TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/24 96/15/0099

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Veröffentlicht am 24.06.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1151;
EStG 1988 §22;
UStG 1972 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 7. März 1996, Zl. B-A3-8/95, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1992 und 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht als Assistenzarzt an einer Universitätsklinik Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Strittig ist die umsatzsteuerliche Erfassung von Kollegiengeldabgeltungen aus sogenannten nicht remunerierten Lehraufträgen im Ausmaß von sechs Wochenstunden.

Die belangte Behörde wertete wie die Finanzbehörde erster Instanz die Tätigkeit des Beschwerdeführers aus diesen nicht remunerierten Lehraufträgen als selbstständige und einkommen- sowie umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde einleitend darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Lehrbeauftragte an Universitäten und Hochschulen im Regelfall Einkünfte aus selbstständiger Arbeit beziehen würden, weil diese Lehrpersonen nach den Bestimmungen des Universitätsorganisationsgesetzes bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Allgemeinen weisungsfrei seien und sowohl das Ausmaß der für die Vorbereitung der Vorträge aufzuwendenden Zeit als auch der Umfang der zur Erzielung der Einkünfte nötigen Aufwendungen in deren Belieben stünden. Dies gelte auch dann, wenn der Lehrbeauftragte daneben als Universitätsassistent oder -dozent angestellt sei. Eine andere Betrachtung sei möglich, wenn der Lehrbeauftragte bei seiner Tätigkeit fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert und dort gleich den anderen als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig sei. Diese Eingliederung nach der Art eines Dienstnehmers liege vor, wenn das zeitliche Ausmaß der Lehrtätigkeit jener Zeit entspreche, die unselbstständig Erwerbstätige üblicherweise an ihrer Arbeitsstätte verbringen. Anhaltspunkt dafür sei die Anzahl der vereinbarten Wochenstunden, wobei eine Lehrtätigkeit von nur fünf bis acht Wochenstunden noch nicht die für die Annahme eines Dienstverhältnisses erforderliche Bindung an den Institutsbetrieb darstelle. Die Dienstnehmereigenschaft des Beschwerdeführers sei in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, weil eine nichtselbstständige Haupttätigkeit eine selbstständige Nebentätigkeit nicht zwangsläufig überlagere. Auch selbstständig Werktätige seien im Regelfall an ein sachliches Weisungsrecht des Auftraggebers gebunden. Hingegen sei ein persönliches Weisungsrecht durch einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gekennzeichnet. Dass die Lehrtätigkeit während der üblichen Dienstzeit in den Institutsräumen unter Verwendung der zur Verfügung gestellten Lehrmittel ausgeübt werde, begründe eine derartige Abhängigkeit nicht. Sachliche Vorgaben seien letztlich jeder vortragenden bzw. unterrichtenden Tätigkeit immanent und würden nichts über das Vorliegen eines Dienstverhältnisses besagen. Im Vordergrund stehe, inwieweit der Tätige persönlichen Weisungen des Auftraggebers unterliege und ob er bei seiner Tätigkeit ein Unternehmerwagnis zu tragen habe. Aus der Aktenlage sei eine andere Annahme als die einer selbstständigen Lehrbeauftragten-Tätigkeit im Sinn des Universitätsorganisationsgesetzes nicht nachvollziehbar. Universitätsassistenten besäßen eine auf ihre Mitwirkung bei Lehrveranstaltungen bezogene Lehrbefugnis, die das Recht enthalte, die wissenschaftliche Lehre an der Universität mittels universitärer Einrichtungen frei auszuüben. Der Inhalt und die Methode der Lehrtätigkeit seien Lehrbeauftragten nicht vorzugeben. Die geschuldete Leistung bestehe nur in der Abhaltung der mit genauer Stundenanzahl festgelegten Lehrveranstaltungen. Das steuerlich zu beurteilende Entgelt werde somit ausschließlich für eine kraft Gesetzes weisungsfreie Lehrtätigkeit bezahlt, die nur im tatsächlich geleisteten Umfang abgegolten werde. Die Benützung universitärer Einrichtungen vermöge eine wirtschaftliche Abhängigkeit nicht zu begründen. Dass der Beschwerdeführer im Fall der nicht vollständigen Abhaltung von Lehrveranstaltungen eine Aliquotierung hinzunehmen habe, weise auf das Vorliegen eines Unternehmerrisikos hin, das im Rahmen nichtselbstständiger Dienstverhältnisse fehle. Hätte der Gesetzgeber eine einheitliche Rechtsbeziehung für hochschulzugehörige Dienstnehmer mit Lehraufträgen beabsichtigt, wäre die Begründung eines Dienstverhältnisses im Zusammenhang mit Lehrauftragserteilungen im Universitätsorganisationsgesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

An sich zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, dass eine nichtselbstständige Haupttätigkeit eine selbstständige Nebentätigkeit nicht in jedem Fall an sich ziehe und dass Lehrbeauftragte im Hinblick auf ihre verhältnismäßig lose Bindung zur Hochschule in der Regel selbstständig tätig seien (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Kommentar zu § 22/Tz 8 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Wenn allerdings der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschul(Universitäts)instituts eingegliedert und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig sei, liege ein Dienstverhältnis und keine selbstständige Tätigkeit vor.

Die Entscheidung hängt im Beschwerdefall im Bereich des Umsatzsteuerrechts (wie dies im Übrigen auch im Bereich des Einkommensteuerrechts der Fall wäre) von der Frage ab, ob der Beschwerdeführer seine Leistungen als Lehrbeauftragter im Rahmen eines Dienstverhältnisses (als nichtselbstständig Tätiger) oder als selbstständig Tätiger erbrachte, denn es knüpft der Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit u.a. an das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, der Begriff des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht an die selbstständige Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 94/15/0123) an. Wesentliche Merkmale für die Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit sind das Unternehmerwagnis, eine Weisungsgebundenheit, die die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, und eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Sind die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, dass sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterscheiden, so kann steuerlich nicht von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 94/15/0123). Im eben genannten Erkenntnis sprach der Gerichtshof weiters aus, dass sich aus dem Organisationsrecht der Hochschulen für sich allein noch nicht bestimmen lasse, ob abgabenrechtlich eine Tätigkeit als selbstständige oder unselbstständige anzusehen sei. Wie in jenem Erkenntnis hängt auch vorliegend die Beantwortung der Frage nach der Art der strittigen Einkünfte vom Gesamtbild der Verhältnisse im Zusammenhang mit einem Unternehmerwagnis, einer Weisungsgebundenheit und - insbesondere - der organisatorischen Eingliederung in den Institutsbetrieb ab.

Die belangte Behörde legte zwar ihrer Entscheidung offenbar zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in den gegenständlichen Jahren hauptberuflich als Universitätsassistent tätig war, traf jedoch keine ausreichenden Feststellungen zu der oben angeschnittenen Frage einer Eingliederung des Beschwerdeführers in den Institutsbetrieb. Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass eine Lehrverpflichtung von (lediglich) sechs Wochenstunden für sich allein gegen eine feste Eingliederung in den Institutsbetrieb spricht. Dies enthebt sie jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zur Vornahme von Ermittlungen, ob nicht doch hinsichtlich der genannten Tätigkeit eine Eingliederung in den Institutsbetrieb gegeben ist; ob etwa die mit Kollegiengeldern abgegoltenen Lehraufträge unter Anweisung des Institutsvorstands aufzunehmen waren, diese Tätigkeiten innerhalb der Dienstzeit ausgeübt wurden und ob die Durchführung der Lehraufträge zeitlich und räumlich in gleicher Weise an den Institutsrahmen gebunden war, wie die Tätigkeiten anderer Dienstnehmer. In diesem Zusammenhang legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Institutsvorstandes (vom 10. Oktober 1995) vor, deren Inhalt die belangte Behörde mit dem Hinweis abtut, dieser Bestätigung käme nur bedingte Aussagekraft zu, weil der Aussteller dieser Urkunde erst seit 1994 Institutsvorstand sei.

Diesem Verfahrensmangel kommt Relevanz zu, weil im Fall einer Eingliederung des Beschwerdeführers in den Institutsbetrieb seine dort ausgeübte Tätigkeit nicht als selbstständig gewertet werden könnte und bei Betrachtung der gesamten Arbeitsumstände die in Streit stehende Kollegiengeldabgeltung für einen vergleichsweise wenig Zeit in Anspruch nehmenden Lehrauftrag den Charakter einer bloßen Zulage haben könnte. Es ist zwar richtig, dass eine nichtselbstständige Haupttätigkeit eine selbstständige Nebentätigkeit nicht zwangsläufig überlagert, dennoch kann bei einem ausreichend engen Zusammenhang zwischen der Haupttätigkeit und einer daraus resultierenden geringfügigen Nebentätigkeit von einer Selbstständigkeit dieser Nebentätigkeit nicht mehr gesprochen werden.

Indem die belangte Behörde zu diesem Themenkreis keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern sich auf rechtliche Überlegungen zurückgezogen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996150099.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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