TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/30 Ro 2018/03/0053

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Index

16/02 Rundfunk;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ORF-G 2001 §14 Abs1;
ORF-G 2001 §15 Abs2;
ORF-G 2001 §38 Abs1 Z2;
VStG §22;
VStG §5 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2018/03/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision 1.) des Dr. K K, LL.M und

2.) des Österreichischen Rundfunks, beide in W, beide vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2018, Zlen. W271 2196047-1/9E und W 271 2196195-1/9E, betreffend Übertretungen des ORF-Gesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Punkte 1.3. und 4. des Tatvorwurfes im Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens samt dem darauf bezogenen Haftungsausspruch nach § 9 Abs. 7 VStG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (KommAustria) vom 11. April 2018 wurde dem Erstrevisionswerber Folgendes zur Last gelegt:

"Sie haben als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 120/2016, bestellter verantwortlicher Beauftragter für Übertretungen des Österreichischen Rundfunks nach § 38 Abs. 1 Z 2 ORF-Gesetz (ORF-G), BGBl. Nr. 379/1984 idF BGBl. I Nr. 120/2016, in 1136 Wien, Würzburggasse 30, zu verantworten, dass im Zuge der am 07.04.2016 von ca. 06:05 Uhr bis ca. 08:59 Uhr im Fernsehprogramm ORF 2 des Österreichischen Rundfunks ausgestrahlten Sendung ‚Guten Morgen Österreich'

1. diese Fernsehsendung

1.1. durch die Ausstrahlung von Werbespots für

1.1.1. ‚V' um ca. 06:59 Uhr,

1.1.2. ‚A' um ca. 07:05 Uhr,

1.1.3. ‚V' um ca. 07:59 Uhr, und 1.1.4. ‚A' um ca. 08:05 Uhr,

1.2. durch die Ausstrahlung von werblich gestalteten

Sponsorhinweisen jeweils für das Produkt ‚D'

1.2.1. um ca. 06:29 Uhr,

1.2.2. um ca. 07:29 Uhr und 1.2.3. um ca. 08:29 Uhr, sowie

1.3. durch die Ausstrahlung von Werbung für die ‚O'

1.3.1. um ca. 06:19 Uhr und 1.3.2. um ca. 08:34 Uhr

jeweils durch Werbung unterbrochen wurde,

2. die durch den Hersteller des Produkts ‚D' gesponserte Sendung weder an ihrem Anfang um ca. 06:05 Uhr noch an ihrem Ende um ca. 08:59 Uhr als gesponsert gekennzeichnet wurde,

3. während der Sendung Sponsorhinweise in Form von

Logoeinblendungen ausgestrahlt wurden, und zwar

3.1. von ca. 06:59:16 bis 06.59:36 Uhr und 3.2. von ca. 07:59:03 bis 07:59:23 Uhr

jeweils für (...),

4. Werbung für die Zeitschrift ‚O' ausgestrahlt wurde, und zwar

4.1. um ca. 06:19 Uhr und 4.2. um ca. 08:34 Uhr,

die an ihrem Anfang sowie an ihrem Ende nicht von anderen Programmteilen durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig getrennt war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Zu 1.: jeweils § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 15 Abs. 2 erster Satz ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG

Zu 2.: § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 17 Abs. 1 Z 2 erster Satz ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG

Zu 3.: § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 17 Abs. 1 Z 2 zweiter Satz ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG

Zu 4.: jeweils § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie

folgende Strafe verhängt:

Gelstrafe

von Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

gemäß

1.1.1.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.1.2.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.1.3.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.1.4.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.2.1.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.2.2.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.2.3.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.3.1.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

1.3.2.

2.000,-

1 Tag

-

(...)

2.

1.500,-

12 Stunden

-

(...)

3.1.

4.000,-

2 Tage

-

(...)

3.2.

4.000,-

2 Tage

-

(...)

4.1.

1.500,-

12 Stunden

-

(...)

4.2.

1.500,-

12 Stunden

-

(...)

Allfällige weitere Aussprüche (...):

Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haftet der Österreichische Rundfunk für die verhängte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

(...)

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 33.550,- Euro."

3 B. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (VwG) der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien insoweit Folge, als es hinsichtlich der Spruchpunkte 1.1., 1.2., und 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nur mehr von jeweils einer Verwaltungsübertretung ausging, somit hinsichtlich Punkt 1.1. eine Geldstrafe von EUR 6.400,- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage), hinsichtlich Punkt 1.2. eine Geldstrafe von EUR 4.800,-

(Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) und hinsichtlich Punkt 3. eine Geldstrafe von EUR 6.400,- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängte, sowie die übrigen verhängten Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) und den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens reduzierte (Spruchpunkt A.). Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei (Spruchpunkt B).

4 Hinsichtlich der Erfüllung des objektiven Tatbestandes führte das VwG aus, dass vom ORF von ca. 06:00 bis 09:00 ein "Flächenprogramm" unter dem Titel "Guten Morgen Österreich" ausgestrahlt werde, welches etwa zu jeder halben und vollen Stunde durch eine wenige Minuten dauernde "Zeit im Bild"-Sendung unterbrochen werde. Das Programm "Guten Morgen Österreich" sei als einheitliche Sendung zu beurteilen und führte dazu begründend zusammengefasst aus, dass eine einheitliche Sendung dadurch charakterisiert sei, dass ihre Teile - ausgehend vom Blickwinkel des durchschnittlichen aufmerksamen und informierten Zusehers - in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang stünden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Sendung "Kärnten Heute" als Einheit mit dem anschließenden Wetterbericht beurteilt. Bei dieser Beurteilung sei insbesondere der einleitende Überblick über die Sendungsthemen, zu denen auch der Wetterbericht gehöre, hervorgehoben worden. Folge man diesem aus Gesetz, Erläuterungen und Judikatur vorgezeichneten Rahmen, so handle es sich bei den drei Sendestunden von "Guten Morgen Österreich" um eine einheitliche Sendung mit - lediglich teilweise - wiederkehrenden Elementen. So trage bereits die Sendeuhr die Überschrift "Guten Morgen Österreich, MO FR 06:00 09:00" Uhr, was den Eindruck erwecke, dass der ORF bereits bei der Programmgestaltung davon ausgegangen sei, dass lediglich eine Sendung bestehend aus drei Sendestunden mit ähnlichen Programmelementen vorliege. Auch nachfolgend dargelegte Gründe sprächen für das Vorliegen einer einheitlichen Sendung: Gegen Ende der "Zeit im Bild" um ca. 06:05 Uhr werde "Guten Morgen Österreich" damit angekündigt, dass das Moderationsduo heute Station in der Gemeinde K mache. Nach einer Begrüßung "aus dem schönen K" sei ein Kurzüberblick über aktuelle Themen erfolgt, wobei diese Themen durch die drei Sendestunden mit wechselnder Zusammensetzung von Studiogästen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus erörtert worden seien. Die Gespräche würden zum Teil durch Bezugnahmen auf jeweils vorangegangene Gesprächsinhalte aufeinander aufbauen, sodass ein zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang der Sendestunden bereits durch die wiederkehrende Behandlung der an diesem Tag in "Guten Morgen Österreich" behandelten Leitthemen klar erkennbar sei. Noch deutlicher zeige sich dieser Zusammenhang am Ende des von "Guten Morgen Österreich" durchgeführten "Ringkampfes": Um etwa 06:11 Uhr weise die Moderatorin auf die "besonders sportliche Aktion" des "Frühstücks" hin und kündige an, dass "am Ende unserer Sendung um ca. 8 Uhr 45" ein kleines Ringerduell stattfinden würde. Auch um 06:26 Uhr werde noch einmal darauf Bezug genommen, die Moderatorin weise auch in der zweiten Sendestunde mehrfach auf den bevorstehenden Ringerkampf hin. Das wiederholte Hinweisen auf den Ringkampf, die wiederholte Erwähnung des Zeitpunkts und das Nahen des Ringkampfs in allen drei Sendungsstunden baue einen Spannungsbogen auf, der einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den drei Sendungsstunden deutlich mache. Weiters gäbe es zwischen den Sendungsteilen keine Verabschiedung. Vielmehr lasse die Moderatorin erwarten, dass die Sendung nach einem kurzen Unterbrechen fortgesetzt werde und erfolge eine Verabschiedung erst gegen Ende der drei Stunden um 08:55 Uhr. Auch die Unterbrechung durch die als eigene Sendung zu qualifizierende "Zeit im Bild" sei nicht derart, dass damit der zeitliche, inhaltliche und strukturelle Zusammenhang der einzelnen Sende(halb)stunden von "Guten Morgen Österreich" durchbrochen werde. Aus alledem ergebe sich, dass es sich bei der inkriminierten Sendung "Guten Morgen Österreich" um eine einheitliche Sendung nach § 1a Z 5 lit. a ORF-G handle, möge sie auch aus mehreren Sendungsteilen bestehen. Der Erstrevisionswerber habe daher unter näherer Begründung den objektiven Tatbestand der ihm im erstinstanzlichen Straferkenntnis vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen erfüllt. So habe der ORF (unter anderem) sowohl durch die Ausstrahlung der als Werbung zu qualifizierenden Präsentation der O zu zwei Zeitpunkten während der Sendung "Guten Morgen Österreich" als auch durch Unterlassen einer optischen, akustischen oder räumlichen Trennung von anderen Programmteilen vor und nach dieser Werbung gegen das ORF-G verstoßen (Spruchpunkte 1.3. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses). Zum Vorliegen der subjektiven Tatseite führte das VwG zusammengefasst aus, dass den Erstrevisionswerber an den Verwaltungsübertretungen ein Verschulden treffe, weil es sich dabei um Ungehorsamsdelikte handle, bei welchen gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Vermutung eines Verschuldens in Form fahrlässigen Verhaltens des Täters bestehe, welche von ihm aber widerlegt werden könne. Mit näherer Begründung kam das VwG zum Ergebnis, dass das vom Erstrevisionswerber geltend gemachte Regel- und Kontrollsystem nicht vorliege und daher ein Verschulden des Erstrevisionswerbers in Form von Fahrlässigkeit gegeben sei. Weiters beurteilte das VwG die in den Spruchpunkten 1.3. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses genannten einzelnen Handlungen als die Verwirklichung einzelner Delikte. Hinsichtlich des Spruchpunktes 1.3. führt das VwG aus, dass die Begehungsumstände und äußeren Begleitumstände nicht miteinander vergleichbar seien, weil die erste Präsentation der O innerhalb und die zweite Präsentation außerhalb des Sendungs-Studios erfolgt sei. Auch die von der Moderatorin zur Präsentation gesprochenen Texte würden sich deutlich voneinander unterscheiden. Weiters erfolge die Präsentation zu ganz unterschiedlichen Zeiten, ferner sei auch ein zeitlicher Zusammenhang wegen des Auseinanderliegens der Präsentationen von über zwei Stunden nicht zu erkennen. In einer Gesamtschau liege daher im Zusammenhang mit der zweifachen Unterbrechung der Sendung durch die werbliche Präsentation der O keine tatbestandliche Handlungseinheit vor. Hinsichtlich Spruchpunkt 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses könne eine tatbestandliche Handlungseinheit nur insoweit angenommen werden, als die unterlassene Trennung vor und nach der jeweiligen Präsentation der O vom redaktionellen Programm sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Begehungs- und Begleitumstände zusammenhänge. Die zu Spruchpunkt 1.3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten Überlegungen würden jedoch auch für die zwei eigenständigen Verstöße des ORF-G durch die unterlassene Trennung der Werbung für die O gelten. Die Verstöße nach den Spruchpunkten 1.3. und 4. seien daher jeweils gesondert zu bestrafen, diesbezüglich seien damit insgesamt vier Strafen zu verhängen. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung zur tatbestandlichen Handlungseinheit bezüglich der Verstöße gegen § 14 Abs. 1 zweiter Satz und § 15 Abs. 2 erster Satz ORF-G durch die Bewerbung der O fehle.

5 C. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision. In deren Zulässigkeitsbegründung wird zusammengefasst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen innerhalb eines Flächenprogrammes ausgestrahlte Sendungen als eigenständige Sendungen anzusehen seien, sowie weiters zur Frage, ob und in welchem Maße die bestehende Spruchpraxis zu "Flächenprogrammen" im Bereich des Hörfunks generell auf TV-Formate wie das gegenständliche Anwendung finde. Weiters sei das VwG hinsichtlich der Spruchpunkte 1.3. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "fortgesetzten Delikt" abgewichen, weil gleichartige Einzelhandlungen gegen dieselbe Rechtsvorschrift vorlägen, welche aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Tatbestandselementen der Handlungseinheit als fortgesetztes Delikt zu beurteilen seien.

6 Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

7 II. Rechtslage

8 A. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des ORF-Gesetzes, BGBl. Nr. 379/1984 idF BGBl. I Nr. 50/2010 (ORF-G), lauten (auszugsweise):

"Fernseh- und Hörfunkwerbung, Werbezeiten

§ 14. (1) Werbung muss leicht als solche erkennbar und somit vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. Sie ist durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Programmteilen zu trennen.

...

Unterbrecherwerbung

§ 15.

...

(2) Das Unterbrechen von Fernsehsendungen in Programmen nach § 3 durch Werbung ist mit Ausnahme der folgenden beiden Sätze unzulässig. Bei Sportsendungen, die aus eigenständigen Teilen bestehen, darf die Werbung nur zwischen die eigenständigen Teile eingefügt werden, wobei die Sportsendung für jeden vollen Zeitraum von 15 Minuten (berechnet nach der programmierten Sendedauer der Sendung ohne Einrechnung der Dauer der Werbung) einmal unterbrochen werden darf und innerhalb jeder vom Beginn der Sendung an gerechneten vollen Stunde höchstens vier Unterbrechungen zulässig sind. Bei Sportübertragungen und Sendungen über ähnlich strukturierte Ereignisse und Darbietungen mit Pausen darf die Werbung nur in die Pausen eingefügt werden.

...

Verwaltungsstrafen

§ 38. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer - soweit die nachfolgend genannten Bestimmungen auf seine Tätigkeit Anwendung finden - nach diesem Bundesgesetz ein Programm veranstaltet, einen Abrufdienst anbietet oder sonst ein Online-Angebot bereitstellt und dabei

...

2. § 13 Abs. 4, § 13 Abs. 1 bis 6, § 14 Abs. 1, 3 bis 5 und 9 oder den §§ 15 bis 17 zuwiderhandelt;

..."

9 B. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (in dieser Fassung § 5), idF BGBl I Nr. 3/2008 (§ 9) lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

...

Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9.

...

(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand."

10 III. Erwägungen

11 A. Der Revisionswerber hat auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 31.1.2017, 2017/03/0001, und VwGH 24.4.2018, Ro 2018/03/0002). Die Revision erweist sich angesichts der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgezeigten Abweichung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig und begründet.

12 B. Zunächst wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hinsichtlich des Revisionsvorbringens betreffend die Beurteilung des Programms "Guten Morgen Österreich" als eigenständige Sendungen iSd § 1a Z 5 lit. a ORF-G auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ro 2018/03/0055, verwiesen.

13 Ausgehend davon ist das VwG nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abgewichen, wenn es das aus mehreren Sendungsteilen bestehende Programm "Guten Morgen Österreich" als einheitliche Sendung beurteilte und demzufolge die objektiven Tatbestände der im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannten Verwaltungsübertretungen als erfüllt ansah. Weshalb die subjektive Tatseite vom Erstrevisionswerber nicht erfüllt worden wäre, wird in der Revision nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich. Derart liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Haftung des ORF gemäß § 9 Abs. 7 VStG vor.

14 C. Dennoch ist die Revision mit Erfolg beschieden. Mit der Beurteilung der Verwaltungsübertretungen hinsichtlich der Werbung für die O in den Spruchpunkten 1.3. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als einzelne Handlungen und damit als einzelne Delikte ist das VwG (wie die Revision aufzeigt) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

15 Das VwG geht von einer fahrlässigen Begehung der Taten durch den Erstrevisionswerber gemäß § 5 Abs. 1 VStG aus. Der Verwaltungsgerichtshof kam in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 2017, Ra 2016/03/0108, zum Ergebnis, dass im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz - nach Maßgabe der jeweiligen Eigenart des betroffenen Deliktes - im Verwaltungsstrafrecht sowohl die einfache Tatbestandsverwirklichung (also die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten) als auch die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs (also die nur quantitative Steigerung (einheitliches Unrecht) bei einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden), sowie schließlich die fortlaufende Tatbestandsverwirklichung (also die Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage) als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilt werden kann (vgl. auch VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052).

16 Der hier zweitgenannte Fall der wiederholten Tatbestandsverwirklichung liegt dann vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie einer diesbezüglichen gesamtheitlichen Sorgfaltswidrigkeit des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einer tatbestandlichen Handlungseinheit sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt weiters im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. nochmals VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052).

17 Der Anfechtungsumfang umfasst im gegenständlichen Fall zwei unterschiedliche Übertretungen, die dem Erstrevisionswerber vorgeworfen werden (vgl. oben Rz 2 f). Das ihm in den Punkten 1.3. und 4. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses vorgeworfene Fehlverhalten wurde unstrittig am 7. April 2016 in der Zeit von ca. 06:05 Uhr bis ca. 08:59 Uhr im Fernsehprogramm ORF 2 gesetzt.

18 Aufgrund des eindeutig erkennbaren Gesamtkonzeptes des Erstrevisionswerbers, die Werbung für die O während der Sendung "Guten Morgen Österreich" auszustrahlen und diese nicht durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Programmteilen zu trennen, der daraus abzuleitenden gesamteinheitlichen Sorgfaltswidrigkeit, sowie wegen des zeitlichen Zusammenhangs (die Präsentationen für die O wurden im Abstand von etwa 2 Stunden ausgestrahlt) wären die dabei verwirklichten Handlungen im Ergebnis für jeden Punkt (Punkt 1.3. und 4.) jeweils für sich genommen als lediglich eine Tat zu beurteilen gewesen, weshalb über den Revisionswerber nur jeweils eine Strafe zu verhängen gewesen wäre. Dass die Werbung für die O einmal außerhalb und einmal innerhalb des Studios stattfand und mit unterschiedlichen Texten beworben wurde, vermag nichts an der Beurteilung der gesamteinheitlichen Sorgfaltswidrigkeit zu ändern (vgl. idS auch die Entscheidung vom heutigen Tag, Ro 2018/03/0012).

19 Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dieses Ergebnis auch im Einklang mit der vom Gesetzgeber vergleichsweise sehr hoch angesetzten Höchststrafe für die hier begangenen Übertretungen von 58.000 Euro steht (vgl. § 38 Abs. 1 Z 2 ORF-G), wodurch der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit gegeben wird, die Mehrzahl wiederholter Einzelhandlungen in der Strafhöhe zu berücksichtigen (vgl. idS VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108).

20 Der dargelegten Rechtslage hat das VwG nicht entsprochen und insofern seine in Revision gezogene Entscheidung in dem im Spruch genannten Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

21 IV. Ergebnis

22 A. Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

23 B. Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte unterbleiben, zumal die in der angefochtenen Entscheidung getroffene rechtliche Beurteilung - wie dargestellt - von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG). Ferner konnte auch gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das VwG, ein Tribunal iSd EMRK bzw. ein Gericht iSd Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021).

24 C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018030053.J00

Im RIS seit

21.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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