TE Vwgh Beschluss 2019/1/23 Ra 2019/19/0009

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Veröffentlicht am 23.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §18;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des S A, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2018, W156 2180977- 1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Januar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, als Soldat für die afghanische Armee gedient zu haben. Nachdem die Taliban einige Posten eingenommen hätten, sei er mit anderen Soldaten in Zivilkleidung geflohen. Er habe zudem Drohbriefe von den Taliban erhalten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. November 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dem Revisionswerber drohe bei Rückkehr weder eine asylrelevante Verfolgung durch staatliche Organe, noch sei es ihm gelungen, eine persönliche Verfolgungsgefahr durch die Taliban in seiner Heimat glaubhaft darzulegen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob und inwieweit "afghanisches nationales Gesetz" bei der Beurteilung einer asylrelevanten Verfolgung und bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr, vor allem in Hinblick auf die innerstaatliche Fluchtalternativen, anzuwenden und einzubeziehen sei. Auch bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Asylrelevanz einer Verfolgung durch staatliche Organe in Folge von "Desertion eines afghanischen Soldaten (im Rang eines Offiziers)".

7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0114, mwN). Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Frage wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. VwGH 9.11.2016, Ra 2016/19/0296, mwN).

8 Dem Revisionswerber ist zunächst entgegenzuhalten, dass bereits hg. Rechtsprechung zur Asylrelevanz von Desertionen besteht (vgl. etwa VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0050; 25.3.2015, Ra 2014/20/0085, mwN). Demnach kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.

Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat geht, haben die Asylbehörde und das Verwaltungsgericht diese von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN). Geht es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern, haben die Asylbehörde und das Verwaltungsgericht von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2015/20/0030; 21.12.2017, Ra 2016/18/0137). Um den Status der Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dazu nicht (vgl. VwGH Ra 2018/20/0314).

9 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung dieser Grundsätze fallbezogen eine staatliche Verfolgung des Revisionswerbers auf Grund seiner Desertion verneint. Es hat sich dabei - ebenso entsprechend der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung - auf die Expertise eines länderkundigen Sachverständigen und auf Länderberichte gestützt.

Mit dem Vorbringen, wonach zu klären sei, wie eine Kumulierung von mehreren Fluchtgründen, nämlich die Verfolgung durch staatliche Organe auf Grund der (dauerhaften) Desertion sowie die Verfolgung durch die Taliban wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Hazara, zu beurteilen sei, zeigt der Revisionswerber nicht auf, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte, zumal er eine Verfolgung durch die Taliban auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit - entgegen den Angaben in der Revision - im Verfahren nicht vorbrachte.

10 Soweit die Revision fehlende Feststellungen in Bezug auf den Dienstgrad des Revisionswerbers und der damit einhergehenden Bestrafung von Desertion sowie in Bezug auf die Verfolgung von Mitgliedern der ethnischen Minderheit der Hazara durch die Taliban rügt, ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann in Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren -

Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0451, mwN).

Dem Zulässigkeitsvorbringen ist eine solche Relevanzdarlegung nicht zu entnehmen. Es wird nicht konkret aufgezeigt, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und zu welchem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis diese geführt hätten.

11 Schließlich richtet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Dazu wird ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht gehe auf Grund des "notorischen Amtswissens" pauschal davon aus, dass den vorgelegten Urkunden ("Drohbriefe") keine Beweiskraft zukomme, ohne sich im Einzelnen mit dem Beweiswert dieser auseinanderzusetzen. Der Revisionswerber übersieht dabei, dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich auf notorisches Amtswissen verwies, sondern auch die beweiswürdigenden Erwägungen des im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachtens des länderkundigen Sachverständigen in seine Beweiswürdigung miteinbezog. Dass die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre, vermag der Revisionswerber mit seinen Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0157, 0158, mwN).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2019

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190009.L00

Im RIS seit

19.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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