TE Vwgh Beschluss 1999/6/15 99/05/0120

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Veröffentlicht am 15.06.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §45 Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/05/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über den Antrag des Helmut und der Anna Maria Zörrer in Steyr, vertreten durch

Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 12, auf Wiederaufnahme des durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1999, Zl. 99/05/0010, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Laussa, vertreten durch den Bürgermeister), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 45 VwGG stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 25. Jänner 1999 die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den ihnen am 14. Dezember 1998 zugestellten Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 10. Dezember 1998, Zl. BauR-012118/3-1998/PE/Vi, erhoben. Der deutlich mittels Freistempelmaschine aufgedruckte Absendetag lautete auf den 26. Jänner 1999.

Mit Beschluss vom 23. März 1999 hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen und ausgeführt, dass, bezogen auf den 14. Dezember 1998, die erst am 26. Jänner 1999 zur Post gegebene Beschwerde nach Ablauf der sechswöchigen Frist des § 26 VwGG eingebracht worden sei. Die Angabe des Zustelldatums mit 14. Dezember 1998 habe auch auf keinem Irrtum beruht, da die Zweitbeschwerdeführerin laut den bei der belangten Behörde einliegenden Rückscheinen den angefochtenen Bescheid persönlich am 14. Dezember 1998 übernommen habe, und zwar eine Ausfertigung des Bescheides für sich selbst und die andere Ausfertigung für ihren Ehemann.

Mit Eingabe vom 28. Mai 1999 haben die Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, in eventu einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Zur Begründung führten sie aus, der Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1999 sei dem bevollmächtigten Beschwerdevertreter am 14. Mai 1999 zugestellt worden. Dieser habe noch am selben Tag den Post-Aufgabeschein ausgehoben und vom geltend gemachten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt. Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag sei somit rechtzeitig. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes stütze sich offensichtlich auf das am Kuvert mittels Freistempelmaschine aufgedruckte Absendedatum, das tatsächlich auf den 26. Jänner 1999 laute. Dieser Datumsaufdruck stamme von der in der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters eingesetzten Freistempelmaschine, die - aufgrund einer nicht mehr genau eruierbaren Fehlfunktion - noch vor 24 Uhr des 25.1.1999 auf das Datum 26.1.1999 umgestellt haben dürfte. Tatsächlich sei die Bescheidbeschwerde rechtzeitig, nämlich am 25. Jänner 1999 von der Kanzleiangestellten K.W. gegen 23 Uhr zur Post gegeben worden; zum Beleg hiefür wurde der unterfertigte und mit dem Poststempel des Postamtes 4020 Linz vom 25. Jänner 1999 versehene Aufgabeschein (Aufgabenummer 784384) sowie die eidesstättige Erklärung der K.W. vorgelegt. Nach dieser Erklärung habe K.W. unmittelbar nach Fertigstellung und Abstempelung mit der in Kanzlei verwendeten Freistempelmaschine am 23. Jänner 1999 gegen 23 Uhr persönlich beim Postamt 4020 Linz-Donau die Beschwerde aufgegeben. Der Grund für die Unrichtigkeit des von der Frankiermaschine am Kuvert aufgedruckten Aufgabedatums sei für die Kanzleiangestellte nicht nachvollziehbar, doch dürfte dieser vermutlich auf eine technische Fehlfunktion der Freistempelmaschine zurückzuführen sein. Ein derartiger Fehlaufdruck sei während ihrer neunjährigen Tätigkeit bei der Anwaltskanzlei noch nie vorgekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die in dem vorgelegten Aufgabeschein eingetragene Aufgabenummer (784384) mit jener ident ist, die auf dem Kuvert aufscheint, mit dem die Beschwerde eingebracht wurde. Auf diesem Aufgabeschein ist deutlich zu erkennen, dass die Postaufgabe am 25. Jänner 1999 beim Postamt 4020 Linz-Donau erfolgte.

Ein Irrtum des Gerichtshofes liegt immer schon dann vor, wenn der Sachverhalt, von welchem er ausgeht, mit dem in der Realität vorliegenden Sachverhalt nicht übereinstimmt, fallbezogen, wenn seine Annahme, die Beschwerde sei verspätet, nicht zutrifft (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 24. November 1998, Zl. 96/08/0406, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Eine davon zu trennende Frage ist aber, von wem dieser Irrtum herbeigeführt wurde, da er - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - nicht von der Partei verschuldet gewesen sein darf. Verschulden bedeutet die Verletzung eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit ..., welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann (§ 1297 ABGB), wobei leichte Fahrlässigkeit genügt. Auch ist das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist die mangelnde Kontrolle des Datums, das die Freistempelmaschine auf dem Kuvert aufgedruckt hat, dann nicht einmal als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren, wenn die Handhabung der Freistempelmaschine durch eine Kanzleiangestellte erfolgte, die auf eine langjährige Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei zurückblicken kann und der ein derartiger Fehlaufdruck bislang noch nie unterlaufen ist. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, am Inhalt der eidesstättigen Erklärung der K.W., wonach sie seit neun Jahren bei der einschreitenden Anwaltskanzlei beschäftigt und ihr ein derartiger Fehlaufdruck noch nie untergekommen sei, zu zweifeln.

Da der beschwerdeführenden Partei zu der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. März 1999 angenommen Verspätung der Beschwerde kein Parteiengehör gewährt wurde, und dieser Beschluss - wie sich nunmehr herausstellt - auf einer Sachverhaltsannahme beruht, deren Unrichtigkeit im Falle der Gewährung von Parteiengehör zutage getreten wäre, war der antragstellenden Partei die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen.

Bei dieser Sachlage erweist sich der in eventu eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand als gegenstandslos.

Wien, am 15. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999050120.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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