 0327).

Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Juni 1999

Gerichtsentscheidung

EuGH 689J0192 Sevince VORAB;
EuGH 693J0434 Ahmet Bozkurt VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210382.X00

Im RIS seit

02.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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