TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2019/07/0001

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
WRG 1959 §21a Abs1;
WRG 1959 §21a Abs3;
WRG 1959 §21a;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/07/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revisionen der Landeshauptfrau von Niederösterreich 1) als belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (Zl. Ra 2019/07/0001) und

2) als wasserwirtschaftliches Planungsorgan (Zl. Ra 2019/07/0002) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Oktober 2018, Zl. LVwG-AV-844/001-2014, betreffend ein Verfahren nach § 21a WRG 1959 (mitbeteiligte Parteien: 1) Wasserwerksgenossenschaft "A", 2) S Wasserwerksgenossenschaft,

3) Wehrverband H, 4) W Wassergenossenschaft und 5) L GmbH, alle vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 9. Juli 2001 wurde den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien und der Rechtsvorgängerin der fünftmitbeteiligten Partei als Betreiberinnen von Ausleitungskraftwerken an der T auf § 21a WRG 1959 gestützte Aufträge erteilt, um an jeweils örtlich festgelegten Wehranlagen eine dauernde Restwasserabgabe von zumindest 2 m3/s ab 1. Jänner 2004 sicherzustellen.

2 Gegen diesen Bescheid erhoben alle Verpflichteten Berufung an das damalige Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW).

3 Die Berufungen blieben unerledigt; das an die Stelle des BMLFUW getretene Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) setzte das Ermittlungsverfahren durch die Beischaffung von Unterlagen, Einholung von fachlichen Stellungnahmen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung fort.

4 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 23. Oktober 2018 änderte das LVwG den Bescheid des LH dahingehend ab, dass den mitbeteiligten Parteien (im Ergebnis) eine Restwasserabgabe von 10 % der natürlichen Wasserführung und zumindest 500 l/s vorgeschrieben wurde.

5 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 6 Soweit im vorliegenden Fall von Interesse, wurde seitens

des LVwG festgestellt, dass seit der Erlassung des Bescheides des LH verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustandes gesetzt worden seien. Neben der Errichtung von Fischaufstiegshilfen erfolge eine freiwillige Restwasserabgabe an den in Rede stehenden Wehranlagen gemäß einer zwischen den erstbis drittmitbeteiligten Parteien, dem Fischereirevierverband A sowie dem T-Wasserverband (in weiterer Folge: Wasserverband) abgeschlossenen Vereinbarung. Diese diene der Ermöglichung eines mit Bescheid des LH vom 2. September 2015 dem Wasserverband bewilligten wasserwirtschaftlichen Versuches.

7 Dieser Versuch umfasse eine morphologische Umgestaltung der Versuchsstrecke, eines etwa 3,7 km langen Abschnittes der T (Flusskilometer 20,953 bis 24,700), und eine dynamische Dotierung der Versuchsstrecke über die Wehranlagen in A bzw. in S mit 10 % des Abflusses, wenigstens aber mit 500 l/s. Die Durchführung dieses Versuches, der bis etwa ins Jahr 2022 dauern solle, lasse nähere Erkenntnisse über die Erreichbarkeit des Zielzustandes und der dafür erforderlichen Maßnahmen, insbesondere der hiefür erforderlichen Restwassermenge erwarten. Ob bereits mit der dem Versuch zugrunde liegenden Wasserabgabe das Auslangen gefunden werde oder ob es - zusätzlich zu anderen gewässermorphologischen Maßnahmen - einer höheren Restwasserabgabe bedürfen werde, lasse sich derzeit noch nicht mit Sicherheit prognostizieren.

8 Unabhängig von der Frage, ob sich der Zielzustand unter den dem Versuch zugrunde liegenden Rahmenbedingungen erreichen lasse und ob dieser im guten Zustand bzw. beim guten ökologischen Potenzial liegen müsste, bedeute die Abgabe einer gesicherten Restwassermenge, wie sie derzeit bereits ohne wasserrechtliche Verpflichtung dazu erfolge, eine deutliche Verbesserung der Gewässersituation. Auf Grund der bereits vorliegenden Erfahrungen sei davon auszugehen, dass es deshalb zu keinem großräumigen Fischsterben, bedingt durch die geringe Wasserführung, mehr kommen werde und sich der fischökologische Zustand bereits (um eine Stufe) verbessert habe bzw. verbessern werde. Es sei davon auszugehen, dass diese Verbesserungen, soweit sie durch die erhöhte Wasserführung bedingt seien, auch außerhalb der Versuchsstrecke positive Auswirkungen zeigten (zB Vermeidung von Fischsterben).

9 Weiters wurde festgestellt, dass die Notwendigkeit der Setzung von Maßnahmen an der T, sowohl auf der Seite der Gewässermorphologie als auch in Bezug auf die Restwasserführung, ebenso unstrittig sei wie die von den Verfahrensparteien anerkannte Verhältnismäßigkeit des damit verbundenen Eingriffs in bestehende Rechte.

10 Aus rechtlicher Sicht führte das LVwG mit näherer Begründung und Hinweisen auf die Rechtsprechung aus, es lägen unstrittig die Voraussetzungen für einen Eingriff in die Rechte der mitbeteiligten Parteien vor.

11 Die Situation stelle sich - im Gegensatz zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des LH - für das LVwG so dar, dass gegenwärtig ein wasserwirtschaftlicher Versuch im Gange sei, welcher - angesichts der Erprobung in der Praxis - mit hoher Wahrscheinlichkeit Aussagen über die zur Zielerreichung erforderlichen Maßnahmen erwarten lasse, wogegen der LH auf eine - freilich fachlich zweifellos fundierte - Prognose angewiesen gewesen sei. (Erst) die Ergebnisse der Versuches würden nach Einschätzung des LVwG eine endgültige Aussage über die zur Zielerreichung im Sinne des § 30a Abs. 1 WRG 1959 erforderlichen Maßnahmen und damit - weil diese sich absehbar nicht auf die bloße Erhöhung der in der T fließenden Wassermenge beschränken würden - über die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes erlauben. Das Gericht halte es daher - auch angesichts der vom LH erteilten Genehmigung für den Versuch - für geboten, auf diesen Rücksicht zu nehmen. Es stelle sich die Frage, ob das Gericht das erst in mehreren Jahren zu erwartende Ergebnis abwarten dürfe bzw. solle oder ob auf Basis des gegenwärtigen gesicherten Wissenstandes eine Entscheidung ergehen solle, etwa indem von der Möglichkeit einer schrittweisen Vorgangsweise nach § 21a Abs. 3 lit. c WRG 1959 in der Weise Gebrauch gemacht werde, dass ein Eingriff in die bestehenden Rechte erfolge, der bereits nach gegenwärtigem Kenntnisstand sowohl (wenigstens) einen Beitrag zur Zielerreichung leiste als auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trage.

12 Aus den nachstehenden Erwägungen habe sich das LVwG für Letzteres entschieden, indem die vom LH vorgeschriebene Restwasserabgabe von jeweils 2 m3/s an den jeweiligen Wehranlagen spruchgemäß durch einen (jedenfalls im Rahmen des gegenständlichen Abspruches) gelinderen Eingriff ersetzt werde, der zum einen eine zur Erhaltung des Fischbestandes erforderliche Mindestwasserführung von wenigstens 500 l/s sicherstelle und zum anderen dem in § 13 QZV Ökologie OG zum Ausdruck kommenden Ziel einer Dynamisierung ("im zeitlichen Verlauf im Wesentlichen der natürlichen Abflussdynamik des Gewässers" folgend) Rechnung trage.

13 Seit der verwaltungsbehördlichen Entscheidung seien nicht nur mehr als 17 Jahre vergangen, in denen gesetzliche Maßnahmen zur Implementierung der Wasser-Rahmenrichtlinie getroffen worden seien, sondern habe sich durch mehrere Bescheide der Wasserrechtsbehörden auch der rechtliche Rahmen teilweise verändert. So sei der wasserwirtschaftliche Versuch genehmigt worden, der zumindest auch das Ziel verfolge, mit einer geringeren Restwassermenge als den ursprünglich in Aussicht genommenen 2 m3/s das Auslangen zu finden. Dieses Versuchsziele könnten allerdings nicht erreicht werden, sollten die mitbeteiligten Parteien verpflichtet werden, sofort eine höhere Wassermenge abzugeben, wenigstens soweit davon die Versuchsstrecke betroffen wäre.

14 Auf der Sachverhaltsebene erscheine nach der im gerichtlichen Verfahren von fachkundiger Seite übereinstimmend geäußerten Einschätzung die Erreichung des Zielzustandes (wenigstens des guten ökologischen Potentials) mit der dem Versuch zugrundeliegenden Wassermenge nicht ausgeschlossen. Zutreffend sei auch darauf hingewiesen worden, dass bereits der Verfasser des gewässerökologischen Gutachtens, auf das sich der Bescheid des LH hauptsächlich gestützt habe, die Durchführung eines Versuchs als das in erster Linie zu wählende Mittel zur Bestimmung der notwendigen Restwassermenge bezeichnet habe.

15 Zusammenfassend ergebe sich daher, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs feststehe, dass es jedenfalls der vom LH bestimmten Wassermenge bedürfe, um das aus § 30a Abs. 1 WRG 1959 iVm § 13 QZV Ökologie OG resultierende Ziel zu erreichen, und dass die vom LH vorgenommen Eingriffe das gelindeste zum Ziel führende Mittel im Sinne des § 21a Abs. 3 lit b WRG 1959 darstellten; dies ganz abgesehen von den der behördlichen Entscheidung zugrundeliegenden Verhältnismäßigkeitserwägungen, welche schon angesichts der seither verstrichenen Zeit einer Überprüfung auf Aktualität erfordert hätten.

16 Angesichts dieser Unwägbarkeiten erscheine es gerechtfertigt, die Bestimmung des § 21a Abs. 3 lit. c WRG 1959 anzuwenden, wobei der gegenständliche Schritt eine dauernde Einschränkung des Ausmaßes der Wasserbenutzung im Rahmen der bestehenden Wasserrechte vorsehe, welche einerseits zur Zielerreichung zumindest erforderlich sei und andererseits für sich allein bereits jedenfalls positive Effekte zeitigte. Ob darauf noch weitere Schritte folgen müssten, die sich auf die Restwasserabgabe bezögen, ober ob mit der gewählten Restwassermenge grundsätzlich das Auslangen gefunden werde und die gewässerökologischen Defizite durch Änderungen an der Gewässerstruktur ausgeglichen werden könnten, lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus der Sicht des LVwG noch nicht mit hinreichender Gewissheit voraussagen. Dessen bedürfe es auch nicht, sei doch der Entscheidung eine Prognose zum heutigen Zeitpunkt zugrunde zu legen.

17 Diese Vorgangsweise erlaube es, den geplanten wasserwirtschaftlichen Versuch mit der geplanten Wassermenge durchzuführen - indem die Dotationsmenge nunmehr analog zu jener der Versuchsanordnung festgelegt werde - und damit zuverlässige Erkenntnisse über die notwendigen Maßnahmen zu gewinnen, was einer Entscheidung auf Grund einer bloßen Prognose vorzuziehen sei. Im Hinblick auf die bisherige Gesamtdauer des Verfahrens scheine auch das Abwarten der für die Versuchsdurchführung erforderlichen Zeit noch vertretbar.

18 Da diese Entscheidung an die Stelle des angefochtenen Bescheides trete, werde die bescheid- und damit beschwerdegegenständliche Verwaltungssache hiermit vollständig erledigt. Allfällige weitere Schritte im Sinne des § 21a Abs. 3 lit. c WRG 1959 seien von den jeweils zuständigen Wasserrechtsbehörden zu treffen.

19 Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision heißt es, im vorliegenden Zusammenhang sei es - trotz der Komplexität der Fallkonstellation - um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur hinreichend geklärten Rechtslage auf einen Einzelfall gegangen. Die Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei damit nicht verbunden gewesen, sodass die ordentliche Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG) gegen diese Entscheidung nicht zulässig sei.

20 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen der Landeshauptfrau von Niederösterreich zum einen als belangte Behörde im Verfahren vor dem LVwG (Ra 2019/07/0001) und zum anderen als wasserwirtschaftliches Planungsorgan (Ra 2019/07/0002).

21 In beiden, zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Revisionen macht die Revisionswerberin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

22 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

23 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

24 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

25 Die Zulässigkeit der diesbezüglich inhaltlich übereinstimmenden Revisionen wird mit zwei rechtlichen Aspekten des vorliegenden Falles begründet, denen nach Ansicht der Revisionswerberin grundsätzliche Bedeutung zukäme:

26 Zum einen bestehe eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, ob sich das LVwG seiner aus § 17 VwGVG in Verbindung mit § 37 AVG ergebenden Ermittlungsaufgabe dadurch entledigen dürfe, dass es lediglich auf einen Teil eines nach § 56 WRG 1959 bewilligten wasserwirtschaftlichen Versuches (dh auf die dort vorgesehene Restwasserdotation) rekurriere und eine damit übereinstimmende Restwasserabgabe von bloß 10 % des Abflusses bzw. mindestens 500 l/s vorschreibe. Sei es zulässig, die Sache jenes Auftragsverfahrens, welches zum Bescheid des LH aus 2001 geführt habe, dadurch zu erledigen, dass eine dem "kleinsten gemeinsamen Nenner" entsprechende Restwasserabgabe vorgeschrieben werde, weil die mitbeteiligten Parteien einen wasserwirtschaftlichen Versuch bewilligt bekommen hätten? Zum Verhältnis zwischen einem gewässerpolizeilichen Auftragsverfahren nach § 21a WRG 1959 und einem wasserwirtschaftlichen Versuchskonsens nach § 56 WRG 1959 fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

27 Zum anderen habe das LVwG § 21a Abs. 3 lit c WRG 1959 dahingehend ausgelegt, dass in einer ersten Näherung 10 % des Abflusses bzw. mindestens 500 l/s Restwasserdotation als verhältnismäßige Vorschreibung angesehen worden sei; dieser Anordnung könnten weitere behördliche Anordnungen in stufenweiser Vorgangsweise folgen. Demgegenüber könne man § 21a Abs. 3 lit c WRG 1959 aber auch so auslegen, dass eine Dotierung im Ausmaß von 2 m3/s, entsprechend zeitlich gestaffelt, vorgeschrieben werde. Zu dieser Rechtsfrage - dem Verhältnis zwischen dem Sanierungsziel einerseits und nacheinander vorzuschreibenden Eingriffen andererseits - liege ebenfalls keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

28 Nach § 21a WRG 1959 hat die Behörde dann, wenn sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme (§ 55d) ergibt, dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

29 Das gesamte Verfahren nach § 21a WRG 1959 hat zum Ziel, einen rechtskräftig bestehenden Konsens abzuändern, wenn öffentliche Interessen trotz Einhaltung des Konsenses nicht hinreichend geschützt sind. Um dieses Ziel zu erreichen, beinhaltet § 21a WRG 1959 mehrere Möglichkeiten. So kann auf dieser Rechtsgrundlage unmittelbar in die bestehenden Bewilligungsbescheide eingegriffen werden, indem andere oder zusätzliche Auflagen vorgeschrieben, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer eingeschränkt oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer untersagt wird. Gleichermaßen ist ein mehrstufiges Verfahren möglich, in dem Anpassungsziele festgelegt und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufgetragen werden (VwGH 26.3.2015, Ro 2014/07/0095).

30 Die Bestimmung des § 21a WRG 1959 bietet einer Behörde daher einen breit gespannten Handlungsspielraum möglicher Eingriffe in rechtskräftige Bescheide. Dem § 21a Abs. 1 leg. cit. sind zwar keine Kriterien zu entnehmen, nach denen zwischen diesen Möglichkeiten zu wählen wäre. Aus Abs. 3 ergibt sich jedoch, dass nur das gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen ist und dass verschiedene Eingriffe auch nacheinander vorgeschrieben werden können. Die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung von Sachverhalten, die eine Vorgangsweise nach dieser Bestimmung notwendig machen, steht einer einengenden Interpretation der durch § 21a Abs. 1 WRG 1959 eröffneten Auswahl und Kombination der dort genannten Maßnahmentypen entgegen. Ob aber tatsächlich Maßnahmen nach § 21a WRG 1959 vorzuschreiben sind und gegebenenfalls welche Maßnahmen in welcher Form bescheidmäßig verfügt werden, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden.

31 Einer Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B-VG kommt aber nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 3.9.2018, Ra 2018/04/0145, mwN). Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 27.4.2017, Ro 2017/07/0007).

32 Es ist nicht erkennbar, dass die im vorliegenden Fall vom LVwG getroffene und detailliert begründete Vorgangsweise nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage oder vor dem Hintergrund der Rechtsprechung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre.

33 Wenn die Revisionswerberin meint, das LVwG habe sich seiner Ermittlungsaufgaben entledigt, weil es sich maßgeblich vom wasserwirtschaftlichen Versuch leiten habe lassen und die vorgeschriebene Maßnahme darauf abgestimmt habe, so spricht es damit fallbezogen die Frage der Relevanz eines wasserwirtschaftlichen Versuches und dessen ungestörter Durchführung vor dem Hintergrund notwendiger Vorschreibungen nach § 21a WRG 1959 an.

34 Die Berücksichtigung der Begleitumstände eines laufenden wasserwirtschaftlichen Versuches nach § 56 WRG 1959, dessen Ergebnisse seinerseits in Bezug auf allfällige weitere Schritte nach § 21a WRG 1959 eine wertvolle Entscheidungshilfe bieten könnten, erscheint bei der Gestaltung einer Maßnahme nach § 21a WRG 1959 aber jedenfalls vertretbar. Dies auch deshalb, weil das LVwG - mit dem gebotenen Blick auf die Verhältnismäßigkeit der Vorschreibung von Maßnahmen - betonte, dass die Ergebnisse dieses Versuches auch aufzeigen könnten, dass danach keine weitergehenden Maßnahmen und damit keine weitergehenden Eingriffe in bestehende Rechte mehr notwendig wären.

35 Auch das von der Revisionswerberin angesprochene Verhältnis zwischen dem zu erreichenden Sanierungsziel einerseits und nacheinander vorzuschreibenden Eingriffen andererseits ist stets im Einzelfall zu beurteilen. Dabei macht es in Hinblick auf die hier in den Blick zu nehmende rechtliche Vertretbarkeit der konkret gewählten Vorgangsweise vor dem Hintergrund des § 21a Abs. 3 lit. c WRG 1959 keinen relevanten Unterschied, ob eine Staffelung notwendiger Schritte in hintereinander ergehenden getrennten Bescheiden erfolgt (die konkrete Vorgangsweise des LVwG eröffnet für den Fall der Nichterreichung des Sanierungszieles diese Möglichkeit) oder ob diese Staffelung in einem einzigen entsprechend formulierten Bescheid vorgenommen wird.

36 Angesichts dessen, dass die vorliegende einzelfallbezogene Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, erweisen sich die Revisionen als unzulässig.

37 Die Revisionen waren somit zurückzuweisen. Auf die seitens der Revisionswerberin aufgeworfene Frage ihrer Revisionsbefugnis als wasserwirtschaftliches Planungsorgan war daher nicht weiter einzugehen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019070001.L00

Im RIS seit

22.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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