TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/6 405-1/366/1/4-2019

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Veröffentlicht am 06.02.2019
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Entscheidungsdatum

06.02.2019

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §39
WRG 1959 §138 Abs1 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Mag. Ulrike Seidel über die gemeinsame Beschwerde von AF und AB AA, beide AE-Weg, AC, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH AH & AG, AI-Straße, LL, gegen den Bescheid der belangten Behörde Bezirkshauptmannschaft MM vom 08.11.2018, Zahl XXX/19-2018,

zu Recht e r k a n n t :

I.1.   Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Die Wasserrechtsbeschwerde/der Antrag von Herrn Dr. AN AM vom 05.09.2018 wird, soweit er sich auf das Grundstück GN ZZZ/4 KG EE bezieht, als unbegründet abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Verfahrensgang

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde AF und AB AA gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 aufgetragen, „das am talseitigen Rand des NN-Weges im Bereich der Grundparzelle ZZZ/4 KG EE, Gemeinde OO-EE, ca. 11,7 m lange aus Rundhölzern errichtete Längsbauwerk zur Ableitung von Oberflächenwässern unverzüglich und zur Gänze zu entfernen und den ursprünglichen Geländezustand im gegenständlichen Bereich wiederherzustellen. Die Entfernung dieses Längsbauwerkes ist der Behörde bis längstens 30.04.2019 unter Vorlage aussagekräftiger Fotos nachzuweisen“.

In der Begründung wurde auf die Wasserrechtsbeschwerde des Grundeigentümers der GN YYY/4 KG EE, Dr. AN AM, verwiesen, das Ergebnis der durchgeführten behördlichen Überprüfung am 17.10.2018 sowie die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 30.10.2018 wörtlich wiedergegeben. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der von den Beschwerdeführern auf Ständern verlegte Baumstamm nicht nur zur optischen Abgrenzung der GN ZZZ/4 diene, sondern durchaus geeignet sei, anfallende Oberflächenwässer von der GN ZZZ/4 KG EE fern zu halten und diese in weiterer Folge über die Straße der Interessentenweggenossenschaft NN abzuleiten. Es könne nicht angehen, „anfallenden Oberflächenwässer nach dem Florianiprinzip vom eigenen Grundstück fernzuhalten und stattdessen auf Grundstücke Dritter abzuleiten“.

Nicht nachvollziehbar bleibe zudem der Antrag der Beschwerdeführer statt der Entfernung des querliegenden Baumstammes dem Inhaber der Anlage „Brückenbauwerk NN-graben“ aufzutragen, den Brückendurchlass ständig zu räumen und den Durchlass zu vergrößern. Dieser Durchlass stehe im Eigentum der Interessentenweg-Genossenschaft NN, deren Mitglieder auch die Beschwerdeführer seien. Es wäre das Naheliegende eine entsprechende Forderung an den eigenen Obmann zu richten. Der Siedlungsbereich NN sei bereits in der Vergangenheit Schauplatz wiederkehrender Gerinneüberbordungen gewesen. Es sei durch die Betroffenen unterlassen worden, Verbauungsmaßnahmen an den vorhandenen Gräben zu initiieren bzw. sei ein Beitritt an die bestehende Genossenschaft konterkariert worden. Es seien keine gesetzlichen Grundlagen vorgesehen, um Eigentümer zur Umsetzung von Maßnahmen zu ihrem eigenen Schutz zu zwingen, sodass es künftig den einzelnen Grundeigentümern obliege, entsprechenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wobei die Ableitung von Wässern zum Nachteil Dritter wohl keine geeignete Maßnahme darstelle. In diesem Sinne sei der Wasserrechtsbeschwerde von Herrn Dr. AM stattgegeben worden.

1.2.

Mit Schriftsatz vom 04.12.2018 wurde rechtsfreundlich vertreten von den Ehegatten AA Beschwerde erhoben und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie eines Ortsaugenscheins beantragt.

Als Beschwerdegründe wurden nach Darlegung des Sachverhalts aus Sicht der Beschwerdeführer und unter Hinweis auf die Lichtbildbeilagen ./2 bis ./10 zusammengefasst vorgebracht, dass Ursache dafür, dass der Brückendurchlass NN-Graben - NN-Weg verklaust sei, eine mangelhafte Räumung gewesen sei. Wegen der Verklausung und wegen des Brückengeländers habe das Wasser nicht wiederum in den NN-Graben fließen können, sondern sei auf die Straße abgelenkt worden. Das Wasser und das Geschiebe hätten sich auf der Straße weiterbewegt, wobei Teile davon unter dem Holzstamm auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer gelangt sei, Teile davon sich auf die talseitigen Grundstücke ausgebreitet hätten. Der Holzstamm sei keine bauliche Herstellung iS des § 38 Abs 1 WRG und sei er weder geeignet, noch habe er tatsächlich die in § 39 WRG beschriebenen Wirkungen dh er sei nicht dafür geeignet, den natürlichen Abfluss des über die Straße fließenden Wassers zum Nachteil des „unteren Grundstückes“ zu ändern. Eine Änderung der Abflussverhältnisse werde auch nicht bei Hochwasserereignissen bewirkt. Das sich auf der Straße ansammelnde Wasser kann ungehindert über die Straße und von der Straße auf das Grundstück der Beschwerdeführer abfließen. Wenn ein Hochwasserereignis wie das 100-jährige Hochwasserereignis vom 23.08.2018 eintrete und sich der Brückendurchlass verklause, könne das Hochwasser über die Straße und soweit die Straße bzw. der bergseitige Straßengrabe das Wasser nicht aufnehmen könne, als Hochwasser über das Grundstück der Beschwerdeführer abfließen. Selbst wenn der Holzstamm eine Ausbreitung des vom Wasser mitgeführten Geschiebes auf das Grundstück der Beschwerdeführer behindert hätte, so wäre damit kein Zuwiderhandeln gegen § 39 WRG verbunden gewesen. § 39 WRG stelle auf das Wasser und nicht auf ein mitgeführtes Geschiebe ab. Die Abflussverhältnisse des Wassers wurden nicht, schon gar nicht zum Nachteil des Grundstückes von Dr. AN AM verändert. Die Voraussetzungen für eine Maßnahme gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG lägen daher nicht vor. Die Verfahrenskosten seien dem Antragsteller nicht aber den Antragsgegnern und nunmehrigen Beschwerdeführern aufzuerlegen. Es wurde die ersatzlose Aufhebung des Bescheides beantragt.

1.3.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 06.12.2018 dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde sowie den Verwaltungsakt gemeinsam mit einer weiteren Beschwerde zur Entscheidung vor.

Am 05.02.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, welche aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam mit dem Beschwerdeverfahren Zl 405-1/365/ 1/3-2019 verhandelt wurde (§ 17 Geo des LVwG Salzburg). Es nahmen der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters, ein Vertreter der Wildbach- und Lawinenverbauung, Vertreter der belangten Behörde sowie Herr Dr. AN AM, welcher die verfahrenseinleitende Wasserrechtsbeschwerde erhoben hat, in Begleitung seines Sohnes teil.

Auf richterliches Befragen führten die Vertreter der belangten Behörde aus, dass die Bestimmung des § 39 WRG nicht angeführt worden sei, da der Sachbearbeiter ein Verfahren nach § 38 WRG führen habe wollen, da die Zaunanlagen im HQ30 errichtet worden seien. Das im Akt aufliegende Foto (SZ 12) sei vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen angefertigt worden, alle übrigen Fotos seien der Behörde zugesandt worden. Warum die Kosten den Beschwerdeführern vorgeschrieben worden seien, könne nicht beantwortet werden. Der von den Beschwerdeführen gestellte Antrag mit Stellungnahme vom 30.10.2018 sei noch offen und werde getrennt von den anhängigen Verfahren bearbeitet. Laut Mitteilung des Obmannes der Weggenossenschaft sei zwischenzeitig eine Räumung durchgeführt worden.

Vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde wird erläutert, dass das Brückenbauwerk laut Information des Obmanns der Weggenossenschaft bereits seit den 1970iger Jahren existiere. Eine Bewilligung für das Brückenbauwerk sei nicht auffindbar, welches vermutlich im Zuge der Wegerrichtung errichtet worden sei. Bereits bei einem HQ30 würde es zu einer namhaften Geschiebemobilisierung kommen bzw. bestehe in dem Bereich ein Gefälleknick. Der natürliche Abfluss würde über die Liegenschaften TT und AA führen. Die Räumung bzw. Instandhaltung der Brücke falle in den Verantwortungsbereich der Interessentenweggenossenschaft, allerdings sei der Bach im Eigentum einzelner Grundeigentümer. Die Möglichkeiten der Behörde hinsichtlich eines Auftrages einer verpflichtenden Räumung seien sehr eingeschränkt.

Vom Vertreter der WLV wird bestätigt, dass der NN-graben im Zuständigkeitsbereich der WLV liege und sich dieser im Gefahrenzonenplan der WLV befinde. Es sei immer wieder zu Verklausungen gekommen bzw. sei es nach Berichten der Wegeobmänner immer wieder in dem Bereich zu Anlandungen gekommen. Eine Verbauung sei grundsätzlich denkbar, allerdings sei Voraussetzung, dass die Betroffenen Mitglieder der bestehenden Genossenschaft in OO-EE würden und von dieser Seite eine Initiative komme.

Von Herrn Dr. AM wird ausgeführt, dass es in der Dimension wie im Jahr 2018 noch nie zu solchen Geschiebemengen bzw. einer Beeinträchtigung seiner Liegenschaft gekommen sei. Auf Frage der Richterin, warum er sein Grundstück nicht auch entsprechend schütze, führt dieser aus, dass dies aus seiner Sicht nicht zulässig sei und er dann einen weiter untenliegenden Grundeigentümer nachteilig beeinflussen würde. Grund seiner Eingabe sei gewesen, dass ihm seine Versicherung klar und deutlich gesagt habe, dass eine Schadensbegleichung letztmalig erfolgt sei und bei einer Wiederholung die Versicherung aussteigen würde. Zur Entwässerung der Straße befragt gibt er an, dass es einen Berggraben gäbe, der die Straßenwässer aufnehme. Zudem sei die Neigung der Straße zum Hang hin, sodass die Straßenwässer geordnet abfließen könnten.

Befragt zum Zeitpunkt der Errichtung der Holzabgrenzung wird vom Beschwerdeführer mitgeteilt, dass dies im Jahr 2006 gewesen sei, davor habe es jedoch eine durchgehende Mauer gegeben. Auf diese habe sich die erwähnte baubehördliche Bewilligung laut Stellungnahme vom 30.10.2018 bezogen. Vom Rechtsvertreter wird ausgeführt, dass es in früheren Jahren immer wieder zu Schotterablagerungen unter der Brücke gekommen sei, jedoch diese nie über die Brücke bzw. auf die Liegenschaften des Beschwerdeführers und von Dr. AM gelangt seien. Diesbezüglich sei das Ereignis des letzten Jahres ein singuläres Ereignis gewesen. Am stärksten sei die Liegenschaft des Beschwerdeführers, dann in Folge die Liegenschaft TT und als drittes die Liegenschaft AM betroffen gewesen.

Von den Anwesenden wird bestätigt, dass das Hochwasserereignis vom 23.08.2018 kausal für die Beeinträchtigung der Liegenschaft AM gewesen sei, wobei aber nicht beurteilt werden könne, ob bei einer entsprechenden Räumung des Durchlasses des Brückenbauwerkes sich die Situation anders entwickelt hätte oder nicht. Abschließend wird vom Rechtsvertreter ausgeführt, dass die Maßnahme nicht den Abfluss des Wassers behindert habe, es sei mit dem Wasser jedoch Geröll mitgeschleppt worden, welches sich über alle drei Liegenschaften verteilt habe. Von Dr. AM wird abschließend der Antrag auf Beseitigung der Anlagen aufrechterhalten, da ein Unterschied bestehe, ob eine Barriere vorhanden sei oder nicht, sprich ob freie Abflussverhältnisse gegeben seien oder nicht.

2.       Nachstehender

S a c h v e r h a l t

wird als erwiesen festgestellt und der nachfolgenden Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind grundbücherliche Eigentümer des GN ZZZ/4 KG EE. Im nördlichen Bereich des GN ZZZ/4 KG EE angrenzend zur Wegparzelle GN QQQ KG EE, NN-Weg (im Eigentum der Interessentenweg-Genossenschaft NN) haben die Beschwerdeführer im Jahr 2006 aus Rundhölzern ein Längsbauwerk im Ausmaß von ca. 11 m errichtet (Zaunanlage), um ihr Grundstück vor den bei der Schneeräumung anfallenden Schneemassen zu schützen. Dieses Längsbauwerk dient nicht dazu, anfallende Oberflächenwässer von ihrem Grundstück abzuleiten.

Im Zuge des Hochwasserereignisses am 23.08.2018 kam es zu einer Verklausung des Brückendurchlasses nördlich der GN ZZZ/4 KG EE mit der Folge, dass der Hochwasserabfluss dem Straßenverlauf folgend Richtung Osten erfolgt ist. Durch das mitgeführte Geschiebe kam es zu einer Verlegung der Zwischenräume im Bereich der Zaunanlage, sodass der Abfluss in Richtung Osten entlang der Straße konzentriert wurde und erst im Bereich der GN YYY/4 KG EE über die talseitige Böschung abfließen konnte, da in diesem Bereich kein Zaun an der Nordgrenze vorhanden ist. Auch auf dem Grundstück der Beschwerdeführer GN ZZZ/4 KG EE kam es zu massiven Geschiebeablagerungen (Lichtbilder Beilage zur Beschwerdeschrift). Die GN ZZZ/4 KG EE befindet sich zur Gänze in der roten Gefahrenzone, die GN ÖÖÖ/3 KG EE ca. zu einem Drittel.

Der Eigentümer der GN ÖÖÖ/3 KG EE brachte mit Schreiben vom 05.09.2018 einen „Antrag auf wasserrechtliche Überprüfung“ bzw. einen „Antrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gem. § 138 WRG unter Bezug auf § 39 (1) WRG“ bei der belangten Behörde ein. Begründet wurde dieser damit, dass seine Oberlieger - die Grundeigentümer der GN ZZZ/3 und GN ZZZ/4 je KG EE - Sicherungsmaßnahmen am Straßenrand zur Ablenkung von Wasser und Geschiebe etc. des NN-Baches getroffen habe, die für ihn als Unterlieger zu Nachteilen geführt haben. Es wurde eine Plandarstellung sowie Lichtbilddokumentation über die Vermurung seines Grundstückes am 23.08.2018 beigelegt. Das Grundstück des Antragstellers wurde erstmalig im Rahmen des Hochwasserereignisses mit Geschiebemengen dieser Dimension beeinträchtigt. Die Errichtung eines Schutzzaunes schließt der Antragsteller mit der Begründung aus, dass er damit den weiteren Unterlieger nachteilig beeinflussen würde.

Zur

B e w e i s w ü r d i g u n g

wird festgestellt, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus der Aktenlage sowie aus dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung ergibt. Als unstrittig hat sich ergeben, dass das Hochwasserereignis vom 23.08.2018, bei welchem es sich um ein HQ100 gehandelt hat, kausal für die Beeinträchtigung der Liegenschaften war. Aus den vorliegenden Lichtbildern kam es sowohl auf dem Grundstück der Beschwerdeführer als auch auf dem Grundstück des Antragstellers zu massiven Geschiebeablagerungen, die die außerordentliche Dimension dieses Ereignisses deutlich belegen. Als nachvollziehbar und plausibel haben sich auch die Angaben hinsichtlich einer geordneten Beseitigung der auf dem NN-Weg anfallenden Oberflächen/Straßenwässer durch einen Berggraben ergeben. Eine Ableitung von Straßenoberflächenwässern über die Grundstücke GN ZZZ/4, GN ZZZ/3 und GN YYY/4 je KG EE erfolgt nicht. Die Angaben der Beschwerdeführer, dass die Errichtung des Längsbauwerkes aus Rundhölzern nicht zum Zweck der Ab- bzw. Umleitung von Oberflächenwässern, sondern zur Hintanhaltung von Schneeablagerungen durch die Räumung der vorbeiführenden Straße errichtet wurden, waren nachvollziehbar und plausibel. Dies deshalb, da es nach übereinstimmenden Angaben gar nie zu Ableitung von Straßenoberflächenwässern über das Grundstück der Beschwerdeführer gekommen ist. Die Angaben der Behördenvertreter, dass es sich um ein Verfahren gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG iVm § 38 WRG und nicht gemäß § 39 WRG gehandelt haben soll, waren wenig nachvollziehbar und haben sich aus dem Verwaltungsakt diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Die Durchführung des von den Beschwerdeführern beantragten Ortsaugenscheins war für die Ermittlung des Sachverhaltes und aufgrund der vorliegenden Lichtbilder nicht erforderlich.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu erwogen:

I.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles … und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- und Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 138 Abs 1 lit a Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG, BGBl Nr. 215/1959 idgF ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Gemäß Abs 6 leg cit sind als Betroffene im Sinne des Abs 1 die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in Erledigung der Wasserrechtsbeschwerde von Dr. AN AM als Betroffener iS § 138 Abs 6 WRG und offenbar unter Heranziehung der Bestimmung des § 39 WRG, obwohl dieser als Rechtsgrundlage im Bescheid an keiner Stelle genannt wurde, ein wasserpolizeilicher Auftrag gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG iVm § 39 WRG, gerichtet an die Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer, erlassen.

Wesentlich ist, dass für einen auf § 138 Abs 1 iVm § 39 WRG 1959 gestützten wasserpolizeilichen Auftrag die Voraussetzungen beider Gesetzesbestimmungen gegeben sein müssen (VwGH 10.11.2011, 2010/07/0008 ua).

Gemäß § 39 Abs 1 WRG darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern. Selbiges gilt nach Abs 2 leg cit auch für obere Grundstücke.

Als Sonderfall - und zwar aufgrund dessen, dass es sich beim § 39 WRG 1959 um keinen Bewilligungstatbestand handelt - gilt, dass ein Grundstückseigentümer, der der Vorschrift des § 39 Abs 1 (oder Abs 2) WRG zuwiderhandelt, damit den Tatbestand des § 138 Abs 1 lit a verwirklicht (VwGH 23.04.2014, 2011/07/0236 mit Hinweis auf VwGH 26.02.1998, 97/07/0175).

Das heißt, § 39 WRG 1959 konkretisiert parallel zu zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen nachbarrechtliche Rücksichtnahmepflichten. Die Vorschrift des § 39 WRG 1959 legt Verpflichtungen fest, deren Zuwiderhandeln Grundlage für ein behördliches Vorgehen sein kann (VwGH 20.05.2010, 2008/07/0127).

Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 39 WRG ist, dass der natürliche Abfluss des sich auf einem Grundstück ansammelnden oder darüber fließenden Gewässers nicht willkürlich verändert werden darf.

Willkür liegt nicht vor, wenn ein privatrechtlicher Titel, der gegen alle betroffenen Ober- oder Unterlieger wirksam ist, zu der Änderung berechtigt. Willkür liegt auch nicht vor, wenn eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegt. Auch die zwangsläufige Veränderung des natürlichen Ablaufs des Niederschlagswassers durch baubehördlich bewilligte Gebäude bzw. durch Straßen ist nicht willkürlich; … Liegt für Maßnahmen eine straßenrechtliche Bewilligung vor oder sind sie bewilligungsfrei, so handelt es sich um keinen willkürlichen Eingriff. Schließlich kann von einer willkürlichen Änderung auch bei Naturereignissen nicht die Rede sein; § 39 WRG 1959 ist nicht anwendbar (VwGH 28.02.2013, 2011/07/0264, LVwG Salzburg Erkenntnis vom 14.12.2017, 405-1/222/2/10-2017).

Im gegenständlichen Fall erfolgte die Beeinträchtigung des GN YYY/4 KG EE durch Geschiebeablagerungen unbestritten als Folge eines 100-jährlichen Hochwasserereignisses am 23.08.2018 durch eine Verklausung eines Brückendurchlasses. Schon aus diesem Grund scheidet eine Anwendung des § 39 WRG aus (vgl. LVwG Salzburg Erkenntnis vom 22.01.2015, LVwG-1/120/7-2015).

Wie von den Beschwerdeführern vorgebracht, erfolgte keine Beeinträchtigung des unterliegenden Grundstückes grundsätzlich durch eine Ableitung von Oberflächenwässern, die sich auf ihrem Grundstück angesammelt haben oder als natürlicher Abfluss darüber fließen würden, da die anfallenden Straßenoberflächenwässer über einen bestehenden Berggraben geordnet abgeführt werden. Dass es durch die vorhandenen Rundhölzer auf dem Grundstück der Beschwerdeführer als Einfriedung der nördlichen Grundstücksgrenze zu einem gewissen Ablenkeffekt gekommen ist, mag den Tatsachen entsprechen, jedoch kann aufgrund der Lage des Grundstücks des Antragstellers zu eine Drittel in der roten Gefahrenzone es nicht ausgeschlossen werden, dass es trotzdem zu Beeinträchtigungen des GN YYY/4 KG EE bei diesem außergewöhnlichen Hochwasserereignis gekommen wäre.

Dass die Errichtung der Rundhölzer nicht den Zweck einer Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse gehabt haben, sondern die Ablagerung von Schnee auf dem Grundstück der Beschwerdeführer bei der Räumung des NN-Weges verhindern sollten, ist irrelevant, da es für die Anwendbarkeit des § 39 entscheidend ist, dass die in Rede stehende Maßnahme zwar Veränderungen des natürlichen Abflusses zur Folge, aber nicht zum Inhalt hat (siehe Lindner in Oberleitner/Berger, WRG-ON 4.00 § 39 RZ 11 Stand 15.7.2018, rdb.at).

Im gegenständlichen Fall mangelt es für die Anwendbarkeit des § 39 WRG iVm § 138 Abs 1 lit a WRG jedoch an dem Kriterium der Willkür. Die Rundhölzer auf dem Grundstück der Beschwerdeführer wurden im Jahr 2006 errichtet und kam es außerhalb dieses HQ100 nach Angaben aller Parteien und Beteiligten im Beschwerdeverfahren zuvor noch nie zu einer Beeinträchtigung unterliegender Grundstücke durch umgeleitete Oberflächenwässer.

Zu dem Vorbringen der Vertreter der belangten Behörde, dass der gegenständliche Bescheid auf der Rechtsgrundlage des § 138 Abs 1 lit a iVm § 38 WRG erging, fehlte jeglicher Anhaltspunkt.

Gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer eigenmächtigen Neuerung die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (VwGH 30.03.2017, Ra 2015/07/0114 ua).

Gemäß § 38 Abs 1 WRG ist zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflußgebietes fließender Gewässer … nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist.

Es obliegt der belangten Behörde in einem eigenen Verfahren zu prüfen, ob es sich bei der Errichtung der Rundhölzer an der nördlichen Grundstücksgrenze des GN ZZZ/4 KG EE um eine bewilligungspflichtige Maßnahme im HQ30 des NN-Baches handelt und ob in der Folge ein bedingter (§ 138 Abs 2 WRG) oder unbedingter (§ 138 Abs 1 lit a WRG) wasserpolizeilicher Auftrag zu erlassen ist oder nicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision (§ 25a VwGG):

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu § 138 Abs 1 lit a iVm § 39 WRG. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wasserrecht, Naturereignis, Willkür

Anmerkung

vgl. LVWG Salzburg Erkenntnis vom 22.01.2015, LVWG-1/120/7-2015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2019:405.1.366.1.4.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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